Impulse
aus der Abtei
In geprägten Zeiten (Fastenzeit, Osterzeit, Advents- und Weihnachtszeit) bieten wir Ihnen auf dieser Seite geistliche Impulse an, die Bezug nehmen auf die Liturgie des Tages.
Vom 1.12.2023 – 1.1.2024 gibt es hier täglich einen Impuls zu den Lesungen des Ökumenischen Bibelleseplans.
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (7.1.2024)
ImpulsGedenke, wie kurz mein Leben ist,
wie vergänglich du alle Menschen geschaffen hast!
Ps 89,48 (gesamter Text: Ps 89, 20-53)
Endlich ist unser Leben.
Vergänglich.
Der Psalm 89, der uns heute in seinen Versen 20 bis 53 begleitet,
weist uns darauf hin, was diese Endlichkeit bedeutet.
Scheinbar ist er kein ermutigender Psalm in das neue Jahr hinein.
Er verweist auf Versagen und Abwendung von Gott.
Unser Leben ist auch Sünde und Schuld.
Es ist Abkehr von Gott
und Hinwendung zu dem, was uns scheinbar wichtiger ist.
Dem gegenüber steht der Bund Gottes.
ER will ihn nicht verlassen,
will zu ihm stehen,
will zu uns stehen.
Ich darf mich fragen lassen:
Wo aber habe ich mich IHM entgegen gestellt,
wo habe ich Seine Botschaft missachtet,
wo habe ich mich IHM entzogen?
Im Psalm rufen wir nach Seiner Gnade,
nach der Erfüllung Seiner Zusagen.
Erfüllen wir die unsrigen?
Dann ist es doch ein guter Psalm ins neue Jahr hinein,
einer, der uns Mut macht,
der uns auf- und herausfordert.
So dass wir dann bekennen können:
„Gelobt sei der Herr ewiglich!“
P. Guido Hügen OSB
Impuls an Epiphanie (6.1.2024)
ImpulsSie verließen sogleich die Synagoge und gingen zusammen mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen sogleich mit Jesus über sie und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie diente ihnen.
Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu sagen, dass sie wussten, wer er war.
In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, verkündete in ihren Synagogen und trieb die Dämonen aus. (Mk 1,29-39)
Kurz vor Ende des vergangenen Jahres ereignete sich ein kleines Weihnachtswunder.
Der Spiegel, der ja eher für kirchenkritische Berichterstattung bekannt ist, berichtet auf Spiegel Online sehr wohlwollend über ein Kirchenereignis. Das Ereignis war die Aussendung der Sternsinger am 28.12.
In den vergangenen Tagen und besonders heute sieht man ja wieder Jungen und Mädchen als heilige drei Könige von Haus zu Haus ziehen, um die Häuser und ihre Bewohner zu segnen.
Mit dieser Tradition sind wir schon mitten im heutigen Fest Epiphanie. Denn natürlich erinnern wir uns heute an die drei Weisen aus dem Morgenland, aber der heutige Tag symbolisiert auch den Weg der frohen Botschaft in die Welt unter uns Menschen.
Mit der scheinbar kleinen Geste der Sternsinger bringen sie somit das Weihnachtsgeheimnis in jedes Haus. Und das, was sie machen, ist alles andere als klein, denn es bedarf den vollen Einsatz und auch ein bisschen Mut, und es bewirkt oft mehr, als wir denken.
Vielleicht ist eine der mächtigsten Krankheiten unserer Zeit die Einsamkeit, und für manche Menschen ist z.B. der Besuch der Sternsinger einer der wenigen Besuche, die sie überhaupt bekommen. Aber nicht nur ältere Menschen leiden in unserer Gesellschaft an Einsamkeit, auch Jugendliche werden oft mit ihren Problemen alleine gelassen, Arbeits- oder Obdachlose werden sozial isoliert und ausgegrenzt, Flüchtlinge als „Bedrohung“ stigmatisiert.
Wir denken, dass wir immer alle unsere Probleme alleine lösen könnten, mit ein wenig Selbstoptimierung. Heilung geschieht aber viel leichter, wenn Menschen sich Menschen zuwenden und gemeinsam durch die Nacht gehen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls an Neujahr (1.1.2024)
ImpulsVon der Huld des HERRN will ich ewig singen, von Geschlecht zu Geschlecht mit meinem Mund deine Treue verkünden. Denn ich bekenne: Auf ewig ist Huld gegründet, im Himmel deine Treue gefestigt. Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Erwählten und David, meinem Knecht, geschworen: Auf ewig gebe ich deinem Haus festen Bestand und von Geschlecht zu Geschlecht gründe ich deinen Thron. Die Himmel preisen deine Wunder, HERR, und die Versammlung der Heiligen deine Treue. Denn wer im Gewölk gleicht dem HERRN, ist dem HERRN ähnlich unter den Söhnen der Götter? Gewaltig ist Gott im Rat der Heiligen, für alle rings um ihn her ist er groß und furchtbar. HERR, Gott der Heerscharen, wer ist wie du? Mächtig bist du, HERR, und von Treue umgeben. Du beherrschst den Aufruhr des Meeres; wenn seine Wogen toben – du glättest sie. Rahab hast du durchbohrt und zertreten, deine Feinde zerstreut mit starkem Arm. Dein ist der Himmel, dein auch die Erde; den Erdkreis und was ihn erfüllt hast du gegründet. Nord und Süd hast du geschaffen, Tabor und Hermon jauchzen bei deinem Namen. Dein Arm ist voll Heldenkraft, deine Hand ist stark, deine Rechte hoch erhoben. Recht und Gerechtigkeit sind die Stützen deines Thrones, Huld und Treue schreiten dir entgegen. Selig das Volk, das den Jubelruf kennt, HERR, sie gehen im Licht deines Angesichts. Sie freuen sich allezeit über deinen Namen und sie jubeln über deine Gerechtigkeit. Denn du bist ihre Schönheit und Stärke, du erhöhst unsre Kraft in deiner Güte. Ja, dem HERRN gehört unser Schild, dem Heiligen Israels unser König. (Psalm 89, 1-19)
Kriegsmächte
sind im Aufruhr.
Die Erde bebt,
Pflanzen sterben,
Tiere verenden.
Menschen hassen,
Leben zerstört
Am Boden.
Hochmut schlägt zurück
Gier beutet aus
Hilferufe verhallen
im Bombenwind
Ob er wohl aufsteht
zu retten?
Ob er seinen Schild
über uns hält?
Ob es ohne ihn
noch schlimmer wäre?
Das Neue bricht an
es ist nicht einfach da.
Wir hören
das Brechen
der Schale
das Bersten
des Panzers
und geben die Hoffnung auf die Blüte nicht auf
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 31. Dezember (31.12.2023)
ImpulsHalleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben in meinem Leben, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin. Der HERR ist König auf ewig, dein Gott, Zion, durch alle Geschlechter. Halleluja!
Vorhang auf für Gottes Held! Licht und Spot an! Und mit Freude in die Hände klatschen. Mit dem 146. Psalm leuchtet uns in diesen Weihnachtstagen gleich einem hellen Kerzenlicht am Christbaum ein jubilierender Psalm in die Herzen. Da loben, preisen und singen Herz und Seele aus vollster Kehle, man möchte fast vor lauter Freude mittanzen. Diese Freude drückt aus, worum es Gott mit uns und der Welt geht. Es geht um Gottes Schöpferkraft, um seine ewige Treue, Hilfe und Gerechtigkeit, Nahrung und Freiheit, Trost und Heilung, ganz speziell um Schutz für alle Fremden, und um große Liebe. Was für ein Psalm, mit dem wir ankämpfen können gegen Verzweiflung, Erschöpfung und Dunkelheit. Und da wird auch gesprochen von Dingen, von denen Maria in ihrem Magnificat singt. Gottes Held betritt an Weihnachten die Bühne der Welt. Jesus – Gottes Held, der für uns mit der Liebe das Leben erkämpft. Jesus – der Morgenstern, der uns einen Weg in die Zukunft weist. Jesus – Weg ins Leben, der uns zeigt, was es für eine gute Welt braucht. Jesus – der Sohn des Höchsten, der uns die Liebe Gottes erklärt und die Tore zu Gottes ewiger Nähe wieder aufschließt, wo sie verschlossen waren.
Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich in seinem höchsten Thron, der heut schleußt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.
Ja, der 146. Psalm zeigt uns, um was es an Weihnachten geht: Mit Gottes Held im Herzen hat eine Licht.Zeit begonnen und leuchtet durch die Zeit.Fenster in unserer oft dunklen Welt. Alltag. Der Zeit.Punkt hat sich an Weihnachten geändert. Die Licht.Quelle ist auf der Welt.Bühne erschienen. Eine Lichterzeit, in der die Hoffnung immer heller leuchtet. De Zeit, mit der das Leben neu beginnt. Was für eine tolle Verheißung für das neue Jahr.
Fröhlich soll mein Herze springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen. Hört, hört, wie mit vollen Chören alle Luft laute ruft: Christus ist geboren! Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer. Gott wird Mensch, dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbindt sich mit unserm Blute.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 30. Dezember (30.12.2023)
ImpulsEin Loblied Davids.
Ich will dich erheben, meinen Gott und König, ich will deinen Namen preisen auf immer und ewig.
Jeden Tag will ich dich preisen und deinen Namen loben auf immer und ewig.
Groß ist der HERR und hoch zu loben, unerforschlich ist seine Größe.
Geschlecht um Geschlecht rühme deine Werke, deine machtvollen Taten sollen sie künden.
Den herrlichen Glanz deiner Hoheit und deine Wundertaten will ich besingen.
Von der Macht deiner Furcht erregenden Taten sollen sie reden, von deinen Großtaten will ich erzählen.
Sie sollen die Erinnerung an deine große Güte wecken und über deine Gerechtigkeit jubeln.
Der HERR ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld.
Der HERR ist gut zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.
(Psalm 145,1-9)
Das Ende eines Jahres ist die Zeit der Jahresrückblicke. Politisch, gesellschaftlich, kirchlich, persönlich – überall wird uns präsentiert, was in diesem Jahr 2023 alles passiert ist.
Der 145. Psalm lädt mich zu einem besonderen Jahresrückblick ein: Gottes Großtaten „sollen die Erinnerung an seine große Güte wecken und über seine Gerechtigkeit jubeln.“ Das setzt einen anderen Fokus als die oft resignativ-melancholische Stimmung mancher Rückblicke. Ich bin eingeladen, auf „Gottes Großtaten“ zu schauen, auf das Gute, das er für mich persönlich getan hat. Ich bin eingeladen, auf Gottes Barmherzigkeit zu schauen: wo hat er sie mir ganz konkret erwiesen?
Und ich bin eingeladen, Gott zu preisen und vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken.
Was hat mir Hoffnung im vergangenen Jahr gegeben? Und mit welcher Hoffnung gehe ich ins neue Jahr?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 29. Dezember (29.12.2023)
ImpulsDamals lebte auch Hanna, eine Prophetin, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. (Lk 2,36-38)
Ich bin wirklich froh, dass es diese Bibelstelle gibt. Die Offenbarung des Messias ergeht auch an eine Frau. Hannah hat Anteil am prophetischem Wirken der Kirche. Vielleicht sollte uns dieser Abschnitt aus der Heiligen Schrift ermutigen, häufiger auf die Stimme von Frauen zu hören. Wie reich an unterschiedlichen Charismen könnte so die Kirche sein.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am 28. Dezember (28.12.2023)
ImpulsHerr, nun kann dein Diener in Frieden sterben, denn du hast deine Zusage erfüllt. Mit eigenen Augen habe ich das Heil gesehen, das du für alle Völker bereitet hast – ein Licht, das die Nationen erleuchtet, und der Ruhm deines Volkes Israel. (Lk 2,29-32, Neue Genfer Übersetzung)
Erfülltes Leben eines alten Mannes, der lange, lange in seinem Leben gewartet hat, ohne aufzugeben, auch wenn unsicher war, ob die Erfüllung seines tiefsten Wunsches tatsächlich Wirklichkeit werden würde. Simeon steht für die Sehnsucht des jüdischen Volkes nach der Ankunft des Friedensbringers, und auch für die der ganzen Menschheit nach dem Ende der Kriege, der Ängste und Schrecken, ja des Todes überhaupt. Auch wir können uns wiederfinden in dieser Gestalt, die Ausschau hält nach dem allesumspannenden Frieden, dem Shalom.
Simeon ist IHM begegnet, so berichtet das Lukasevangelium – in Jesus, dem Kleinkind, das Josef und Maria dankbar für die glückliche Geburt zum Tempel brachten. Weil er vom Heiligen Geist geführt wurde, durch Leere, Unruhe und Schatten hindurch, gingen ihm die Augen auf. Und er nahm es in den Arm.
– In der engen Verbindung zum göttlichen Geist warten
– unbeirrbar, unabgelenkt, ganz wach
– offen sein für die Hinweise auf die Zeichen der Gegenwart
– mit liebenden Augen erkennen, nicht bloß durch Hörensagen.
Sein Warten hat sich gelohnt.
Welche Macht doch der wartende Glaube hat,
der ein Leben lang nur das eine sucht!
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am 27. Dezember (27.12.2023)
ImpulsDanach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach dem Kind; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige! Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land. (Mt 2,7-12)
„Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt“.
Die Magier, die das göttliche Kind suchen, sind unsere Vorbilder in der Gottsuche. Jede Suchbewegung braucht einen Leitstern. Üben wir neu ein, unserer Sehnsucht zu vertrauen, dass Gott selbst uns auf unseren Wegen mit seinem Stern begleitet. Möge die Schwelle vom alten zum neuen Jahr stets vom göttlichen Stern begleitet sein. Diese Zusage, dass Gott mit uns ist, erfülle unsere Herzen mit großer Freude.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Zweiten Weihnachtstag (26.12.2023)
ImpulsAls Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Christus geboren werden solle. Sie antworteten ihm: in Betlehem in Judäa; denn so steht es geschrieben bei dem Propheten: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel. (Mt 2,1-6)
Über der Krippe liegt schon ein Schatten, der Schatten des Kreuzes. In der heutigen Lesung wird das angedeutet, wenn wir hören, dass König Herodes „und mit ihm ganz Jerusalem“ erschrecken darüber, dass ein neuer Stern aufgegangen ist, ein neuer König geboren. König Herodes erschrickt, weil er eine Gefahr für seine Macht sieht, einen potentiellen Konkurrenten, den es mit allen Mitteln auszuschalten gilt. Und dann auch noch in Betlehem, diesem Provinznest, dem verschlafenen Städtchen in Juda.
Weihnachten bringt alles durcheinander. Die Macht der Mächtigen kommt ins Wanken, weil sie sich von einem neugeborenen Kind erschrecken lassen. Die Sterndeuter hingegen lassen sich ein auf den unbekannten Stern. Sie kommen – nicht in böser Absicht, sondern voller Neugier und Staunen. Nicht das Erschrecken, sondern das Staunen wird die Welt retten – so wie ein Kind noch staunen kann über das viele Neue, das ihm begegnet.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Ersten Weihnachtstag (25.12.2023)
ImpulsIn dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat! So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. (Lk 2,8-20)
Das Wunder beginnt
Nicht im Tempel
Auch nicht in einer Kirche.
Sondern
Auf freien Feld
Unter Sternen – in Nacht
Das Wunder beginnt
Aber nicht auf Befehl
Nicht in Predigt und Belehrung
Sondern
Im Lied vom Himmel her
In der Weite zitternder Hirtenherzen
Das Wunder beginnt
Nicht in einer Explosion
Nicht im Dröhnen
Sondern
Im zarten Säuseln des Windes
In Rührung der Seelen
Das Wunder
Ist wie ein Kind – unschuldig, bedürftig, nackt, arm
wenig göttlich, gar nicht allmächtig
streckt seine Hände in die Welt hinein aus
Das Wunder
Geschieht überall und immerwährend
Alles Leben der Welt wird geboren
Dem Gottesherzen entfließt es
umarmt die Welt
Das Wunder
allgegenwärtig – allliebend – allseiend
Gezeugt nicht geschaffen
Mensch aller Menschen
noch immer unter uns
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 24. Dezember (24.12.2023)
ImpulsEs begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. (Lk 2,1-7)
Ein seltsamer Tag heute.
Morgens noch 4. Advent.
Im Evangelium hören wir das,
was vor 9 Monaten war:
die Verkündung der Schwangerschaft Marias durch Gabriel.
In der Lesung aus dem 2. Buch Samuel
hören wir die Weissagung über den, der David nachfolgt.
Und ein paar Stunden später ist es schon Weihnachten.
Das Kind wird geboren, die Weissagung erfüllt.
Und das wars dann?
Verkürzte Adventszeit mit allem zusätzlichen Stress
– und plötzlich: umswitchen –Weihnachten …
So ist es manchmal im Leben.
Manches kommt schnell, manchmal zu schnell. Plötzlich.
Aber ist es nicht das, was wir im Advent begangen haben:
dass Gott ankommt, dass die Wiederkehr Jesu kommt?
Vielleicht ja ganz plötzlich. Wer weiß.
Bin ich bereit?
Und ja: erkenne ich die Ankunft Jesu?
Ein Text von Andrea Schwarz:
Meistens wird Gott ganz leise Mensch
die Engel singen nicht
die Könige gehen
vorbei die Hirten bleiben bei ihren Herden
meistens wird Gott ganz leise Mensch
von der Öffentlichkeit unbemerkt
von den Menschen nicht zur Kenntnis genommen
in einer kleinen Zweizimmerwohnung
in einem Asylantenwohnheim
in einem Krankenzimmer
in nächtlicher Verzweiflung
in der Stunde der Einsamkeit
in der Freude am Geliebten
meistens wird Gott ganz leise Mensch
wenn Menschen zu Menschen werden!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Samstag der Dritten Adventswoche (23.12.2023)
ImpulsMit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen / und einen Sohn gebären / und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, / das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar. Und er gab ihm den Namen Jesus. (Mt 1,18-25)
Heute Abend werden wir in der Vesper den 4. Advent begrüßen und traditionell einen Tag vor Heiligabend die siebte O-Antiphon singen.
O Immanuel,
unser König und Lehrer,
du Hoffnung und Heiland der Völker:
o komm, eile und schaffe uns Hilfe,
du unser Herr und unser Gott!
Dieser Text ist ja sozusagen eine prophetische Spiegelung unserer heutigen Bibelstelle aus dem Matthäus-Evangelium. Was sich einst wie ein Lichtschimmer am Horizont gezeigt hat, nur zu erahnen war, wird sich nun erfüllen. Jesus wird geboren werden. Diese Erfüllung erfahren wir heute auch in unserer Liturgie, die Zeit des Advents ist vollendet. Eine Hoffnung wird zur Wirklichkeit. Die Welt verändert sich.
Auch wir erleben solche Momente, die alles unerwartet auf den Kopf stellen. Wir scheinen zu wissen, was wir wollen, so wie einst Josef, und dann dreht sich doch alles. Eine Hoffnung, eine Ahnung steigt auf, eine Begegnung, und wir wissen gar nicht, woher auf einmal dieser neue Impuls kommt.
Etwas zeigt sich wie in einem Traum, steigt in uns auf und führt uns auf einen neuen Weg.
Zur Vollendung dieses Neuen kann es dann manchmal erst viel später kommen, und in diesem Moment verstehen wir dann, wohin uns dieser kleine Lichtschimmer, den wir einst fast nur erahnen konnten, am Ende geführt hat.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Freitag der Dritten Adventswoche (22.12.2023)
ImpulsIm sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel. (Lk 1,26-38)
Kaum eine biblische Stelle ist so in der Kunstgeschichte rezipiert worden. Maria in frommer Betrachtung meistens auf einem Betschemel, und der Engel tritt hinzu. Ein sanftes Zurückweichen ob der Ansprache des Engels wird sichtbar. Erschrecken allerdings sieht anders aus. Aufgerissene Augen, panische Gesichtszüge. Sonst bräuchte es die Zusage des Engels nicht: Fürchte Dich nicht. Sie alle kennen Situationen der Angst und des Erschreckens. Viele von uns haben Sorgen und Nöte. Diese greift Lukas auf. Ich muss nicht gleich in frommer Ergebung alles erdulden. Ich darf Angst und Not haben. Ich darf auch beim Engel des Herrn nachfragen. Ich darf Unverständnis zeigen. Erst danach darf die Zustimmung kommen.
Gottes Heil kommt in die Welt. Er bedient sich der Person Marias. Und diese Frau reagiert so, wie wir auch reagieren würden. Angst und Not. Nachfrage und dann Zustimmung. Gott wird Mensch, und er wird Mensch im Menschen Maria. Gott kommt heute in die Welt und bedient sich bei uns Menschen heute.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Adventswoche (21.12.2023)
ImpulsAber du, Betlehem-Efrata,
bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen,
der über Israel herrschen soll.
Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen.
Darum gibt er sie preis, bis zu der Zeit,
da die Gebärende geboren hat.
Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren zu den Söhnen Israels.
Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des HERRN,
in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.
Sie werden in Sicherheit wohnen; denn nun wird er groß sein
bis an die Grenzen der Erde.
Und er wird der Friede sein.
(Micha 5, 1-4a)
Wir geben die Hoffnung nicht auf.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir meinten, wenn der Messias kommt, wird alles von selbst besser. Und deshalb einfach so weitermachen könnten wie bisher.
Sondern weil wir daran festhalten, dass die Botschaft Jesu vom Reich Gottes, sein Verhalten angesichts der tödlichen Bedrohung und seine Auferstehung ein Lichtblick sind.
Durch ihn erkennen wir, dass Gott am Werk ist und er uns einen Weg zeigt, den Frieden zu finden. Keinen Frieden, der zustande kommt durch raffinierte Ideen, durch äußeren Druck oder geniale Methoden. Sondern aus Gottes Kraft in Jesu Worten und Taten. Durch „Friede sein“, wie es in V. 4a heißt.
Zu Weihnachten werden wir uns von neuem bewusst, dass wir empfangen, was wir selbst gern weiterschenken möchten: die allen Hass überbrückende Wohltat des Ja Gottes zu jedem von uns. Sie geht allem voraus, was uns zu tun aufgegeben ist. Sein Friede steckt an, versöhnt, befreit, lässt uns aufatmen, überwindet kleinliche Vorbehalte und reicht die Hand. Deshalb geben wir die Hoffnung nicht auf.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Adventswoche (20.12.2023)
ImpulsDas Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf. Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Midian. Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird das vollbringen.
(Jes 9,1-6)
Die heutige Lesung werden wir auch in diesem Jahr wieder in der Christmette der Weihnachtsnacht hören. Alles wie immer also? Die Worte vom Licht in der Finsternis, vom Joch, das zerbrochen wird, vom neu geborenen Kind, dem Friedensfürst. Die Realität aber sieht ganz anders aus: Menschen, die unter Krieg, Terror und Gewalt leiden, Herrscher, die ihre Völker unterdrücken – Dunkelheit statt Licht allenthalben.
Die alten Verheißungen können nur dann ihre Sprengkraft entfalten, wenn sie uns dazu antreiben, in ihrem Sinne die Wirklichkeit zu verändern. So zu leben, als seien die Verheißungen schon Wirklichkeit. Das zu tun, was ich kann, um die Welt zu einem besseren, friedlicheren Ort zu machen.
Vielleicht kann ich die letzten Tage vor dem Fest damit anfangen. Denn es ist nie zu spät, damit anzufangen, die Welt heller zu machen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Dienstag der Dritten Adventswoche (19.12.2023)
ImpulsDu, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.
(Sach 9,9-10)
Wie oft singen wir diese Verse in diesen Tagen.
„Tochter Zion …“
Leider
sind sie für uns kein Lobgesang.
Sondern flehentliche Bitte.
Sei du, Herr,
Friedenskönig und Gekreuzigter
ein Gerechter und ein Helfer,
gebiete und schaffe Du
Frieden allen Völkern,
ergreife du deine Herrschaft!
Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Krieg, Gewalt, Terror und Hass.
Von Gott keine Spur?
Vielleicht entdecken wir
Seine Spur ja in uns.
Und können ein klein wenig beitragen
zu Frieden und Gerechtigkeit,
können Hoffnung und Liebe säen.
Packen wir es an!
Machen wir uns mit dem Motto des
Friedenslichtes aus Betlehem,
das auch bei uns in der Marienkapelle brennt,
AUF DIE SUCHE NACH FRIEDEN!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der Dritten Adventswoche (18.12.2023)
ImpulsSo spricht der HERR Zebaoth: Es werden noch Völker kommen und Bürger vieler Städte, und die Bürger der einen Stadt werden zur andern gehen und sagen: Lasst uns gehen, den HERRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth; wir wollen mit euch gehen. So werden viele Völker und mächtige Nationen kommen, den HERRN Zebaoth in Jerusalem zu suchen und den HERRN anzuflehen.
(Sach 8,20-23)
Es ist irgendwie fast zum Verzweifeln, dass wir Menschen bis heute immer wieder das himmlische mit dem irdischen Jerusalem verwechseln.
Sicher, das irdische Jerusalem ist fundamental für drei Weltreligionen, ein großer Ort von Geschichte und Kultur, aber eben auch immer wieder Quelle von Zwietracht, Hass, Gewalt. Das liegt nicht alleine an diesem Ort, sondern ist eben etwas Menschliches, diese dunkle Seite von uns.
Das himmlische Jerusalem ist dagegen Vollkommenheit, Ort der Hoffnung für alle Menschen, Ursprung der Liebe, und kann daher nie die Quelle von Hass oder Gewalt sein.
Beide Orte verbindet, dass sie aber auch Sehnsuchtsorte für uns sind. Wir haben immer die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf eine Erfüllung. Wir Menschen machen uns immer wieder auf den Weg, eine neue Heimat zu suchen, einen besseren Ort, an dem wir vielleicht sicherer sind, weniger Not haben, unseren Kindern eine Zukunft geboten wird.
Ich denke bei einer solchen Heimatsuche an meine Großeltern, die Eltern meiner Mutter. Sie sind einst in den 1920er Jahren aus Pommern und aus Schlesien nach Berlin aufgebrochen, um dort ein besseres Leben zu suchen, und auf dieser Suche haben sie sich dann gegenseitig gefunden.
Das Bild oben ist eines der wenigen Fotos, das erhalten geblieben ist. Ein glücklicher Tag. Vielleicht ein Sonntag im Grünen. Mein Opa, wie immer, den Schalk ins Gesicht geschrieben, den Arm liebevoll um die Schulter meiner Oma gelegt. Beide strahlen.
Es ist eine Geschichte von Millionen. Vielleicht ein lichter Jerusalem-Moment.
„Zur Heimat erkor ich mir die Liebe“, schrieb einmal die jüdische Lyrikerin Mascha Kaléko in ihrem Gedicht „Die frühen Jahre“. Sie selbst fühlte sich ihr Leben an keinem Ort zuhause. Und dann erzählt gerade sie uns, wie leicht es doch sein kann, trotz aller Enttäuschungen oder geplatzter Träume den Weg nach Jerusalem zu finden.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dritten Adventssonntag (17.12.2023)
ImpulsDenn so spricht der HERR der Heerscharen: Wie ich plante, euch Böses zu tun, weil eure Väter mich erzürnten, spricht der HERR der Heerscharen, und es mich nicht reute, so habe ich umgekehrt in diesen Tagen geplant, Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht! Das sind die Dinge, die ihr tun sollt: Sagt untereinander die Wahrheit! Richtet in euren Stadttoren der Wahrheit gemäß und mit Urteilen, die dem Frieden dienen! Plant in eurem Herzen nichts Böses gegen euren Nächsten und liebt keine verlogenen Schwüre! Denn all das ist, was ich hasse – Spruch des HERRN. (Sach 8,14-17)
„Fürchtet euch nicht!“ Wie ein Grundton erscheint dieses Trostwort in den Büchern der Heiligen Schrift immer wieder – heute in der Kombination mit dem Plan Gottes, Gutes an seinem Volk zu tun. Eine wirkliche Freudenbotschaft, die wir an diesem Dritten Adventssonntag hören.
Der Dritte Adventssonntag ist geprägt von der Freude. GAUDETE (Freut euch) wird er genannt. Die Vorfreude auf das Fest der Menschwerdung steht dabei im Zentrum. Bei manchen Adventskränzen ist die Kerze dieses Sonntags deshalb etwas heller als die übrigen, und in der Liturgie wird das dunkle Violett der Messgewänder durch das leichtere, verspielte, hellere Rosa kurzzeitig abgelöst.
Aus dieser Freude über unsere Erlösung resultiert dann das Tun, wie es der Prophet Sacharja beschreibt: Die Wahrheit sagen, so urteilen, dass es der Wahrheit und dem Frieden dient, nichts Böses im Herzen gegen den Mitmenschen planen. Konkrete Forderungen, die sozusagen Konsequenzen dieser Grundhaltung der Freude sind. Keine moralischen Lasten, die mir aufgebürdet werden, sondern Elemente eines Lebens in der Freude der Erlösten.
Lassen wir diese Freude heute in unser Herz!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Adventswoche (16.12.2023)
ImpulsEs erging das Wort des HERRN der Heerscharen: So spricht der HERR der Heerscharen: Mit großem Eifer trete ich ein für Zion und mit großer Zornglut setze ich mich eifersüchtig für es ein. So spricht der HERR: Ich bin nach Zion zurückgekehrt und werde wieder in der Mitte Jerusalems wohnen. Dann wird Jerusalem Stadt der Treue heißen und der Berg des HERRN der Heerscharen Heiliger Berg. So spricht der HERR der Heerscharen: Greise und Greisinnen werden wieder auf den Plätzen Jerusalems sitzen; jeder hält wegen des hohen Alters seinen Stock in der Hand. Und die Plätze der Stadt werden voller Knaben und Mädchen sein, die auf ihren Plätzen spielen. So spricht der HERR der Heerscharen: Wenn das zu wunderbar ist in den Augen des Restes dieses Volkes in jenen Tagen, muss es dann auch in meinen Augen zu wunderbar sein? – Spruch des HERRN der Heerscharen. So spricht der HERR der Heerscharen: Seht, ich befreie mein Volk aus dem Land des Sonnenaufgangs und aus dem Land des Sonnenuntergangs. Ich werde sie heimbringen und sie werden in der Mitte Jerusalems wohnen. Sie werden mir Volk sein und ich werde ihnen Gott sein in Treue und in Gerechtigkeit. (Sach 8,1-8)
„Mit großem Eifer trete ich ein für Zion
und mit großer Zornglut setze ich mich eifersüchtig für es ein.“
So heißt es in der heutigen Tageslesung.
Kann das denn wahr sein?
Ein eifernder, zorniger, eifersüchtiger Gott?
Der „mit großer Zornglut“ handelt?
Reicht es nicht, wenn überall Menschen eifersüchtig und mit rasendem Zorn handeln?
Sehen wir nicht die Zerstörungen, die ein rasender Eifer auf der Welt anrichtet?
Und spricht nicht auch Benedikt in seiner Ordensregel von einem „bitteren Eifer, der von Gott trennt und in die Hölle führt“? (vgl. RB 72)
Der Zorn Gottes ist die andere Seite seiner Liebe.
Weil Gott sein Volk, uns, mich so liebt,
deshalb setzt er sich mit Eifer und Zornglut für sein Volk, uns, mich ein.
Das ist der „gute Eifer“, von dem Benedikt auch spricht, „der zum ewigen Leben führt“.
Leidenschaftslosigkeit ist für Gott keine Tugend, wie sie es für die Stoiker war.
Leidenschaft hält uns lebendig.
Und sie entspricht einem Gott, der sich leidenschaftlich, mit brennender Liebe für mich einsetzt.
Wagen wir es heute einmal, unsere Leidenschaften zuzulassen!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Adventswoche (15.12.2023)
ImpulsAuf, auf! Flieht aus dem Land des Nordens – Spruch des HERRN. Denn wie die vier Winde des Himmels habe ich euch zerstreut – Spruch des HERRN. Wehe, Zion, die du bei der Tochter Babel wohnst, rette dich! Denn so spricht der HERR der Heerscharen – um der Ehre willen hat er mich gesandt – gegen die Völker, die euch ausgeplündert haben: Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an. Ja, jetzt hole ich mit meiner Hand zum Schlag gegen sie aus, sodass sie eine Beute ihrer eigenen Knechte werden. Und ihr werdet erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich gesandt hat. Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in deiner Mitte – Spruch des HERRN. An jenem Tag werden sich viele Völker dem HERRN anschließen und sie werden mein Volk sein und ich werde in deiner Mitte wohnen. Dann wirst du erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich zu dir gesandt hat. Der HERR aber wird Juda in Besitz nehmen als seinen Anteil im Heiligen Land. Und er wird Jerusalem wieder auserwählen. Alle Welt schweige in der Gegenwart des HERRN. Denn er tritt hervor aus seiner heiligen Wohnung. (Sach 2,10-17)
„Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn.“ An diesem Satz aus der heutigen Tageslesung bleibe ich hängen. Nach der Rettung Israels aus dem Exil Babels, ein Tag, der für Israel wahrlich ein Tag des Jubels und der Freude war, wird Gott kommen und in der Mitte Jerusalems wohnen – auf dem Zionsberg, wo zur Zeit Sacharjas gerade der Tempel wiederaufgebaut wird.
Aber wenn Gott kommt, wenn er „aus seiner heiligen Wohnung hervortritt“, dann soll alle Welt schweigen in der Gegenwart des Herrn. Dann braucht es keine Worte mehr, dann dürfen wir uns schweigend an der Gegenwart Gottes erfreuen.
Der Advent ist eine oftmals sehr laute und geschäftige Zeit. Das Schweigen kommt in diesen Tagen manches Mal zu kurz. Vielleicht nehmen Sie sich heute im Getriebe des Alltags einmal bewusst einige Momente des Schweigens, um einfach nur da zu sein und zu hören, sich zu erfreuen an der Gegenwart Gottes. Dann nehmen wir vielleicht auch besser wahr, wenn er kommt, wenn er aus seiner heiligen Wohnung tritt und bei uns, bei mir einkehren will.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag der Zweiten Adventswoche (14.12.2023)
ImpulsDanach erhob ich meine Augen und sah: Siehe, da war ein Mann mit einer Messschnur in der Hand.
Ich fragte: Wohin gehst du? Er antwortete mir: Jerusalem auszumessen, um zu sehen, wie breit und wie lang es ist. Und siehe, da trat der Engel, der mit mir redete, hervor und ein anderer Engel trat auf, ihm entgegen.
Er sagte zu ihm: Lauf und sag dem jungen Mann dort: Jerusalem wird eine offene Stadt sein wegen der vielen Menschen und Tiere in seiner Mitte. Ich selbst – Spruch des HERRN – werde für Jerusalem ringsum eine Mauer von Feuer sein und zur Herrlichkeit werden in seiner Mitte. (Sacharja 2,5-9)
Es gibt Brände, die zerstören alles, was von ihnen erfasst wird: Waldbrände oder Hausbrände, die auf andere Gebäude überzugreifen drohen. Es gibt aber auch gezielt angelegte Feuer, die einen Schutzwall vor dem Übergreifen der Flammen bilden. Sie sollen bewirken, dass große Feuerlawinen, die auf Siedlungen oder Waldstücke zulaufen, dadurch gestoppt werden, dass ihnen die brennbare Nahrung entzogen wird, und erlöschen. Das sind schützende Feuer. Von ihnen ist im letzten Vers die Rede.
Alles Lebendige in dieser Stadt kann sich darauf verlassen, dass sich um die offene Stadt mit ihren Menschen und Tieren die schützende Macht Gottes wie eine Mauer aus Feuer legen wird. Darauf können alle vertrauen, die dort zu Hause sind, so versichert Sacharja. Gerade angesichts unsicherer Zeiten verstehen wir gut, wie wichtig ein solcher Schutz sein kann.
Was ängstigt mich so sehr, dass ich mich völlig schutzlos fühle, von Gefahren umzingelt; was bedrückt mich und entzieht mir die Lebensfreude? Die heutige Lesung möchte darauf aufmerksam machen, dass Du umfangen bist von einer Kraft, an die Du Dich jederzeit wenden kannst, wenn Deine Widerstandskräfte gegen böse Anfeindungen erlahmen, mögen sie von außen oder innen kommen.
„ Den Höchsten hast du zu deinem Schutz gemacht, dir begegnet kein Unheil!“
Psalm 91,9-10
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Adventswoche (13.12.2023)
ImpulsDer HERR antwortete dem Engel, der mit mir redete, in freundlichen Worten, Worten voll Trost. Da sagte mir der Engel, der mit mir redete: Verkünde: So spricht der HERR der Heerscharen: Mit großem Eifer trete ich für Jerusalem und Zion ein; aber ich bin voll glühendem Zorn gegen die Völker, die sich in falscher Sicherheit wiegen; als ich selbst nur ein wenig erzürnt war, halfen sie dem Unheil nach. Darum – so spricht der HERR: Voll Erbarmen wende ich mich Jerusalem wieder zu. Man wird mein Haus dort aufbauen – Spruch des HERRN der Heerscharen – und die Richtschnur über Jerusalem spannen. Weiter verkünde: So spricht der HERR der Heerscharen: Meine Städte werden wieder überfließen von Gütern. Der HERR wird Zion wieder trösten und er wird Jerusalem wieder auserwählen. (Sach 1,13-17)
In den Visionen das Propheten Sacharja sind mir beim Lesen zwei Sätze in Erinnerung geblieben. Der erste Satz lautet: „Der Herr antwortete dem Engel, der mit mir redete, in freundlichen Worten, Worten voll Trost.“ Und der zweite Satz: „Darum – so spricht der Herr: Voll Erbarmen wende ich mich Jerusalem wieder zu.“
Trost und Erbarmen sind Schlüsselworte Gottes an den Menschen. Bei allem Versagen und jeglicher Schuld sind das Erbarmen und der Trost Gottes den Menschen gewiss. Im Advent erwarten wir die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Die Liebe Gottes, sein Erbarmen und der Wunsch, den Menschen in Not und Leid Trost zu senden, sind so groß, dass Gott uns so nahe kommt, indem er Mensch wird.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Adventswoche (12.12.2023)
ImpulsIm zweiten Jahr des Darius erging im achten Monat das Wort des HERRN an den Propheten Sacharja, den Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos: Schwer hat der HERR euren Vätern gezürnt. Deshalb sag zu ihnen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt um zu mir – Spruch des HERRN der Heerscharen -, dann kehre ich um zu euch, spricht der HERR der Heerscharen. Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten verkündeten: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren heillosen Wegen und von euren heillosen Taten! Aber sie hörten nicht und schenkten mir kein Gehör – Spruch des HERRN. Wo sind nun eure Väter? Und die Propheten – leben sie ewig? Meine Worte und meine Gesetze, die ich meinen Knechten, den Propheten, gebot, haben sie sich nicht an euren Vätern erfüllt? Darauf kehrten sie um und sagten: Wie der HERR der Heerscharen geplant hatte, nach unseren Wegen und unseren Taten an uns zu handeln, so hat er an uns gehandelt. (Sach 1,1-6)
In der nächsten Woche lesen wir in unseren täglichen Adventslesungen Texte des Propheten Sacharja. Er ist um das Jahr 520 v. Chr. aufgetreten, zu einer Zeit, als das Volk Israel nach der großen Katastrophe des Babylonischen Exils in sein Land zurückkehren konnte. Das große Projekt, das Sacharja begleitet, ist der Wiederaufbau des zerstörten Tempels – für ihn ein Akt der Umkehr des Volkes Gott gegenüber.
„Kehrt um zu mir, dann kehre ich um zu euch!“ So legt es der Prophet Gott in den Mund. Umkehr ist ein wechselseitiges Geschehen. Nicht nur wir Menschen kehren um zu Gott – auch Gott kehrt um zum Menschen, er wendet sich uns wieder zu, macht einen neuen Anfang mit uns. So wie er einen neuen Anfang mit Israel nach dem Exil gemacht hat, so möchte er auch in diesem Advent mit uns neu beginnen.
Kehren wir heute neu um zu unserem Gott, denn er ist schon längst zu uns umgekehrt!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Zweiten Adventswoche (11.12.2023)
ImpulsIch komme, um alle Völker und Zungen zu versammeln, dass sie kommen und meine Herrlichkeit sehen. Und ich will ein Zeichen unter ihnen aufrichten und einige von ihnen, die errettet sind, zu den Völkern senden, nach Tarsis, nach Pul und Lud, nach Meschech, Tubal und Jawan und zu den fernen Inseln, wo man nichts von mir gehört hat und die meine Herrlichkeit nicht gesehen haben; und sie sollen meine Herrlichkeit unter den Völkern verkündigen.
Jes 66,18b-19
Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel:
die Verheißung, dass Gott alle Menschen versammeln will.
„ … so sammle die Menschen
aller Völker und Sprachen, aller Schichten und Gruppen
zum Gastmahl der ewigen Versöhnung in der
neuen Welt deines immerwährenden Friedens
durch unseren Herrn Jesus Christus.“
So heißt es im Hochgebet um Versöhnung.
Wie schön wäre es, wenn das heute schon Wirklichkeit wäre.
Doch wir Menschen gönnen es uns scheinbar nicht,
machen uns das Leben schwer
– im alltäglichen Miteinander
und im Großen des Krieges.
„Mach deine Kirche zum Zeichen der Einheit
unter den Menschen und zum Werkzeug
deines Friedens.“
So beten wir im gleichen Hochgebet.
Doch schon hier gelingt es oft nicht.
Liegt es vielleicht auch daran,
dass wir gerne beim ersten Vers des heutigen Textes hängen bleiben
und nicht den zweiten lesen?!
Wir sollen uns nicht ausruhen und abwarten.
Wir sind gesandt!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Zweiten Adventssonntag (10.12.2023)
ImpulsDenn vergessen sind die früheren Nöte, sie sind vor meinen Augen verborgen. Ja, siehe, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn. Vielmehr jubelt und jauchzt ohne Ende über das, was ich erschaffe! Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zum Jauchzen und sein Volk zum Jubel. Ich werde über Jerusalem jubeln und frohlocken über mein Volk. Nicht mehr hört man dort lautes Weinen und Klagegeschrei. Es wird dort keinen Säugling mehr geben, der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, der seine Tage nicht erfüllt; wer als Hundertjähriger stirbt, gilt als junger Mann, und wer die hundert Jahre verfehlt, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und selbst darin wohnen, sie werden Weinberge pflanzen und selbst deren Früchte genießen. Sie werden nicht bauen, damit ein anderer wohnt, nicht pflanzen, damit ein anderer isst, sondern wie die Tage eines Baumes sind die Tage meines Volkes und das Werk ihrer Hände werden meine Auserwählten selber verbrauchen. Sie mühen sich nicht vergebens und gebären nicht für den schnellen Tod. Denn sie sind die Nachkommen der vom HERRN Gesegneten und ihre Sprösslinge sind mit ihnen. So wird es sein: Ehe sie rufen, antworte ich, während sie noch reden, höre ich. Wolf und Lamm weiden zusammen und der Löwe frisst Stroh wie das Rind, doch der Schlange Nahrung ist der Staub. Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der HERR. (Jes 65,16b-25)
In der heutigen Textstelle des Jesaja zum zweiten Advent hören wir die Verheißungen auf die Endzeit hin. Für mich ist es geradezu tröstlich, dass die Vollendung noch aussteht – die Verheißungen, dass Jubel herrsche, dass Friede sei, dass Arglosigkeit nicht vergeblich ist. Wolf und Lamm, Löwe und Rind stehen eigentlich für das Gegensätzliche in der Natur. In der Vollendung aber fällt alles Gegensätzliche ineinander. Und dann der so tröstliche Gedanke im Vers 17: Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Da klingen die Verse aus der Offenbarung an: Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. (Offb 21,1-2)
Diese Texte höre ich oft bei Beerdigungen. Sie sind Trostworte für die Vollendung eines jeden Menschen, der Gottes Geschöpf ist und bleibt.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Samstag der Ersten Adventswoche (9.12.2023)
ImpulsHättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen…
(Jes 63,19b – ganze Lesung: Jes 63,19b – 64,3)
Zerreiß doch den Himmel und komm doch endlich in diese Welt: So könnte vielleicht ein flehender Ruf heutiger Menschen lauten. Wenn wir auf das Leid so vieler Menschen schauen, sei es in der Ukraine, im Gaza-Streifen oder anderswo in der Welt, spüren wir in unserem Inneren ein drängendes Flehen zu Gott hin: Zerreiß den Himmel und komm, schreite ein. Ja, uns Heutige umgeben Ungerechtigkeit, Verzweiflung, Krieg, Leid und Schmerz in unserer Welt. Der flehende Ruf des Propheten Jesaja scheint aktueller denn je. Auch in diesem Advent harren wir, dass Gott zu uns kommt; dass er kommen möge mit seiner erlösenden und befreienden Botschaft.
Doch Gott wird als ein kleines und hilfloses Kind in diese Welt kommen.
Vielleicht gerade durch das zerbrechliche göttliche Kind, das unser Friedensfürst ist, erahnen wir die Einladung, dass es auch auf mich persönlich ankommt, hier und jetzt göttliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Friedens, der Gerechtigkeit und des Trostes zu sein.
Fangen wir doch heute an!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls an Maria Empfängnis (8.12.2023)
ImpulsBlick vom Himmel herab und sieh her von deiner heiligen, prachtvollen Wohnung! Wo ist dein leidenschaftlicher Eifer und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und dein Erbarmen – sie bleiben mir versagt! Du bist doch unser Vater! Abraham weiß nichts von uns, Israel kennt uns nicht. Du, HERR, bist unser Vater, Unser Erlöser von jeher ist dein Name. Warum lässt du uns, HERR, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbbesitz sind! Für eine kurze Zeit haben unsere Feinde dein heiliges Volk in Besitz genommen; dein Heiligtum haben sie zertreten. Wir sind geworden wie die, über die du nie geherrscht hast, über denen dein Name nie ausgerufen wurde. Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen. (Jes 63,15-19a)
Wo steckt Gott?
Das ist eine Frage, die uns Menschen immer wieder beschäftigt. Man kann das aus nüchterner geisteswissenschaftlicher Sicht betrachten und fragen: Wo ist die andere Welt? Und: wenn die Toten wirklich auferstehen: Wo sind sie? Unsere Lieben und die unendlich vielen, die vor uns auf dieser Erde gelebt haben? Gerade auf die letzte Frage können wir nicht mehr distanziert antworten, denn existentiell gefragt, formuliert sich die Frage wohl eher so:
Wo versteckt sich Gott? – Warum lässt er sich nur so schwer finden?
In dieser durch Not verschärften Fragestellung finden wir uns in der Ambivalenz aller Beziehungen wieder. Sie öffnen beide Beziehungsrichtungen: Wie schön und unterstützend ist es, wenn wir Menschen an unserer Seite haben dürfen, die uns unterstützen, die uns begleiten, die uns lieben. Und wie schmerzhaft wird es, wenn solche Menschen fehlen. Nagende Einsamkeitsgefühle, verzweifelte Schreie sind dann unsere Reaktion.
Mit der Gottesbeziehung ist es ebenso. Er fehlt uns. Wir suchen. Und dann machen wir Gott dem Menschen auf unsere Art und Weise gleich. Gott ist nicht mehr Gott, sondern nur noch eine Art „Supermensch“ – besser, schneller, stärker, größer – allmächtig im Menschensinn. Ein Unweg und ein Umweg.
Dabei müssen und können wir Gott nicht uns Menschen vergleichbar machen. Das gelingt nie. Wenn wir wirklich auf die Suche nach dem Anderen, nach dem Eigenen, nach dem wirklich Göttlichen gehen, ändert sich auch die Richtung unserer Frage:
Worin überall steckt Gott?
Die Antwort ist im Grunde einfach und so schwierig zugleich: Er ist überall – der Himmel ist längst zerrissen und Gott ist schon immer in der Welt. Nicht etwa Aufsehen erregend, nicht laut, nicht halbstark, nicht gewalttätig. Gott ist da, wie ein Kind da ist. Hier. Jetzt. Überall. Die andere Richtung ist göttlich: Er ist uns gleich geworden und genau darin offenbart er seine Gottheit. Er ist nicht Superheld-Supermensch, er ist supermenschlich, hat unsere Natur nicht nur angenommen, sondern auf geheimnisvolle Weise vertieft. Er ist einer von uns mitten unter uns. Hier. Jetzt. Überall.
Wir feiern das Marienfest: Gottes Tor unter den Menschen öffnet ihn ins Menschsein hinein.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Adventswoche (7.12.2023)
ImpulsAuf deine Mauern, Jerusalem, habe ich Wächter gestellt. Den ganzen Tag und die ganze Nacht, niemals sollen sie schweigen. Die ihr den HERRN erinnert, gönnt euch keine Ruhe! Lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem festigt und bis er es einsetzt als Ruhm auf Erden! Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Nie mehr gebe ich dein Korn deinen Feinden zu essen. Nie mehr trinken Fremde deinen Wein, um den du dich so gemüht hast. Die das Korn ernten, sollen es auch essen und den HERRN preisen. Die den Wein lesen, sollen ihn auch trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums. Zieht ein, zieht ein durch die Tore, bahnt dem Volk einen Weg! Bahnt, ja bahnt die Straße und räumt die Steine beiseite! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! Siehe, der HERR hat es bekannt gemacht bis ans Ende der Erde. Sagt der Tochter Zion: Siehe, deine Rettung kommt. Siehe, sein Lohn ist mit ihm und sein Ertrag geht vor ihm her! Dann wird man sie nennen Heiliges Volk, Erlöste des HERRN. Und du wirst genannt werden: Begehrte, nicht mehr verlassene Stadt. (Jes 62,6-12)
Wollte ich diese Lesung so verstehen, dass sie den endgültigen Wiederaufbau der Stadt Jerusalem ankündigt, dann hätte sie nichts zu sagen. Jerusalem ist im Laufe der Geschichte schon mehrmals zerstört worden. Sie ist vergänglich wie alle Städte dieser Welt.
Sie steht vielmehr für die gottgewollte Zivilisation der Menschen als einer Gemeinschaft, in der alle Verhältnisse von Gerechtigkeit und dauerhaftem Frieden geprägt sind. Der Prophet sagt: das ist kein Traum, keine Utopie, auch wenn es uns hier auf Erden nicht glückt, dieses Reich der endgültigen, freien Wirklichkeit mit eigener Kraft aufzubauen. Sie existiert in uns als heiße Sehnsucht nach einem erfüllten Leben im echten Miteinander. Das lässt uns keine Ruhe.
Also versuche ich, in dem Text aus dem Buch Jesaja Ansatzpunkte herauszufinden, die mir helfen, meine vom Glauben genährte Sehnsucht zu stärken, dass durch die Ankunft Jesu Christi auch die friedvolle Einheit aller Menschen aufgebaut und verwirklicht wird
Z.B. könnte ein solcher Ansatzpunkt sein:
Gott an die großen Visionen erinnern, die er mir und vielen anderen eingepflanzt hat. Nicht weil er ein schlechtes Gedächtnis hätte, sondern damit er merkt, dass wir ihn ernst nehmen und seinen Versprechen trauen. Nur durch unsere Bereitschaft dazu, auch das uns Mögliche beizusteuern, im täglichen Umgang, in der verlässlichen Beziehung zueinander, im Ertragen der Schrullen usw., und das in enger Verbindung zum gegenwärtigen Christus, werden wir schon jetzt zu Bürgern der Neuen Stadt, die da heißen wird: Begehrte, nicht mehr verlassene Stadt.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Ersten Adventswoche (6.12.2023)
ImpulsKleider machen Leute – ein Impuls zu Jes 61,10-11
Ein bekanntes Sprichwort lautet: „Kleider machen Leute“. Das Sprichwort bezieht sich darauf, dass wir durch unsere Kleidung etwas ausdrücken wollen: Wer wir sind oder wer wir gerne sein möchten. Woher wir kommen oder was wir vertreten. Offenbar ist die passende Kleidung gar nicht so unwichtig. Bei Mitarbeitern in Banken oder in Wirtschaftsbetrieben wird Wert darauf gelegt, dass diese sich ordentlich kleiden. Polizisten oder Bahnbedienstete müssen in ihrer Dienstzeit eine Uniform tragen. Ärzte tragen weiße Kittel und Mönche den Habit. Wird ein Fest gefeiert, ziehen sich die meisten von uns auch dementsprechend an. Beim Sport tragen wir moderne und effektive Sportwäsche, und so spielen in unserer Freizeit Kleider auch eine wichtige Rolle. Manche Feste haben sogar traditionelle Festtagskleider. Und die Messgewänder in der Kirche entsprechen der jeweiligen liturgischen Farbe. Kleider sagen viel über uns.
Und die Gewänder des Heils? Denn Kleider spielen auch im Abschnitt unseres Bibeltextes aus dem Buch Jesaja eine wichtige Rolle. Sie sind Bilder für das, was Gott dem Boten seiner frohen Nachricht schenkt. Angesichts dieses Geschenkes will sich der Verfasser „von Herzen freuen über den Herrn und in Jubel ausbrechen über seinen Gott.“ Den Grund seiner Freude erfahren wir auch: „Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.”
Es geht also um Freude. Freude vielleicht wie bei einer Hochzeit, wo die Menschen sich festlich gekleidet haben. Der Advent ist eine Zeit, in der wir neue Kleider anziehen dürfen. Kleider, um sich den Zwängen des Lebens mit seinen Verpflichtungen zu entziehen. Die Gewänder des Heils und der Mantel der Gerechtigkeit sind für mich starke Bilder der Liebe. Diese Liebe darf ich wie festliche Kleidung anziehen. Advent heißt auch, dass ich in meinem Kleiderschrank des Lebens Platz für Gottes Mantel der heilenden Liebe machen darf – für Christus! Denn in der Taufe habe ich ihn als ein neues Gewand angezogen. Advent heißt auch, dass ich den vollen Kleiderschrank meines Lebens einen kleinen Spalt öffnen darf, dass Christus den Mantel seines Lichtes über mich ausbreiten kann. Advent heißt aber auch, den Faden der Liebe Gottes aktiv aufzunehmen und an dieser Kleidung mit zu weben und zu nähen, um in der Barmherzigkeit Gottes dem Nächsten und mir selbst gegenüber zu handeln.
Der heilige Nikolaus, dessen Gedenktag wir heute feiern, war in seinem Tun und Handeln ganz vom Mantel des Heiles in der Nachfolge Christi umwoben. Nikolaus schöpfte aus den Taschen seiner Kleidung immer wieder Liebe und Barmherzigkeit für seine Nächsten. Er war ganz und gar mit Christus bekleidet. Nikolaus motiviert uns, die Adventszeit zu nutzen, um die Kleidung zu wechseln – legen wir den alten Mantel der Zwänge ab und ziehen die Kleidung der Freiheit im Zeichen der Liebe Gottes an. Kleider machen Leute – Gott Menschen!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Adventswoche (5.12.2023)
ImpulsDer Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat.
Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen,
die zerbrochenen Herzen zu verbinden,
zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit,
den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen;
zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und
einen Tag der Rache unsres Gottes,
zu trösten alle Trauernden,
zu schaffen den Trauernden zu Zion,
dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer,
schöne Kleider statt eines betrübten Geistes gegeben werden,
dass sie genannt werden »Bäume der Gerechtigkeit«, »Pflanzung des Herrn«, ihm zum Preise.
Jes 61,1-3
Christus, der Gesalbte.
Der Gesandte in unsere Welt.
Der Verkünder einer frohen, freimachenden Botschaft.
Der Friedensbringer.
Christen, die Gesalbte in Taufe und Firmung.
Gesandt in den Alltag unseres Lebens.
Um Seine frohe, freimachende Botschaft weiter zu sagen.
Um Frieden zu leben und weiter zu geben.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der Ersten Adventswoche (4.12.2023)
ImpulsBlühendes Hoffnungslicht strahlt auf – ein Impuls zu Jes 60,19-22
Es ist dunkel. „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker“. Viele Orte des Leids und der Enttäuschung können wir heute nennen, das Dunkel in der Welt und das Dunkel in unserem Leben. Die Dunkelheit im Leben. Im Dunkeln sitzen. Eine Erfahrung, die auch die heilige Barbara, deren Gedenktag wir heute feiern, machen musste. Barbara, eine junge Frau, eingesperrt in der tiefen Dunkelheit des Verlieses im Turm. Eingesperrt vom eigenen Vater, weil sie Christus durch die Taufe nachfolgt. Und doch wird ein blühender Zweig zum Hoffnungslicht für die junge Frau in der Dunkelheit des Turmes. Barbara weiß darum, dass die Dunkelheit nicht das letzte Wort hat.
„Die Sonne soll nicht mehr dein Licht sein am Tage, und der Glanz des Mondes soll dir nicht mehr leuchten, sondern der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Glanz sein. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen …und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“
Barbara spürt in ihrer Herzenstiefe, dass ihr ewiges Licht kommt – Christus selbst! Und das gilt auch für uns: Jesus erhellt unsere Existenz. Er erleuchtet unsere lichtvollen Tage, auch die unabsehbar finsteren Tage im Angesicht von Tod und Leid. Gott kommt mit seinem Liebeslicht des Lebens zu uns. Blühende Zweige mitten im Winter werden zum Hoffnungslicht. Sie ermutigen wie ein Licht in der Dunkelheit. Sie stärken den Glauben. Sie entfachen die Liebe. Sie wecken die Hoffnung. Das ist es, was Advent bedeutet.
Ja, und die Kerzen, die wir im Advent anzünden, sind ein schöner Hinweis auf das zu erwartende Licht. Die Kerzen weisen auf den kommenden Christus: Für ihn ist kein Leben zu dunkel. Licht geht von Jesus aus: Wärme, Freude, Liebe, Orientierung, Leben. Das spürte auch Barbara, als sich auf dem Weg in das Verlies des Turmes ein Kirschzweig in ihrem Kleid verfing. Sie stellte ihn in ihrer Zelle in einen Krug mit Wasser. Knospen trieben hervor. Eines Tages sprangen sie auf. Zarte weiße Blüten sprossen im Winter. Vielleicht dachte Barbara in diesem Moment: „Du schienst wie tot, aber aus totem Holz ist neues Leben entsprungen. Ich glaube, so wird es auch mit mir sein. Wenn sie mich töten, dann wird mein Tod das Tor zum Leben im Licht des HERRN.“ So können Barbara und der blühende Kirschzweig für uns zum Hoffnungslicht in Zeiten der Dunkelheit werden, weil das blühende Licht der Welt in unser Leben kommt. Für immer – für ewig.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Ersten Adventssonntag (3.12.2023)
ImpulsWer darf hinaufziehn zum Berg des HERRN,
wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?
Der unschuldige Hände hat und ein reines Herz,
der seine Seele nicht an Nichtiges hängt und keinen trügerischen Eid geschworen hat.
Er wird Segen empfangen vom HERRN
und Gerechtigkeit vom Gott seines Heils.
Psalm 24, 3-5 (Textstelle insgesamt: Ps 24,1-10)
Die Bedingungen sind klar für die, die hinaufziehen wollen zum Haus Gottes.
Und der Lohn auch: Segen und Gerechtigkeit.
Ein guter Einstieg in den Advent.
Einmal wieder zur Be-Sinn-ung kommen.
Auf mich selbst schauen.
Auf das, was mein Leben prägt,
woran ich mich orientiere.
Das Evangelium im Gottesdienst des 1. Advent
spricht eine klare Sprache:
„Seid wachsam!“ (Mk 13,33-37)
Seid wachsam, seid achtsam
auf Euch selber.
Und auf die Menschen neben euch.
Auf die Natur, unsere Schöpfung.
Nur dann kommen wir hin zu Gott, kommt ER selber uns entgegen.
ER, der „König der Herrlichkeit“!
Der immer schon auf dem Weg zu uns ist.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am 2. Dezember (2.12.2023)
ImpulsSteh auf, werde licht, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des HERRN geht strahlend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der HERR auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Nationen wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. (Jes 60,1-3)
Es sind die uralten Worte des Jesaja, die buchstäblich gegen die Resignation anrufen. Die Verheißung des Lichtvollen, obwohl doch die Finsternis die Erde bedeckt und Dunkelheit die Völker. Jesaja erinnert uns daran, dass unser Glaube an die Zukunft des Menschen glaubt. Dabei geht es nicht darum, sich die Gegenwart schön zu reden, aber auch nicht an ihr zu verzweifeln. Es herrscht Krieg in Europa. Aber ohne den Glauben an Frieden gewinnt das Dunkel. Stehen wir also auf. Richten wir uns nicht ein in ein bequemes Untergangsszenario.
Wer glaubt, glaubt an die Zukunft.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am 1.12.2023
ImpulsRedlichkeit wird vermisst, wer das Böse meidet, wird ausgeraubt. Das hat der HERR gesehen und es war böse in seinen Augen, denn es gibt kein Recht. Er sah, dass niemand da war, und war entsetzt, dass niemand einschritt. Da half ihm sein eigener Arm, seine eigene Gerechtigkeit war seine Stütze. Er legte die Gerechtigkeit an wie einen Panzer und setzte den Helm des Heils auf. Er legte die Kleider der Vergeltung an und umhüllte sich mit leidenschaftlichem Eifer wie mit einem Mantel. Gemäß den Taten zahlt er heim; Zorn seinen Gegnern, Vergeltung seinen Feinden, bis zu den Inseln vergilt er und zahlt heim. Dann fürchtet man im Westen den Namen des HERRN und im Osten seine Herrlichkeit. Denn er kommt wie ein reißender Strom, den der Sturm des HERRN treibt. Doch für Zion kommt der Erlöser und für alle in Jakob, die umkehren von ihrem Vergehen – Spruch des HERRN.
Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließe, spricht der HERR: Mein Geist, der auf dir ruht, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen nicht weichen aus deinem Mund, aus dem Mund deiner Nachkommen und aus dem Mund der Nachkommen deiner Nachkommen, spricht der HERR, von jetzt an und auf ewig. (Jes 59,15-21)
Wer meint, dass der ursprüngliche Advent Gottes etwas Harmloses und Entspannendes ist, der wird in der heutigen Lesung eines Besseren belehrt. Gott kommt – aber durch das Gericht hindurch. Gott kommt – um Gerechtigkeit zu schaffen. Gott kommt – und ruft die Menschen zur Umkehr auf.
Wenn wir in unsere Welt heute schauen, dann können wir das Bild eines Gottes, der leidenschaftlich für Gerechtigkeit kämpft, vielleicht besser nachvollziehen. Zu oft geht es ungerecht in dieser Welt zu. Zu oft bleibt Gerechtigkeit ein hohes Wort, das von den Zuständen in unserer kleinen und großen Welt nicht eingeholt wird.
Die Worte des Propheten Jesaja erinnern mich daran, dass der Advent auch etwas mit einer persönlichen Umkehr zu tun hat. Im Lichterglanz dieser Tage kann das leicht vergessen werden – aber der Advent hat vor allem mit einer brennenden Sehnsucht nach Gerechtigkeit zu tun.
Wo kann ich in der vor mir liegenden Adventszeit Gerechtigkeit wiederherstellen – da, wo es auf mich ankommt?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Ostersonntag (9.4.2023)
ImpulsUnd an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln.
(RB 4,74)
Mit dem letzten Werkzeug der geistlichen Kunst gibt Benedikt den Grundton des gesamten Kapitels vor. Es hat sich ja eine Fülle von Werkzeugen und Anweisungen angesammelt, die alle zu befolgen sind. Das kann schnell überfordern. Im schlimmsten Fall könnte man an den vielen Weisungen, hinter denen wir zwangsläufig immer zurückbleiben werden, verzweifeln und die Flinte ins Korn werfen. „Das ist nichts für mich, ich schaffe das eh nicht.“
Benedikt betont mit dem letzten Werkzeug: Mach weiter. Bleib auf dem Weg. Verzweifele nicht an Gottes Barmherzigkeit. Er macht immer wieder einen neuen Anfang mit dir. Egal wie wenig du bisher verstanden hast, gib nicht auf.
Dass dieses letzte Werkzeug mit dem Osterfest zusammenfällt, halte ich für eine wunderbare Fügung. Denn genau darum geht es an Ostern. Gott macht einen neuen Anfang mit uns. Er ruft uns zu: Verzweifele nicht an meiner Barmherzigkeit! Gib nicht auf! Mach weiter! Oder, wie es Roger Schutz einmal sagte: Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast, und sei es noch so wenig – lebe es!
P. Maurus Runge OSB
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Osterfest!
Impuls am Karsamstag (8.4.2023)
ImpulsNach einem Streit noch vor Sonnenuntergang zum Frieden zurückkehren.
(RB 4,73)
Was geschah am Karsamstag?
Was war, als Jesus tot war?
„Er selbst, Gott, hatte es durchlitten mit seinem Sohn. Ihn hatte die Angst geschüttelt, ihn hatten die Schmerzen gequält, er hatte mit dem Gekreuzigten nach Luft gerungen und geschrieen. Am eigenen Leib hatte er erfahren, was es heißt, einsam zu sein. (…)
Der Kampf war ausgestanden, und er hatte gewonnen. Ja, Gott hatte sich durchgesetzt. Anders als die Versucher es ihm nahelegten. Der Streit, der Zwiespalt, der Hass war besiegt. (…) So machte sich Gott daran, das Neue zu schaffen. (…)
‚Das soll die Keimzelle der neuen Wirklichkeit werden: Ich werde bei ihnen sein und sie werden bei mir sein. Ich kenne sie jetzt und sie werden mich sehen, wie ich bin. Die Liebe meines Sohnes wird uns verbinden.‘“
Worte aus dem (lesenswerten!) Büchlein von Hans Frör „Ich will von Gott erzählen wie von einem Menschen, den ich liebe“.
Sind diese Worte, sind Tod, Neuschöpfung und Auferstehung Jesu nicht Grund genug,
dass auch wir Frieden schließen?
Noch vor Sonnenuntergang – damit wir gut schlafen.
Vor allem aber vor dem neuen Sonnenaufgang der Liebe …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Karfreitag (7.4.2023)
ImpulsIn der Liebe Christi für die Feinde beten.
(RB 4,72)
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
(Lk 23,34)
Eines der letzten sieben Worte Jesu am Kreuz
nach den Evangelien.
Ich mag mir nicht anmaßen, so über mein Gegenüber zu urteilen.
Aber die Konsequenz grundsätzlich,
auch für jemanden, der mir „gegenüber“ steht
zu beten,
ihn oder sie Gott anzuempfehlen,
Gott eine letzte Be-urteil-ung zu überlassen,
wäre das nicht ein großer Schritt im Zusammensein?
Gott ist die Liebe.
IHM darf ich den oder die andere gerne anvertrauen.
Auch wenn das so gar nicht leicht ist.
P. Guido Hügen OSB
Impuls an Gründonnerstag (6.4.2023)
ImpulsDie Älteren ehren,
die Jüngeren lieben.
(RB 4,70-71)
Die Werkzeuge 70 und 71 der geistlichen Kunst (4. Kapitel der Benediktsregel) lauten: „Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben“. Das Wort »Ehre« bezeichnet im biblischen Kontext das Ansehen bzw. die Bedeutung Gottes oder eines Menschen. Umgekehrt heißt »jemanden ehren«, ihn so zu behandeln, wie es diesem Ansehen entspricht. Und seinem Ansehen entspricht es eben, dass der andere wie ich selber nach dem Abbild Gottes als Mensch geschaffen wurde. Im Alltag ist es oft schwer, jemanden Nächstes zu „ehren“ oder ihn gar zu lieben. Wir reden uns selber oft heraus und übernehmen keine Verantwortung, denn wir sind ja selbst immer unschuldige Lämmer. Oft haben wir Vorurteile gegenüber dem Nächsten, sind misstrauisch und schieben die Schuld gerne anderen zu. Egal ob älter oder jünger – das ist der Kreislauf der zwischenmenschlichen Verirrungen und Verwirrungen. Gar nicht so einfach. Stimmt: Die Achtsamkeit gegenüber den Nächsten ist eine Übung für das ganze Leben. Oft brauchen wir eine Motivation, um uns in etwas Bestimmtes einzuüben. Jesus selbst gibt uns eine Motivationshilfe mit an die Hand. „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen ebenso.“ Wer wollte nicht als junger Mensch geliebt und angenommen sein? Wer will nicht im Alter geehrt sein? Neben diesem Motivationsspruch, den wir auch die goldene Regel nennen, schenkt uns Jesus aber auch selbst ein Beispiel für eine Haltung, den Nächsten zu ehren und zu lieben. Diese Haltung kommt am heutigen Gründonnerstag zutage: die Fußwaschung. Jesus wäscht den Jüngern die Füße und ehrt dadurch seine Nächsten in ihrer Würde als Kinder Gottes. Möge die Fußwaschung uns ein Beispiel sein auf dem Weg der Barmherzigkeit uns selbst und allen Schwestern und Brüdern gegenüber.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der Karwoche (5.4.2023)
ImpulsÜberheblichkeit fliehen.
(RB 4,69)
Hier nennt Benedikt ein Grundübel. Er meint den Stolz, das Gegenteil von Demut, nach Auffassung der Wüstenväter eines der acht klassischen Laster. Er rät, vor ihr die Flucht zu ergreifen, denn sie ist in seinen Augen eine lebensgefährliche Bedrohung, die alles zunichtemachen kann. Sie besteht in dem Drang, mehr zu scheinen als man ist. Man stößt andere Menschen ab, verachtet sie, verliert ihr Vertrauen und hat keinen echten Kontakt zu Gott. Sie ist auch deshalb so fatal, weil der Überhebliche in ihr gefangen ist und so schnell nicht mehr von ihr loskommt.
Was steckt hinter der Überheblichkeit?
– Entweder die Angst, nicht genug zu bieten zu haben, der Wunsch, Eindruck zu schinden, um die eigene Schwäche zu übertünchen.
– Oder sich mit anderen zu vergleichen und dabei von seinen eigenen Leistungen und Vorzügen so fasziniert zu sein, dass man darin einen Grund sieht, auf andere herabzusehen.
Es gibt genügend abschreckende Beispiele aus der Geschichte, an denen deutlich wird, dass gerade Erfolg, Reichtum, Machtfülle und hohes Ansehen zur Überheblichkeit verführen können. Wer an die Spitze gelangt, muss besonders auf der Hut sein. Deshalb ist es Benedikt von Nursia ein großes Anliegen, dass der Abt als väterlicher Leiter der Gemeinschaft nicht selbstherrlich alles alleine entscheidet, sondern in allen wichtigen Angelegenheiten seine Mitbrüder zu Rate zieht, sich besonders um die Schwachen müht und auf die Bedürfnisse der einzelnen Rücksicht nimmt.
Wie können wir der Überheblichkeit entgehen?
Im Sinne Benedikts würde ich sagen: durch einen ausgeglichenen Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen. Keinem hat Gott alles gegeben und keinem nichts. Mit unseren Gaben können wir einander dienen, um sie so zum Nutzen aller zu machen; und wo wir nicht mehr weiter können, uns von anderen helfen zu lassen, wie es in einem Tagesgebet im Messbuch heißt. Das heißt: Wer die Beziehung zu den Nächsten sucht, lernt sie zu achten und sie zuerst mit ihren Anliegen zum Zuge kommen zu lassen. Ich finde, allein schon die Frage „Wie geht es Dir?“ kann alles andere als eine höfliche Floskel gemeint sein, wenn ich die Zeit aufbringe, der Antwort auch zuzuhören. Aber leider wissen wir ja oft schon vorher, wie es den anderen geht. Wer aber sich erkundigt, bleibt nicht an sich selber hängen.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Dienstag der Karwoche (4.4.2023)
ImpulsDen Streit nicht lieben.
(RB 4,68)
Wer wollte dem nicht zustimmen? Wer möchte schon als streitlustig gelten? Der heilige Benedikt mahnt seine Brüder immer wieder, nicht zu murren. Murren oder streiten ist für ihn eher etwas Grundloses und Grundsätzliches. Es bringt eine in der Person begründete Unzufriedenheit zum Ausdruck.
Davon unabhängig muss ich aber manchmal streiten. Wenn es um Ungerechtigkeit oder Lieblosigkeit geht, muss ich um der Sache willen streiten. Das ist für mich ein Kriterium der Unterscheidung: Was will ich erreichen? Wenn ich für etwas streite, dann ist es ein Akt der Fürsorge für den Nächsten. Wenn ich aber nur meine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringe, dann liegt die Gefahr nahe, dass ich ein Ventil für meine Situation suche.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Montag der Karwoche (3.4.2023)
ImpulsNicht aus Neid handeln.
(RB 4,67)
Im Kontext der gesamten Benediktsregel wird deutlich, dass die innere Motivation einer Handlung für Benedikt sehr wichtig ist. Es kommt ihm gar nicht so sehr darauf an, dass seine Mönche nach außen alles richtig machen. Viel wichtiger ist ihm die Frage: Warum tue ich das jetzt – oder tue es nicht? Was treibt mich dabei an – was triggert mich? Was ist meine tiefste Motivation?
Wir müssen heute zugeben: Das ist ein höchst psychologischer Vorgang, der auch für uns heute sehr wichtig ist. Um uns selbst immer besser kennenzulernen, uns durchaus auch zu korrigieren – um zu mehr Leben zu kommen. Dies ist und bleibt der Angelpunkt jeglicher spiritueller Wege im Christentum!
Was treibt mich also an – über ein gesundes Maß zu arbeiten? Was treibt mich an, mich immer wieder über die Maßen vollzustopfen? Was treibt mich an, mich als etwas Besseres anzusehen?… Was treibt mich an?
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Palmsonntag (2.4.2023)
ImpulsNicht eifersüchtig sein.
(RB 4,66)
Wenn ich diese Weisung aus der Benediktsregel lese, dann habe ich an diesem besonderen Tag, dem Palmsonntag am Beginn der Karwoche, direkt die Bilder vom Einzug Jesu in Jerusalem im Kopf. Wie er, so erzählt es das Matthäusevangelium (Mt 21,1-11), auf dem Rücken einer Eselin in die Stadt hinein reitet und die Menschen ihre Kleider und Zweige von den Bäumen als Zeichen der Ehrerbietung auf seinen Weg legen. Diese Schilderung entspricht natürlich den Bildern aus der alttestamentlichen Prophetie und betont die Sanftmütigkeit Jesu, der ganz anders als ein triumphaler König auftritt und dennoch genau deswegen von den Menschen umjubelt und willkommen geheißen wird. Dennoch wird er für die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes zur Gefahr: Und ich bin mir sicher, dass auch Eifersucht hier eine Rolle gespielt haben dürfte.
In unserem persönlichen Gefühlsleben kommt es immer wieder zu Situationen, in denen wir Eifersucht empfinden und spüren. Neid ist eng mit dieser Emotion verbunden und beide zusammen können ein toxisches Gemisch werden, das uns selbst emotional völlig aus dem Gleichgewicht bringt und sich auch auf unsere Mitmenschen unangenehm auswirken kann, wenn es uns nicht gelingt, unsere Gefühle angemessen zu regulieren. Zwei Fragen scheinen mir in solchen Situationen hilfreich und weiterführend: Was empfinde ich am Anderen als so bedrohlich, dass in mir das Gefühl der Eifersucht aufkommt, und ist das bei einer ehrlichen und selbstkritischen Überprüfung meiner Gefühle auch wirklich berechtigt und begründet? Meistens überspielen Eifersüchteleien die Angst, dass eine uns wichtige Beziehung oder Bezogenheit durch jemand gestört oder beeinträchtigt werden könnte. Lässt sich diese Beziehung auch unabhängig von dem „Störfaktor“ stärken, sodass die Angst vor ihrer Bedrohung nicht mehr so stark sein muss?
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Samstag der Fünften Fastenwoche (1.4.2023)
ImpulsNiemanden hassen.
(RB 4,65)
Heute befinden wir uns am Tor zur Karwoche, denn morgen ist Palmsonntag.
Das heutige Werkzeug ist in Bezug auf das, was jetzt kommen wird, wie ein Konzentrat. Niemanden zu hassen bündelt so vieles, ist eine so starke Kraftquelle.
Wie wäre wohl die Karwoche einst verlaufen, wenn niemand den anderen gehasst hätte?
Wir wissen es alle, es ist nur ein „schöner Traum“.
Denken wir uns doch einmal selbst in diese Woche: bei wem oder wo wäre unser Hass aufgeflammt?
Es ist nicht leicht, den eigenen Hass hinter sich zu lassen. Hass ist zerstörerisch, und das ist verführerisch. Er kann gegen andere zerstörend wirken, gibt uns Macht, aber er wirkt vor allem zerstörend gegen uns selbst. Geben wir dem eigenen Hass Nahrung, entflammen wir ein Feuer, das uns selbst verbrennt.
Trotz aller Wut, aller Schrecken, aller Grausamkeit gibt es aber immer einen Weg, neu zu beginnen, den Hass hinter sich zu lassen. Wir können Brücken zerstören, oder wir können sie bauen. Wir haben es immer selbst in der Hand.
Der Wüstenvater Evagrius Ponticus hat es einst schön auf den Punkt gebracht:
Es ist unmöglich, dass du alle deine Brüder in gleicher Weise liebst. Aber du kannst mit allen im Frieden des Herzens leben, frei von der Erinnerung an Unrecht und frei von Hass.
Wer niemanden mehr hasst, wird frei sein. Was für ein schönes Versprechen am Vorabend zur Passion.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Freitag der Fünften Fastenwoche (31.3.2023)
ImpulsDie Keuschheit lieben.
(RB 4,64)
Natur ist Keuschheit
Wir können
von Bäumen und Blumen
von Tieren und Insekten
von allem Leben auf dieser Erde
Lernen!
Sich nicht aufdrängen
Nicht über andere reden
Dasein
Keine Bewertung
Keine Kosten-Nutzen-Rechnung
Kein Nachtragen Nachfragen Nachhängen
Immer Hier und Jetzt
Niemals allein
Vereint mit allem
Ohne Absicht
Ohne Vorbehalt
Ohne Urteil…
Unendlich fruchtbar!
Der Zukunft zugetan
Fülle ohne Angst
Leben aus der Quelle
Dann wären wir keusch
Und
Im Grunde
Wie Gott
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Donnerstag der Fünften Fastenwoche (30.3.2023)
ImpulsGottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen.
(RB 4,63)
Das 4. Kapitel seiner Mönchsregel nennt der hl. Benedikt „Werkzeuge der geistlichen Kunst“. Für mich klingt da eine kre-aktive Lebenshaltung bzw. eine positive Lebenseinstellung mit, die durch die drei schöpferischen Worte „Werkzeug – Geistlich – Kunst“ unterstrichen wird. Alle drei Worte rufen in mir wach, dass ich kreativ und aktiv sein darf. Was nützt mir aber ein Werkzeug, wenn ich damit nicht handwerklich tätig bin und etwas erstelle? Was nützt mein geistliches Denken, wenn ich damit nicht den Klang der Lebensphilosophien erweitere oder ergänze und sie auch lebe? Und meine Kunst bleibt leer, wenn ich nicht immer wieder bildnerisch mit den Schöpfungskräften die Welt zum Guten umgestalte.
Benedikts Bild der Werkstatt fasziniert. Das klösterliche Leben einüben in einer Werkstatt – kre-aktiv für den Alltag zu werden. Und so verstehe ich auch das heutige Werkzeug der geistlichen Kunst „Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen“. Es ist die ganzheitliche Ansprache, nicht nur Gottes Wort zu lesen und zu überdenken, sondern mein alltägliches Handeln von Gottes Weisungen inspirieren zu lassen, das heißt Gottes Weisungen aktiv zu leben! Gottes Wort in die Tat umsetzen. Gottes Willen geschehen lassen. Das ist gar nicht so einfach. Nicht umsonst vergleicht der hl. Benedikt das Kloster mit einer Schule. In der Schule lerne ich, bilde ich mich und übe mich ein. Gottes Weisungen zu verinnerlichen und zu leben ist ein lebenslanger Lernprozess der täglichen Übungen. Der Ort für den Mönch ist das Kloster mit seiner Werkstatt, wo die Werkzeuge für die Kunst des geistlichen Lebens benutzt werden sollen. Gut, dass es Zeiten im Kirchenjahr gibt wie die Fastenzeit, die wir als Übungsstunden nutzen können, um die Kunst des geistlichen Lebens leben zu lernen.
Und außerhalb des Klosters? Da gibt es zu diesem Werkzeug eine wunderbare Übung:
Als Christen sind wir in tiefem Vertrauen mit Gott verbunden. Christsein heißt in Freundschaft mit Jesus zu leben. Vielleicht ist der Heilige Geist so etwas wie ein unsichtbares Freundschaftsbändchen zwischen Gott und mir. Dieses Freundschaftsbändchen wurde bei der Taufe geknüpft. Manche Christ*innen tragen ein besonderes Freundschaftsband, auf dem eine Buchstabenkombination WWJD aufgedruckt ist: „Was würde Jesus tun?“ (WWJD = What would Jesus do?) Es soll sie daran erinnern, sich diese Frage im Alltag immer wieder zu stellen bei den großen und kleinen Entscheidungen des Lebens. Was würde Jesus tun? Was tue ich, damit Gottes Wille in der Welt geschehe?
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der Fünften Fastenwoche (29.3.2023)
ImpulsNicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden.
(RB 4,62)
Wann ist es so weit, dass ich heilig bin?
Kennst Du auch das Bedürfnis, herauszufinden, wie es um Dein Bemühen steht, ein guter Mensch oder gar Christ zu sein? Ertappst Du Dich manchmal bei der Frage, ob Dein Glaube Fortschritte macht oder eher oberflächlich bleibt? Dieses Bedürfnis, den spirituellen Puls zu fühlen, hat sehr viel zu tun mit einem selbstverliebten Blick in den Spiegel, der einem vielleicht offenbaren könnte, ob ich inzwischen der „Schönste im ganzen Land“ bin, etwa nach einer selbstlosen Tat. Spätestens dann ist klar: Ich nehme mich immer noch viel zu wichtig.
Entscheidend für eine realistische Selbstbeurteilung scheint mir nicht zu sein, was andere über mich denken, sondern z. B. ob ich unauffällige Dienste übernehmen kann, die mir zwar Mühe bereiten, aber keinen Imagegewinn einbringen. Wonach richte ich mein Verhalten aus?
Selbst wenn ein Mönch noch so oft an Gebetszeiten teilnimmt, kann es in seinem Innern ganz anders aussehen. Wer ich bin, wie es um mich steht, das verraten nicht so sehr meine Ideale und Vorsätze, mein Eindruck in der Öffentlichkeit, sondern eher unbewusste Gesten oder Verhaltensweisen, etwa wenn ich mich unbeobachtet fühle und keiner zuhört. Wie lange lausche ich meinen Worten nach, auch wenn sie vor langer Zeit gesprochen worden sind, und wie oft beschäftigt mich das Lob der anderen oder ihre Kritik?
Heilig sein heißt: nicht zu viel daran denken, sondern, wie der hl. Benedikt sagt, „es erst sein“, ohne etwas davon zu haben. Heiligkeit ist ein Geschenk der Gnade. Darum dankbar sein und nicht vergessen: „Wer meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle!“ (1 Kor 10,12)
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Dienstag der Fünften Fastenwoche (28.3.2023)
ImpulsDen Weisungen des Abtes in allem gehorchen, auch wenn er selbst, was ferne sei, anders handelt; man denke an die Weisung des Herrn: „Was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht.“
(RB 4,61)
„Was ferne sei…:“ Wenn in der Benediktsregel diese Formulierung gebraucht wird, dann weiß man eigentlich direkt, dass es um ein Thema von großer Wichtigkeit geht und dass dieses in Wahrheit recht häufig Konfliktstoff in einer Klostergemeinschaft bietet. So wird hier der Gehorsam dem Abt gegenüber eingefordert im Wissen darum, dass Gehorsam in dieser Situation eine wahre Herausforderung ist. Hält sich der Abt doch selbst nicht an das, wozu ihn seine Vorbildfunktion eigentlich verpflichtet. Indem mit einer Stelle aus dem Matthäusevangelium (Mt 23,3) eine Weisung Jesu zu diesem Dilemma zitiert wird, wird zu einer differenzierten Wahrnehmung der eigenen Verantwortung aufgefordert: Gültiger Maßstab für das eigene Handeln bleiben die Heilige Schrift, die Benediktsregel und das eigene Gewissen. Schlechtes und unvorbildliches Verhalten des Abtes oder auch anderer Brüder dienen nicht der Begründung eigenen Fehlverhaltens.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Montag der Fünften Fastenwoche (27.3.2023)
ImpulsDen Eigenwillen hassen.
(RB 4,60)
„Das ist doch wieder typisch katholisch. Den eigenen Willen zu hassen, das ist doch nicht gesund. Zu lange hat man Menschen in unserer Kirche mit solchen unmenschlichen Forderungen gebrochen. In so einer Kirche kann ich unmöglich bleiben.“ So ähnlich werden Sie vielleicht gedacht haben, als Sie das heutige Werkzeug aus der Benediktsregel gelesen haben. Und ich kann Sie gut verstehen. Wäre es tatsächlich so, wie ich es in der fiktiven Rede am Anfang beschrieben habe – ich möchte auch nicht in so einer Kirche sein und bleiben.
Das, was hier mit Eigenwille übersetzt wird – im lateinischen Original heißt es „propria voluntas“ – meint aber gar nicht den eigenen Willen, den freien Willen des Menschen. An dem ist nämlich nichts Böses, denn Gott hat uns schließlich als freie Menschen erschaffen. Und auch den Entschluss, ins Kloster einzutreten, habe ich aus freiem Willen getroffen – sonst wären meine Gelübde kirchenrechtlich auch gar nicht gültig. Benedikt betont diesen freien Willen des Menschen am Anfang seiner Regel sehr deutlich: „Wer ist der Mensch, der das Leben will und gute Tage zu sehen wünscht?“ (RB Prol. 15) Und einen Vers später sagt er: „Wenn du das hörst und antwortest: Ich…“ Die Grundentscheidung meines Lebens treffe ich aus freiem Willen, und auch im Kloster höre ich nicht auf, „Ich“ zu sagen – eine Klostergemeinschaft besteht aus sehr unterschiedlichen Individuen.
Was Benedikt mit dem neuen Wort „Eigenwillen“ bezeichnet und so verteufelt, sind eher die kleinen Begehrlichkeiten meines Egos, die mich nach und nach daran hindern, meiner Grundentscheidung zum Leben zu folgen. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: das Streben nach Macht, Karrieresucht, Gewinnstreben, Neid, Eifersucht, … Es geht also beim heutigen Werkzeug nicht darum, mein Ich und meine Freiheit aufzugeben, es geht darum, dass all die kleinen Begehrlichkeiten des Lebens mich nicht von dem wegführen, wofür ich mich einmal in Freiheit entschieden habe: dem zu folgen, der mich zum Leben führen will.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Fünften Fastensonntag (26.3.2023)
ImpulsDie Begierden des Fleisches nicht befriedigen.
(RB 4,59)
Schnell ist man mit diesem Wort Benedikts auf einer falschen Fährte. Alles Fleisch, sprich der eigene Körper ist schlecht. Das Christentum ist eben leibfeindlich!
Schaut man auf die Grundlagen beim Apostel Paulus, die auch für Benedikt wegweisend sind, sieht die Sache etwas anders aus und ist viel weiter zu sehen.
Paulus schreibt im Galaterbrief:
„Offenbar aber sind die Werke des Fleisches, welche sind: Hurerei, Unreinigkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Neid, Totschlag, Trunkenheit, Gelage und dergleichen, von denen ich euch vorhersage, gleichwie ich auch vorhergesagt habe, dass, die solches tun, das Reich Gottes nicht ererben werden. Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit; wider solche gibt es kein Gesetz.“
Die “ Werke des Fleisches “ – sie tun dem Menschen eigentlich nicht gut und führen vom Leben weg. Die „Werke des Geistes “ wollen dagegen zu einem mehr an Leben führen:
Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit, …
Es gilt immer wieder im Alltag, „die Geister “ zu unterscheiden – was führt mich zu einem wirklichen Mehr an Leben, und was macht mein Leben im Tiefsten eigentlich kleiner? Das meint bei Paulus und somit auch in der Benediktsregel die Unterscheidung zwischen den Werken des Fleisches und denen des Geistes.
Fangen wir also an, für diese Dynamik in uns wachsam und ehrlich zu sein. Dann kann es Ostern werden – dann siegt das Leben.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Samstag der Vierten Fastenwoche (25.3.2023)
ImpulsUnd sich von allem Bösen künftig bessern.
(RB 4,58)
Das heutige Werkzeug ist eng mit dem von gestern verknüpft. Gestern ging es um das Bekenntnis meiner Schuld, dem Gedenken daran, dass ich Fehler mache und nicht perfekt bin. Heute geht es um das, was im Sakrament der Versöhnung Reue und Wiedergutmachung genannt wird. Das ist eigentlich nur folgerichtig: Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann strebe ich danach, es beim nächsten Mal besser zu machen. Das ist schon in ganz profanen Zusammenhängen so, z.B. im Arbeitsleben, wie viel mehr im geistlichen Leben. Wir Menschen ticken so. Wir streben danach, besser zu werden. Schließlich sind wir zur Vollkommenheit berufen.
Schlimm wird es, wenn daraus ein Zwang entsteht, der unfrei macht. Das hat in der Vergangenheit immer wieder zu unglückseligen Formen der Spiritualität geführt. Und das kann leicht zu geistlichem Missbrauch führen.
Bei der „Besserung vom Bösen“ geht es nicht um den Zwang zur Perfektion. Es geht darum, immer mehr das Bild von mir auszuprägen, das Gott sich von jedem einzelnen Menschen gemacht hat. Es geht um die Ermöglichung meines Menschseins.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Vierten Fastenwoche (24.3.2023)
ImpulsSeine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen.
(RB 4,57)
Man kann heute kaum jemandem den Rat geben, sich auf diese Anweisung des hl. Benedikt aufs Geratewohl einzulassen. Vor allem müssen sich Menschen mit schwachem Selbstvertrauen davor hüten. Bloß nicht in den Drang verfallen, sich dauernd vergangener Sünden zu bezichtigen! Ich selbst praktiziere diese Art eines ausführlichen täglichen Sündenbekenntnisses nicht. Zwar sprechen wir im Konvent mehrmals täglich im Vaterunser die Bitte: „Und vergib uns unsre Schuld“, wir sagen auch zu Beginn der Komplet, dem Gebet zum Tagesabschluss, im Schuldbekenntnis, ganz allgemein, dass wir „gesündigt haben in Gedanken, Worten und Werken“, aber dabei weinen wir nicht, nur kommt vielleicht gelegentlich ein stummer Seufzer hoch, wenn einem einfällt, heute etwas verbockt zu haben.
Aber ich möchte doch versuchen, trotz meines Widerstrebens gegen eine deprimierende Frömmigkeit herauszufinden, was in Benedikts Anweisung an heilsamer, lebenskluger Absicht enthalten sein könnte.
Als erstes fällt mir auf: Hier ist vom Gebet die Rede.
Gebet ist kein Monolog, in dem Betende einfach drauf los reden, sondern ein Zwiegespräch, in dem der Mensch sein Herz einem hörenden Gott vertrauensvoll öffnet. Gott wird hier nicht als strafende Instanz angesprochen, der man haarklein alle seine Sünden ängstlich aufzählen muss, sondern als ein väterliches Gegenüber, das durch seine unbedingte Bereitschaft zum Zuhören einen Raum auftut, in dem all das zum Ausdruck gebracht werden darf, was die betende Person im Inneren bewegt, auch wenn es ihr peinlich ist.
Und dann: Gott ist die Quelle des Friedens.
Er will die Versöhnung. Seine Nähe hilft Spannungen im eigenen Leben zu überwinden. Von ihr geht die Kraft aus, die nötig ist, um seine ungelösten Konflikte anzunehmen und zu überwinden. Das ermutigt, sich ihm anzuvertrauen und nicht verheilte Wunden hinzuhalten. Wer echte Vergebung gefunden hat, lernt die versöhnende Wirklichkeit Gottes kennen und atmet auf.
Schließlich: Es ist sinnvoll, sich der eigenen Hinfälligkeit bewusst zu sein.
Das verhindert, sich etwas vorzumachen. Einen realistischen Blick auf die eigenen Grenzen zu bekommen ist doch ein erstrebenswertes Ziel! Warum sich also nicht hin und wieder aus versöhntem Herzen heraus an eigene Sünden erinnern? Ohne dabei die persönlichen Möglichkeiten zu übersehen.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Vierten Fastenwoche (23.3.2023)
ImpulsSich oft zum Beten niederwerfen.
(RB 4,56)
Das Gebet des Christen ist Ausdruck der liebenden Beziehungsqualität zu Gott hin. So verstanden gleicht das Gebet einer Pflege der Liebe zu dem, dem sich der Mensch verdankt. Das „ oft“ meint im Kontext der Regel nicht eine Anzahl von Gebeten, sondern will auf das „immerwährende Gebet“, gleich unserem Atem, hinweisen. Immerwährendes Gebet ist eine Sicht auf ein Leben in Gottes Gegenwart. Das „ niederwerfen“ darf auch als ein Ausdruck einer Hingabe an Gott verstanden werden. Der Mensch in seiner gesamten Existenz richtet sich immer wieder neu auf diese Liebe hin aus.
Charles de Foucauld hat es einmal so in einem Gebet ausgedrückt:
„.. weil ich Dich liebe und weil diese Liebe mich treibt, mich dir hinzugeben, mich in deine Hände zu legen, ohne Maß, mit einem grenzenlosen Vertrauen, denn Du bist mein VATER“.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Vierten Fastenwoche (22.3.2023)
ImpulsHeilige Lesungen gerne hören.
(RB 4,55)
Heilige Lesungen: Gott – Welt – Mensch
Wenn ich sie doch lesen könnte
die geheiligte Welt
Wenn ich ihn doch lesen könnte
den ebenbildlichen Menschen
Wenn ich ihn doch lesen könnte
den menschgewordenen Gott
Die Buchstaben der Schöpfung zeigen das All
Die Buchstaben des Menschen verkünden das Leben
Die Buchstaben Gottes offenbaren die Liebe
Wenn ich sie doch lesen könnte, diese wahrhaft heiligen Schriften
Oder lesen sie sich in Wirklichkeit selber vor?
ICH
Muss nichts tun
Muss nichts denken
Muss nichts verrichten
Lasse sie einfallen
in den Seelenraum – bis auf den Goldgrund sinken sie
Öffne die Herzensresonanz
Neige das Ohr
und fühle im Innersten:
schon immer bin ich im großen Verstehen
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Fest des hl. Benedikt (21.3.2023)
ImpulsHäufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben.
(RB 4,54)
Schon öfter habe ich das Kloster Eberbach im Rheingau besucht. Hier wurde der berühmte Klosterkrimi „Der Name der Rose“ von Umberto Eco verfilmt. Der ehemalige Schlafsaal der Eberbacher Mönche diente im Film als Kulisse für die Schreibstube des Klosters – mit der berühmten kleinen Tür zur Bibliothek. Und hier spielt auch, wie ich finde, eine sehr gruselige Gesprächsszene zwischen William von Baskerville und dem alten Bibliothekar Jorge über das Lachen, die nicht gerade von der gewaltfreien Kommunikation à la Marshall Rosenberg gekennzeichnet ist, sondern einen eher aggressiven Unterton hat. Es wird heftig darüber gestritten, ob Jesus gelacht habe. Die Evangelien berichten nichts vom Lachen Jesu – vom Weinen dagegen schon. Mitunter ein Grund, dass viele Menschen die Kirche für unlustig halten. Für viele ist die Kirche eine ernste alte Dame ohne Humor, Trübsinn verbreitend, und dann weiß sie auch noch alles besser, aber bekommt ihre aktuellen Anliegen nicht geregelt, so dass anderen das Lachen im Halse stecken bleibt.
Der arme Jorge ist sicherlich starrköpfig geworden. Und vielleicht deutet er die Dinge nicht richtig, weil die Weite des Herzens fehlt. Wer weiß es schon? Wir wissen aber, dass das Evangelium wirklich keinen Spaß versteht, wenn es auf Kosten anderer, vor allem der Schwächeren geht. Wenn man also den Nächsten auslacht und bloßstellt oder kleinlacht. Das hat mit einem gesellschaftlichen Hintergrund aus der Zeit der Entstehung des Evangeliums zu tun. In der römischen Antike hat man die Menschen wegen ihrer Schwächen oder Handicaps ausgelacht und damit vor aller Welt bloßgestellt. Für Jesus ist das Verlachtwerden ein Signal des Unglaubens gegen die schöpferische Liebe Gottes zu jedem Menschen, der nach dem Abbild des Allmächtigen geschaffen wurde – eine Form der Ablehnung und der Verhöhnung des Nächsten. Der heilige Benedikt nimmt diesen Faden auf, wenn er in seiner Mönchsregel schreibt: „Häufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben.“ (RB 4,54). Es geht dem Mann vom Monte Cassino nicht um den fröhlichen, gesunden Humor, sondern um das abfällige Lachen über die Schwächen des Nächsten. Das kann nämlich zum Gift für das Klima in der klösterlichen Gemeinschaft werden. Nicht nur im klösterlichen Alltag lauert oft das Fettnäpfchen des Verlachens, sondern in jeder Lebensgemeinschaft und Gesellschaft. Die Fastenzeit ist wie ein Blick in den Spiegel, in dem wir unser eigenes Lachen wahrnehmen können. Ist es echt und voller Liebe? Oder steckt Missgunst und Verachtung dahinter?
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Montag der Vierten Fastenwoche (20.3.2023)
ImpulsLeere oder zum Gelächter reizende Worte meiden.
(RB 4,53)
Wenn man diese Aufforderung liest, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass Mönche und Nonnen humorlose und griesgrämige Spaßverderber wären, wenn sie diese Weisung ernstnehmen wollen. Auch kommt mir direkt die Kritik an der Glaubwürdigkeit der christlichen Erlösungshoffnung von Friedrich Nietzsche in den Sinn, der sich über Christen beklagt, die trotz ihrer Hoffnung einen so unerlösten Eindruck machen, dass sie leider wenig überzeugend wirken. Dabei geht es hier aber gar nicht um Humor und um ein fröhliches, beherztes Lachen. In der Bergpredigt ist das Lachen sogar Kennzeichen der Erlösten: „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen“ (Lk 6,21). Kritisiert wird hier albernes Gekichere oder das respektlose Verlachen anderer. Lachen kann etwas unmittelbar Befreiendes und Gemeinschaftsstiftendes haben, solange nicht andere ausgelacht und dadurch bloßgestellt werden. Und was generell im Leben gilt, gilt natürlich auch für das Leben in einer Klostergemeinschaft: So manches meistert man entweder mit einer gewissen Leichtigkeit und mit Humor… oder überhaupt nicht. 😉
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Vierten Fastensonntag (19.3.2023)
ImpulsDas viele Reden nicht lieben.
(RB 4,52)
Beim heutigen Werkzeug ist es spannend, dass es nicht einfach heißt: Das Schweigen lieben.
Es wäre doch eine klare fromme Ansage, die auch schön in jeden Kalender passt.
Aber anscheinend war es wohl so, dass die Mönche ganz gerne viel geredet haben, und Benedikt weist genau darauf nicht ganz unironisch hin und spielt dabei mit den Worten. Man hört fast die kleine Pause nach dem Wort reden, um dann die Pointe zu setzen.
Er kannte sich und seine Brüder sehr gut, und man darf dabei auch nicht vergessen, dass wir uns im heutigen Italien befinden, dort wo Kommunikation nochmal eine ganz andere Bedeutung hatte und hat.
Allgemein wird im Kloster gerne viel geredet, was vielleicht manche sehr oder vielleicht auch gar nicht überrascht. Menschen sind soziale Wesen, und Reden, Austausch hilft uns dabei.
Kommunikation an sich ist wichtig, und es geht sicher nicht darum, etwas totzuschweigen, wenn das zu viele Reden hier kritisiert wird. Vielmehr ist es eher wichtig, einfach das richtige Maß zu finden. Es kann sehr guttun, mal einige Zeit zu schweigen, oder nur das Nötigste zu reden. Gerade zu vieles Reden kann auch gerne im Tratsch enden oder verletzend sein und Zwietracht säen. So etwas kommt natürlich in keinem Kloster vor, was ja genau dieses Werkzeug beweist 🙂
Werden wir still, hören wir genauer hin, zerreden wir nicht alles – dann kann etwas wachsen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Samstag der Dritten Fastenwoche (18.3.2023)
ImpulsSeinen Mund vor bösem und verkehrtem Reden hüten.
(RB 4,51)
Das Einzige, was sie mir nicht nehmen können, ist die Art und Weise, wie ich auf das reagiere, was sie mir antun. Die letzte Freiheit besteht darin, die Einstellung unter bestimmten Umständen zu wählen. (Victor Frankl)
Ich verstehe dieses Zitat von Victor Frankl so, dass ich die Wahl habe, auch nach emotionalen Verletzungen meinen Mund vor bösem und verkehrtem Reden zu hüten. Diese Freiheit macht für mich auch die Würde des Menschen aus. Wie oft habe ich bei mir selbst erlebt, dass ich mich als besonders begabt empfinde, wenn ich auf eine Kritik genauso schnell eine entsprechende Antwort geben kann. Nur gehen dann die wechselseitigen Verletzungen weiter. Der heilige Benedikt ermahnt uns, dass wir dem Schweigen einen wichtigen Wert einräumen. Er weiß darum, dass es wichtig ist, einen Raum der Reflektion zu haben. In dieser Zeit kann sich die Aufgewühltheit der Emotionen legen. Ich spüre, dass unsere Gesellschaft häufig auf Geschwindigkeit in den Reaktionen setzt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich Zeit lassen. Nutzen Sie den Raum der Freiheit und lassen Sie sich nicht zu schnell zu bösem und verkehrtem Reden reizen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Freitag der Dritten Fastenwoche (17.3.2023)
ImpulsBöse Gedanken, die sich in unser Herz einschleichen,
sofort an Christus zerschmettern und dem geistlichen Vater eröffnen.
(RB 4,50)
Was Benedikt hier sagt, hat er dem Sinn nach von den Wüstenvätern übernommen.
Das belegt eine kurze Geschichte:
Ein Mönch geht zum Altvater Poimen und beklagt sich über die Unmenge an Gedanken, die ihn nicht nur ablenken, sondern auch vom guten Weg abbringen wollen. Da nimmt ihn Poimen mit nach draußen, sagt, er solle sein Gewand nehmen und den Wind anhalten. Der aber erwidert: „Den Wind anhalten, das kann ich nicht.“ „Ja“, gibt ihm darauf der weise Alte zurück, „da hast Du recht, deine Aufgabe ist es, den Gedanken zu widerstehen.“ (AP 602)
Die Mönche der Frühzeit des christlichen Mönchtums hatten sehr bald bei ihrem Bemühen um inneren Frieden gemerkt, dass sie gegenüber störenden Gedanken machtlos waren. Wir selbst haben mit diesem Problem zu tun, wenn wir still werden, beten oder meditieren wollen. Es ist so, als gäbe es irgendwo im Inneren eine Maschine, die ständig Gedankenwinde ins Bewusstsein bläst. Wir können sie nicht mit einem Knopfdruck abstellen. Sie sind einfach da, das ist ganz normal.
Aber, so meint Poimen, wir können entscheiden, ob wir ihnen einräumen, sich bei uns breit zu machen. Bevor das geschieht, haben wir die kurze Chance, sie zu identifizieren und dann die Tür wieder zu schließen. Dann bin ich wieder frei, um mich der göttlichen Nähe, meinem Gast, zuzuwenden. Mit dieser Entscheidung begebe mich in jenes Magnetfeld, das die Kraft hat, mich freundlich anzuziehen und die Gedanken hinter mir zu lassen, ohne mich über die Störung zu ärgern. Wenn es ganz arg wird mit dem Gedankenwind, kann ich darüber mit einer Person sprechen, die sich in solchen Dingen auskennt und mein Vertrauen hat.
Augen und Ohren, seid wachsam!
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Fastenwoche (16.3.2023)
ImpulsDas eigene Tun und Lassen jederzeit überwachen.
Fest überzeugt sein, dass Gott überall auf uns schaut.
(RB 4,48-49)
Leider sind solche Verse, wie wir sie in den heutigen „Werkzeugen der geistlichen Kunst“ lesen, oft so verstanden worden, dass sie Menschen krank gemacht haben. „Ein Auge gibt’s, das alles sieht, auch wenn’s in tiefster Nacht geschieht“ – mit solch einem Satz ist unzähligen Kindern Angst vor einem Polizistengott gemacht worden, der auch kleinste Verfehlungen bestraft.
Ich verstehe diese beiden Werkzeuge eher in einem anderen Sinn: dass Gott auf mich schaut mit einem liebevollen, freimachenden Blick. Ein Blick, der mir etwas zutraut, der mir zutraut, etwas aus meinem Leben zu machen. Ein Blick, der auch dann noch mit liebevoller Geduld auf mir ruht, wenn ich mich verrannt habe. Unter so einem achtsamen Blick kann ich selbst achtsam werden auf das, was ich tue – und auf das, was ich unterlasse, z.B. einem Mitmenschen den liebevollen Blick Gottes zu verweigern. Oft sehen wir leider mehr die Fehler beim anderen als das Potential, was in jedem Menschen steckt.
Vielleicht können mich diese beiden Werkzeuge heute einmal dazu anregen, den liebevollen, geduldigen Blick Gottes einzuüben – auf mich selbst und auf meine Mitmenschen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Fastenwoche (15.3.2023)
ImpulsDen unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben.
(RB 4,47)
Als ich diesen Vers aus der Regel Benedikts
noch vor meinem Klostereintritt zum ersten Mal las,
war meine spontane Reaktion:
Auf keinen Fall!
Das kann doch nur düster und depressiv machen,
das Grau ins Leben bringen
und mich gebückt durch meine Tage laufen lassen.
Der Blick auf diese Worte änderte sich nach einem schweren Verkehrsunfall.
Mir war nichts geschehen
– aber der Mensch am anderen Ende der Notrufsäule
(Handys gab es damals noch nicht)
sagte nur: „Und sie leben noch??“
Ja, ich lebte noch.
Und ich lebe noch!
Und weiß seitdem was es heißt,
den unberechenbaren Tod täglich vor Augen zu haben:
täglich das Leben zu genießen,
die vielen Begegnungen und Erfahrungen,
das Frohe und auch das Schwere.
Wer weiß, ob das morgen noch geht …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Dienstag der Dritten Fastenwoche (14.3.2023)
ImpulsDas ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehnen.
(RB 4,46)
Oh wenn Du doch…
Gott spricht:
Zerbrechlicher, sterblicher Mensch: Oh wenn Du doch…
das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehntest,
dann würdest Du
…mein Bild in Deiner Seele ahne
…spüren, wie ich Dich gebildet und gewoben im Schoß Deiner Mutter
…nach Deinem Bruder – nach Deiner Schwester fragen
die Angst um Dich selbst vergessen
lieben, was ich liebe
und schon jetzt und immer ewig leben!
Zerbrechliche, sterbliche Kirche: Oh wenn Du doch…
das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehntest,
dann würdest Du
…erinnern, wie Du in der Dunkelheit von Golgatha aus meinem Herzen hervorgingst
…da sein, wo ich bin – bei den Armen, den Kranken, den Flüchtenden, den Gefangenen
…die Vision vom Himmel erfahrbar machen
die Angst um Dich selbst vergessen
verkünden, was ich verkünde
und schon jetzt und immer ewig leben!
Zerbrechliche, sterbliche Welt: Oh wenn Du doch…
das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehntest,
dann würdest Du
…meinen Geist in Deinem Herzen atmen lassen
…meine Liebe wie die Blumen blühen und sprießen lassen
…dem Leben in all seiner Vielfalt und Fruchtbarkeit unbegrenzten Raum öffnen
die Angst um Dich selbst vergessen
ersehnen, was ich ersehne
und schon jetzt und immer ewig leben!
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Montag der Dritten Fastenwoche (13.3.2023)
ImpulsDen Tag des Gerichtes fürchten.
Vor der Hölle erschrecken.
(RB 4,44-45)
In den heutigen Werkzeugen verstecken sich einige Missverständnisse.
Denn in Bezug auf das Leben wird hier nicht vom Gericht am Ende unseres Lebens gesprochen oder mit der Hölle gedroht, sondern die Werkzeuge beziehen sich auf den Jüngsten Tag, den Tag des Gerichts. Der Moment, wenn die Welt endet, das Gericht über alle Schöpfung zusammenkommt, und der Antichrist sichtbar werden wird.
Das sind alles gewaltige und schwer zu fassende Bilder, die aber im Grunde erzählen, dass wir alle ein Teil der Ewigkeit sind. Wir sind Teil der Schöpfung und somit auch immer Teil davon, was mit der Schöpfung geschehen wird.
Die Schöpfung sollte als Ganzes bewahrt und auch als Ganzes erlöst werden. In dieser Verantwortung steht jeder von uns.
Vielleicht macht uns manches hier Angst, wenn wir es hören.
Aber Furcht muss nicht unbedingt etwas mit Angst zu tun haben, denn wir können auch ganz einfach ehrfürchtig sein und z. B. vor dem Angesicht Gottes ehrfürchtig staunen.
Erschrecken selbst hat etwas Dynamisches an sich und kann auch heilsam sein. Besonders dann, wenn wir vor der Hölle in uns selbst erschrecken.
Wir Menschen sind ja eigentlich die größten Erfinder von Höllen, tun Menschen und Tieren schreckliches Leid an und entschuldigen dies am Ende dann auch noch mit unserer eigenen Selbstgerechtigkeit.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dritten Fastensonntag (12.3.2023)
ImpulsSieht man Gutes bei sich, es Gott zuschreiben, nicht sich selbst.
Das Böse aber immer als eigenes Werk erkennen, sich selbst zuschreiben.
(RB 4,42-43)
Was passiert mit mir, wenn ich diese zwei Verse der Benediktsregel, die zunächst einfach nur Widerstand hervorrufen, ernst nehme?
Zunächst einmal: Gott ist für Benedikt der absolut Gute und kann deshalb auch nur etwas Gutes im Menschen bewirken. Das finde ich erst einmal tröstlich! Gott wirkt Gutes in und mit mir. In dem Guten, was ich tue und bewirke (und da gibt es im Leben eines jeden Menschen sehr viel!! Leider nehmen wir das in der Regel nicht wahr!) wirkt Gottes Kraft, sein Hl. Geist in mir.
Aber: es gibt auch die Dynamik zum „Bösen“, Destruktiven in mir und in der Welt. Das ist all das, was eigentlich und im letzten Leben verhindert. Ausgelöst durch wen oder was? Wir wissen es nicht… Aber, so Benedikt: Es kommt nicht von Gott! Denn der ist voll und ganz Leben, Liebe, Licht…
Was wir tun können als Menschen? Uns immer mehr dieser Dynamik des Lebens zu öffnen. Und das, was mich im tiefsten davon wegzieht – lassen. Mit Gottes Hilfe.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Fastenwoche (11.3.2023)
ImpulsSeine Hoffnung Gott anvertrauen.
(RB 4,41)
Zusage und Überforderung zu gleich.
Kann ich meine Hoffnung,
alles was ich ersehne erwarte,
ganz Gott anvertrauen?
Auf ihn, der „ein Gott ist,
der mich sieht“?
(nach der ök. Jahreslosung 2023, vgl. Gen 16,13)
Aber soll ich nicht lieber doch
ein wenig und mehr dazu beitragen,
dass meine Hoffnungen Wirklichkeit werden?
Ja, die Hände in den Schoß legen gilt nicht
mit der Ausrede: „Gott macht das schon!“
Aber: Gott vertrauen, das darf ich!
Kann ich es auch?
Wage ich es?
„Siehe, ich habe deinen Namen in meine Hand geschrieben, ich habe Dich immer vor Augen.“
(Jes. 49,16)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Fastenwoche (10.3.2023)
ImpulsNicht murren.
Nicht verleumden.
(RB 4,39-40)
Nach dem Evangelium zu leben ist eine sehr praktische Angelegenheit. Heute nennt Benedikt in seiner langen Instrumentenliste zwei Werkzeuge, von denen sehr viel für das Gelingen des menschlichen Zusammenlebens abhängt: „Nicht murren. Nicht verleumden.“
Wir wissen alle, dass das Rummosern und Nörgeln in einer Gruppe, einem Team, einem Kollegium eine starke Belastung sein kann, weil es die Atmosphäre vergiftet und ein gutes Zusammenarbeiten blockiert. Es taucht dort überall auf, wo Menschen sind. Wen wundert’s, dass es auch im Kloster vorkommt. Von daher schärft Benedikt an mehreren Stellen den Kampf gegen das Laster des Murrens ein und greift ein Thema auf, das schon zu Zeiten des Mose existierte: Musste sich doch Gott immer wieder gegen die Unzufriedenheit in seinem Volk richten, und auch die Propheten beschönigten dieses Übel nicht. Man muss es also durchaus ernst nehmen. Es richtet heutzutage genug Unheil in den sozialen Medien an. Dieser Gefahr gilt es, bewusst und entschieden Widerstand zu leisten.
Ähnliches trifft auch für das „nicht verleumden“ zu. Wo Menschen sich nicht abfällig über andere äußern und Schwachstellen nicht rumposaunen, bleibt die Luft klar und rein. Dort schauen sich die Menschen offen in die Augen und können sich frei zeigen, so wie sie sind.
Wie entgehen wir der Versuchung zu beiden Fehlhaltungen?
Am ehesten, wenn wir uns nicht nur für unser eigenes Wohlergehen interessieren, sondern
– die anderen in unserer nächsten Umgebung im Bick behalten,
– z. B. mal nachfrage „Wie geht es dir?“,
– oder einfach ein Stück des Weges mit ihnen zusammengehe (wörtlich zu nehmen!).
Hier noch ein guter Rat von Johannes XXIII., den er als Vorsatz für sich selbst in seinem Tagebuch notiert hat: „Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an mich oder meine Wünsche anpassen.“ Wohlgemerkt: nur für heute – das ist schon viel! Das ist praktisch.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Zweiten Fastenwoche (9.3.2023)
ImpulsNicht stolz sein. Nicht trunksüchtig, nicht gefräßig, nicht schlafsüchtig, nicht faul sein.
(RB 4, 34-38)
Es geht nicht um die Erfüllung meiner Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Schlafen, Erholung, Anerkennung.
Aber was ist, wenn sich bei all dem die „Sucht“ mit einschleicht? Oft unbemerkt, immer mehr, mein Leben lang. Dann wird klar, dass es mir nicht um diese Grundbedürfnisse geht, sondern dass sich über das Suchtverhalten meine Sehn-sucht meldet.
Gibt es neben den Grundbedürfnissen (Essen, Trinken, Schlafen, Erholung, Anerkennung) des Menschen nicht auch eine Grundsehnsucht in ihm? Nach Annahme, Liebe, Verständnis, Nähe, …? Und wie erfüllt sich die in meinem Leben?
Nur wenn ich diese Sehnsucht zulasse, anschaue, bruchstückhaft erfülle, stillt sich mein Hunger, mein Durst, …
Der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er bedürftig ist. Ein Leben lang. Unstillbar.
Aber – wie gehe ich damit um?
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Fastenwoche (8.3.2023)
ImpulsDie uns verfluchen, nicht auch verfluchen, sondern – mehr noch – sie segnen.
Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen.
(RB 4,32-33)
In diesen Versen wird die Bergpredigt aufgenommen. Sie gehört zu den Grundaussagen des Christentums. Hier wird der Ernst der Nachfolge Jesu deutlich. Es wird von mir Bewusstseinsarbeit gefordert. Gegen Gefühle wie Wut, Rachewünsche oder Kränkungen kann ich nichts ausrichten. Gefühle kommen, wie sie wollen. Aber ich kann mit diesen Gefühlen umgehen. Ich muss das Gefühl nicht ins Wort fassen, und ich muss das Wort nicht zur Tat werden lassen. Ich kann den Kreislauf der Gewalt durchbrechen. Wenn mir jemand Böses tut, dann kommen die Gefühle von Wut, Rache und Kränkung unweigerlich. Trotzdem kann ich mein Gegenüber segnen, auch dann, wenn mir nicht danach ist.
Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen: Das nimmt mich mit in die Passion Jesu. Die für mich erkannte Wahrheit ist nicht beliebig. Für diese Wahrheit stehe ich ein und nehme auch Nachteile in Kauf. Das wird mir nicht immer gelingen, aber es darf als Leitstern für mein Leben gelten.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Fastenwoche (7.3.2023)
ImpulsNicht Böses mit Bösem vergelten.
Nicht Unrecht tun, vielmehr erlittenes geduldig ertragen.
Die Feinde lieben.
(RB 4,29-31)
Mir ist aufgefallen, wie schnell wir einen Schlusspunkt setzen, wenn uns jemand Unrecht tut, uns alles andere als wohlgesonnen ist und sich uns gegenüber feindselig verhält. In einem solchen Fall schalte ich irgendwann auf Selbstverteidigung um, wehre mich und sehe im anderen nur einen Gegner.
Auf der anderen Seite habe ich auch erlebt, dass es Menschen gibt, die ruhig bleiben und nicht auf einer aggressiven Ebene antworten. Ich wünschte mir, ich wäre in der Lage, mich nicht zum automatischen Reflex verleiten zu lassen und nur auf Abwehr umzustellen.
Jemand hat mir einmal geraten: Versuch von Deiner Mitte heraus zu reagieren. Sonst machst Du schnell einen Fehler, wirst selbst emotional und überziehst den Ton.
Was hilft, mich an Jesu kluge Weisung zu halten, ist ein Spruch des koreanischen Mönchs Shiva Ryu: „Setze keinen Punkt an die Stelle, an die Gott ein Komma gesetzt hat.“ Setze also keinen Schlusspunkt im gestörten menschlichen Miteinander, Gott sieht mehr, als du denkst. Gib nicht auf.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Montag der Zweiten Fastenwoche (6.3.2023)
ImpulsNicht schwören, um nicht falsch zu schwören. Die Wahrheit mit Herz und Mund bekennen.
(RB 4,27-28)
Die Warnung vor dem Schwören bezieht sich an dieser Stelle auf den Schwur im Verhör während der Zeit der Christenverfolgung. Beim Kaiser zu schwören hätte bedeutet, ihn in seiner vermeintlich göttlichen Würde anzuerkennen: Für Christen war das natürlich ein moralisches Dilemma, denn das Einstehen für ihre Überzeugung und das Bekenntnis ihres Glaubens mit Herz und Mund hatte dementsprechend das Martyrium zur Folge. Aufgewachsen in einem Land, in dem es Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit gibt, wird mir aber gerade im Blick auf andere Länder deutlich, was für hohe Güter das sind. Würde ich mich trauen, für meine Überzeugungen und für meinen Glauben einzustehen, auch wenn dies nicht nur Unverständnis, sondern wirklich ein Risiko für mein Leben oder für das Leben meiner Brüder und meiner Familie bedeuten würde?
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Zweiten Fastensonntag (5.3.2023)
ImpulsRegel Benedikts 4,26
Von der Liebe nicht lassen.
… nicht? Nein! Niemals….
Die Liebe wirken lassen!
Der Liebe Raum lassen!
Wirklich: …nicht lassen?
Aber wie das denn?
Meine Selbstsucht unter-lassen
Meine Dunkelheit lassen
Meine Verwundungen los-lassen
Meine Geschichte sein-lassen
Die Bewertungen bleiben-lassen
Das Schuldkonto er-lassen
Leben veran-lassen
Mich belassen, weil ich bin, wie ich bin?
Trotzdem: Die Liebe machen lassen!
Liebe hinter-lassen
An der Liebe nie Zweifel lassen!
In mir
Durch mich
Mit ihm
In ihm
Für die Welt
Dem Menschen
Gott ist die Liebe.
p. abraham fischer osb
Impuls am Samstag der Ersten Fastenwoche (4.3.2023)
ImpulsNicht unaufrichtig Frieden schließen. (RB 4,25)
Das heutige Werkzeug hat gleich mehrere Komponenten.
Erst einmal dreht sich alles um die Unaufrichtigkeit in einer Gemeinschaft oder auch in einer Beziehung, und die Folgen daraus.
Es kann nicht wirklich gelingen, zu einem Frieden zu kommen, wenn eine Partei unlautere Absichten hat oder nur der eigene Vorteil im Mittelpunkt steht. Der Wille zum Frieden beider Seiten muss der Kern allen Handelns sein. Nur aufrichtiges Annähern führt zu einem Friedensschluss.
Die Folgen einer Unaufrichtigkeit können fatal sein, wie uns ja auch oft die Weltgeschichte schon gelehrt hat. Und auch in der Legendensammlung der „Dialoge“, die vom Leben des heiligen Benedikt handelt, gibt es anschauliche Geschichten, in welchen Benedikt von unaufrichtigen Mitbrüdern sogar nach dem Leben getrachtet wird.
Falscher Friede hat nichts mit wirklichem Frieden zu tun, auch wenn sich alle dabei anlächeln und ein „gutes Gefühl“ haben.
Eine weitere Komponente des Werkzeugs dreht sich um die Beziehung zu uns selbst: Sind wir aufrichtig mit uns, und nehmen wir uns auch so an, wie wir sind? Wie machen wir Frieden mit uns?
Nur wenn wir versuchen, uns ganzheitlich zu sehen, kann auch Veränderung gelingen. Und nur wenn wir mit uns ehrlich sind, erkennen wir auch, wo unsere Grenzen (dabei) sind.
Hier kommt nun die dritte Komponente des Werkzeugs ins Spiel: unsere Aufrichtigkeit in der Beziehung zu Gott.
Wie erwarten wir Gott, wenn er uns in seinem unendlichen Frieden entgegeneilt? Und wie werden wir sein, wenn dieser Frieden uns dann ganz einfach aufrichtet?
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Freitag der Ersten Fastenwoche (3.3.2023)
ImpulsDen Zorn nicht zur Tat werden lassen.
Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben.
Keine Arglist im Herzen tragen.
(RB 4,22-24)
Wer kennt das nicht: Oft fängt es beim Frühstück am Morgen an, da ärgert man sich über seinen Nächsten, weil vielleicht gerade die Butter vor den eigenen Augen geleert wurde. So eine Frechheit. Jetzt hat man keine Butter mehr. Sowas Blödes, wer will schon in den Vorratsraum gehen. Schließlich will man frühstücken. Die Zeit ist eh knapp. Das war doch extra, nur um mich zu ärgern. Wut schafft Ärger, und beide bringen Zorn in unser Herz. Und das alles am Morgen während der so kostbaren Frühstückszeit! Ja, in solchen Situationen kann dann ein Vulkan der Gefühle ausbrechen. Man fängt wie ein kleines Kind an zu toben, ob nun erst innerlich oder dann gar äußerlich. Ärger, Zorn und Frust gehören zum Alltag und können diesen dann ganz schön versauen. Schlimmer, die Rachsucht sucht uns heim: Na warte, wenn es wieder Butter gibt, dann zeig ich es dir aber…
In seinen Werkzeugen der geistlichen Kunst warnt der heilige Benedikt seine Mönche vor diesem Tsunami der Gefühle, indem er rät: „Den Zorn nicht zur Tat werden lassen. Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben. Keine Arglist im Herzen tragen.“ Hier greift der Mann vom Monte Cassino den roten Faden der Bergpredigt und ihrer Friedenslehre auf. Die Keime des Zorns sollen wir nicht in unseren Herzen sprießen lassen, denn dann wächst dort das Unkraut der Rachsucht wild heran. Unser Herz wird zum Nährboden eines Wutreaktors. Es brodelt und dampft in uns, bis es zischt und explodiert. Diese Gefühlslage macht uns innerlich unglücklich und hindert uns daran, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, denn es kommt wie ein Bumerang zurück.
Die Fastenzeit kann uns hier eine Werkstunde sein. Nutzen wir diese Zeit und üben uns in Gelassenheit ein. Wenn wir uns ärgern und Wut im Herzen spüren, dann stellen wir doch unsere innere Ampel auf Rot und bleiben einen Moment stehen und atmen durch. Vielleicht hilft es uns in dieser Situation, einen Spaziergang zu machen oder beim Sport uns auszutoben. Um die Nerven zu beruhigen, hilft jede Art der Bewegung. Eine andere Möglichkeit: Den Geist fliegen lassen, indem wir einen ruhigen Raum aufsuchen, vielleicht eine Kerze anzünden. In der Stille die Augen schließen und dem Geist Freiraum schenken. „Die Enge meines Herzens mach weit.“ Vielfach hilft auch Musik, um negative Emotionen zu lösen. Oder wir können die aufgestaute Wut einfach wegtanzen. Die Fastenzeit will uns Raum schenken, damit wir uns kre-aktiv in der Gelassenheit einüben. Dann löst sich die Enge unseres Herzens und es kann sich weiten. Das ist gut für die Nächstenliebe, aber auch für die Liebe zu uns selbst. Denn Frieden entsteht zunächst in meinem Herzen, dann kann ich auch friedvoll mit meinen Nächsten umgehen und der Zorn wird nicht zum Gewitter der Arglist im Herzen, das mit Pfeilen um sich schießt, sondern zum Klang des liebenden Herz.Rhythmus.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Fastenwoche (2.3.2023)
ImpulsSich dem Treiben der Welt fremdmachen.
Nichts der Liebe zu Christus vorziehen.
(RB 4,20-21)
Diese beiden Werkzeuge erschließen sich für mich nur in ihrem Zusammenhang aufeinander. „Sich dem Treiben der Welt fremdmachen“ – das ist kein Selbstzweck. Askese übe ich nicht um der Askese willen, sondern weil da etwas ist, das die Mühe lohnt, das um vieles kostbarer ist als das „Treiben der Welt“. Und das ist eben die „Liebe zu Christus“, der wir nichts vorziehen sollen. In der Vorlage Benedikts geht dieser Satz noch weiter: „Der Liebe zu Christus nichts vorziehen, weil auch er uns nichts vorgezogen hat.“ Das macht noch einmal den Geschenkcharakter der Liebe Christi aus, der vorgängig zu unserer menschlichen Antwort darauf ist.
Noch etwas erscheint mir wichtig. Es heißt nicht, dass wir uns von der Welt als solcher fernhalten sollen. Sondern nur vom „Treiben der Welt“. Im Lateinischen steht hier „saeculi actibus“, von weltlichen Akten bzw. Handlungen. Es geht also nicht um eine Weltflucht an sich, sondern um ein Fremdmachen von dem, was dem übergeordneten Ziel der Liebe Christi schadet, was mich davon abbringt. In diesem Sinne könnte es heute eine gute Übung sein, mich zu fragen, was mich von dieser Liebe abhält, was ich alles in meinem alltäglichen Leben der Liebe Christi vorziehe.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der Ersten Fastenwoche (1.3.2023)
ImpulsTote begraben.
Bedrängten zu Hilfe kommen.
Trauernde trösten.
(RB 4,17-19)
Unsere Übung in der Zeit auf Ostern hin wird konkret, wenn wir trauernde Menschen trösten. Zu unserem Menschsein gehört es auch, dass wir alle des Trostes bedürfen. Trost hat viel mit menschlicher Präsenz und Mitgefühl zu tun. Der Maßstab Jesu wird konkret: „ Was darf ich dir tun?“. Wenn wir Leid, Schmerz und Verlust auszuhalten haben, dann sind Menschen für uns ein Segen, die mit uns mitfühlen. Tragend werden dann die Aussagen: „ Ich bin für Dich jetzt da“ oder „ Ich versuche dich zu verstehen und ich fühle mit dir in deinem Schmerz“. Bedenken wir, dass das schlichte Halten des Trauernden lindernd wirkt. Diese Solidarität hat Jesus stets gelebt. Zumal wir an einen Gott glauben dürfen, der selbst Schmerz kennt.
Jesus Christus ist solidarisch und mitfühlend in unseren schmerzlichen Etappen des Lebens, da er selbst die dunkelsten Abstiege durchschritten hat. Diese mitfühlende Kompetenz Gottes hat einen österlichen Schimmer, wenn wir dann bewusst an Ostern singen werden: „Christ will unser Trost sein, Kyrieleis“.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Fastenwoche (28.02.2023)
ImpulsArme bewirten.
Nackte bekleiden.
Kranke besuchen.
(RB 4,14-16)
In diesen drei „Werkzeugen“ der geistlichen Kunst gibt die Benediktsregel klare Hilfen, wie Nächstenliebe konkret wird. Die Fastenzeit lädt uns Christen ein, Gott neu zu begegnen. Der Dienst an den Armen, den Nackten und den Kranken ist nicht nur eine helfend menschliche und solidarische Tat, sondern Gottesdienst. In den Armen, den Nackten und den Kranken begegnen wir Christus selbst. Christus ist immer, besonders an den menschlichen Rändern, präsent. Der Dienst an den Armen und Kranken ist eine Nagelprobe, ob wir mit unserer Nachfolge ernst machen. Die Regel Benedikts will als klare Parallele zum Matthäusevangelium (Mt 25) verstanden werden. Der Dienst an den Armen und Kranken ist Dienst an Christus.
Unser Wort sei Tat!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Montag der Ersten Fastenwoche (27.02.2023)
ImpulsSich Genüssen nicht hingeben. Das Fasten lieben. (RB 4,12-13)
Was kann ich genießen?
Und: Kann ich überhaupt noch genießen?
Ist es dazu nicht notwendig, auch einmal Dinge zu lassen – „zu fasten“? Mich nicht mit allem Möglichen zuzustopfen… Um so meine tiefsten Sehnsüchte noch wahrzunehmen, auszuhalten…
Und wie sieht es mit meiner Fähigkeit aus, mich ganz hinzugeben? Einer Sache, einem Menschen, Gott…? Kann ich mich loslassen – oder ist die Angst zu groß, mich zu verlieren?
Oder gebe ich mich nur „Genüssen“ hin, um nicht zum Eigentlichen zu kommen?
Auch mit diesen beiden Werkzeugen will uns Benedikt in die Tiefe, auf den Grund unseres Lebens führen. Und auch hier letztlich die Frage: Worauf baue ich?
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Ersten Fastensonntag (26.02.2023)
ImpulsSich selbst verleugnen, um Christus zu folgen. Den Leib in Zucht nehmen. (RB 4,10-11)
Spätestens seit der Initiative „Out in Church“ bekomme ich bei dem geistlichen Werkzeug der Selbstverleugnung ein ungutes Gefühl. Machte diese Initiative doch gerade auf schmerzliche und beschämende Weise bewusst, wie der Druck, die eigene Identität oder sexuelle Orientierung nach außen hin (und zum Teil auch innerlich) immer wieder verleugnen zu müssen, Menschen krank und unglücklich macht.
Auch in der Rezeptionsgeschichte der Benediktsregel wurde noch im letzten Jahrhundert die Forderung nach Selbstverleugnung als wirksames Instrument geistlicher Macht genutzt, um Menschen klein zu halten, und als fromm klingende Ausrede, um Menschen gerade nicht in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung mit ihren Talenten und Begabungen zu fördern.
Das Wort der Selbstverleugnung geht auf die Aufrufe Jesu zur Nachfolge zurück (vgl. Mt 16,24 oder auch Lk 9,23): „…, um Christus zu folgen.“ Liest man diese Bibelstellen im Kontext, dann geht es Jesus um die Bereitschaft des Einzelnen, sich selbst mit Haut und Haar, also einfach ganz in die Nachfolge zu stellen.
Mit einer inneren Bereitschaft, die auch das Aushalten von Unverständnis und Ablehnung bei anderen bis hin zur Verfolgung nicht scheut.
Den Leib in Zucht zu nehmen ist in der Benediktsregel eine Form, wie sich die Nachfolge konkretisieren soll. Die Nachfolge Christi mit der eigenen, ganzen Person und mit jeder Faser meines Menschseins scheint mir hier der entscheidende Schlüssel zu sein: Denn wenn ich das ernst nehme, dann geht es natürlich nicht in erster Linie um mich, sondern um die Hinordnung auf Christus. So macht die Selbstverleugnung vielleicht Sinn.
Wirkliche Nachfolge ereignet sich aber vor allem aus einer freien Entscheidung heraus. Und die „Freiheit eines Christenmenschen“ macht eben auch aus, dass er sich selbst als Mensch mit all seinen guten und schlechten Seiten, seinen Talenten und Schwächen annehmen und lieben darf (und natürlich auch einschließlich seiner sexuellen Identität oder Orientierung), eben weil er sich als Mensch mit all seinen guten und schlechten Seiten, seinen Talenten und Schwächen, eben mit Haut und Haar in seinem Menschsein als von Gott angenommen und geliebt wissen darf.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Samstag nach Aschermittwoch (25.02.2023)
ImpulsUnd keinem anderen antun,
was man nicht selbst erleiden möchte.
RB 4,9
Die „Goldene Regel“, die Benedikt bei den Werkzeugen der geistlichen Kunst einfügt, findet sich in fast allen Religionen und Kulturen, über die Jahrtausende hinweg. Und es ist ja auch die einfachste Formel, die ein gutes und friedliches Zusammenleben ermöglicht.
Die positive Wendung, die auch Jesus verkündet, ist vielleicht noch herausfordernder: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12) Ich gönne auch dem Anderen das, was ich ersehne, erwarte. Ich öffne mich für sie, achte ihre Eigenheiten und Bedürfnisse – wie meine. So wird aus Leben Begegnung.
Für die Juden und uns Christen hat diese „Goldene Regel“ einen besonderen Hintergrund: Als Ebenbilder Gottes, als seine Kinder, dürfen und müssen wir einander achten. Ja, auch die, die mir vielleicht nicht so liegen.
Und: Gottes eigenes Handeln an uns soll auch unser Handeln am Nächsten begründen: „„Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,34)
Warum gelingt uns das alles so oft nicht?
Es könnte doch so leicht sein …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Freitag nach Aschermittwoch (24.02.2023)
ImpulsRB 4 (Die Werkzeuge der geistlichen Kunst), V. 8
Alle Menschen ehren.
Die ersten Werkzeuge der geistlichen Kunst sind von den sog. Zehn Geboten inspiriert, dem Grundgesetz des jüdisch-christlichen Lebens. Interessant ist, dass Benedikt das vierte Gebot – „Vater und Mutter ehren“ – ausweitet auf „Alle Menschen ehren“. Das Gebot wird sozusagen universalisiert. Nicht mehr nur die Eltern, die eigenen Verwandten sollen geehrt werden, sondern alle Menschen. Die Begründung dazu findet sich im Gebot der Nächstenliebe, das uns am Anfang des Kapitels begegnet ist. Martin Buber übersetzt dieses Gebot folgendermaßen: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“ Das gemeinsame Menschsein ist die Basis für das Gebot, alle Menschen zu ehren.
Wohlgemerkt: es heißt, dass wir alle Menschen ehren sollen. Nicht lieben, denn das wäre wohl eine hoffnungslose Überforderung. Ich kann nicht allen Menschen in affektiver Liebe zugetan sein, auch denen, die es nicht gut mit mir meinen oder die mir unsympathisch sind. Ich kann aber versuchen, ihnen in Ehrfurcht zu begegnen, wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass sie Menschen sind wie ich, dass wir verbunden sind durch das Band des Menschseins.
Heute ist der erste Jahrestag des Ukrainekrieges. Vielleicht kann uns dieses „Werkzeug“ eine Anleitung geben, wie Menschen in Frieden miteinander leben können. Indem sie sich als Kinder der einen Menschheitsfamilie begreifen und einander die Ehre erweisen, die auch Gott dem Menschen erwiesen ist – indem Er selbst Mensch geworden ist. Vielleicht ist dieser Grundsatz gerade für die Zeit nach dem Krieg wichtig, wenn es zu Verhandlungen kommt und Menschen, die einander bis aufs Blut bekämpft haben, wieder zusammenleben müssen. Für heute bleibt uns nur, inständig um Frieden zu beten.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag nach Aschermittwoch (23.02.2023)
ImpulsRB 4 (Die Werkzeuge der geistlichen Kunst), V. 3-7
Du sollst nicht töten; nicht die Ehe brechen; nicht stehlen; nicht begehren; nicht falsch aussagen.
Was sollen solche Anforderungen für Mönche bedeuten? Es erklärt sich ja eigentlich von selbst, dass wir nicht töten, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen usw.
Das 4. Kapitel der Benediktsregel ist auch eine Taufkatechese. Der Täufling bekam die wichtigsten christlichen Regeln auf diese Weise mitgeteilt. In der Osternacht feiern wir auch unsere ganz persönliche Tauferneuerung. Wir erinnern und erneuern unser Taufversprechen. In der Vorbereitung auf Ostern hin ist es hilfreich, sich mit den elementaren Fragen, was die Nachfolge Jesu für mich bedeutet, auseinanderzusetzen. Worte können verletzen und sogar töten; Treue muss ich auch in schwierigen Zeiten üben und nicht vorschnell aufgeben; mit dem, was ich habe, darf ich zufrieden sein. Ich bin eingeladen, Achtung vor dem Anderen, meinem Gegenüber zu haben und zu leben. Das sind in der Umkehrung Handlungsanweisungen, die ich mir immer wieder in Erinnerung rufen darf.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls an Aschermittwoch (22.02.2023)
ImpulsRB 4 (Die Werkzeuge der geistlichen Kunst), V. 1-2
Zuerst: Den Herrn, Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Dann: Den Nächsten lieben wie sich selbst.
Der Aschermittwoch beginnt mit einem besonderen Zeichen: dem Aschenkreuz. Das Aschenkreuz steht für Vergänglichkeit. Gleichzeitig ist dieses mahnende Zeichen ein Signal des inneren Aufwachens, einer klaren Bewusstwerdung und einer Mahnung, was wesentlich im Leben ist. Die Fastenzeit soll uns auf Ostern hin vorbereiten. Das Thema von Ostern ist Leben. Somit sind wir in diesen 40 Tagen eingeladen, inne zu halten und auf unser je eigenes Leben zu blicken. Der heilige Benedikt gibt uns zwei „Werkzeuge“ an die Hand, um über unser Leben zu reflektieren. Das Thema der Werkzeuge ist die Einheit von Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe. Zu Beginn der Fastenzeit darf sich jeder bewusst machen, dass er Gottes geliebtes Kind ist. Unsere Antwort auf die Erstinitiative Gottes ist die Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe. Wir dürfen uns fragen: Wie gestalte ich die liebende Beziehung zu meinem Gott? Wie gestalte ich aus der Gottesliebe heraus die Beziehung zu meinem Nächsten? Wie liebevoll gehe ich mit mir selber um?
Antworten auf diese Fragen, die eine Einheit bilden, wollen in dieser Fastenzeit in uns reifen.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Fastenimpulse
Abtei, ImpulsAuch in diesem Jahr soll es wieder in der Fastenzeit Impulse aus der Abtei geben. Der hl. Benedikt schreibt in seiner Regel, dass jeder Mönch in der Fastenzeit ein „Buch aus der Bibliothek“ (gemeint ist ein Buch aus dem Kanon der Hl. Schrift) erhalten soll, das er von vorne bis hinten lesen soll (vgl. RB 48,15). Von diesem Satz ausgehend möchten wir Ihnen in diesem Jahr ein Kapitel unserer Ordensregel näherbringen, und zwar das 4. Kapitel, das mit „Werkzeuge der geistlichen Kunst“ überschrieben ist. Hier finden sich viele kleine Weisungen und Werkzeuge, „Tools“, die helfen können, das alltägliche Leben in der Nachfolge Jesu gut zu leben.
Wir werden an jedem Tag der Fastenzeit den Impuls auf unserer Website einstellen. Sie können aber auch die täglichen Impulse von Aschermittwoch bis Ostern täglich als E-Mail-Newsletter empfangen.
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (8.1.2023)
ImpulsAngekommen und gesandt sein (Mt 3,13-17)
„Lass es nur zu!“
In der Taufe Jesu und in unserer je eigenen Taufe öffnet sich der Himmel über jedem Menschen. So spricht Gott zu uns Menschen: „Du, Mensch, bist mein ewig geliebtes Kind. Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn.“ Wenn wir diese Zusage in unserem Wesensgrund annehmen, diese Zusage in unserer innersten Herzenskammer strahlt, dann sind wir bei uns selbst und bei Gott angekommen. Gottes geliebte Tochter und Gottes geliebter Sohn zu sein bildet ein inneres Fundament, welches uns in unserem Leben zu tragen vermag. Unsere Resonanz darauf ist, durch unser Leben dieses immer wieder neu durchzubuchstabieren. Unser innerer Auftrag ist es, Zeuge dieser Grundbejahung durch Gott zu sein und es heute in dieser Welt fruchtbar zu übersetzen. Wir schauen dann tiefer auf jeden Menschen, da Gottes Bejahung jeden von uns bewohnt. Diese Grundannahme und Bejahung durch Gott gleicht einem Bundesschluss, der nie mehr aufgekündigt wird: Lass es nur zu!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls an Epiphanie (6.1.2023)
ImpulsAnkommen an der Krippe (Mt 2,1-12)
Mathematik ist eine Sprache, die eine besondere Welt zu beschreiben vermag. Sie kann aber auch Bilder für das Seelenleben eröffnen.
So fühlen wir Menschen uns manchmal so, wie die Mathematik einen „Strahl“ erklärt: es ist eine Linie, die an einem Punkt beginnt und sie streckt sich unbegrenzt aus. Definiert wird diese Linie allein durch 2 Punkte – mehr nicht. Sie geben die Position im Raum unverwechselbar an.
Wir sind unterwegs auf unserer Lebenslinie. Mitunter stellen wir uns die Frage, woher wir kommen. Mehr noch fragen wir aber, was das Ziel unseres Lebens sein könnte. Es ist die uralte Frage nach Herkunft und Zukunft.
Die Sterndeuter kennen diesen Zusammenhang aus einem größeren Kontext. Sie folgen einem Stern, einem Phänomen, das sie am Himmel beobachten. Der spiegelt sich in ihrer Seele wieder und die Bewegung beginnt. Ihre Deutung aus den tradierten Menschheitserfahrungen sagt, dass es ein Ziel geben muss, einen Fixpunkt auf den dahinfließenden Lebenslinien. Sie erwarten diesen Punkt als etwas ganz Großes, als Chance, als endgültigen Ankommen. Das ermutigt sie, die Reise intensiver zu beginnen, die Berge und Hürden zu überwinden, Gefahren zu meistern. Sie stellen sich der ständigen Herausforderung des Lebens: dem Warten, der Einseitigkeit, der frustrierten Langeweile.
Sie finden in der Tat einen ersten Anhalts-und Ausgangspunkt und wagen den Aufbruch. Als der Stern die Bewegung verliert und stillsteht, erwarten sie das große Ziel, die endgültige Ankunft, eine Heimat.
Sie finden aber wenig Endgültiges: ein Kind, eine Mutter, den Vater und das alles in erbärmlichen Umständen. Sie suchen einen Palast und finden einen Stall, sie schauen nach einem mächtigen König aus und erleben einen obdachlosen Asylanten. Sie sehnten sich nach Endgültigkeit und finden Vorübergang.
War der Weg vergeblich? Mit dem Bild aus der Mathematik würde ich sagen: Sie fanden den zweiten Koordinatenpunkt ihres Lebensweges. Er zeigt die Richtung eindeutig an. Ein so definierter Weg gibt mitunter mehr Halt, als das noch so großartige, aber immer menschengedachte Ziel.
Das Ziel unseres Lebens ist uns allen übrigens durchaus klar. Wir können es als Ende oder als Durchgang erwarten und haben es doch nie in der Hand. Den Weg dahin aber können wir suchen und ausrichten. Er fällt uns leichter, wenn wir zumindest eine Richtung verfolgen können.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 5. Januar (5.1.2023)
ImpulsAnkommen aus dem Tod in das Leben
„Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind; denn wir lieben die Schwestern und Brüder. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod.“
(1 Joh 3,11-21)
„Tod, wer bist du, Bruder – oder Feind?
Bist du, der uns vom Leben trennt – oder uns mit ihm vereint?“
Zeilen aus einem Lied von Siegfried Fietz.
Der Tod ist unausweichlich.
Nur die Frage nach Ort und Zeit und Umständen sind offen.
Und dann die Frage, die Fietz stellt:
Was ist denn der Tod für mich?
Macht er mir vor allem Angst, weil er mir auch das Letzte nimmt,
mich „nicht mehr mitspielen lässt?“ (Eckhard von Hirschhausen)
Oder ist er das Tor zu einem ganz anderen Leben,
ein Leben, auf das ich hoffen kann durch die Auferstehung Jesu?
Der Abschnitt aus dem 1. Johannesbrief
weitet diese Fragen aus – auf mein Leben heute!
Wenn wir glauben, „aus dem Tod in das Leben hinübergegangen“ zu sein:
merkt man mir das an?
Strahlt die Hoffnung in meinem Leben durch?
Ja, mehr noch:
prägt sie mein Denken und Handeln?
Das kann dann nur von Liebe geprägt sein!
„Wer nicht liebt, der bleibt im Tod.“
Also lasst uns leben – und lieben!
„Habt keine Angst vor dem Tod.
Und habt keine Angst vor dem Leben.“
(Wilhelm Willms)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am 4. Januar (4.1.2023)
ImpulsAnkommen in der Entscheidung zwischen Sünde und Gerechtigkeit
Meine Kinder, lasst euch von niemandem in die Irre führen! Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, wie er gerecht ist. Wer die Sünde tut, stammt vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an. Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören. Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt, und er kann nicht sündigen, weil er von Gott stammt.
(1 Joh 3,7-10)
Bei dem heutigen Thema fällt mir mein Namenspatron ein, wie er mit seinen Gefährten dem Stern gefolgt ist, wie sie das göttliche Kind gefunden haben und es anbeten.
Auf ihrem Rückweg entscheiden sie sich bewusst für einen anderen Weg, denn im Traum wurden sie von einem Engel gewarnt, und sie wissen, welche Gefahr von König Herodes ausgeht, und daher werden sie nicht nochmals Herodes besuchen.
Angekommen, etwas Unbegreifliches, Unerwartetes vorgefunden haben, und dann gleich einen anderen Weg gehen müssen, ganz im Vertrauen auf das Neue.
Das klingt auch ein ganz wenig irre, was die drei Weisen da machen, dabei scheint es aber ja gerade aus der persönlichen Verirrung zu führen. Unbegreiflich, einen König in einer Krippe vorzufinden, und unerhört, ganz besonders im gastfreundlichen Orient, die Einladung eines amtlichen Königs auszuschlagen. Was ist auf dieser Reise mit ihnen geschehen?
Was wird auf unserer Reise geschehen?
Ganz egal, wo wir gerade hin aufbrechen, oder wo wir uns wiederfinden, da ist immer ein Stern. Nicht fern in irgendeiner Galaxis, sondern ganz in uns. Er zeigt uns den Weg, lässt etwas wachsen, und lehrt uns, dass im Urgrund von uns Menschen nichts Böses ist.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am 3. Januar (3.1.2023)
ImpulsAnkommen als Kinder Gottes
Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. (1 Joh 3,1)
„In diesem Jahr schenken wir uns nichts.“ So sagen es viele Menschen, um auszudrücken, dass sie ihre Liebe und Zuneigung zueinander nicht von äußeren Geschenken, von materiellen Werten abhängig machen wollen. Und daran ist sicher auch viel Richtiges. Und es gibt auch den Fall, dass man mit vielen Geschenken etwas zu kompensieren versucht, z.B., einen Mangel an Zeit für die Kinder.
Nun erlebe ich es allerdings oft, dass Menschen, die den oben genannten Satz sagen, sich dann letztlich doch etwas schenken. Offenbar braucht die Liebe manchmal auch den äußeren Ausdruck.
Die Tradition, dass wir uns etwas schenken an Weihnachten, ist der äußere Ausdruck dessen, dass wir Beschenkte sind. Dass Gott uns an Weihnachten das große Geschenk seiner Liebe gemacht hat. Er hat uns seinen Sohn geschenkt – und uns dadurch zu Kindern Gottes gemacht. Er hat uns eine Würde geschenkt, die uns keiner mehr nehmen kann. Wenn wir uns das immer neu bewusst machen, dann macht es auch durchaus Sinn, dass wir uns gegenseitig etwas schenken – und unserer Liebe zueinander so einen Ausdruck zu geben versuchen…
Schauen Sie heute doch mal die Geschenke an, die Sie an Weihnachten bekommen haben, die Karten, die äußeren Zeichen. Und denken Sie dabei an den Menschen, der Ihnen das geschenkt hat. Spüren Sie die Liebe, die dahinterstehen mag. Und dann denken Sie an die Liebe, mit der Gott Sie liebt. Und füllen Sie sich langsam mit dieser Liebe an – mit jedem Atemzug…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 2. Januar (2.1.2023)
ImpulsAnkommen in der Wahrheit
Für euch gilt: Was ihr von Anfang an gehört habt, soll in euch bleiben; wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, dann bleibt ihr im Sohn und im Vater.
(1 Joh 2,24-25)
Das Wort Wahrheit kann in der inneren Vorstellung und der Erwartung manchmal sehr groß werden und ist dann fast nicht zu begreifen. Dabei muss Wahrheit nicht immer ein großes, ideales Gebäude sein. Wahrheit kann auch sein, dass wir einfach einmal mit uns selbst ganz ehrlich sind und uns fragen, wie es uns gerade wirklich geht.
Sind wir erschöpft, oder können wir Bäume ausreißen? Jetzt am Anfang des neuen Jahres ist ein guter Zeitpunkt, einmal eine eigene Bestandsaufnahme zu machen und in die Innenschau zu gehen. Vielleicht unser System sogar zu resetten, wenn wir es für nötig halten.
„Ruhe ist für die Seele der Anfang der Reinigung“, sagt der Mönch und Kirchenvater Basilius, dessen Gedenken heute gefeiert wird. In der Ruhe finden wir zu uns, und können uns selbst auch nicht mehr so viel vormachen.
Die Natur zeigt uns gerade sehr viel in ihrer Kargheit. Die Tage werden wieder länger und etwas heller, aber die Natur selbst erreicht gerade ihren ruhigsten Punkt. Aber im Verborgenen sammelt sie Kraft, der Anfang ist gemacht, und das, was da kommen wird, können wir erahnen oder in der einen oder anderen Knospe schon sehen.
Der Jesuit und Meditationslehrer Franz Jalics hat einmal gesagt, die Natur ist unser größter Lehrmeister. Und er meinte damit ganz konkret eine Übung, die uns beim Stillwerden helfen kann. Es lohnt sich, einfach in die Natur zu gehen und das wahrzunehmen, was uns dort begegnet, es nicht gleich mit unserem Kopf zu hinterfragen. Ganz wie ein Kind in das sinnliche Erleben gehen. Diese Übung kann uns helfen, leicht runterzukommen, aber wir werden auch beschenkt, und es kann passieren, dass uns etwas tief innerlich trifft. Im Wahrnehmen erleben wir Wahrheit. Ganz leicht, tief aus einer gesammelten Kraft, und sie beschenkt uns ganz still.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls an Neujahr (1.1.2023)
ImpulsAnkommen im neuen Jahr – Ihr sollt ein Segen sein!
Der Herr segne und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. (4 Mose 6, 24-26)
Diesen Segen bekommen wir in der Lesung zugesprochen. Zunächst einmal kommt der Segen über uns von Gott her. Segnen heißt im lateinischen benedicere. Gutheißung. Wir Menschen sind von Gott Gutgeheißene. Nicht nur einige Menschen, sondern alle Menschen. Egal welcher Hautfarbe, welchen Alters, welchen Geschlechtes und auch welcher sexuellen Orientierung. Schon in der Schöpfungsgeschichte heißt es nach jedem Schöpfungstag: Und Gott sah, dass es gut war. Was also Gott gutgeheißen hat, dürfen wir nicht schlechtreden.
Wir sind von Gott gewollte Menschen. Sehe ich mich selber so? Heiße ich mich gut? Habe ich eine Freude an mir?
Und mein Nächster in Familie oder Freundeskreis? In Gemeinschaft oder am Arbeitsplatz? Gestehe ich dem Anderen zu, auch ein von Gott Gesegneter zu sein?
Mein Neujahrsvorsatz ist: Ich möchte mich selbst als von Gott Gesegneter sehen und diese Zusage für andere fruchtbar machen. Ich möchte zum Segen für die Menschen sein, denen ich in diesem Jahr begegnen werde. Dann kann wenigstens im Kleinen ein wenig Frieden werden, der uns im Segen zugesagt wird.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls an Silvester (31.12.2022)
ImpulsAnkommen und Abschied nehmen
Erfüllung und Verheißung gehören einander. Und bezüglich des Inhaltes sind sie sogar gleichgeboren. Und doch scheinen sie sich oft so weit von einander zu entfernen, nimmt man einmal die Zeiträume, die sich zwischen Erfüllung und Verheißung auftun. Je umfassender die Verheißung, desto älter wird sie. Oft müssen die Herzen vieler Generationen sie reifen lassen, bis sich Erfüllung schenkt. Doch darin sind die Seelen der Menschen in der Tiefe verbunden. Jene Urverheißung, dass es gut sei und gut werde und die Sehnsucht nach Erfüllung im Grunde des Menschseins. Erfüllung meint dann nicht Dingliches, wie das Ansammeln von Gütern, das Horten von Erfolg oder jenes Vermessen der Welt, das wir Wissen nennen. Erfüllung meint hier mehr, als das Wort sagen kann. Es ist die Sehnsucht und das Bestreben, innerlich und äußerlich eins zu werden, die Widerstreite auszusöhnen. Erfüllung ist dann Heimkehr der entfremdeten Seele, Hoffnung der wandernden Weltzeit. Sie bleibt kostbar und flüchtig. Eben nicht zu machen, nicht zu halten, unerzeugt klopft sie zu ihrer Zeit an.
Erfüllung stellt sich von woandersher ein und ihre Mitte ist im Grunde Gebet des Herzens. Darin kann Erfüllung gelungene Zukunft ebenso einfordern wie geheilte Vergangenheit. Ihr letzter Ursprung ist das Gott-Mensch-Verhältnis vor aller Zeit. Sie kommt aus jener Ewigkeit und leitet uns fort dorthin. Übergang von Verheißung zu Erfüllung ist Augenblick. Auf unseren Zeitlinien nur ein Punkt – in unseren Herzen und Erleben Riesenräume – öffnen sich im Augenblick, der uns in uns die Tiefe, die Weite und die Fülle der Ewigkeit aufblitzen lässt.
Betrachtung der Zeit von Andreas Gryphius
Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht,
die etwa möchten kommen;
der Augenblick ist mein,
und den nehm ich in Acht.
‚So ist der mein,
der Jahr und Ewigkeit gemacht.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 30. Dezember (30.12.2022)
ImpulsAnkommen und in Frieden scheiden – Simeon und Hanna (Lk 2,22-40)
Die beiden alten Menschen Simeon und Hanna – sie haben als gläubige Juden ein Leben lang auf das Kommen des Messias gewartet. Und nun erkennen sie in Jesus Christus diesen Messias, den Retter, die Sehnsucht ihres langen Lebens. Diese Begegnung befriedet sie, und sie können gehen, weil sie ihr Lebensziel erreicht haben. „Nun lässt du, o Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen…“ – so betet Simeon. Diese Begebenheit, von der das Lukasevangelium berichtet, lässt zwei Fragen in mir wach werden:
Worauf warte ich noch in meinem Leben?
und
Was befriedet mich in der Tiefe meiner Seele?
Vielleicht kann diese Zeit zwischen den Jahren mir etwas Raum geben, dem auf die Spur zu kommen.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am 29. Dezember (29.12.2022)
ImpulsAnkommen mit guten Freunden
Als David aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonatans mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben. (1 Sam 18,1)
Eine der schönsten Freundschaftsgeschichten der Hl. Schrift ist die Erzählung der Freundschaft zwischen David und Jonatan, die im Ersten Buch Samuel (Kap. 18-20) erzählt wird. David und Jonatan könnten unterschiedlicher nicht sein – der eine der Emporkömmling, der mit seiner Steinschleuder den Kämpfer Goliat getötet hat, der andere der Sohn des Königs Saul, aus vornehmem Hause. „Das Herz Jonatans verband sich mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben“, so übersetzt Luther den Beginn dieser Freundschaft – einer Freundschaft, die sich bewährt in der Gefahr und selbst stärker ist als der Tod, wie die bewegende Totenklage Davids auf den im Kampf gefallenen Jonatan zum Ausdruck bringt.
Der Mensch ist das Wesen, das der Freundschaft fähig ist. Jeder, der einen guten Freund, eine gute Freundin hat, weiß, dass Freundschaft etwas ist, das wir nicht machen können, sondern das uns geschenkt wird. Wenn Sie einmal überlegen, wen Sie als wahren Freund bezeichnen würden, so werden Sie wohl nicht auf viele Menschen kommen. Freundschaft ist ein kostbares, seltenes Geschenk.
Die sog. Freundschaftsikone „Christus begegnet seinem Freund Menas“ zeigt uns Jesus Christus als Freund. Teresa von Avila beschreibt das Gebet als das Reden mit einem Freund. Ihm darf ich alles erzählen, was mich bewegt. Christus und Menas, die beiden Freunde, werden auf der Ikone als Ebenbürtige dargestellt. Sie schauen in die gleiche Richtung, dem Ziel entgegen. Jeder, der auf seinem Weg einen guten Freund neben sich hat, wird merken, dass der Weg viel leichter zu bewältigen ist. Gemeinsam kommen wir am Ziel an.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Fest der Unschuldigen Kinder (28.12.2022)
ImpulsAnkommen auf Umwegen
Ich muss zugeben, dass ich mich mit dem heutigen Fest der unschuldigen Kinder schwertue. Einerseits ist es ein sehr altes Fest, bekannt seit dem 6. Jahrhundert, andererseits ist der Kindermord von Bethlehem nicht historisch belegt, und wohl eine Fiktion aus antiken Tagen.
Hinzu kommt dann auch noch, dass wir ja mittlerweile wissen, dass der Schutz der Kinder in unserer Kirche oft eigentlich mehr Fassade war als wirkliches Herzensanliegen.
Beim Nachdenken über den heutigen Tag sehe ich die Bilder von Gräberfeldern aus Kanada vor mir, die in diesem Jahr durch die Medien gegangen sind. Gräber von indigenen Kindern, die in katholischen Kinderheimen ums Leben gekommen sind, weil man sich nicht wirklich fürsorglich um sie gekümmert hat, und die dann einfach anonym und heimlich verscharrt wurden. Nur ein Fall von vielen Missbräuchen, die alleine in diesem Jahr ans Licht gekommen sind.
Ein arabisches Sprichwort sagt: Die Wahrheit wird euch finden.
Und in dieser Weisheit steckt viel Wahrheit. Denn die Wahrheit ist nur dadurch ans Licht gekommen, weil die Betroffenen mutig und beharrlich waren. Oft hat das sehr lange gedauert, und ihr Leben hat viele schmerzliche, traumatische Wege genommen.
Aber den geraden Weg verlieren, Umwege gehen, abstürzen, nicht mehr können – kann zum Licht führen.
Scheinheiligkeit dagegen nie.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Fest des hl. Johannes (27.12.2022)
ImpulsAnkommen in der Liebe
Dies ist der Jünger, der all das bezeugt und aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. (Joh 21,24)
Der Evangelist Johannes wurde häufig mit dem Jünger identifiziert, den Jesus liebte: Dem obigen Zitat aus dem sogenannten Zweiten Schluss des Evangeliums geht nämlich unmittelbar voraus, dass Petrus sich umwendet und den Jünger sieht, den Jesus liebte und daraufhin den Herrn fragt: „Herr, was wird denn mit ihm?“ Neben der Frage, wer genau eigentlich der Verfasser des Johannesevangeliums ist, beschäftigte die Leser dieses Evangeliums auch immer schon die Frage, wer denn dieser Jünger sei, den Jesus liebte. Seine Anonymität, seine ehrenvolle Bezeichnung und seine Idealisierung – all das trägt zu der geheimnisvollen Aura bei, die diesen Jünger umgibt. Die Frage nach seiner Identität ist bis heute nicht verstummt, aber auch noch nicht beantwortet. Unabhängig davon berührt es mich aber immer wieder neu, dass auch Jesus tief empfundene Freundschaft kannte und dieser Jünger ihm offenbar viel bedeutete. Das Thema Freundschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Johannesevangelium: Gott, der die Welt so sehr liebt, dass er Mensch wird und seinen Sohn in die Welt sendet, um sie zu erlösen. Jesus, der sein Leben für seine Freunde hingibt, um sie zu retten und der schließlich zu seinen Jüngern sagt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15,15)
Freundschaft gehört sicher zu den wichtigsten und schönsten Erfahrungen im Leben und ist eine gute Gabe und ein Geschenk Gottes. Und sie ist ein Widerschein der tiefen Liebe und Freundschaft, die Gott zum Menschen hat und die so tief war, dass er dem Menschen ganz nahe kommen wollte: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14)
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Fest des hl. Stephanus (26.12.2022)
ImpulsAnkommen durch das Leid
Wie ein Fremdkörper scheint das Fest des heiligen Stephanus inmitten der weihnachtlichen Feierlichkeit aufzurütteln. Und doch hält die Kirche an diesem Termin fest, wissend um die Bedeutung des darin aufscheinenden Geheimnisses. Es ist der Gedenktag einer schrecklichen gewalttätigen Ermordung, kirchengeschichtlich die erste überlieferte nach der Hinrichtung Jesu.
Das ist der Ernstfall christlichen Lebens. An ihm bewährt sich die Antwort des Glaubens an die den Tod überwindende Macht der Auferstehung Christi. Alle Steine der Menschenverachtung und alle Steine der Grausamkeiten gegen Menschen fragen uns nämlich, wie weit uns Weihnachten wirklich trägt.
Gerade weil Kriege und Folter, Geiselnahme und Vergeltung gestern an Weihnachten keine Pause machten, müssen wir uns wie Kain seinerzeit fragen lassen: Wo ist Dein Bruder Abel?
Mit der Stephanusgeschichte bricht Ostern in die Weihnachtszeit ein. Nicht umsonst hören wir die Worte, die Jesus am Kreuz in letzter Todesnot rief: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!
Stephanus zeigt, dass Weihnachten trägt, er vergewissert uns, dass das Geheimnis der heiligen Nacht Hoffnung für die reale Welt schenkt. Diese besteht darin, dass allen, auch den schwersten Sündern Vergebung angeboten wird. Der Tod des Stephanus macht deutlich, dass Menschen über sich hinauswachsen und dass auch in der Vernichtung noch ein Funke von Heil möglich sein kann.
Stephanus zeigt uns das Modell der Vergebung schlechthin: Nicht wir Menschen sind es, die richten und urteilen, sondern er betet noch im Tod für seine Verfolger. So erfüllt er das Gebot der Feindesliebe. Im Ernstfall des Glaubens, in der Verfolgung und in der Dunkelheit an Gott festhalten und das ganze Vertrauen auf ihn setzen, das ist die Mahnung seines Todes.
Es ist der Zusammenhang von Herkunft und Zukunft, der am hoffnungsvollen Sterben des Stephanus aufscheint. Stephanus wird in der Zeit höchster Not die Verheißung eines offenen Himmels zuteil, aus der Kraft des Höchsten ist er bereit, das Letzte – selbst sein Leben – hinzugeben. Als die Steine auf ihn treffen, betet er. Die Vision vergewissert ihm seine Herkunft und bestärkt die Hoffnung für die Zukunft.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls an Weihnachten (25.12.2022)
ImpulsGott kommt auf der Erde an
„Weihnachten zwischen Skepsis und Sehnsucht“. So lautet der Untertitel eines kleinen Büchleins des Freiburger Theologen Magnus Striet, in dem er versucht, die Weihnachtsbotschaft für suchende und vor allem zweifelnde Menschen heute neu auszubuchstabieren.
„Zwischen Skepsis und Sehnsucht“. In diesem Jahr treffen diese Worte ganz besonders mein Empfinden. Skepsis angesichts einer Welt, wo so vieles im Argen liegt, wo Menschen in Krieg, Terror und Gewalt verstrickt sind, wo Gesellschaft sich spaltet und Meinungsverschiedenheiten sich zu oft in Gewalt entladen, wo auch in der Kirche Menschen sich über die Lösungen aus den vielfältigen, auch hausgemachten Krisen entfremden. Kann man angesichts all dessen noch Weihnachten feiern?
Und doch spüre ich auch eine Sehnsucht in mir, die trotz, vielleicht auch wegen aller Skepsis größer wird: die Sehnsucht, dass doch etwas dran sei an dieser unglaublichen Botschaft, dass Gott selbst Mensch wird, als Mensch sich gemein macht mit den Zuständen auf dieser Erde. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt, die gerade an Weihnachten aufkommt, wenn wir uns an die Weihnachtstage unserer Kindheit erinnern. Die Sehnsucht, dass vielleicht noch nicht alles verloren ist in unserer Welt, in unserer Kirche, in meinem Leben.
„Gott kommt auf der Erde an“ – so ist dieser Impuls überschrieben. Nicht: Gott ist angekommen. Sondern: Gott kommt auf der Erde an. Er ist im Kommen. Er ist angekommen da, wo ich ihn empfange in den Menschen, die Hilfe brauchen. Er ist angekommen, wo ich Menschen ernst nehme in ihrer Würde und sie willkommen heiße. Er ist angekommen da, wo ein Licht die Dunkelheit erhellt.
Aber auch das gilt: Er ist noch nicht ganz angekommen, wo Menschen immer noch leiden. Er ist noch nicht angekommen, wo Menschen die Würde ihrer Mitmenschen mit Füßen treten. Er ist noch nicht angekommen, wo die Finsternis das Licht auslöscht. Er ist im Kommen, ja, und wir vertrauen, dass sein Kommen unaufhaltsam ist. Aber er ist noch nicht ganz da. So viel Ehrlichkeit schulden wir den Menschen, die im Dunkeln sind.
In dieser Spannung leben wir. Gerade heute an Weihnachten. Es liegt auch an mir, ob Gott auf der Erde, auf meiner persönlichen Erde schon angekommen ist oder ob er noch im Kommen ist.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, auch im Namen meiner Brüder, gesegnete Weihnachtstage mit der Erfahrung, dass Gott bei Ihnen ankommt und eingelassen wird.
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Heiligabend (24.12.2022)
ImpulsZwischen Aufbrechen und Ankommen
Es begab sich aber zu der Zeit lange vor unserer Zeit
Der Mann
Die Frau
Das Paar
Gemeinsam – Unterwegs
Aufbrechen und suchen und ringen und langsam vortasten
Wie alle, die in ihren Zeiten aufgebrochen sind
Wie alle auf dem Weg wünscht sich das Paar endlich anzukommen
Ein Kommen und Gehen
Ein Hoffen und Vertrauen
Ein Empfangen und Schenken
Ein Erlösen und Befreien
Weg – Wüste – Wirrnis
Übers Gebirg geht die schwangere Maria nicht zu Elisabeth
Ungewisse Wege gehen und keine vertraute Heimsuchung
Übers Gebirg geht die hochschwangere Maria mit Josef nach Bethlehem
Aufgebrochen schutzlos durch die dunkeln Nächte
Ein Weg voller Dornen durch die Todeswälder der Welt
Aufgebrochen hilflos gegenüber der Gefahr der Straße
Ein Weg voller Steine über die Schmerzenstäler der Welt
Ein Kommen und Gehen
Ein Hoffen und Vertrauen
Ein Empfangen und Schenken
Ein Erlösen und Befreien
Aufgebrochen im Glauben auf die Worte des Engels
Aufgebrochen in der Liebe, die Herzen öffnen kann
Aufgebrochen in der Hoffnung auf die Erlösung
Angekommen mit Glauben, der ein Weg zum Leben ist
Angekommen mit Liebe, die die Herzen weit werden lässt
Angekommen mit Hoffnung, die als Licht die Finsternis erhellt
Maria und Josef – Aufgebrochen im Gestern
Maria und Josef – Ankommen im Heute
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 23. Dezember (23.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Immanuel – Gott-mit-uns
O Immanuel, unser König und Lehrer,
du Hoffnung und Heiland der Völker:
o komm, eile und schaffe uns Hilfe,
du unser Herr und unser Gott!
(O-Antiphon vom 23. Dezember)
Die letzte O-Antiphon am 23. Dezember besingt den Gott mit uns. Die Sehnsucht der Propheten war es, dass Gott seinem Geschöpf absolut und konkret nahe kommt. An Weihnachten begehen wir, dass Gott Mensch wird. Für uns erfüllt sich das prophetische Zeichen in der Gottesgeburt. Unser Gott ist Beziehung. Dieser Gott will in einer steten Bezogenheitsqualität zum Menschen stehen. Näher konnte Gott uns nicht kommen, als selbst Mensch zu werden. Viele heutige Menschen quält die Erfahrung von Einsamkeit. Wir dürfen uns deshalb neu ins Bewusstsein führen, dass Gott immer um uns und in uns ankommen möchte. Unsere Existenz bekommt durch das Geheimnis des „Gott mit uns“ eine tiefe neue Dimension. Da wir immer somit mit Gott Verbundende sind und bleiben, sind wir letztlich nimmermehr in der Tiefe unseres Herzens einsam. Diese Dimension schafft Hoffnung auf Licht in Dunkelheit und birgt Heilungspotential in sich.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am 22. Dezember (22.12.2022)
ImpulsGroße Anrufung
O König aller Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht;
Schlussstein, der alles zusammenhält:
O komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet. (O-Antiphon vom 22. Dezember)
Angenommen, es stimmte tatsächlich,
dass die Menschen, die Völker und Staaten sich nichts sehnlichster wünschten als den gottgesandten demütigen Jesus zum König zu haben – dann wäre endgültig Friede auf dieser Erde.
Mir ist natürlich klar, dass sich die meisten Menschen kaum vorstellen könnten, Jesus von Nazareth zum König haben zu wollen. Das ist unrealistisch.
Aber angenommen, es gibt irgendwo im Menschen die Erwartung und Sehnsucht nach einer Gestalt, die das bleibend Gute verkörpert, sich nicht korrumpieren lässt von Machtgier und Größenwahn, sondern allen Geschöpfen dieser Welt Recht verschafft, die im Einklang mit dem göttlichen Ursprung und der kosmischen Harmonie ist und wie ein Schlussstein alles zusammenhält. Und es läge allein an unsrer Blindheit, den König aller Völker zu übersehen.
Angenommen, er wäre schon unterwegs zu uns. Wir bräuchten ihn nur zu erwarten.
Im Advent fragen wir uns, welche Sehnsucht in uns steckt. Wonach strecken wir uns aus?
Wo wollen wir hin? Welcher Wunsch lässt uns nicht los?
Die O-Antiphon ist eine große Anrufung: mit allen, die sie singen oder beten, rufen wir aus:
Komm, Du alles zusammenhaltende Kraft,
lass es geschehen, dass Du auch in diesem Jahr von neuem zur Welt kommst,
hinein in verschüttete Bunker,
hinein in unser Inneres, in unsere Sehnsucht und Erwartung.
Komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am 21. Dezember (21.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Morgenstern
O Morgenstern, Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne:
komm und erleuchte,
die da sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes. (O-Antiphon zum 21. Dezember)
Neben Sonne und Mond sind Morgenstern und Abendstern
wohl die bedeutsamsten Einzelobjekte am Himmel.
Der Morgenstern ist das hellste vor dem Sonnenaufgang
erscheinende Gestirn am Himmel.
Φωσφόρος, Lichtträger, nannten es die alten Griechen.
Mit ihm begann die Dämmerung, der neue Tag.
Wenn wir Christus als den Morgenstern anrufen,
meinen wir genau das für unser Leben:
mit IHM beginnt Neues, wird es Licht.
Ganz augenfällig im Geschehen von Weihnachten.
In einem Lied von Albert Frey heißt es:
Der wahre Morgenstern, er ist
Aufgegangen
Der Erlöser ist hier
Gott wird Mensch,
wird in Jesus zum Erlöser,
bringt Licht in unsere auch gerade wieder dunkle Zeit,
will Hoffnung machen:
Meine Seele singe
Denn die Nacht ist vorbei
Mach dich auf und bringe
Deinem Gott Lob und Preis
Alle Schöpfung juble
Wenn der Tag nun anbricht
Gottes Töchter und Söhne
Strahlen in seinem Licht
Doch das Lied weitet den Blick
an das Ende des irdischen Lebens Jesu.
Dort wird ER zum ganz neuen Morgenstern:
Ich weiß das Jesus lebt
Er ist auferstanden
Und er lebt auch in mir
Lebt auch in mir
Die Verheißung des Advents,
dass der Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne
erscheinen wird,
darf und soll auch uns erleuchten:
SEIN Leben ist längst in mir,
will auch mich hell machen
– auch für die Menschen um mich herum!
P. Guido Hügen OSB
Eine Version des Liedes mit der Women-For-Women-Projekt-Band finden Sie hier:
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Video laden
Impuls am 20. Dezember (20.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Öffnen
O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel – du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und keine Macht vermag zu öffnen: o komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fessel des Todes! (O-Antiphon vom 20. Dezember)
Schlüssel, da fallen mir viele Geschichten aus meinen Kindertagen ein. Zum Beispiel „Das kleine Gespenst“ des wunderbaren Kinderbuchautors Otfried Preußler. Das kleine Gespenst lebt auf der Burg Eulenstein. Sein bester Freund ist ein Uhu namens Schuhu. Mit einem Schlüsselbund mit 13 Schlüsseln kann das kleine Gespenst durch einfaches Schütteln alles, was es will, ohne Berührung öffnen, egal ob Türen, Fenster oder Truhen. Toll! Wer möchte nicht so einen Schlüsselbund mit 13 Schlüsseln, mit denen man jederzeit öffnen und schließen kann! Und ob es doch so gut wäre? Und dann fällt mir noch das Märchen „Der goldene Schlüssel“ von den Brüdern Grimm ein. Advenstzeit ist auch Märchenzeit. Darum gönnen Sie sich doch heute mal dieses alte Märchen:
„Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, musste ein armer Junge hinausgehen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammengesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, sondern erst Feuer anmachen und sich ein bisschen wärmen. Da scharrte er den Schnee weg, und wie er so den Erdboden aufräumte, fand er einen kleinen goldenen Schlüssel. Nun glaubte er, wo der Schlüssel wäre, müsste auch das Schloss dazu sein, grub in der Erde und fand ein eisernes Kästchen. Wenn der Schlüssel nur passt, dachte er, es sind gewiss kostbare Sachen in dem Kästchen. Er suchte, aber es war kein Schlüsselloch da, endlich entdeckte er eins, aber so klein, dass man es kaum sehen konnte. Er probierte, und der Schlüssel passte glücklich. Da drehte er einmal herum, und nun müssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen, und den Deckel aufgemacht hat, dann werden wir erfahren, was für wunderbare Sachen in dem Kästchen lagen.“ (Jakob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen, Band 3)
In der Bibel ist die Rede vom „Schlüssel Davids“. Dieser wird mit Jesus gleichgesetzt. Er soll die verschlossenen Türen öffnen. Und so wird Jesus in der heutigen O-Antiphon mit „O Schlüssel Davids“ angerufen. Jesus – der Schlüssel zu unserem Leben. Er schließt die Tür des Lebens und der Liebe auf. Wenn wir in unserer Dunkelheit gefangen sitzen, dann will Jesus uns die Tür des Lichtes aufmachen. Wenn wir in unserer Traurigkeit nach Freude hungern, dann will Jesus uns die Tür des Brotes des Lebens aufsperren. Wenn wir in unserer alltäglichen Hektik fast verdursten, dann will Jesus uns die Tür mit dem Wasser des Lebens aufschließen. Wenn wir im Tal der Tränen gefangen sitzen, dann will Jesus uns die Tür der Barmherzigkeit öffnen. An Weihnachten selber öffnet Gott die uralten Pforten und Tore und Türen der Welt, damit der König der Ehre in unsere Herzen einziehe. Wenn wir den Herz.Schlüssel in unserem Herzen umdrehen und in unsere Herzen hören, dann erfahren wir was für ein wunderbarer Schatz in unserem Herzen ankommen will: Christus!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 19. Dezember (19.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Wurzel
O Spross aus Isais Wurzel, gesetzt zum Zeichen für die Völker – vor dir verstummen die Herrscher der Erde, dich flehen an die Völker: o komm und errette uns, erhebe dich, säume nicht länger! (O-Antiphon vom 19.12.)
Diejenigen, die es schon einmal beim Zahnarzt erlebt haben, wissen es: eine Wurzelbehandlung kann ziemlich unangenehm sein. Sie geht richtig in die Tiefe, an die Wurzel, und bringt manchen Schmerz mit sich.
Derjenige, den wir in diesen Tagen erwarten, Jesus Christus, er geht an die Wurzeln unseres Lebens – und das ist nicht gerade angenehm. „Kehrt um!“ – so Jesu erstes öffentliches Wort. Und schon sein Vorläufer Johannes, von dem wir in diesen Tagen des Adventes immer wieder hören, will uns deutlich machen, dass es so nicht weitergeht. Dass wir nicht einfach so weitermachen können, als sei nichts passiert. Vielleicht hat diese Botschaft ja in diesem Jahr die Chance, uns wachzurütteln. Denn das dürfte uns doch allen klar sein: so geht es nicht weiter. Egal in welche Lebensbereiche wir schauen.
In solchen Lebenssituationen kann es gut sein, an die Wurzeln zu gehen. Was will ich denn eigentlich mit und in diesem Leben? Und als Gläubige: Wieso gibt es uns denn als christliche Gemeinschaft? Und: wieso folgen wir eigentlich nach 2000 Jahren immer noch diesem Jesus?
Gehen wir an die Wurzeln, damit wir das Alte, was gut war, retten können und damit auch Neues wachsen kann.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Vierten Adventssonntag (18.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Adonai
O Adonai,
Herr und Führer des Hauses Israel –
im flammenden Dornbusch bist du dem Mose erschienen
und hast ihm auf dem Berg das Gesetz gegeben:
o komm und befreie uns
mit deinem starken Arm (O-Antiphon vom 18. Dezember)
Am heutigen Sonntag werden gleich zweimal Kerzen entzündet werden, einerseits zum vierten Advent, und heute Abend zu Beginn des jüdischen Chanukka-Festes.
Das jüdische Lichterfest, das von heute bis zum 26. Dezember gefeiert wird, erinnert an die Einweihung des Tempels von Jerusalem und an das Wunder des Tempelleuchters, der acht Tage lang ohne das nötige geweihte Öl brannte.
Mit „O Adonai“ werden wir dann heute Abend in der Vesper die zweite O-Antiphon anstimmen. Das staunende O geleitet uns jetzt täglich auf den Weg bis in die Heilige Nacht.
Adonai ist im Jüdischen die Umschreibung für den Namen Gottes. Der Name Gottes ist bei den Juden so heilig, dass man ihn aus Respekt und Ehrfurcht nicht aussprechen soll.
Diese Regel um das Geheimnis Gottes reicht bis in die frühesten Tage des Judentums zurück und ist doch erstaunlich auch ganz im Heute. Zeigt sie uns doch die unendliche Weite und die Unfassbarkeit Gottes.
Gott ist etwas, das unser Denken und unsere Vorstellungen sprengt.
Und was bleibt, wenn wir mit unseren Erwartungen und Vorstellungen nicht mehr weiterkommen?
Als Gott Moses im brennenden Dornbusch begegnet, antwortet Gott auf die Frage nach seinem Namen: „Ich bin, der ich immer bin. Sag ihnen einfach“: „ICH BIN.“
Ich wünsche ihnen einen gesegneten vierten Advent und ein fröhliches Chanukka.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am 17. Dezember (17.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Weisheit
O Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten – die Welt umspannst du von einem Ende zum andern, in Kraft und Milde ordnest du alles: o komm und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht! (O-Antiphon vom 17. Dezember)
In den letzten sieben Tagen vor Weihnachten singen wir in der Vesper die sog. O-Antiphonen, die Sehnsuchtsrufe Israels, die etwas von der drängenden Erwartung des Erlösers ins Wort bringen. Heute besingen wir die Weisheit, die in der jüdischen Tradition oft als „Frau Weisheit“ personifiziert ist. Man kann die Frau Weisheit auch die weibliche Seite Gottes nennen.
Aufbrechen zur Weisheit – in diesem Sinne ist dieser Aufbruch ganz wörtlich gemeint. Denn „Frau Weisheit“ erwartet uns in ihrem Haus und hat schon den Tisch für uns gedeckt. Mit Weisheit im biblischen Sinne ist nicht die Anhäufung von immer mehr Wissen gemeint, sondern eher eine Lebenshaltung. „Der Anfang der Weisheit ist Gottesfurcht“, so heißt es an einer anderen Stelle. Damit ist keine sklavische Angst vor Gott gemeint, sondern das Vertrauen, dass ich nicht alles aus mir selbst habe und machen muss, sondern auf jemanden vertrauen darf, der mich erwartet und es gut mit mir meint. Aus dieser Lebenshaltung heraus kann ich dann das tun, was ich tun kann, ohne mich und andere zu überanstrengen. „Engagierte Gelassenheit“, so nennt es der Autor Pierre Stutz.
Ich wünsche uns in diesen letzten adventlichen Tagen, dass wir den Aufbruch zu einer solchen weisheitlichen Lebenshaltung wagen, die in engagierter Gelassenheit ihre Wege geht. Solch eine Lebenshaltung können wir übrigens ganz gut von Kindern lernen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Dritten Adventswoche (16.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Gebet
So spricht der Herr: Wahrt das Recht, und sorgt für Gerechtigkeit; denn bald kommt von mir das Heil, meine Gerechtigkeit wird sich bald offenbaren. Wohl dem Mann, der so handelt, wohl dem Menschen, der daran festhält, den Sabbat zu halten und nie zu entweihen und seine Hand vor jeder bösen Tat zu bewahren.
Der Fremde, der sich dem Herrn angeschlossen hat, soll nicht sagen: Sicher wird der Herr mich ausschließen aus seinem Volk. Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben, um seine Knechte zu sein, alle, die den Sabbat halten und ihn nicht entweihen, die an meinem Bund festhalten, sie bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Bethaus mit Freude. Ihre Brandopfer und Schlachtopfer finden Gefallen auf meinem Altar, denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt. Spruch Gottes, des Herrn, der die verstoßenen Israeliten sammelt: Noch mehr, als ich schon von ihnen gesammelt habe, will ich dort versammeln. (Jes 56,1-3a.6-8)
Diese Textstelle hätte kein Integrationsminister besser formulieren können. Jeder, der sich an den Sabbat hält, soll dazugehören. Ob Fremder oder Einheimischer. Und selbst Eunuchen dürfen sich als dazugehörig verstehen. Das ist besonders. Denn eigentlich ist im Volk Israel das Eunuchenwesen verboten. Bei Jesaja geht es aber nicht darum, was uns trennt, sondern was uns eint. Es kommt auf die Perspektive an, die ich einnehme. Das einende Band ist hier der Einsatz für den Menschen und die Bereitschaft zum Gebet. Das ist doch für uns eine Einladung darüber nachzudenken, worauf wir schauen. Auf das uns Gemeinsame oder auf das uns Trennende. Für uns Mönche ist es die Erinnerung daran, dass wir gerade Fremde und Pilger zu uns einladen. Für uns als Kirche insgesamt, eher auf das zu schauen , was der Gläubige mitbringt und nicht so sehr darauf zu schauen, was ihm fehlt. Aufbrechen zum Gebet heißt für mich, die Hinwendung zu Gott, dem Schöpfer aller Menschen. Das ist ein so tiefer gemeinsamer Grund, den niemand vergessen sollte. Benennen wir uns doch als Schwestern und Brüder.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Adventswoche (15.12.2022)
ImpulsImpuls zu Jes 54,1-10
Unbedingt
Keine Angst! Ich halte zu euch.
Ihr habt Schlimmes durchgemacht: Jetzt fühlt ihr euch alleingelassen, nutzlos, unbrauchbar, verstoßen, enttäuscht, erniedrigt.
Aber das ist nicht das Ende.
„Mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir.“
Das gilt auch für die Juden von heute, unsere Geschwister.
Sie sind die ersten Empfänger dieser Zusage. Sie gilt ihnen durch die Zeiten hindurch.
Durch die ganze Geschichte hindurch mit all ihren dunklen Abgründen und Lichtzeiten.
„Fürchte dich nicht, du wirst nicht beschämt,
schäme dich nicht, du wirst nicht enttäuscht.“
Was auch immer Gott von Israel halten mag,
das ihn verlässt und wieder zu ihm findet –
er hält zu Israel:
„Mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir.“
Immer wieder, als wäre nichts gewesen.
Unfassbar.
Seine erste Liebe – Sein Volk – hält dank dieser Zusage an Ihm fest.
Fühlen auch wir uns als Christen, als Kirche
von der bedingungslosen Zusage „Meine Huld wird nie von dir weichen.“ angesprochen?
Geben wir ihr unter uns Raum?
Dass wir von Gott geliebt sind, trotz aller Enttäuschungen,
trotz der Schande, die der Kirche ins Gesicht geschrieben steht?
Strecken wir uns danach aus?
Er hat uns Seinen Sohn gesandt. Er kommt. Er ist schon da
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Adventswoche (14.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Gerechtigkeit (Jes 45,5a.7-8.18.21b-25)
Taut, ihr Himmel, von oben, / ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, / sie lasse Gerechtigkeit sprießen. / Ich, der HERR, erschaffe es. (Jes 45,8)
Gerechtigkeit ist eines der großen und zentralen Themen der alttestamentlichen Prophetenbücher. Und angesichts von so viel Leid und Ungerechtigkeit, die wir in der aktuellen Weltlage jeden Tag aufs Neue sehen und zum Teil auch am eigenen Leib erfahren, sind uns die Bilder des Propheten Jesaja leicht zugänglich. Vor allem angesichts der Klimakrise mit den Dürren und Überschwemmungen, die am meisten diejenigen treffen, die zum Klimawandel selbst am wenigsten beigetragen und verschuldet haben, gehen uns die der Natur entlehnten Metaphern besonders nahe: Gerechtigkeit als Regen, der die Erde sanft benetzt und das Heil, das wie ein zarter, verletzlicher Keim einer Pflanze aus dem Erdreich sprießt. Was kann ich persönlich dazu beitragen, dass in dieser Welt das Reich Gottes anbrechen kann und sei es nur in ganz kleinen, einfachen Schritten? Wo wünsche ich mir am meisten, dass etwas Verkrustetes in mir und meiner Seele aufbrechen möge?
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Hochfest der hl. Odilia (13.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Licht (Lk 11,33-36)
Wenn dein Auge gesund ist, dann ist dein ganzer Leib hell. Wenn es aber krank ist, dann ist auch dein Leib finster. (Lk 11,34)
Die hl. Odilia, deren Festtag wir heute als Missionsbenediktiner von St. Ottilien begehen, konnte diesen Satz aus dem Lukasevangelium wohl existentiell nachvollziehen. Denn sie ist blind geboren und hat der Legende nach bei ihrer Taufe das Augenlicht empfangen, hat also am eigenen Leib die Erfahrung von Licht und Dunkelheit gemacht. In übertragenem Sinn kann man sagen, dass Christus ihr zum Licht geworden ist.
Der Advent spielt mit der Symbolik von Licht und Dunkelheit. Woche für Woche wird das Licht des Adventskranzes heller. Diese Zeit lädt uns ein, immer mehr zum Licht aufzubrechen, das, was in uns dunkel ist, von Christi Licht erleuchten zu lassen – ein Licht, das nicht unbarmherzig blendend ist, sondern sanft wie eine Kerzenflamme in der Nacht.
Der heutige Festtag der hl. Odilia ist auch das Patronatsfest unserer Kongregation von St. Ottilien. Unser Auftrag ist es, den Menschen Christi Licht zu bringen – und dabei die Menschen nicht zu blenden, sondern Schritt für Schritt sie hinzuführen zu jenem milden Licht, auf das wir in diesem Advent zugehen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Dritten Adventswoche (12.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Segen (Num 24,2-7.15-17a)
Der Seher Bileam, er sieht als Zeichen des kommenden Messias einen Stern aufgehen. Vielleicht können uns die vielen Sterne, die wir in diesen Tagen als Adventsschmuck sehen, daran erinnern, dass es auch in meinem Leben, in unserer Welt etwas gibt und geben wird, das uns rettet. Wovon, woraus muss ich gerettet werden? Die Antworten darauf werden vielfältig sein, ganz persönlich… Alles darf ich diesem Gott, der mir an Weihnachten nahe kommen will, sagen. Und was sagt er mir? Er sagt mir ein gutes Wort (Segen = bene-dicere = etwas Gutes sagen). Ganz persönlich – nur für mich! „Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dritten Adventssonntag (11.12.2022)
ImpulsAufbrechen im Warten (Mt 11,2-11)
Es gibt eine Freude, die noch nicht hat, die noch nicht selber halten muss. Noch bleibt ihr die Geste des Klammerns oder des Festhaltens erspart, denn die Hände sind noch leer. Noch muss sie sich nicht anstrengen und nichts trübt sie, nicht einmal die Angst des Verlustes, denn die Vor-Freude ist arm und deshalb noch lauter und demütig. Das bedeutet für sie keine Anstrengung. Wohl muss sie sich mit dem Warten anfreunden, mit der Geduld und der Ausdauer, und auch die Ungewissheit ist ihr sicher verwandt. Angetrieben von der Sehnsucht des Herzens ist sie eine Lebenskraft aus dem Inneren des Menschen. Aufbrechen im Warten, wie der Sonnenaufgang am Morgen.
Vorfreude strahlt nicht, ist in diesem Sinn nichts Öffentliches. Auch vom Triumph lässt sie sich nicht verleiten. Sondern sie kann sich im Schatten der Dunkelheit, in den Gemächern der Türme und Visionen das Haus bauen. Vor-Freude ist eine adventliche Stimmung. Sie ist innerlich, aber doch auf etwas von außen her aufgerichtet. In der Hoffnung auf das Kommende ist sie selber Zu-Kunft. Das gibt ihr Halt und eine gewisse Wirklichkeit. Und dennoch ist die Vorfreude nicht im Gestus des Habens, in der Gebärde des Verteidigens zuhause, sondern sie bewahrt etwas von der empfangenden Offenheit, von Hoffnung, Glaube und von der treibenden Kraft der Liebe. Aufbrechen im Warten, wie der Same dem Licht entgegen.
Der Gott, der sich nach der Heimkehr seines Menschen sehnt, er ist ein Gott der Vorfreude. Seine Verheißungen sind darin Zu-Kunft, dass er zart auf uns zukommt. Und manchmal bereitet er uns den Weg und macht unsere Herzensstraßen eben, denn Empfangen ist keineswegs Ruhen, es ist ein Tun, im Grunde tätig und beweglich.
„Geht und berichtet…, was ihr hört und seht:
Blinde sehen wieder und Lahme gehen;
Aussätzige werden rein und Taube hören;
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Mt 11,4b-5)
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Adventswoche (10.12.2022)
ImpulsAufbrechen mit Elija (Sir 48,1-4.9-11)
In Jesus Sirach wird das Wirken des Elija mit dem Volk Israel erzählt. Eine für mich wichtige Schlüsselszene wird später in Sir 48,14 -15 beschrieben: „In seinem Leben hat er Wunder getan und im Tod waren seine Werke erstaunlich. Bei alledem bekehrte sich das Volk nicht und sie ließen nicht ab von ihren Sünden.“
Große adventliche Gestalten treten in der Geschichte Israels immer wieder auf. Und ich denke dann so oft: Warum hören die Menschen nicht auf die Propheten, sondern gehen ihren gewohnten Weg weiter?
Gewöhnung und Aufbruch stehen sich hier gegenüber. Lasse ich mich aufstören? Lasse ich mich auf Veränderungen ein? Oder möchte ich lieber im Gewohnten bleiben, auch wenn ich weiß, dass es mir nicht gut tut. „Nehmt Neuland unter den Pflug.“ Das bedeutet, dass die neuen Pfade anstrengend sind. Es gibt noch keine vorgefertigten Pfade. Aufbruch verändert aber auch meine Wahrnehmung. Ich sehe plötzlich Dinge, die ich vorher nicht wahrgenommen habe. Da entdecke ich im Mitbruder überraschenderweise plötzlich sympathische Züge. Da spüre ich im Sonnenuntergang die unendliche Weite der Schöpfung Gottes. Da erkenne ich im Kind das Staunen Gottes über seine Schöpfung.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Adventswoche (9.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Glück (Jes 48,17-19)
Was ist Glück?
Regalmeterweise gibt es Anleitungen zum Glücklichsein.
Manche Menschen scheinen das Glück gepachtet zu haben.
Andere sehnen sich so sehr danach …
Doch was ist Glück?
„Glück“ stammt vom mittelhochdeutschen „Gelücke“ – und meint: etwas gelingt, etwas geht gut aus.
Man kann Glück haben – ob beim Lotto oder in der Liebe.
Und man kann Glück empfinden – ganz persönlich, tief im Innern, vielleicht sogar da, wo andere es gar nicht vermuten.
Ist Glück auch Geschenk? Frei übersetzt heißt es bei Jesus Sirach: „Am Glück des Tages, das dir zusteht, geh nicht achtlos vorbei!“ (vgl. Sir 14,14)
Das Glück, den fröhlichen Tag, die Lust, wie sie verschiedene Bibelübersetzungen deuten – Geschenk an mich! Und meine „Sünde“ ist, achtlos daran vorüber gehen.
Tun wir das nicht viel zu oft?
Geht das „Glück des Tages“ nicht viel zu oft unter in der Betriebsamkeit, den Sorgen, den vielen Gedanken und Ablenkungen?
Vielleicht ist es ja eine gute Übung für den Advent: entdecke das Glück, die Lust, das Frohe des Tages in deinem Alltag. Lass dich beschenken, geh nicht achtlos daran vorbei.
Unser heutiger Bibeltext bringt ausdrücklich Gott ins Spiel: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich lehrt, was Nutzen bringt, und der dich auf den Weg führt, den du gehen sollst.“ (Jes 48,17)
Hören auf Gott – gerade im Lauten und Trubeligen auch der Adventszeit. Hören, was ER mir sagt – in mein Leben hinein. Hören, um meinen Weg zu finden. Mit IHM.
„Das Glück ist im Grunde nichts anderes als der mutige Wille, zu leben, indem man die Bedingungen des Lebens annimmt.“ (Maurice Barrès)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Hochfest der Erwählung Mariens (8.12.2022)
ImpulsAufbrechen mit Maria – Lk 1,28-38 (Erwählung Mariens)
Wir brechen mit Maria auf.
Wir ziehen mit ihr los ins Ungewisse, ins Ungeschützte.
Was wusste sie denn schon, was auf sie zukommen würde, als sie ja sagte.
Das machte sie sprachlos.
Mein Gott noch mal, Du willst bei mir, bei uns sein – das ist unvorstellbar.
Wie soll das denn gehen?
Ist das nicht eine Zumutung?
Wir bauen wie sie auf den, der uns rief
auf die Zusicherung, dass Gott unwiderruflich zu uns hält,
wenn sein Sohn in uns empfangen wird, in uns wächst, geboren wird
in unser Leben eintritt und teilnehmen lässt an seiner Weite.
Seine Wahl fiel auf jeden von uns.
Wir sagen mit Maria Ja
zu seinem Ruf, uns auf den Weg zu machen
im Einsatz für die geschundene Schöpfung
im Kampf gegen Hass und Gewalt.
Sie ist unsere Gefährtin,
sie inspiriert uns, in allem demütig zu bleiben,
von uns selbst abzusehen und uns nicht so wichtig zu nehmen,
was auch immer kommen mag – que sera, sera… whatever will be, will be…
Sie braucht sich nicht zu fürchten.
Wir ziehen mit Maria los.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Adventswoche (7.12.2022)
ImpulsHoffungs.Flug (Jes 40,25-31)
Der Prophet Jesaja schreibt: „Die aber auf den HERRN hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.“
Das Bild des Adlers ist nicht nur ein Bild des majestätischen Schwebens. Des Adlers Schwingen sind kraftvoll. Seine Schwingen wachsen ihm. Immer wieder neu. In der Zeit der Mauser verliert er seine Federn, die dann durch neue ersetzt werden. Feder für Feder. Das Besondere ist: Der Adler kann dennoch fliegen in diesen Zeiten der Veränderung an seinem Federkleid. Und im Flug wirkt er kraftvoll und königlich. Seine Kraft zum Fliegen, oder schöner ausgedrückt zum Schweben, reicht immer. Stark beflügelt! Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Prophet Jesaja das Bild des Adlers verwendet, denn Gott verleiht dem Adler feste Flügel, die ihn immer tragen. Wir können durch diese Worte des Propheten lernen, dass wir uns für unser Leben beflügeln lassen dürfen. Das Bild des Adlers will uns Hoffnung schenken.
Es gibt Zeiten in unserem Leben, da fühlen wir uns stark und sicher. Wir sind regelrecht beflügelt! Es gibt aber auch Zeiten, in denen wir uns gar nicht stark fühlen, wenn beispielsweise in unserem Leben etwas im Umbruch ist. Zeiten der Veränderung. In solchen Zeiten werden wir oft innerlich still. Vielleicht leuchtet in unserem Herzen die Hoffnung auf, dass Gott uns gerade dann Kraft und Antrieb schenkt und uns neue Flügel verleiht. Flügel, die mehr als Reservekanister sind, sondern die uns tragen und Freiheit schenken. Flügel, die uns auf dem Wind von Gottes Geist gleiten lassen. Gott schenkt uns Flügel der Hoffnung auf das Leben. Er möchte uns nicht schwach oder müde oder mutlos oder ausgebrannt und leer sehen. Manchmal schenkt er uns die Kraft ganz schnell, in dem Augenblick, in dem wir sie brauchen. Gott verändert uns, wenn wir in einer Haltung leben, in der wir auf ihn schauen. Wenn wir ihm vertrauen und auf ihn hoffen. Manchmal brauchen wir dafür viel Geduld und eine Wartezeit. Der Advent ist eine Zeit des Wartens und des Hoffens. Es lohnt sich in dieser Zeit innerlich zu werden und zu warten, dass die Flügel, die mir geschenkt werden, wachsen und stark werden. Dann kann ich an Weihnachten durch die Kraft des Kindes in der Krippe meine Schwingen ausbreiten und mich beflügelt durch Christus ins Leben aus meinen Dunkelheiten emporheben in das Licht Gottes. Ein Hoffungs.Flug der ewigen Liebe.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Adventswoche – Hl. Nikolaus (6.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Trösten (Jes 40,1-11)
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.
Eine Stimme sagt: Rufe! Und jemand sagt: Was soll ich rufen?
Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Siehe, da ist euer Gott.
Ein paar Verse aus dem Text, der am heutigen Tag zum „Aufbrechen zum Trösten“ steht (Jes 40,1-11). In der Einheitsübersetzung ist er überschrieben mit „Trostaufruf und Gottes königliches Kommen“. Trost dann, wenn Gott kommt – wenn Jesus „in Herrlichkeit“ wiederkommt?
„Des Herrn tröstendes Wort für sein Volk“ überschreibt die BasisBibel. Es ist das tröstende Wort Gottes durch den Propheten Jesaja an sein Volk, das im Exil lebt und daraus zurück kommen soll. Aber es kann auch Gottes tröstendes Wort an uns, sein Volk von heute sein.
Seid getröstet – in all eurem Leid,
in all den Katastrophen dieser Zeit,
in Krieg und Pandemie und Klimawandel.
Seid getröstet, weil ich bei euch bin.
Macht euch auf den Weg zu mir,
lasst neu wachsen, was verdorrt ist – auch in euch,
lasst meinen Atem in euch hinein.
Ihr dürft euch wieder freuen
– ich nehme euch in meine Arme.
Zu schön, um wahr zu sein?
Vermutlich schon, wenn nicht ein Wunder geschieht.
Oder doch auch tiefe Realität,
weil sie auch an uns hängt?
GLAUBE KANN BERGE VERSETZEN.
ABER RECHNE DAMIT,
DASS GOTT DIR EINE SCHAUFEL REICHT.
(www.barfuss-und-wild.de)
Vielleicht ist uns der hl. Nikolaus heute ein Vorbild.
Er hat angepackt, wo Not war.
Er hat in tatkräftigem Tun und im Gebet für Trost und Hilfe gesorgt.
Wir können es ihm gleichtun – nicht nur beim Füllen von Stiefeln und Tellern … 😉
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der Zweiten Adventswoche (5.12.2022)
ImpulsAufbrechen in der Wüste (Jes 35,1-10)
Die Wüste soll jubeln…
Im 35. Kapitel des Buches Jesaja schildert der Prophet, dass sich die Wüste beim Kommen Gottes in ein fruchtbares und blühendes Land verwandeln wird. „Seht, euer Gott“ – die Wüste steht für ein Gebiet, das Gott noch nicht besucht hat, aber jetzt kommt Gott selbst in dieses Wüstenland.
Der Mensch ist blind, taub, lahm und stumm, wenn er noch nicht von Gott heimgesucht wird.
Da aber Gott zum Menschen und seiner Leblosigkeit kommt, wird der Mensch nun sehend, hörend, springend und sprechend. Gott ist der Grund der Veränderung und Verwandlung all unserer Starre und Verschlossenheit. Gott selbst wird Mensch, darauf bereiten wir uns im Advent vor, und er will somit unser Menschsein zur Freiheit und Lebendigkeit hin öffnen.
Was möchte im Advent 2022 neu in mir lebendig werden? Wie sollte meine verdorrte Seelenwüste neu zum neuen Leben hin aufgebrochen werden?
Dazu lade ich uns ein, dieses zu bedenken, denn Gottes Freude ist der lebendige Mensch.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Zweiten Adventssonntag (4.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Umkehr (Mt 3,1-12)
Als Kind fand ich die Gestalt des Johannes furchteinflößend. Was für eine Strenge, ja eine fast spürbare Unbarmherzigkeit! Eine asketische Gestalt, mit der ich, der ich mich als Kind und auch heute immer mal wieder verfehlte, schlecht zurechtkam.
Heute weiß ich, dass diese Strenge eine Reaktion auf die Veräußerlichung des Glaubens bei ihren damaligen Hauptvertretern ist. Dafür stehen die Pharisäer und die Sadduzäer. Veräußerlichung meint für mich, dass ich nicht zum Kern der Botschaft Gottes vordringe. Die Botschaft Gottes, die sagt, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Ein Geschöpf, das, wenn es sich nicht aus eigener Kraft helfen kann, eben aus der Würde der Gottesebenbildlichkeit die Unterstützung bekommt, die es braucht. Die Witwen und Waisen stehen dafür. Wenn Johannes uns auffordert, dass wir die Wege heben und gerade gestalten sollen, dann sind damit nicht die römischen Vermessungstechniker der Moral gemeint. Gemeint ist, dass wir den Weg bereiten für den Messias, der uns das Reich Gottes verkünden wird. Und der das Lamm Gottes ist, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Askese im Sinne des Johannes meint dann, der Liebe zu den Menschen immer mehr Raum zu geben, seien sie nun Fremde oder Freunde.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Samstag der Ersten Adventswoche – Hl. Franz Xaver (3.12.2022)
ImpulsAufbrechen zu allen Völkern (Mk 16,15-20)
Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! (Mk 16,15)
Die Kirche gedenkt heute des hl. Franz Xaver. Er war einer der ersten Jesuiten, der noch Ignatius von Loyola gekannt hat. Als Missionar der christlichen Botschaft wirkte er unermüdlich in Indien und Japan, hat also den Missionsauftrag Jesu, zu allen Völkern zu gehen und ihnen das Evangelium zu verkünden, wörtlich genommen. Bei dem Versuch, das Evangelium auch nach China zu bringen, starb er 1552.
In einem Brief an Ignatius schreibt Franz Xaver einmal: „Ich werde Ihnen niemals beschreiben können, was ich den Japanern verdanke; denn unser Herr gab mir um ihretwillen eine tiefe Einsicht in die Abgründe meines Innern.“ Das erinnert an einen Satz von Papst Paul VI. aus dem Schreiben „Evangelii nuntiandi“ von 1975, dass der Evangelisierung der Menschen in fremden Völkern die Selbstevangelisierung des Missionars vorausgehe. Dass ich also meine eigene Bedürftigkeit, meine Erlösungsbedürftigkeit kennen muss, bevor ich versuche, die Botschaft der Erlösung anderen zu verkünden. Das bewahrt mich vor einem Überheblichkeitsdenken, wie es leider oft in der Missionsgeschichte vorhanden war.
Die Erfahrung des hl. Franz Xaver spiegelt meine eigene Erfahrung wider, wenn ich als Missionsprokurator unsere Brüder in den jungen Kirchen besuche. An dem, was mir zunächst fremd erscheint, erkenne ich mein Eigenes. So verdanke ich gerade den Menschen in Afrika und Asien viel, ich bin zunächst ein Lernender und Hörender, bevor ich beginne, selbst die Botschaft von Gottes Liebe zu verkünden.
An dem, was mir fremd erscheint, erkenne ich mich selbst besser. Ich lade ein, in diesem Advent einmal darauf zu achten, was mir fremd, vielleicht sogar abstoßend erscheint. Und was mir Gott vielleicht gerade dadurch sagen möchte.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Ersten Adventswoche (2.12.2022)
ImpulsAdvents.Hoffnung (Jes 29,17-24)
Alles wird besser, aber doch nicht mehr gut, oder? Der Prophet Jesaja spricht in eine hoffnungslose Zeit hinein. Seine Landsleute, die Israeliten, leiden unter schlimmen Zuständen: Tyrannei, Krieg, Unterdrückung, Unrecht, Not. Das gibt es auch heute noch in so vielen Gegenden dieser Welt: der Krieg in der Ukraine, die Situation im Iran, die Klimakatastrophe, die Energiekrise, Hungersnöte, Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit, Unterdrückung wegen der sexuellen Orientierung, … Und alle, die leiden unter den Tyrannen und Spöttern, unter dem Unheil und dem Unrecht, die hoffen darauf, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, dass die Tyrannen und Spötter ihre Macht verlieren und dass heilvolle und gerechte Verhältnisse einkehren. Bessere Zeiten eben.
In der Natur sieht es nicht anders aus. Grau, grau, grau – der ganze Spätherbst ist grau. Die Tage sind kurz, die Nächte lang. Kälte und Nebel und Nieselregen. Die Grünkraft wirkt fade. Wo ist die Sonne? Die Sonne ist hinter den Wolken und ihre Strahlen scheinen, wenn auch nicht hell und sonnig gelb, durch die grauen Winterwolken. Das Licht ist da. Das schenkt im Herzen Hoffnung auf schönere Zeiten.
Diese Hoffnung auf bessere Zeiten gibt Lebenskraft, denn Hoffnung vermag Menschen eine unglaubliche Energie zu verleihen. Wenn einer keine Hoffnung mehr hat, dann gibt er sich auf und sagt sich innerlich in seinem Herzen: „Es wird ja doch nicht mehr besser.“
Der Prophet Jesaja sieht die Lage anders: „Es wird alles besser werden. Es wird alles gut werden.“ Das ist für ihn eine Botschaft, die von Gott selber kommt. Es ist Gott selber, der die Dinge in die Hand nehmen wird. Den Libanon lässt er fruchtbar werden. Und Wälder sollen wachsen. Die Tauben hören die Worte des Buches Gottes. Die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen. Und die Traurigen und Unterdrückten werden wieder Freude haben. Ja, Gott selber zeigt sich dem Propheten Jesaja als Grund der Hoffnung. Gott selber zeigt sich uns an Weihnachten in Jesus Christus als Grund der ewigen Hoffnung. Der Advent ist nicht nur eine Zeit des Wartens, sondern auch eine Zeit der Hoffnung. Die vielen Kerzenlichter, die den dunklen Winter erhellen, leuchten für die Hoffnung. Entzünden wir in den Tagen des Advents Lichter der Hoffnung, die für alle Menschen dieser Welt leuchten!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Adventswoche (1.12.2022)
ImpulsKaum zu glauben
Jes 26,1-6
aufbrechen – ausziehen – alles hinter sich lassen
das ist das hoch angestimmte Lied der Spirituellen
sie singen es – und bleiben doch zu Hause
da ist es sicher
da weiß man, was man hat
der mehrstimmige Song tönt optimistisch
und verklingt wieder
machen wir erst mal weiter so wie gewohnt
doch die Unruhe bleibt
weil eine Stimme spricht
wir haben eine feste Stadt
du gewährst festem Sinn Frieden
wir haben sie schon einmal gehört
sie kommt ins Ohr zurück
wir summen sie leise mit
aber wir bleiben hier
geht doch nicht anders
da, die Stimme kommt näher
die Hoffnung wächst
sie erreicht uns hier
wenn wir uns
so schwerhörig wir auch sind
ihr entgegenstrecken
sie bricht uns auf
wie lange halten wir das noch aus
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der 1. Adventswoche – Fest des Hl. Andreas (30.11.2022)
ImpulsAufbrechen auf den Ruf Jesu hin (Mt 4,18-22) – Fest des hl. Andreas
„Kommt her, mir nach!“
So ruft es Jesus am See von Galiläa Simon Petrus und Andreas zu. Sofort lassen die beiden die Netze liegen und folgen Jesus. Aus den Fischern werden Menschenfischer.
Wir sind in der ersten Woche des Advents, und auch uns allen gilt in diesem Advent 2022 der Ruf Jesu: „Mir nach!“ Adventlich bedenken wir, dass Gottes grenzenlose Liebe uns entgegenkommt. Diese Liebe will im Menschensohn Jesus Christus konkret werden. Auch wir sind eingeladen, den Ruf Gottes neu zu hören: „Du, Menschenkind, folge mir nach“. Gott ruft Menschen in seine Gefolgschaft. Am Beispiel Jesu lernen die Jünger, was es existentiell bedeutet, diese Liebe zu leben und sie den Menschen erfahrbar zu machen. Die große adventliche Verheißung zu leben, hieße dann:
Ich höre den Ruf Gottes neu; Gott braucht mich.
Gottes Liebe gilt mir, indem Gott mir nahe kommt, da er selbst Mensch wird.
Ich verleihe meinem Leben eine tiefe Sinnperspektive, wenn ich diese Liebe bezeuge in all meinem Sein – hörend, glaubend und ablesbar in meinem Handeln.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Adventswoche (29.11.2022)
ImpulsAufbrechen zur neuen Schöpfung (Jes 11,1-10)
Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. (Jes 11,6-8)
Die Schöpfung ist bedroht. So kann es nicht weitergehen, wie es lange weitergegangen ist. Das werden wohl nur die uneinsichtigsten Leugner:innen des Klimawandels bestreiten. Wie drängend die Situation ist, das zeigen uns die spektakulären Aktionen der Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“. Auch wenn man über den Sinn so mancher Aktion sicherlich diskutieren mag, wird für mich hier ein Aufschrei der jungen Generation deutlich, die ja unmittelbar von den Folgen unseres Lebensstils betroffen ist. Es ist drängend. Es muss etwas getan werden, wenn es auch in dreißig Jahren noch weitergehen soll. Mir scheint, dass der Ruf nach drastischen Strafen und Präventivhaft, der aus einigen Ecken lautstark erschallt, oft nur ablenken soll vom eigenen Versagen.
Mitten hinein in diese so bedrängende Situation wird uns heute die Vision einer neuen Schöpfung vor Augen gestellt, in der ein wahrhaft paradiesischer, Mensch und Tier umfassender Friede (Shalom) verheißen wird. Ist das nur eine billige Vertröstung für spätere Zeiten? Aber wie kann es diese späteren Zeiten geben, wenn wir alles dafür tun, diese Zeit und Welt hier und heute auszulöschen?
„Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem heiligen Berg“ (Jes 11,9), so heißt es weiter. Es liegt an uns, an jedem einzelnen, mit der Vision einer neuen Schöpfung anzufangen. Es liegt an uns, auf den so drängenden Protestruf der „Letzten Generation“ nicht mit Strafen zu reagieren, sondern mit dem Überdenken – und vielleicht Ändern – des eigenen Lebensstils. Shalom ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Keiner kann sich dieser Aufgabe entziehen. So kann uns die adventliche Vision des Propheten zur Herausforderung werden, zu dieser neuen Schöpfung aufzubrechen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der 1. Adventswoche (28.11.2022)
ImpulsAufbrechen zum Gericht
An jenem Tag wird der Spross des HERRN zur Zierde und zur Herrlichkeit sein und die Frucht des Landes zum Stolz und zum Schmuck für die Entronnenen Israels.
Dann wird der Rest in Zion, und wer in Jerusalem noch übrig ist, heilig genannt werden, jeder, der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem.
Wenn der Herr den Kot der Töchter Zions abgewaschen und die Bluttaten Jerusalems aus ihrer Mitte durch den Sturm des Gerichts und den Sturm der Verwüstung weggespült hat,
dann erschafft der HERR über der ganzen Stätte des Berges Zion und über ihren Versammlungen eine Wolke bei Tag und Rauch und eine strahlende Feuerflamme bei Nacht. Denn über der ganzen Herrlichkeit ist eine Decke.
Und eine Hütte wird bei Tag Schatten spenden vor der Hitze und sie dient als Zuflucht und Versteck vor Unwetter und Regen. (Jes 4,2-6)
Beim Lesen dieser Verse aus dem Buch Jesaja habe ich in diesem Advent direkt konkrete Bilder aus den Nachrichten im Kopf, wenn ich die Worte „Bluttaten“ und „Verwüstung“ höre: Bilder des Krieges in der Ukraine, die uns seit März begleiten und die uns täglich bewusst machen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir in einem sicheren Land in Frieden leben können. Es ist eigenartig: prophetische Worte gerichtet an das Volk Israel, das über Jahrhunderte hinweg von den Assyrern und Babyloniern drangsaliert, bedroht und sogar ins Exil verschleppt wurde, kommen uns in diesem Advent ganz nahe und sind auf traurige Weise aktuell. Nahe kommt uns in diesen Worten aber auch die tiefe Sehnsucht und die Hoffnung auf Frieden, die sich mit der erwarteten Geburt des Messias verbindet: Israel setzt seine Hoffnung auf den Spross des Herrn, den Jesaja „Fürst des Friedens“ nennt (Jes 9,5). Der Advent in diesem Jahr ist anders…stiller, nachdenklicher und die Ängste und Sorgen über die Zukunft lassen sich nicht so leicht durch vorweihnachtlichen Konsum- und Lichterglanz ausblenden und überstrahlen. Mitten in diese leicht eingetrübte und gedämpfte Stimmung hinein leuchtet aber auch in diesem Jahr die kleine Kerzenflamme der ersten Adventskerze. Sie leuchtet gerade in diesem Advent als Zeichen unserer Hoffnung, dass Friede werden möge…
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Ersten Adventssonntag (27.11.2022)
ImpulsBereit sein zum Aufbruch (Mt 24,29-44)
Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Mt 24,44)
Das lange Evangelium an diesem ersten Adventssonntag spricht von einer Ankunft und von den Dingen, die unmittelbar vor dieser Ankunft geschehen. Es klingt in vielem düster, dunkel, apokalyptisch. Es richtet den Blick auf das Ende, auf den Zeitpunkt, „an dem der Menschensohn kommt“. Es wird eine Stunde sein, „in der ihr es nicht erwartet“. Da ist wenig von adventlicher Idylle zu spüren, von Glühweinduft und Zimtsternen.
Diese Ankunft, auf die wir uns in diesen adventlichen Tagen vorbereiten, hat mit einem Aufbruch unsererseits zu tun. Warten bedeutet nicht, die Hände in den Schoß zu legen und die Dinge einfach geschehen zu lassen – nach dem Motto „Wir können ja eh nichts ändern“.
Wir müssen bereit sein, bereit sein zum Aufbruch, bereit sein, alte, gewohnte Wege zu verlassen, uns auf-brechen zu lassen für Neues, manches Mal auch Überraschendes, „denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“.
So verstanden, kann der Advent zu einer Zeit der Überraschungen werden, zu einer Zeit, in der ich mich neu überraschen lasse von dem, was Gott mit mir vorhat.
Lassen wir uns in dieser Zeit neu von Gott überraschen!
P. Maurus Runge OSB
Fasten.Impulse
ImpulsDie diesjährigen Fasten.Impulse finden Sie auf unserer Jugendhomepage.
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (9.1.2022)
ImpulsSingt dem HERRN ein neues Lied!
Singt dem HERRN, alle Länder der Erde!
Singt dem HERRN, preist seinen Namen!
(Ps 96,1)
Es ist ein einziger Lobgesang auf Gott, der Psalm 96. „Ein neues Lied für den König der Welt“ ist sein Titel nach der BasisBibel. Gott gebührt alle Herrlichkeit und Ehre, alles Lob und alle Anbetung. Denn durch ihn ist die Erde fest gegründet, er richtet nach Recht und Gerechtigkeit, alle sollen sich freuen über ihn.
Ist es nicht das, wonach wir uns gerade im Moment alle sehnen?
Endlich wieder Freude und Lobgesang,
endlich wieder ein gerechtes Zusammensein,
endlich wieder Verlässlichkeit und Freiheit. Liebe.
Ich bleibe an einem Halbvers hängen:
„Verkündet seine Hilfe von Tag zu Tag!“ (96,2 BasisBibel)
Seine Hilfe?
Spüre ich sie denn – geschweige denn Tag für Tag?
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!“ heißt es in der Einheitsübersetzung.
Die „Volxbibel“ wird direkter:
„Jeder soll es checken, jeder soll singen,
überall sollen Lieder für Gott erklingen.
Erzählt den Leuten dass er liebt und nicht disst,
lasst die Story raus, wie krass unser Gott denn überhaupt ist!
Erzählt die Wunder, die nur jemand bringen kann wie er,
weil die, die ihn nicht kennen, brauchen ihn schwer!“
Wo erlebe ich die Hilfe, die Gott ist,
wo erlebe ich die kleinen Wunder in meinem Alltag,
wo erlebe ich, dass etwas gut – heil – wird?!
„Du bist mein geliebter Sohn!“
– die Zusage an Jesus im Evangelium des heutigen Sonntags ist uns allen in der Taufe gegeben: „Du, meine geliebte Tochter, du, mein geliebter Sohn!“
Wenn ich das in meinem Leben spüre:
sage ich es weiter?!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Samstag nach Epiphanie (8.1.2022)
ImpulsDenn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh 3,16 – ganzer Text: Joh 3,1-21)
Besonders in den alten und klassischen Kirchenliedern zur Passionszeit begegnet sie uns: die Vorstellung, dass Jesus am Kreuz sterben musste, um unsere Schuld wieder gut zu machen. „Ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast“ heißt es da beispielsweise in dem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ und manche haben solche Passagen derart verinnerlicht, dass sie mit einem schweren Rucksack von religiös begründeten und häufig irrationalen Schuldgefühlen durch das Leben gehen. Damit soll an dieser Stelle nicht gesagt sein, dass Menschen nicht immer wieder Schuld auf sich laden und diese der Vergebung und Versöhnung untereinander bedarf. Aber musste Jesus sterben, um Gott mit seinem Tod eine angemessene Sühneleistung für die Sünde der verderbten Menschheit darzubringen?
Zumindest mit dem Johannesevangelium lässt sich dieses alte Deutungsmuster nicht aufrechterhalten. Der Tod Jesu am Kreuz ist die Konsequenz daraus, dass Jesus seine Botschaft bis zum Äußersten selbst lebt. So sehr liebt Gott diese Welt, dass er seinen Sohn in diese Welt sendet und diese Liebe wird im Sterben vollendet, weil die Botschaft der Gewaltlosigkeit und der unbedingten Liebe hier bis ins Letzte hinein gelebt wird. Es geht bei diesem Sterben am Kreuz dann eben nicht darum, eine beleidigte Gottheit mit einer entsprechenden Sühneleistung zu versöhnen. Und die Rechtfertigung des sündigen Menschen und seine Erlösung geschehen durch seinen Glauben daran: Der Glaube ist das „Von-oben-Geboren-werden“, von dem Jesus in seinem nächtlichen Gespräch mit Nikodemus spricht.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Freitag nach Epiphanie (7.1.2022)
ImpulsUnd das Passafest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus! Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht: »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.« Da antworteten nun die Juden und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte. Als er aber in Jerusalem war beim Passafest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war. (Joh 2,13-25)
„Macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!“
So übersetzt Martin Luther diesen Satz aus der Perikope der Tempelreinigung.
Nicht alles in dieser Welt lässt sich mit der Logik des Kaufens und Verkaufens verstehen.
Es gibt Bereiche, die entziehen sich der Logik des Marktes.
Der Markt regelt eben nicht alles.
Der Tempel ist Haus Gottes, kein Kaufhaus.
Gott lässt sich nicht kaufen wie eine beliebige Ware.
Um die Gnade Gottes kann ich nicht feilschen.
Die Liebe Gottes ist umsonst.
Gott schenkt mir seine Liebe – umsonst.
Er wird für mich Mensch – gratis.
Ich muss mir zum Glück nicht alles selbst verdienen.
Ich darf mir seine Liebe schenken lassen.
Die Tempelreinigung steht ganz am Anfang des Weges Jesu im Johannesevangelium.
Gleich zu Beginn setzt Jesus einen Kontrapunkt zur gängigen Kaufhausmentalität.
Was für ein Frei-Raum, der uns da geschenkt wird!
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Epiphanie (6.1.2022)
ImpulsDie Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12)
Jesu öffentliches Auftreten beginnt mit einem ersten Zeichen, indem er auf einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelt.
In der Bildsprache der heiligen Schrift steht das Bild einer Hochzeit für die „Vermählung“ Gottes mit jedem Menschen. So heißt es schon beim Propheten Jesaja: „Ja, wie der Jüngling sich vermählt mit der Jungfrau, so vermählt sich mit dir dein Erbauer; wie der Bräutigam sich freut an der Braut, so freut sich an dir dein Gott“ (Jes 62,5). In der Menschwerdung Gottes bildet Gott eine unzerstörbare Verbindung, ja eine Beziehungsqualität zwischen sich und dem Menschen. Wir Menschen sind mit Gott bis in Ewigkeit hin mit IHM Verbundene.
Der Wein steht als Bildwort für die grenzenlose Fülle, die Gott schenkt. In der Geburt des Jesuskindes macht sich Gott uns zum Geschenk. Seit der Geburt dieses göttlichen Kindes bricht eine neue Zeit der „Fülle“ an. Nun leben wir als mit Gott Vermählte und als Beschenkte, wobei uns Gott mit seiner Fülle der Liebe und Zärtlichkeit überschüttet.
Heute feiern wir das Fest der Epiphanie. Die drei Magier, die dem Stern folgten, knien vor dem göttlichen Kind nieder und beschenken es; sie beten es an.
Die drei Magier dürfen uns besonders heute Vorbilder sein, unserer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, dass wir mit Gott in einer ewigen Beziehung stehen. Gott erscheint, und eine neue Zeit des Heils bricht an. Unsere Antwort darauf: Beten wir das göttliche Kind an.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Weihnachtswoche (5.1.2022)
ImpulsAm nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels. Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach! Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und des Petrus. Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh! Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen. Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das. (Joh 1,35-51)
Vor kurzem zeigte der Sender Arte den Dreiteiler „Das Seil“.
In der Serie geht es um ein Team von Wissenschaftlern in einer astronomischen Forschungsstation mitten im norwegischen Nirgendwo. Eines Tages entdeckt einer der Wissenschaftler im tiefen Wald ein Seil, das scheinbar kein Ende hat. Einige Forscher tun sich zusammen, und folgen dem Seil, um herauszufinden, was es damit auf sich hat. Und es beginnt für sie eine abenteuerliche Reise. Dem Zuschauer wird bei dieser Geschichte schnell klar, dass es sich bei dem Seil um eine Metapher handelt, eine pessimistische Metapher für die Weltreligionen. Je länger die Forscher dem Seil folgen, desto mehr wollen sie zu seinem Ende kommen, und wissen, was dort auf sie wartet, sie werden davon immer mehr besessen. Das Seil wird zur Obsession, die alles bestimmt und verteidigt werden muss, und es folgen daraus Gewalt, Misstrauen und Tod. Der scheinbare Halt führt zur Haltlosigkeit.
Tatsächlich habe ich mich nach dem Sehen der Serie ein wenig gefragt, ob meine Momente der Berufung nicht auch eigentlich nur ein Seil waren, welches ich auf einmal im Wald gefunden habe. Eine Illusion in einer haltlosen Zeit. Wir alle haben Momente der Berufung erfahren, und erfahren sie immer wieder. Doch ist dieser Ruf nur eine Illusion, die uns scheinbar Halt in der Wahrheit verspricht? Ganz klar kann man das sicher nicht mit Ja oder Nein beantworten. Doch klar ist, dass der Ruf in uns etwas bewegt hat und wir uns auf den Weg gemacht haben. Und wenn ich die heutige Berufungsgeschichte lese, dann bewegt sie mich immer wieder auf neue.
Können Sie sich an einen der Momente ihrer Berufung erinnern?
Ich erinnere mich, dass mich eines Tages plötzlich die Stille gerufen hat. Ganz langsam ist sie in mein Leben getreten. Das war außergewöhnlich, denn als Kind hatte ich vor der Stille Angst, und als junger Mensch sucht man Trubel und Spaß.
Einmal hatte ich ein besonderes Erlebnis mit Stille.
Nach dem Tod meines Vaters bin ich viel gewandert. Mich hatte es getröstet, einfach zu laufen und die Natur zu erleben. Bei einer dieser Wanderungen an einem warmen Märztag ging ich einen Weg entlang und von einem Schritt auf den anderen war alles auf einmal vollkommen still. Es war, wie wenn ich in eine Blase aus Stille getreten wäre. Kein Vogelgesang, kein anderes Geräusch, nur mein Herzschlag war zu hören.
So plötzlich wie sie gekommen war, war sie auch schon wieder vorbei. Wie ein scheues Tier.
Dieser Moment war für mich kein gefundenes Seil, da war kein Halt, keine Erklärung der Welt, keine Angst, da war nur Weite und Freiheit.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Weihnachtswoche (4.1.2022)
ImpulsAm nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser. Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. (Joh 1,29-34)
„Man zeigt nicht mit dem Finger auf andere.“ Das hat mir meine Mutter früher oft gesagt, wenn ich genau das getan habe – im Bus, in der Straßenbahn, beim Spazierengehen im Park. Johannes der Täufer macht genau das. Viele Bilder zeigen ihn mit ausgestrecktem Zeigefinger, wie er von sich weg auf Jesus deutet. „Siehe, das ist Gottes Lamm!“ – „Dieser ist Gottes Sohn.“ Nicht ich bin wichtig, sondern Jesus. Ihm will ich den Weg bereiten, auf ihn hinweisen, damit andere zu ihm kommen und ihn finden.
Der Unterschied zwischen Johannes und mir ist wohl, dass ich auf andere gezeigt habe und manchmal auch heute noch zeige, wenn mir etwas, meist etwas Unangenehmes, an ihnen aufgefallen ist. Ich zeige auf sie, um sie sozusagen bloßzustellen. Johannes will Jesus nicht in diesem negativem Sinn bloßstellen, er möchte, dass andere ihn erst entdecken, auf ihn aufmerksam werden, ihm folgen.
Auf andere zeigen, nicht um sie bloßzustellen, sondern um sie groß zu machen. Auf andere hinweisen in diesem Sinne, meint dann: Ich sehe dich, weil Gott dich sieht. Du bist es wert, dass auch andere dich sehen und das Gute, das durch dich ausgeht. Vielleicht sollten wir mehr in die Schule von Johannes dem Täufer gehen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Zweiten Weihnachtswoche (3.1.2022)
ImpulsUnd dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten aus Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin’s nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann?, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: »Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat. Und sie waren abgesandt von den Pharisäern, und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet? Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse. Dies geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte. (Joh 1,19-28)
Johannes wird von den Pharisäern gefragt, wer er ist oder wer er auch nicht ist. Er ist nicht Elija und er sagt von sich auch, dass er nicht der Messias ist. Johannes weiß um seine Rolle in der Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen.
Ich finde, dass es oft nicht einfach ist zu sagen, wer ich bin. Aber es ist für mich beruhigend zu wissen, was ich nicht sein muss. Ich muss nicht der Messias sein. Wie viele Menschen glauben, die Welt retten zu müssen, und überfordern sich damit. Ich muss auch kein großer Prophet sein und die Wahrheit in allem wissen. Trotzdem ermuntert uns diese Textstelle zu ergründen, was denn meine Existenz auf dieser Erde zu bewirken hat. Welche Rolle in der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen möchte ich einnehmen?
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Zweiten Sonntag nach Weihnachten (2.1.2022)
ImpulsMein Herz ist bereit – Impuls zu Psalm 57
Der Advent war eine Zeit des Wartens. Der Advent war eine stille Zeit. Eine Zeit, um ein offenes und bereites Herz gegenüber Gott zu entwickeln, damit er an Weihnachten durch unsere Herzens-Tür in uns Wohnung nehmen kann. Als König David diesen Psalm schrieb, wurde er vom König Saul verfolgt und versteckte sich mitten in der Wüste in einer Höhle. Am Anfang des Psalms schreit David sein Leid und seine Angst heraus. Manchmal tut es gut, die Ängste des Lebens einfach aus der Dunkelheit der Seele zu rufen. Im zweiten Teil des Psalmes kommt sein Herz in Gott zur Ruhe. Mitten in der Wüste erwartet David Gottes Herrlichkeit. Mitten in der Nacht schenkt uns Gott an Weihnachten seine Herrlichkeit. Mitten in der Nacht hören wir den Liebesruf Gottes. Zweimal bekennt David: Mein Herz ist bereit, wach auf, meine Seele. Zweimal singt er wiederholend diese Worte. Wenn wir etwas wiederholen, dann prägt sich das besser ein. Dann macht dies etwas mit unserem Herzen.
Ich weiß nicht, ob Sie heute etwas bedrängt. Geht es Ihnen gut? Sind Sie gut ins NEUE JAHR gekommen? Oder sind sie von Krankheit, Alter oder Not gezeichnet? Was quält Ihr Herz? Was lässt Sie nicht zur Ruhe kommen? In solchen Situationen werde ich persönlich oft ganz still und in meiner Stille neige ich meines Herzens Ohr und schweige. Ich bereite mein Herz. Ich öffne Gott mein Herz. Mein Herz ist bereit! Wach auf, meine Seele!
Für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen: Ich will ganz bewusst jeden Morgen mein Herz öffnen und Gott darin einladen. Das ist ein guter und wichtiger erster Schritt in einen gelingenden Tag mit Gott.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls an Neujahr (1.1.2022)
Impuls2Schön ist es, dem Herrn zu danken
und deinen Namen, du Höchster, zu preisen.
3Gerne verkünde ich am Morgen deine Güte
und erzähle in den Nächten von deiner Treue –
4zum Klang der Bassleier mit zehn Saiten,
zum rhythmischen Spiel der Handleier.
5Ja, dein Tun, Herr, hat mich froh gemacht.
Ich will jubeln über die Werke deiner Hände.
6Wie großartig sind doch deine Werke, Herr.
(Psalm 92,2-6a nach der BasisBibel)
Wie wunderbar erklingen diese ersten Verse des Psalms 92 zum Beginn des neuen Jahres 2022! Noch liegt es wie unbeschriebene Seiten eines Buches vor uns. Und will gefüllt werden mit Leben – mit Erfahrungen und Begegnungen, mit Ideen und Taten, mit dem, was ich beitragen kann und mit anderen teile.
Schon das ist Grund genug, Dank zu sagen. Und gingen mir nicht gestern beim Blick auf das vergangene Jahr bei allen Schwierigkeiten, bei allem Traurigen, bei allem Schmerz auch Dinge durch den Kopf, für die ich „Danke!“ sagen möchte?! Mir fiel der folgende Text einmal wieder in die Hände – möge er uns Ansporn sein an diesem ersten Tag des Jahres:
Es scheint so selbstverständlich zu sein,
mit anderen zusammen zu sein,
so wie es normal ist, dass ein neuer Tag anfängt und
ich wach werde.
Es ist so selbstverständlich, anderen zu begegnen,
ihnen zuzulächeln oder ein Lächeln zu empfangen,
mit anderen zu reden und zu streiten,
etwas wieder gut zu machen, mich zu versöhnen,
gemeinsam Spaß zu haben und Abenteuer zu erleben,
das Schöne zu genießen und Schweres miteinander zu tragen.
Es ist so selbstverständlich,
dass uns selten in den Sinn kommt,
Dir, Gott, dafür „Danke!“ zu sagen.
Heute wollen wir es einmal tun.
Danke, guter Gott!
(Aus: Wegzeichen. Gebete für den Weg)
Seien Sie behütet und hoffnungsfroh im neuen Jahr!
„Der HERR ist gerecht! Er ist mein Fels.“ (Ps 92,16 () )
P. Guido Hügen OSB
Impuls an Silvester (31.12.2021)
ImpulsGott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken. Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht. (Ps 46,6)
Der 46. Psalm preist Gott als eine sichere Burg der Zuflucht, in der die Menschen Sicherheit und Geborgenheit finden, wenn unter ihnen der Boden unter den Füßen wegzubrechen droht. Mit dem Jahr 2021 geht nun ein Jahr zu Ende, das erneut von der Corona-Pandemie geprägt war und in dem Menschen oft die Erfahrung von tiefer Verunsicherung und Verzweiflung gemacht haben. Nicht nur die Bilder der Überschwemmungen während der Flut in den Sommermonaten kommen in mir hoch, wenn ich diesen Psalm nun am Ende dieses Jahres bete. Sondern auch viele andere persönliche Erdbeben und Schicksalsschläge, die Menschen in den unterschiedlichen Bereichen ihres Lebens machen mussten, werden mir sofort bewusst und ich kann sie nicht ausblenden.
Der 46. Psalm drückt für mich eine tiefe Zuversicht aus, dass Gott in all diesen Bedrohungen, dieser Not und Verzweiflung da ist. Allen Zweifeln zum Trotz ist dies zumindest meine tiefe Hoffnung: „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“, so hat es Dietrich Bonhoeffer inmitten einer der dunkelsten Zeiten der Geschichte geschrieben. Ich vertraue fest darauf und auch darauf, dass Gott in dem neuen Jahr 2022 mit uns gehen wird. Und dass er da sein wird, wenn am Neujahrstag ein neuer Morgen anbrechen wird und das Jahr noch ganz neu vor uns liegen wird. Ich wünsche Ihnen, dass Sie getrost und zuversichtlich und mit dem Segen Gottes in das neue Jahr 2022 gehen können!
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Donnerstag der Weihnachtsoktav (30.12.2021)
ImpulsUnd das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut. (aus Joh 1,14-18)
In eindrucksvoller Weise beschreibt der Johannesprolog liedhaft die Menschwerdung Gottes. Er gipfelt in der Aussage: „Und das Wort ist Fleisch geworden“. Gott will nicht ein entfernter und unzugänglicher Gott bleiben. In der Menschwerdung Jesu kommt er uns ganz nah. Gott wird Mensch.
Gott will alles Menschliche und an diese Erde Gebundenes mit uns teilen. Gott hat eine Sehnsucht, uns ganz nahe zu kommen. Gott läuft seinem Ebenbild, dem Menschen, gleichsam in Zuneigung nach. Und näher konnte er uns nicht kommen, als selbst Mensch zu werden. Menschliches und Göttliches ist seit der Menschwerdung Gottes unzerstörbar miteinander verbunden. Gott ist demnach nicht nur in einem Tempel präsent. Er will in jedem Menschen Wohnung nehmen. Dies wird besonders daran deutlich, dass Johannes für „wohnen“ im Urtext das Wort „zelten“ benutzt. Seit seiner Menschwerdung hat Gott keine an einen Ort gebundene Bleibe, sondern zeltet immer wieder in jedem Menschen. Werden wir in diesen Tagen der Jahreswende innerlich und besinnen wir uns, dass Gottes Herrlichkeit im Menschen präsent ist. Das „Schauen“ ist ein kontemplativer innerer Akt des inneren Gebetes. Halten wir inne im Bewusstsein unserer Vergöttlichung, eingedenk der Einwohnung Gottes in uns, und gehen wir in einer kontemplativen Haltung in Resonanz.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Weihnachtsoktav (29.12.2021)
ImpulsDas war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Joh 1,9-13)
Welch ermutigende Aussage! Da reflektiert der Prolog des Johannes-evangeliums die Geburt des Gottessohnes (des logos) aus Gott, und macht gleichzeitig eine wichtige Aussage über uns Menschen.
Nämlich: wir sind Kinder Gottes! Wir sind „nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren“! Mein Ursprung ist göttlich! Ich bin sozusagen ein himmlisches Menschenkind.
Diese Aussage des Johannes, sie kann unendliche Freiheit schenken. Wie oft verzweifeln wir daran, dass wir so sind, wie wir sind. Und schnell sind „Schuldige“ gefunden: meine Ursprungsfamilie, schlechte Gene von meinen Eltern, die schlechten Zeiten in die ich hineingeboren wurde, … Ja, all das hat seinen Einfluss auf meine Person gehabt und hat es bis heute. Das ist richtig. Aber – ich bin dadurch nicht absolut vorherbestimmt, hoffnungslos in der Falle meiner Geschichte. Denn: mein tiefster Personkern ist göttlichen Ursprungs. Und deshalb habe ich eine unantastbare Würde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ (vgl. Grundgesetz!) Und deshalb bin ich, komme was wolle, auch für Gott unendlich kostbar und wertvoll. Ich bin nicht nur das kleine Rädchen im Getriebe der Welt, was jederzeit ausgewechselt werden kann, und keiner merkt es. Ich bin als Jonas (und hier dürfen Sie Ihren Namen einsetzen!) unendlich kostbar, geliebt, angenommen – einfach so, ohne Vorleistung – weil ich bin!
Lassen wir diese Botschaft in dieser Weihnachtszeit in uns wachsen. Werden wir immer mehr zu königlichen Menschen und denken wir immer daran: wir sind aus Gott geboren!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dienstag der Weihnachtsoktav (28.12.2021)
ImpulsEin Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. (Johannes 1,6-8)
Bei der heutigen Stelle aus dem Johannes-Evangelium geht mein Blick noch einmal zurück in den Advent, in die Zeit, die so eng verwoben ist mit Johannes dem Täufer.
Der Adventskranz, er liegt bei vielen von uns schon längst auf dem Komposthaufen. Doch es ist wichtig, nicht den Weg zu vergessen, den man gegangen ist. Es ist wichtig, davon Zeugnis abzulegen. Die Wüste, sie verschwindet nicht dadurch, dass wir nicht mehr durch sie gehen müssen. Die Nacht, die wir erlebt haben, sie bleibt ein Teil von uns.
Wir haben den Rufer in der Wüste gehört, und wir haben das Zeugnis gehört, dass da einer kommen wird, der uns mit Feuer taufen wird.
Das kann einem schon mal ein wenig Angst machen. Doch Johannes ist im Mutterleib vor Freude gehüpft, als er Jesus gespürt hat. Und hat ein Engel nicht gerade verkündet: Fürchtet euch nicht?! Was wollen wir eigentlich jetzt noch mehr, und worauf warten wir noch?
Glaube ist keine Selbstoptimierung; wir müssen nach der Heiligen Nacht nicht heiliger werden als diese Nacht. Glaube heißt Vertrauen, heißt Liebe.
Johannes, Elisabeth und Zacharias – sie sind Zeugen davon.
Heute, zwischen den Jahren, wünsche ich uns allen den Mut, zu unseren Wüsten zu stehen. Denn wie soll denn dort etwas zu blühen beginnen, wenn wir gerade diese Orte dem Licht vorenthalten?
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Montag der Weihnachtsoktav (27.12.2021)
ImpulsIm Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. (Joh 1,1-5)
Aus dem Prolog des Johannesevangeliums sticht für mich das Wort Anfang hervor. Ich selber neige zu linearem Denken. Alles hat irgendwann begonnen und endet auch irgendwann. Aber im Gegensatz dazu heißt es: Geboren vor aller Zeit. Anfang ist dann kein zeitlicher Begriff, sondern meint, dass etwas da ist – und das zu jeder Zeit. Die Erlösung durch das Wort zu den Menschen hin ist vor aller Zeit und nach jeglicher Zeit. Es ist für mich tröstlich zu wissen, dass alle Schöpfung jenseits von Raum und Zeit in der göttlichen Gegenwart geborgen und geliebt ist. Es ist für mich auch erlösend zu glauben, dass Ewigkeit nicht eine endlose Fortsetzung von Zeit bedeutet, sondern: in der permanenten Gegenwart der Liebe zu wohnen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Zweiten Weihnachtstag (26.12.2021)
Impuls-Impuls über Lk 2,29-32
Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast.
Die Worte des greisen Simeon haben für mich etwas ungemein Tröstliches. Er selbst spricht davon, dass er nun bald sterben kann und wird. Aber er ist zutiefst dankbar, weil seine Augen den Messias in Gestalt des kleinen Jungen im Tempel sehen durften. In Frieden scheiden und in Frieden loslassen können. Das ist etwas, das immer wieder neu eingeübt werden kann und soll. Das Gebet des Simeon hat im Stundengebet der Kirche seinen festen Platz: in der Komplet, dem Nachtgebet. Dankbar auf den Tag zurückblicken zu dürfen, aber dabei auch das Schwere und Schmerzvolle nicht ausblenden zu müssen, darum geht es. All das, was gewesen ist, noch einmal anzuschauen, um sich unter dem liebevollen Blick Gottes damit versöhnen zu können. Vielleicht kann diese Bibelstelle Sie gerade in der kommenden Zeit „zwischen den Jahren“ innerlich begleiten, sodass Sie noch einmal auf ihr persönliches Jahr 2021 zurückblicken und versöhnt und zuversichtlich damit abschließen können. Alles, was Sie in diesem Jahr an glücklichen Stunden erlebt haben, aber auch alles, was schwer und leidvoll gewesen ist, dürfen Sie im Zugehen auf den Jahreswechsel in Gottes Hand legen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Frieden auf das Vergangene zurückblicken und dann gut in das neue Jahr 2022 gehen können.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls an Weihnachten (25.12.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
in seiner Menschwerdung will Gott das Leben der Menschen verändern und sich heilend zuwenden. Möge Ihnen diese ZU-WENDUNG geschenkt werden.
Die Kirche betet mit Worten aus Psalm 2:
„Wohl allen, die auf ihn trauen!“
Übersetzt bedeutet dies: Suchen wir IHN, Jesus, das Kind von Betlehem, auf. Vertrauen wir IHM, weil ER das Leben in Fülle schenkt (Joh 10,10).
Vertrauen und Besonnenheit ist der beste Umgang mit den Krisen und Herausforderungen unseres Lebens.
Vielleicht kann ein erster Schritt für Sie sein, sich einzugestehen, dass es schwere Situationen gibt. Situationen, vor denen Sie mit gebundenen Händen und wie ohnmächtig stehen.
Mögen Worte von Paul Gerhardt unser aller Vertrauen stärken:
Ich lag in tiefster Todesnacht, Du wurdest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht, Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht‘,
wie schön sind Deine Strahlen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Bleiben Sie behütet!
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls an Heiligabend (24.12.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Maleachi führt uns hin zum weihnachtlichen Geheimnis.
„Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln.“ (Maleachi 3,20)
Die Sonne der Gerechtigkeit lässt Heil aufstrahlen.
Hoffnungen erfüllen sich.
Sehnsucht wird gestillt.
Freude breitet sich aus.
Nur noch wenige Stunden bis zum Beginn der Heiligen Nacht.
Schenken Sie sich einige Augenblicke der Stille, und sinnen Sie über diesen Schriftvers nach.
Wo benötige ich Heil und Heilung?
Wo würde mir ein Freude- und Hoffnungsschimmer gut tun?
Welche Sehnsucht trage ich in mir?
Mit Worten von Seraphim von Sarow wünsche ich Ihnen und Ihren Familien einen frohen 24. Dezember!
„Wer freut sich nicht beim Anblick der Sonne?
Weitaus größer ist die Freude, wenn man mit innerem Auge Christus,
die Sonne der Heiligkeit, erkennt“.
Bleiben Sie behütet!
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Donnerstag der Vierten Adventswoche (23.12.2021)
ImpulsIhr redet hart gegen mich, spricht der HERR. Ihr aber sprecht: „Was reden wir gegen dich?“ (aus Maleachi 3,13-18)
Momentan hört man viel, dass in unserer Gesellschaft eine Spaltung drohen soll, und ein wenig frage ich mich dabei, ob wir denn nicht in vielem schon längst gespalten sind. Ob Ossi oder Wessi, Ausländer oder Inländer, arm oder reich, evangelisch oder katholisch oder gar keine Kirche, Bayern- oder 1860er-Fan, Martini geschüttelt oder gerührt. Überall gehen kleine oder große Risse und Mauern durch unsere Gesellschaft, glaubt jede Seite es am besten zu wissen, was gut und richtig ist, heißt die Devise Abgrenzung und Ausgrenzung.
In einer konfliktgeladenen Welt wünscht man dem anderen gerne das Schlechteste an den Hals. Alles natürlich ganz aus Nächstenliebe. Man wünscht sich einen Privatgott, der mit Macht kommt und die „Bösen“ mit einem Blitz vernichtet. Gott ist ganz sicher auf meiner, auf der allein richtigen Seite.
Ein Konsens scheint hier fast unmöglich.
Aber das Erstaunliche ist: Gott wird kommen, aber nicht mit Blitz und Donner. Er wird als kleines, verwundbares Baby kommen. Schutzlos, als Mensch.
Was für eine riesengroße Überraschung (oder Enttäuschung) für uns.
„Und auf einmal warst du da, und von da an war sowieso alles anders!“
Diesen Satz hört man oft, wenn ein Kind auf die Welt kommt und das Leben der Eltern über Nacht auf den Kopf stellt. Und wenn Dinge auf den Kopf gestellt werden, spielen von uns gezeichnete Grenzen auf einmal überhaupt keine Rolle mehr. Ganz neue Regeln werden nötig, und jeder muss über seinen eigenen Schatten springen.
Morgen, in der dunkelsten Nacht, wird es geboren werden, das göttliche Kind. Ein ganz gewöhnliches Kind wird kommen.
Und alles wird anders sein.
Gewidmet: Nico, Jenni, Luna, Luise, Katharina, Hazel, Rupert, Kajetan, Masha, Fee, Finn, Paul, Lara, Emma, und den so vielen, vielen anderen, die die Welt auf den Kopf gestellt haben.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Mittwoch der Vierten Adventswoche (22.12.2021)
ImpulsImpuls zu Mal 3,6-12
In der mönchischen Tradition gibt es den Begriff der Conversatio morum. Das kann man mit Umkehr übersetzen. Es gibt aber auch die Übersetzung: das Verhalten ändern. Da wird es dann konkret. Umkehr im biblischen Sinne, wie sie hier auch bei Maleachi beschrieben wird, geht immer mit konkreten Maßnahmen einher. Der Sinneswandel allein genügt nicht. Gott ruft uns auf, unser Verhalten zu ändern. Auch drei Tage vor Weihnachten. Jeder von uns ist dazu aufgerufen, sein Verhalten dort zu ändern, wo er sich selbst, dem Nächsten und auch Gott nicht gerecht wird.
Ein zweiter Aspekt bei Maleachi ist die Segensverheißung. Wenn wir umkehren und bereit sind zu schenken, was andere benötigen, dann werden wir selber keinen Mangel erleiden. Gott öffnet die Schleusen des Himmels für den, der schenkt.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der Vierten Adventswoche (21.12.2021)
ImpulsSeht, ich sende meinen Boten; / er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel / der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. (Mal 3,1 – ganze Lesung: Mal 2,17-3,5)
Maleachi spricht von einem Boten, der dem HERRN vorausgeht. Die Tradition hat diese Worte auf Johannes den Täufer bezogen, der Jesus den Weg bereitete. Der Text aus dem Prophetenbuch Maleachi ist ein durch und durch adventlicher Text, in dem es um den Tag des HERRN, seine Wiederkehr in den Tempel geht. Und doch ist er ganz anders, als wir es mit adventlich-romantischen Gefühlen verbinden. Denn „wer erträgt den Tag, an dem er kommt“, so heißt es weiter. Und: „Er ist wie das Feuer des Schmelzers und wie die Lauge der Walker“ – beides alles andere als angenehme Dinge. Und der Herr wird Gerechtigkeit schaffen, vor allem für die Witwen und Waisen, also die ärmsten Menschen im Land – und gegen jene, die Gerechtigkeit mit Füßen treten und sie ausbeuten.
„Tauet, Himmel, den Gerechten, ihr Wolken, regnet ihn herab. Die Erde sprosse auf und bringe den Heiland hervor.“ So haben wir es am 4. Adventssonntag gesungen. Die ganze Natur wartet sehnsüchtig auf das Kommen Gottes, damit ER Gerechtigkeit bringt.
Worauf warte ich? Was habe ich zu erwarten? Was muss in mir gerichtet werden, damit Gerechtigkeit einziehen kann?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Vierten Adventswoche (20.12.2021)
ImpulsImpuls zu Mal 1,1-14
Das alttestamentliche Buch des Propheten Maleachi – es beginnt für unsere Ohren ziemlich unverständlich. Da ist von Opfern die Rede. Tiere, die auf dem Altar Gott geopfert werden. Und von Gott, der die einen Opfer annimmt und die anderen ablehnt…
Vielleicht ist der Schlüssel zu all diesen Vorstellungen von einem Gott, dem man opfern muss, das hebräische Wort für Opfer – korbán. Und das heißt wortwörtlich übersetzt – näherkommen. Nach alttestamentlichen Vorstellungen komme ich durch ein Opfer mir selbst, meinem Nächsten oder auch Gott näher. Ich glaube, wir würden das Gemeinte heute eher mit dem Wort Liebe umschreiben. Also: Etwas, das ich tue, um mir selbst oder meinem Nächsten oder Gott näher zu kommen – das ist eine Liebestat. Denn ich tue es ja „freiwillig“ – weil mir der andere oder auch Gott etwas wert sind. Und nicht, weil ich es tun muss (aus welchem Grund auch immer).
Der Opfergedanke erinnert uns also daran, dass es um eine Beziehung geht: die zwischen Gott und Mensch. Und dass auch dieses Verhältnis das braucht, was wir heute „Beziehungsarbeit“ nennen. Ich investiere etwas in diese Beziehung, damit sie wachsen kann, damit sie gut wird und gut bleibt!
Und zwar nicht, weil ich oder „man“ das so tun muss, sondern weil ich es will! Aus Liebe! Weil mir der andere (Gott!) etwas wert ist…
Wie sieht meine Beziehungsarbeit mit Gott aus? Gerade jetzt – in den letzten Tagen vor Weihnachten? Finde ich noch Zeit und Raum, oder geht dies im allgemeinen Weihnachtsstress unter?
Machen wir uns wieder neu auf den Weg. Denn es gilt das, was am Anfang unseres Textes steht: „Ich habe euch lieb – spricht der Herr!“ (Maleachi 1,2)
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Vierten Adventssonntag (19.12.2021)
ImpulsLeiter
Impuls zu Lk 1,46-55
Auf der Leiter des Lebens empor zu den Momenten des Glücks. Manchmal sind sie hart erarbeitet wie ein gutes Schulzeugnis oder das Gefühl, die Stufen der Leiter wieder hinunterzufallen. Auf den Boden der Tatsachen zu plumpsen. So erging es auch Maria – Miriam, einem jungen Mädchen aus Nazareth. Maria wird mit einer Nachricht konfrontiert, die ihr Leben auf einen Schlag ändert. Bei Maria war es die unerwartete Schwangerschaft. Danach ist nichts mehr wie vorher. Die Frage lautet, wie man nun seinen Weg auf der Lebensleiter weitergehen kann. Nach oben? Nach unten? Maria hat bei aller Ungewissheit JA dazu gesagt, das Kind zu bekommen. Gott ist damals, als die von den Propheten verheißene Fülle der Zeit angebrochen war, die Leiter vom Himmel herabgestiegen. Gott wurde in Jesus ein Mensch unter Menschen. Gott ist sein Schöpfungswerk hinabgestiegen. Gott ist die Himmelsleiter zu uns herabgestiegen. Denn er will auch in Freude und Glück, in Sorgen und Kummer, in Jugend und Alter, in Krankheit und Tod für uns als der ICH-BIN-DER da sein. Maria fiel nicht von der Leiter. Sie stimmt ihren großen Lobpreis für Gott an und steigt die Stufen empor. Ihr Lob verstummt bis heute nicht in den Mündern der Menschen.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag der Dritten Adventswoche (18.12.2021)
ImpulsDann wird der Herr König sein über die ganze Erde. An jenem Tag wird der Herr einzig sein und sein Name einzig. Es wird sich verwandeln wie in eine Ebene das ganze Land… Man wird darin wohnen. Es wird nie mehr ein Bann vollzogen werden und Jerusalem wird in Sicherheit wohnen. (Sacharja 14,9-11 – ganze Lesung: 14,1-11)
Im 14. Kapitel zeichnet der Prophet endzeitliche Bilder über Jerusalem: Krieg, Plünderungen, Eroberungen, Schändung, Leid… sind die Kennzeichen. Doch Gott selbst wendet das Blatt. An „jenem Tag“ kommt Gott selbst Jerusalem zu Hilfe. Gott zieht in Jerusalem ein. Gott errichtet eine neue heilvolle Königsherrschaft.
Kennen wir heutige Menschen nicht auch unter und in uns unheilvolle Szenarien und Unsicherheiten?
Ist nicht gerade unsere jetzige Zeit von Labilität geprägt? Wir Menschen sehnen uns gerade jetzt nach umfassendem Heil und Sicherheit, angesichts der Bedrohungen einer Pandemie oder der Krisenherde dieser Welt. Mag nicht in diesem Advent der eine oder andere anstimmen mit den Worten der heutigen O-Antiphon „O komm, und befreie uns“?
Auch in diesem Advent 2021 will Gott in unserer Geschichte und in uns ankommen. Das Jerusalem des Propheten Sacharja dürfen wir selbst sein:
Sein Ankommen in uns will uns Stabilität, Sicherheit, inneren Frieden und Heil schenken. Trotz aller Bedrohungen ist Gott im Kommen. Möge es uns Zuversicht schenken!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Freitag der Dritten Adventswoche (17.12.2021)
Impuls9 An jenem Tag wird es sein, da werde ich danach trachten, alle Völker zu vernichten, die gegen Jerusalem anrücken. 10 Doch über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich einen Geist des Mitleids und des flehentlichen Bittens ausgießen. Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint. 11 An jenem Tag wird die Klage in Jerusalem so groß sein wie die Klage um Hadad-Rimmon in der Ebene von Megiddo. 12 Das Land wird trauern, jede Sippe für sich: die Sippe des Hauses David für sich und ihre Frauen für sich; die Sippe des Hauses Natan für sich und ihre Frauen für sich; 13 die Sippe des Hauses Levi für sich und ihre Frauen für sich; die Sippe des Schimi für sich und ihre Frauen für sich; 14 alle übrig gebliebenen Sippen, jede Sippe für sich und ihre Frauen für sich.
13,1 An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle entspringen gegen Sünde und Unreinheit. (Sach 12,9-13,1)
So viel Klage, so viel Trauer, so viele Tränen, die fließen. Das klingt so gar nicht adventlich-hoffnungsvoll. Und dann lese ich den letzten Satz der heutigen Lesung: An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle entspringen gegen Sünde und Unreinheit. Die vielen Tränen, die die Israeliten vergießen, sie werden zu einer Quelle „gegen Sünde und Unreinheit“, einer Quelle, aus der neues Leben entspringt.
Die christliche Tradition spricht von der reinigenden Kraft der Tränen. Und jeder, der schon einmal ernsthaft geweint hat – ohne Kosmetik und Schauspiel – der weiß um die Wahrheit dieses Satzes. Tränen können eine reinigende Kraft entfalten. Alles, was da ist, jeder Schmerz, jeder Fehler, jede persönliche Schuld, darf da sein. In den Tränen fließt das alles sozusagen aus mir heraus – und ich werde frei für einen neuen Aufbruch. Wenn das nicht hoffnungsvoll ist…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Adventswoche (16.12.2021)
Impuls4 So spricht der HERR, mein Gott: Hüte die Schafe, die geschlachtet werden sollen! 5 Deren Käufer töten sie, ohne es zu büßen, und deren Verkäufer sagen: Gepriesen sei der HERR, denn ich bin reich geworden. Ihre Hirten aber haben kein Mitleid mit ihnen. 6 Wahrhaftig, ich habe kein Mitleid mehr mit den Bewohnern des Landes – Spruch des HERRN. Siehe, ich lasse jeden Menschen in die Hand seines Nächsten fallen und in die Hand seines Königs. Sie werden das Land zerschlagen, aber ich werde es nicht aus ihrer Hand retten. 7 Ich hütete die Schafe, die geschlachtet werden sollten, für die Schafhändler und ich nahm mir zwei Ruten. Die eine nannte ich Noam – Freundlichkeit -, die andere nannte ich Hobelim – Verbundenheit -. So hütete ich die Schafe. 8 Ich ließ die drei Hirten in einem einzigen Monat verschwinden. Dann verlor ich die Geduld mit ihnen und auch sie wurden meiner überdrüssig. 9 Ich sagte: Ich will euch nicht mehr hüten. Was im Sterben liegt, soll sterben; was sich verloren hat, sei verloren; und von den Übriggebliebenen soll einer des andern Fleisch fressen. 10 Dann nahm ich meine Rute Noam – Freundlichkeit – und hieb sie in Stücke, um meinen Bund zu zerbrechen, den ich mit allen Völkern geschlossen hatte. 11 So wurde er an diesem Tag zerbrochen. Da erkannten die Schafhändler, die mich beobachteten, dass dies ein Wort des HERRN war. 12 Ich sagte zu ihnen: Wenn es recht ist in euren Augen, so bringt mir meinen Lohn, wenn aber nicht, so lasst es! Da wogen sie mir meinen Lohn ab, dreißig Silberstücke. 13 Da sagte der HERR zu mir: Wirf ihn dem Schmelzer hin, den wertvollen Preis, den ich ihnen wert bin. Und ich nahm die dreißig Silberstücke und warf sie im Haus des HERRN dem Schmelzer hin. 14 Danach hieb ich meine zweite Rute, Hobelim – Verbundenheit -, in Stücke, um den brüderlichen Bund zwischen Juda und Israel zu zerbrechen. 15 Der HERR sagte zu mir: Nimm dir außerdem das Gerät eines törichten Hirten! 16 Denn siehe, ich lasse einen Hirten im Land auftreten: Das Vermisste sucht er nicht, dem Jungen geht er nicht nach, das Gebrochene heilt er nicht, das Erschöpfte versorgt er nicht. Stattdessen isst er das Fleisch der Masttiere und reißt ihnen die Klauen ab. 17 Wehe dem nichtsnutzigen Hirten, / der die Schafe im Stich lässt! Das Schwert über seinen Arm / und über sein rechtes Auge! Sein Arm soll völlig verdorren, / sein rechtes Auge soll gänzlich erblinden! (Sach 11,4-17)
„Hier, in diesem Kapitel, gebe ich auf. Denn ich bin nicht sicher, wovon der Prophet spricht.“
Worte von Martin Luther.
Wissen wir heute mehr?
Zahlreiche Regalmeter füllen Auslegungsversuche zum letzten Teil des Propheten Sacharja. Als Deutung in die Zukunft, als Aufnahme historischer Fakten – viele Annahmen gibt es.
Mir kommen eher Assoziationen.
„30 Silberlinge“ – die begegnen uns doch auch in der Passion Jesu.
Das Wort des Hirten kennen wir auch aus dem Mund Jesu,
der sich selbst als der gute Hirt bezeichnet.
Also so ein ganz anderer als der,
dem wir hier begegnen.
Und auf den wir auf Weihnachten hin wieder zugehen.
Der noch dazu geboren ist unter Hirten.
Wer schon einmal in Betlehem war,
ahnt um die Kargheit und Entbehrung dieser Geburt.
Nichts von fetten Schlachtschafen …
Eher wie das „Friedenslicht aus Betlehem“,
das uns in diesen Tagen ein kleines Licht bringt
und uns entflammen will.
Lassen wir uns darauf ein?
Feuer und Flamme …
Die anderen Assoziationen sind gegensätzlich.
„Das Schweigen der Hirten“
titelt der SPIEGEL.
Und bei „katholisch.de“ lese ich heute:
„Die Monstrosität verschlägt den Atem. Auch zwölf Jahre nach der Offenlegung von Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg wird das Grauen über die menschlichen Abgründe, die sich immer tiefer auftun, stetig größer. Pfarrer U., der derzeit in Köln vor Gericht steht, hat nicht nur seine Nichten zigfach sexuell missbraucht, sondern auch seine Pflegetochter und – als er vorübergehend im Jahr 2010/2011 beurlaubt war – ein elfjähriges Mädchen in Wuppertal. Danach stand er selbstverständlich wieder hinter dem Altar.“
Und:
„Nun nennen sich die Täter selbst gerne Hirten. Sie lassen sich als „Pastor“ anreden oder tragen den Hirtenstab.“
Ohne Kommentar.
Ich schäme mich.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Adventswoche (15.12.2021)
ImpulsUnd der HERR wird durchs Meer der Angst gehen und die Wellen im Meer schlagen und alle Tiefen des Nils vertrocknen lassen. (aus Sacharja 10,1-12)
Das sind gewaltige Worte die wir heute hören, und sie sprechen dem Leser Mut zu, genauso wie sie einst dem Volk Israel Mut zugesprochen haben. Ich muss bei diesem Satz an das jüdische Volk auf ihrem Weg aus Ägypten denken. Auf ihrem Weg durch das Schilfmeer. Und ich musste an die Lesungen in der Osternacht denken, an das Buch Genesis, an den Weg des Mose und des Volkes Israel durch die Wüste. Eine Sehnsucht nach dem Frühling, jetzt, wo alles grau und dunkel ist.
Der Weg zu den beiden heiligen Nächten, Osternacht und Weihnacht, ist verwandter, als wir im ersten Moment meinen. Denn auch der Advent war einst eine Fastenzeit, und im Orthodoxen Christentum ist er das bis heute. Ein Weg durch die Wüste oder die Nacht, der uns zu einem Wendepunkt führt. Ganz wie die Natur ziehen sich im Advent die Lebenskräfte zurück, verschwinden aber nicht, und alles wird stiller. Und dann erwacht zu Weihnachten eine Kraft, die im Verborgenen wirkt, und die sich immer weiter potenziert. Und diese Kraft wird sich dann an Ostern entfalten.
Gerade jetzt, wo alles still wird, können wir erfahren, dass etwas Gewaltiges bei uns ist und dass wir ganz tief in uns gehalten werden. Dies gelingt nicht oft, aber der Advent bietet mit seinen Bedingungen eine gute Chance dazu, es zu erfahren. Eine Chance, die auch auf uns wartet, wenn wir in unserem Leben durch die Nacht oder die Meere unserer Angst gehen müssen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dienstag der Dritten Adventswoche (14.12.2021)
ImpulsImpuls zu Sach 9, 9-12
Es ist Advent. In vielen Fenstern leuchten wieder die Lichterketten und Lichterpyramiden. Die Dunkelheit wird vom Licht durchbrochen: die Dunkelheit dieser Jahreszeit, aber auch die Dunkelheit des Lebens. Das Licht durchbricht die Dunkelheit und weckt die Erwartung. Die Erwartung, dass es da noch ein großes Licht gibt. Ein großes Licht, das die Dunkelheit nicht nur durchbricht, sondern sie überwindet. Advent ist eine Zeit der Erwartung. Wir erwarten das große Licht. Ein Licht, das wir nicht selbst anzünden können. Ein Licht, das gleichsam zu uns kommt. In unser Leben. In unsere Welt.
In vielen Texten und Bildern wird diese Erwartung ausgedrückt. Da heißt es beim Propheten Sacharja (9,9b): „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer …“
Wir Christen beziehen diese alte Ansage, diese alte Verheißung auf Jesus. Dass ein König sich auf den Weg macht zu uns, das lässt uns an Jesus denken. Der König, von dem im Wochenspruch die Rede ist, ist anders. Anders als andere Herrscher. Er lässt nicht kommen. Er lässt uns nicht antanzen. Sondern er kommt zu uns. In unsere Welt. In unser Leben. Das Hohe kommt in die Tiefe. Das Licht in die Dunkelheit. Der Himmel auf die Erde. Für alles das steht Jesus.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Montag der Dritten Adventswoche (13.12.2021)
Impuls20 So spricht der HERR der Heerscharen: Es wird noch geschehen, dass Völker herbeikommen / und die Einwohner vieler Städte. 21 Die Einwohner der einen werden zur anderen gehen und sagen: / Wir wollen gehen, um das Angesicht des HERRN gnädig zu stimmen / und den HERRN der Heerscharen zu suchen! – Auch ich will hingehen! 22 Viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, / um in Jerusalem den HERRN der Heerscharen zu suchen / und das Angesicht des HERRN gnädig zu stimmen. 23 So spricht der HERR der Heerscharen: In jenen Tagen werden zehn Männer aus Nationen aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch. (Sach 8,20-23)
Bei den alttestamentlichen Propheten taucht immer wieder das Motiv der sog. Völkerwallfahrt zum Zion, also nach Jerusalem, auf – am bekanntesten wohl beim Propheten Jesaja: „Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn.“ (vgl. Jes 2,1-5) Auch in unserer heutigen Bibellesung aus dem Propheten Sacharja haben wir es mit diesem Motiv zu tun.
Das Volk Israel ist ein relativ kleines Volk, das immer wieder zum Spielball großer Mächte und fremder Herrscher geworden ist. Das Motiv der Völkerwallfahrt, das in exilischer bzw. nachexilischer Zeit entstanden ist, also nach der großen Katastrophe der Verbannung, will dem geschundenen Volk Hoffnung geben. Irgendwann einmal werden die Menschen gemeinsam zu ihrem Gott ziehen – und dann wird Friede sein. Irgendwann werden Menschen verschiedenster Nationen sich gemeinsam auf den Weg machen, um Gott zu suchen, „um das Angesicht des HERRN gnädig zu stimmen“ (V.21).
Vielleicht kann man heute noch ergänzen: Irgendwann einmal werden Juden, Christen und Muslime, ja, Menschen aller Konfessionen und Religionen und auch alle Menschen guten Willens sich gemeinsam auf den Weg machen, um das Gute – den Guten – zu suchen und sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Es mag wie eine unerreichbare Vision klingen, ein utopisches Ziel. Aber wir brauchen die großen Visionen und Hoffnungsbilder, um in unserer Realität bestehen zu können. Und wir können ja schon mal losgehen…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Dritten Adventssonntag (12.12.2021)
ImpulsImpuls zu Lk 1,68-79
Besucht – erlöst – geredet – errettet – erbarmt – gedacht – geschworen: So klingt die göttliche Melodie durch Zacharias‘ Lied. Heil und Barmherzigkeit, Erlösung und Rettung: himmlische Töne in menschlichem Mund: Benedictus. Eher kunstvolle Komposition als Spontangesang, wohl kaum improvisiert, sondern wohl gesetzt. Es braucht wache Ohren, um zu hören: Gott kommt, er ist da!
Im Advent geht es um die Sehnsucht, um die Erwartung, die Hoffnung auf Erlösung und Befreiung. Ein Zeichen, ein Symbol dafür ist das Licht. Wenn es draußen dunkel ist oder wenn ich in einem dunklen Raum bin, dann sehne ich mich nach Licht, dann brauche ich Licht, um mich zurecht zu finden, den Weg zu erkennen. Im Advent geht es viel um das Licht. Um das Licht Gottes, das zu uns kommt dadurch, dass Jesus geboren wird. Das feiern wir an Weihnachten mit ganz viel Licht, mit Weihnachtsbäumen und vielen Kerzen. Und im Advent ist es noch nicht da, aber wir sehen bereits den Lichtschein, das Hoffnungslicht. Erst eine und dann immer mehr Kerzen am Adventskranz weisen darauf hin.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Adventswoche (11.12.2021)
Impuls9 So spricht der HERR der Heerscharen: Stark sollen eure Hände sein, die ihr in diesen Tagen die Worte aus dem Mund der Propheten hört – so schon am Tag, an dem das Fundament für das Haus des HERRN der Heerscharen gelegt wurde, damit der Tempel gebaut werde. 10 Denn vor diesen Tagen brachte die Arbeit des Menschen keinen Lohn, / es gab auch keinen Arbeitslohn für das Vieh. Wer ausging und heimkehrte, / fand keine Sicherheit vor dem Feind. Alle Menschen ließ ich gegeneinander los. 11 Jetzt aber bin ich zum Rest dieses Volkes nicht mehr so wie in den früheren Tagen – Spruch des HERRN der Heerscharen; 12 vielmehr ist das die Saat des Friedens:/ Der Weinstock gibt seine Frucht, das Land gibt seinen Ertrag / und der Himmel gibt seinen Tau. Das alles will ich dem Rest dieses Volkes als Erbbesitz geben. 13 Und wie ihr ein Fluch unter den Völkern gewesen seid, / Haus Juda und Haus Israel, so werde ich euch erretten, / damit ihr ein Segen seid. Fürchtet euch nicht! / Stark sollen eure Hände sein! 14 Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Wie ich plante, euch Böses zu tun, weil eure Väter mich erzürnten, spricht der HERR der Heerscharen, und es mich nicht reute, 15 so habe ich umgekehrt in diesen Tagen geplant, Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht! 16 Das sind die Dinge, die ihr tun sollt: Sagt untereinander die Wahrheit! / Richtet in euren Stadttoren der Wahrheit gemäß und mit Urteilen, die dem Frieden dienen! 17 Plant in eurem Herzen nichts Böses gegen euren Nächsten / und liebt keine verlogenen Schwüre! / Denn all das ist, was ich hasse – Spruch des HERRN. 18 Und es erging an mich das Wort des HERRN der Heerscharen: 19 So spricht der HERR der Heerscharen: Das Fasten des vierten, das Fasten des fünften, das Fasten des siebten und das Fasten des zehnten Monats soll für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu frohen Festen werden. Darum liebt die Treue und den Frieden! (Sacharja 8,9-19)
Es sind Worte des Trostes, die Gott durch den Propheten Sacharja an das Volk Israel richtet. Das Buch Sacharja ist in der Nachexilszeit entstanden, als die Israeliten nach der Katastrophe der Verbannung wieder in ihre Heimat zurückkehren und dort den Tempel wiederaufbauen konnten. Eine Zeit, die geprägt war von vielen Konflikten zwischen Heimgekehrten und denen, die im Land geblieben sind. In dieser Zeit spricht Sacharja zum Volk: „Fürchtet euch nicht! Stark sollen eure Hände sein!“ (V.13) Und: „Das Fasten … soll für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu frohen Festen werden.“ (V.19) Aus Trauer wird Jubel, die Zeit des Fastens ist vorbei. Die Arbeit hat sich gelohnt.
Diese Trostworte sind nicht nur an die Menschen früherer Zeiten gerichtet. Nein, sie gelten auch mir heute. Ich darf mir gesagt sein lassen: „Fürchte dich nicht! Deine Arbeit hat sich gelohnt! Freue dich und juble über deinen Gott!“ Eine Verheißung, die Mut macht – gerade in diesen Zeiten…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Adventswoche (10.12.2021)
ImpulsDort wo ein Brunnen steht… (Impuls zu Sacharja 8,1-8)
Von den „Plätzen“ Jerusalems spricht der Prophet, also von öffentlichen Orten und von überschaubaren Zentren. Wir würden sie heute „Quartiere“ oder „Begegnungsorte“ oder „Zentren“ nennen. Wenn wir an diesem Hoffnungsbild Maß nehmen, dann lernen wir die Bedeutsamkeit solcher Orte neu schätzen. Orte, wo ganz alltägliche Begegnungen möglich sind. Wo Menschen aller Generationen sich begegnen können. Leben findet nach Sacharja da statt, wo Menschen einfach so da sind, sich ihres Daseins freuen können, ohne sich dafür durch Konsumkraft, Arbeit oder Nützlichkeit legitimieren zu müssen. Und diese Art Leben präsentieren für Sacharja die ganz Kleinen und die ganz Alten. Unsere Bildungsstätte OASE will seit 41 Jahren ein solcher Ort sein. 1981 wurde sie als „Haus der Besinnung und Begegnung“ von den Mönchen der Abtei gegründet. Ein Haus offen für Menschen aller Generationen. Nach über vier Jahrzehnten ist es uns in unserer Gästearbeit auch heute noch wie damals wichtig, dass es im Konzept der OASE einen weiten Raum für die Begegnung von Menschen mehrerer Generationen miteinander gibt. Besonders deutlich und lebendig wird dies bei den Familienwochenenden, dem Osterkurs, dem Silvestertreffen oder einigen Angeboten der OASE im Rahmen des Gastprogrammes des Gastbereiches. Da lernen Oberstufenschüler mit Senioren etwas über Märchen. Da spielen Kinder, Eltern und Großeltern in der Familienwoche auf der Wiese der OASE. Jugendliche und Erwachsene tanzen vergnügt ins neue Jahr. Die Vision Sacharjas, die Orientierung an Jerusalem, dem Hoffnungs- und Sehnsuchtsort des Lebens motiviert uns zum Engagement für das Leben mit allen Generationen. Und wenn wir solche Plätze hätten für die Kinder und die Alten, dann wären wir dem Sehnsuchtsort Jerusalem schon etwas näher. Sacharjas Vision verhilft uns zum Träumen von solchen Plätzen, und sie hilft uns, für solche Plätze einzutreten, an denen im Miteinander der Generationen Lebensfreude und Lebenssinn erfahren werden. An solchen Orten erfüllt sich Gottes Verheißung: „Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein, unwandelbar und treu.“
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Donnerstag der 2. Adventswoche (9.12.2021)
ImpulsUnd das Wort des HERRN erging an Sacharja: So spricht der HERR der Heerscharen: Haltet gerechtes Gericht, erweist Güte und Erbarmen, ein jeder gegenüber seinem Bruder; unterdrückt nicht die Witwe und Waise, den Fremden und Armen und plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander! (Sacharja 7,8-10 – ganze Lesung: 7,1-14)
Diese Worte des HERRN, die dem Volk durch den Propheten Sacharja übermittelt werden, sind der Kern der heutigen Lesung, ja, sie sind der Kern der gesamten prophetischen Literatur Israels. Es kommt letztlich nicht auf die Menge meiner Gebete an, es kommt nicht darauf an, wie lange ich gefastet habe. Es kommt vielmehr auf meine innere Haltung an. Ich kann viel fasten und beten – aber in meinem alltäglichen Handeln ein ungerechter Richter sein und den Menschen neben mir unterdrücken und benachteiligen. Genau das ist es, was Gott durch den Propheten seinem Volk vorwirft.
„Plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander.“ Wäre das nicht eine gute Maxime in diesem Advent? Denn das Böse beginnt ja im eigenen Herzen, und genau hier muss Umkehr ansetzen. Und wenn ich nichts Böses im Herzen plane, keine Rachegefühle in meinem Inneren hege, dann wird es auch mir wahrscheinlich viel besser gehen. Probieren wir es doch einfach mal aus!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Adventswoche (8.12.2021)
ImpulsDie Krönung Jeschuas
9Und des Herrn Wort geschah zu mir: 10Nimm von den Weggeführten, von Heldai und von Tobija und von Jedaja, und komm du am selben Tag, komm in das Haus Joschijas, des Sohnes Zefanjas, wohin sie von Babel gekommen sind, nimm Silber und Gold und mache Kronen und kröne das Haupt Jeschuas, des Hohenpriesters, des Sohnes Jozadaks, 12und sprich zu ihm: So spricht der Herr Zebaoth: Siehe, es ist ein Mann, der heißt »Spross«; denn unter ihm wird’s sprossen, und er wird bauen des Herrn Tempel. 13Ja, den Tempel des Herrn wird er bauen, und er wird den Schmuck tragen und wird sitzen und herrschen auf seinem Thron. Auch der Priester wird auf seinem Thron sein, und es wird Friede sein zwischen den beiden. 14Und die Kronen sollen zum Gedenken an Chelem, Tobija, Jedaja und Chen, den Sohn des Zefanja, im Tempel des Herrn bleiben. 15Und es werden kommen von ferne, die am Tempel des Herrn bauen werden. Da werdet ihr erkennen, dass mich der Herr Zebaoth zu euch gesandt hat; und das soll geschehen, wenn ihr gehorchen werdet der Stimme des Herrn. (Sacharja 6,9-15)
Es ist schon auffällig! Dreimal ist in diesem kurzen Text davon die Rede, dass der Tempel des Herrn in Israel gebaut werden soll. Dies ist Sacharja äußerst wichtig. Der Tempel des Herrn, der daran erinnern soll, dass Gott (Jahwe) in seinem Volk gegenwärtig ist! Dass er der „Ich-bin-da“ ist, der sich so dem Mose im brennenden Dornbusch offenbarte.
Damit sind wir eigentlich schon mitten im Advent – auch in diesem Jahr 2021. Denn genau darum geht es ja immer wieder. Platz zu schaffen, dass Gott auch in meinem Leben, in meinem Alltag ankommen kann. Ja, mehr noch, dass er in mir ankommen kann. Und genauso singen wir es in dem bekannten Adventslied „Macht hoch die Tür“.
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
So kommt der König auch zu euch,
Ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
Voll Rat, voll Tat, voll Gnad.“
Unser Herz soll ein Tempel für diesen Emmanuel, den Gott mit uns sein! Nicht mehr nur ein äußeres Bauwerk soll es sein – nein, unser tiefstes Inneres. Mein Herz als ein innerer Tempel, in dem Gott und Mensch sich begegnen können. Näher, intimer können wir kaum noch vom Kommen Gottes in meine Welt und mein Leben sprechen.
Doch seien wir ehrlich – da muss noch viel gebaut werden, an diesem Tempel meines Herzens. Oder anders gesprochen: da muss noch viel Gerümpel aus meinem Herzen geräumt werden, dass ER ankommen kann. Denn was sammeln wir nicht alles in unserem Herzen an: alles Belastende, Verwundungen, Ärger, Aggressionen,… Keine einfache Aufgabe, dort wieder Raum zu schaffen, dass ER ankommen kann. Doch – fangen wir an. Tun wir den ersten Schritt. Noch ist Zeit…
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Adventswoche (7.12.2021)
ImpulsWieder erhob ich meine Augen und ich sah: Siehe da, vier Wagen zogen zwischen zwei Bergen aus, die Berge aber waren aus Bronze. Am ersten Wagen waren rote Pferde, am zweiten Wagen schwarze Pferde, am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen gescheckte Pferde, alles starke Tiere. Darauf fragte ich den Engel, der mit mir redete: Was bedeuten diese, mein Herr? Der Engel gab mir zur Antwort: Das sind die vier Winde des Himmels, die ausziehen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben. Die schwarzen Pferde – der Wagen, an dem sie sind – ziehen aus in das Land des Nordens, die weißen sind hinter ihnen hergezogen und die gescheckten sind in das Land des Südens gezogen. Die starken Tiere zogen aus, begierig, die Erde zu durchstreifen. Da sagte er: Geht hin, durchstreift die Erde! Und sie durchstreiften die Erde. Und er rief mir zu und sprach zu mir: Sieh, jene, die in das Land des Nordens ziehen, sie bringen meinen Geist über das Land des Nordens. (Sacharja 6,1-8)
Es ist ein für uns rätselhafter Text. Es wird in der Sprache der Zeit das ausgedrückt, was aber auch für uns bleibende Bedeutung hat. Es geht um die Endzeit, in welcher der Tempel in Jerusalem nach der Zeit des babylonischen Exils wiedererrichtet wird. Um die Völkerwanderung zum Berg Zion, auf dem das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens errichtet wird.
Was folgt daraus für uns? Manchmal verstehen wir die Sprache Gottes nicht, und auch die Sprache der Engel – in welcher Gestalt auch immer – bleibt für uns unverständlich. Dann aber ist es wichtig, die Vision zu behalten, dass am Ende ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe auf uns wartet. Das Bild des wiederkehrenden Christus, der ja in der Adventszeit erwartet wird, braucht von unserer Seite die Wachsamkeit, wo uns Christus heute begegnet, es braucht die Vision der Gerechtigkeit im Umgang mit den am Rande der Gesellschaft Stehenden. Es braucht die Liebe im Umgang miteinander.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Montag der Zweiten Adventswoche – Hl. Nikolaus (6.12.2021)
ImpulsTageslesung: Sacharja 5,1-11
Visionen begleiten uns immer wieder in unserem Leben. Einige sind hoffnungsvoll und geben Zuversicht, andere hingegen zeichnen dunkle Bilder unseres Lebens. So auch im fünften Kapitel der Schriften Sacharjas. Dort finden wir verschiedene Visionen, die sich unter anderem mit der Schuld der Menschen befassen. Da ist beispielsweise die sechste Vision „Die fliegende Schriftrolle“ (Sacharja 5,1ff.), die von einem Fluch erzählt, der die Menschen an ihre Untaten erinnern und auf ewig begleiten soll. Weitergeführt wird diese Erinnerung in der siebten Vision „Die Frau im Fass“. Ein Fass symbolisiert die Schuld der Menschen auf der Erde. In ihr sitzt eine Frau, die Ruchlosigkeit. Zwei Engel tragen sie in ihrem Fass in das Land Schinar, also in das alte Babylon, damit ihr dort ein Tempel gebaut wird. Ein Mahnmal der eigenen Schuld. Ein ganz schön dunkles und hoffnungsloses Bild für den Advent, oder etwa nicht? Mit Fässern und der Schuld ist es so eine Sache. In einer Nikolauslegende spielen drei Fässer eine wichtige Rolle:
„Es war an einem wunderschönen Tag im Winter. Bischof Nikolaus war auf der Reise von Myra nach Konstantinopel, um den Kaiser zu besuchen. Auf dieser Reise begleiteten ihn zwei Wächter der bischöflichen Gardisten. Nachdem sie nun fünf Tage geritten waren, kamen sie in ein kleines Dorf. Am Dorfbrunnen saßen drei Frauen und weinten. Nikolaus fragte die Frauen, warum sie denn so traurig wären? Die drei Frauen erkannten den im ganzen Land beliebten Bischof und baten Nikolaus, dass er ihnen helfen möge, ihre kleinen Söhne wiederzufinden. Was war passiert? Die Jungen waren spurlos im Wald verschwunden. Nikolaus dreht mit seinem Reiter um und zusammen mit den drei Müttern zogen sie durch die Straßen. Immer wieder riefen die Mütter die Namen der Kinder: „Timotheus, Markus, Johannes.“ Doch alles war vergebens! Weit und breit keine Antwort. Totenstille. Schließlich gelangten sie völlig erschöpft bei einer Waldwirtschaft an. Nikolaus und seine Begleiter gingen mit den Frauen hinein und baten um Essen und Nachtquartier. Nikolaus fragte den Wirt, ob er von den Knaben etwas gesehen oder gehört habe. Der Wirt wurde ganz rot im Gesicht und antworte mit einem schnellen „Nein!“ Bischof Nikolaus blieb hartnäckig und wiederholte noch zweimal seine Frage. Aber wie zuvor antwortete der Wirt mit einem „Nein!“, und dennoch verrieten seien Augen etwas Anderes. Immer wieder blickte er verlegen auf drei große Pökelfässer, die in einer Ecke der Wirtsstube standen. Nikolaus gefiel der Blick des Wirtes auf die Fässer gar nicht. Und so ging der heilige Mann und stellte sich vor die drei Pökelfässer. Nikolaus wurde sehr misstrauisch und betete zu Gott. Dann rief er: „Im Namen Christi: Timotheus, steh auf, Markus, steh auf, Johannes, steh auf“. Da kletterte aus jedem Fass ein Junge. Überglücklich fielen sie ihren Müttern um den Hals. Nikolaus aber dankte Gott für seine Güte.“
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Zweiten Adventssonntag (5.12.2021)
ImpulsTageslesung: 1 Samuel 2,1-10
Es ist für eine Frau im alten Israel ein schweres Schicksal, keine eigenen Kinder zu bekommen. Von einem solchen Verhängnis wird im 1. Buch Samuel erzählt. Es geht im 2. Kapitel um Hannah, die in ihrer Ehe mit Elkana kinderlos bleibt und darunter zu leiden hat. Doch dann nimmt sie ihr Schicksal selbst in die Hand und fleht Gott um ein Kind an. Und der schenkt ihr einen Sohn, den späteren Propheten Samuel. Dankbar stimmt die glückliche Mutter den Lobgesang an, der im heutigen Text nachgelesen werden kann. Sie, die Unfruchtbare, darf wider Erwarten einem Kind das Leben schenken, und dadurch erfährt sie Gottes Gnade.
Das Besondere an diesem Hymnus ist ein haarsträubend subversiver Gedanke:
Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub
und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt;
er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen,
einen Ehrenplatz weist er ihm zu.
Das ist nichts anderes als die Umkehrung der sozialen Verhältnisse:
Der HERR macht arm und macht reich,
er erniedrigt und er erhöht.
Diese Sichtweise stellt unsere gewohnten Maßstäbe auf den Kopf. Wir finden sie auch an anderen Stellen der Bibel wieder, z. B. im Magnificat bei Lukas 1,46-56.
An ihrer persönlichen Erfahrung wird Hannah deutlich, dass Gottes Eingreifen die ungerechten Verhältnisse wieder zurechtrückt.
Im Advent verlangen wir danach, dass Gott in unser Leben kommt.
Aber ist er uns auch dann willkommen, wenn er nicht so ist, wie wir ihn gerne hätten?
Wenn seine große Güte unsere selbstgemachten Sicherheiten ankratzt und starren Prinzipien überflüssig macht?
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Samstag der Ersten Adventswoche (4.12.2021)
ImpulsBibellesung: Sacharja 4,1-14
Wieder kam der Engel, der jeweils mit mir sprach. Er rüttelte mich auf, wie man jemand aus dem Schlaf weckt, und fragte mich: „Was siehst du?“ Ich antwortete: „Einen Leuchter aus Gold. Er trägt oben ein Ölbecken, an dessen Rand ringsum sieben Lichtschalen angebracht sind. Und jede Schale hatte sieben Schnäbel für die Dochte. Links und rechts ragte über dem Leuchter je ein Ölbaum auf. Was hat das zu bedeuten, Herr?“ „Verstehst du es nicht?“, fragte der Engel. „Nein, Herr“, erwiderte ich.
„Die sieben Lichtschalen sind die Augen des Herrn, die alles sehen, was auf der Erde geschieht.“ (Übersetzung: Gute Nachricht Bibel)
Das Bild vom Ölleuchter mit seinen sieben Lichtschalen, in denen insgesamt 49 Dochte brennen, hat auf mich eine beruhigende Wirkung.
Stell Dir einen großen, hohen Raum vor, in dem ein solcher Leuchter steht. Das brennende Öl verbreitet ein ruhiges und warmes Licht. Es flackert und rußt nicht, sondern lässt in der Dunkelheit eine stille Atmosphäre entstehen. Auf sichtbare Weise wird uns Unsichtbares vor Augen gestellt:
Die Präsenz Gottes, eine geistige Wirklichkeit, die mit ihrer Aufmerksamkeit alles umfängt.
Noch in meiner Kindheit wurde gesagt. „Gott sieht alles, auch das, was keiner sieht.“ Da konnte einem schon angst und bange werden. Wer einen Fehler machte, entging dem Strafgericht nicht. Schwarze Erziehung! Die Bibel sieht es anders: „Ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten, um den Geist der Bedrückten wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben.“ (Jes 57,15)
Wenn Du auf dieses Licht schaust und Dein Geist offen ist, dann kann es sein, dass es nach und nach in Dir still wird. Und je mehr Du Dich zurücknimmst, desto mehr wird die Gegenwart dieses Unsichtbaren in Deinen Innenraum einziehen. Wenn dies geschieht, ist es überhaupt nicht wichtig, dass das Licht vor Dir kein antiker Leuchter aus Gold ist, sondern einfach eine Kerze in Deinem Zimmer.
Was spürst Du dann?
Was geschieht in Dir?
Es kommt nicht darauf an, jetzt irgendetwas zu machen. Das würde nur stören. Dass die Zeit vergeht, merkst Du kaum. Eine unaufdringliche Kraft kommt Dir entgegen. Deine Wünsche verblassen. Du lässt sein, was jetzt da ist. Am Ende bist Du wahrscheinlich dankbar, dass Du Dich auf diese stille Zeit eingelassen hast.
„Ihr sollt es sehen, und euer Herz wird sich freuen, wie eine Mutter will ich euch trösten“. (Jes 66,15f)
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Freitag der Ersten Adventswoche (3.12.2021)
ImpulsIch tilge ihre Schuld an einem einzigen Tag. An jenem Tag – Spruch des Herrn der Heerscharen – werdet ihr einander einladen unter Weinstock und Feigenbaum. (Sach 3,10 – ganze Lesung: Sach 3,1-10)
Aus unsrer heutigen Bibelstelle sind dies die einzigen Sätze, mit denen ich etwas anfangen kann. Warum?
Sie stehen für ein gastfreundlich-offenes Miteinander der Menschen in Friedenszeiten. Das Beisammensein unter fruchtbaren Gewächsen, Weinstock und Feigenbaum, gilt als ein Bild für paradiesische Zustände. Aller Argwohn unter den Menschen ist abgefallen, sie laden sich gegenseitig ein, begegnen sich draußen im Freien, vielleicht im Garten oder einem schönen Fleckchen in der Natur. Das gehört zum ungetrübten, unbeschwerten Leben dazu.
Nein, das wird nicht gesagt, um utopische Fantasien zu pflegen. Die Bibel wird durchzogen von Spuren einer unaufgebbaren Hoffnung. Der tiefste Grund für diese Hoffnung ist der Zusammenhang von Friede und Vergebung. Die Menschen haben durch ihre gesamte Geschichte hindurch einander unendlich viel Leid angetan. Und tun es immer noch. Es sieht so aus, als gäbe es aus dieser Schuldgeschichte kein Entrinnen mehr, als sei der Friede bloß ein frommer Wunschtraum. Doch tiefer noch als diese fatale Signatur des Menschen – so die Vision des Sacharja – ist die Vergebung Gottes. Ihr Name ist – glauben die Christen: Jesus von Nazareth. Radikaler geht Vergebung nicht. An einem einzigen Tag wird die Schuld gelöscht, unglaublich! Und dann laden wir uns gegenseitig zum Picknick unter Weinstock und Feigenbaum ein.
Der Advent ist die Zeit zum Stillwerden und Warten.
Geben wir der Vision von Vergebung und Frieden in unseren Gebeten und Wartezeiten Raum.
Strecken wir uns nach ihr aus,
sehnen wir sie herbei.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Adventswoche (02.12.2021)
ImpulsJuble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in deiner Mitte – Spruch des HERRN. (Sacharja 2,14; ganze Lesung: Sach 2,10-17)
Dieses Zitat des Propheten Sacharja lädt uns ein, es auf unsere Person hin zu übertragen.
Wir erwarten im Advent die Ankunft des Herrn. Diese Ankunft geschieht auch in uns selber, in unserer Person-Mitte, in unserem Herzen. Demnach darf die Adventszeit uns ermuntern, Gott in uns selbst zu suchen. Gott will ja auch in uns – in unserer Mitte – geboren werden. Bereiten wir doch in diesem Advent Gott eine willkommene Wohnung in uns. Diese Wohnung Gottes will unser Herz sein, unserer innerer Zion.
So beschreibt es auch Meister Eckhart:
„Du musst ihn nicht eigens suchen, weder dort noch hier. Er ist ja nicht weiter weg als vor der Tür des Herzens.“
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Ersten Adventswoche (1.12.2021)
ImpulsEine offene Stadt wird Jerusalem sein
wegen der vielen Menschen und Tiere in ihrer Mitte.
Ich selbst – Spruch JHWHs – werde für Jerusalem ringsum
eine Mauer von Feuer sein
und zur Herrlichkeit werden in ihrer Mitte. (Sacharja 2,8-9 – ganze Lesung: Sach 2,1-9)
Stichworte
offene Stadt
Mauer von Feuer
SEINE Herrlichkeit in ihrer Mitte
also:
offene Stadt: frei hinein und hinausgehen
umhergehen, ohne bewaffnete Sicherheitsbeamte in der Nähe
keine Angst vor Messerstichen, Virusinfektionen oder Lavaströmen
Feuerschutz, durch Gott selbst
ohne äußere meterhohe Mauer wie im heutigen Jerusalem
JHWH – sozusagen “eine spirituell wirksame firewall“*
sein herrliches Wesen, mitten unter Menschen und Tieren, mitten in ihnen
Von einer solchen Stadt träumen terrorisierte Menschen
diese Stadt sieht der Prophet Sacharja als Wirklichkeit in einem Bild
eine Vision, die mehr ist als ein Traum oder eine schöne Idee
eine Inspiration im Advent
trinke Vertrauen, nicht nur einmal und nur kurz
nimm es mit, wenn Du in die Stadt gehst, andern begegnest, Menschen und Tieren
auf Mauern stößt
es ist das herrliche Kind, das kommt
in die Ängste der Gemeinschaft hinein
*zitiert nach Thomas Pola, Augen auf und durch, Neukirchener Verlag, S. 57
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Adventswoche (30.11.2021)
ImpulsIm Jahr 519 v. Chr. empfängt der Prophet Sacharja eine Vision und hört Worte Gottes. In ihnen heißt es unter anderem:
„Verkünde: So spricht der Herr der Heerscharen: Mit großem Eifer trete ich für Jerusalem und Zion ein.
Darum wende ich mich voll Erbarmen Jerusalem wieder zu. Man wird mein Haus dort aufbauen. Meine Städte werden wieder überfließen von Gütern. Der Herr wird Zion wieder trösten und er wird Jerusalem wieder auserwählen.“ (Sach 1,14-17 – ganze Lesung: Sach 1,7-17)
Dies soll er jenen Juden weitersagen, die aus dem Exil nach Jerusalem und der näheren Umgebung in die alte Heimat zurückgekehrt sind. Angesichts des desolaten Zustandes der zerstörten Königsstadt und der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse im Land muss die Ankunft der Heimkehrer nach den Strapazen der Rückreise frustrierend gewesen sein. „Und hier sollen wir unsere Zukunft aufbauen, wie soll das denn gehen?“, so haben sie sich vielleicht kopfschüttelnd und entmutigt gefragt. Sie haben eigentlich Recht.
In dieser Situation schlägt die Stunde des Propheten. Er öffnet den Resignierenden die Augen für das Wirken Gottes, das an dem Punkt einsetzt, wo sie nicht mehr weiterkönnen.
„Mit großem Eifer“ wird die göttliche Macht sich für Zion einsetzen. Ein neuer Tempel wird gebaut werden, das sichtbare Zeichen für seine Präsenz bei der Bevölkerung Jerusalems. Er will bei ihnen wohnen und bei ihnen in „seinem Haus“ auch bleiben. Sie werden nicht allein sein, und dadurch bekommt ihr Zusammensein einen neuen Sinn und Halt. Bei ihm können sie Schutz suchen und sich bergen. Das wirkt sich auch nach außen hin sichtbar aus.
Fragen am Beginn des Advents:
– Welche Traurigkeiten halten mich, meine Familie oder Gemeinschaft oder die Gemeinde gefangen?
– Welche Probleme sind für mich so schwierig, dass ich/wir am liebsten aufgeben möchte(n)?
– Welche göttliche Verheißung in der Bibel reizt mich, ihr als einem konstruktiven Input mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sie in konkrete Überlegungen hineinzunehmen?
Vielleicht findest Du jemanden, mit dem Du darüber gerne sprechen möchtest.
Wenn Du möchtest, kannst Du mir auch eine E-Mail schreiben.
Vielleicht hast du den Wunsch, diese Bibelstelle in ein Gebet einmünden zu lassen.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Montag der Ersten Adventswoche (29.11.2021)
ImpulsDas Buch des Propheten Sacharja
Das erste Kapitel Verse 1 bis 6:
Es war im zweiten Regierungsjahr von König Darius, im achten Monat. Da kam das Wort des Herrn zum Propheten Sacharja, dem Sohn des Berechja und Enkel von Iddo. Der Herr war zornig auf eure Vorfahren, ja, er war sehr zornig. Deshalb sollst du zu den Nachkommen sagen: So spricht der Herr der himmlischen Heere:
Kehrt um zu mir! – Ausspruch des Herrn der himmlischen Heere – Dann werde ich zu euch umkehren, spricht der Herr der himmlischen Heere. Seid nicht wie eure Vorfahren, zu denen die früheren Propheten gesagt haben: So spricht der Herr der himmlischen Heere: Kehrt endlich um von euren bösen Wegen! Macht Schluss mit euren schlimmen Taten!
Doch sie hörten nicht und achteten nicht auf mich.– Ausspruch des Herrn –
Wo sind jetzt eure Vorfahren? Und ihre Propheten, leben die heute noch? Meine Worte und Entschlüsse habe ich ja damals durch meine Knechte, die Propheten, ausrichten lassen.
Hat ihre Botschaft eure Vorfahren etwa nicht erreicht?
Ziemlich heftige Verse des Propheten an die Israeliten. Sacharja wirkte in der Zeit kurz nach dem babylonischen Exil in Jerusalem und war wohl selbst Priester. Er wirkte am Tempel und wandte sich an das zurückgekehrte Volk aus dem Babylonischen Exil.
Könnte man frohe, befreite Worte erwarten?
Wird alles wieder gut?
Sacharja sagt es deutlich:
Seid nicht wie eure Vorfahren!
Sagt uns heute:
klebt doch nicht am Vergangenen!
Kehrt endlich um!
Sucht neue Wege!
Heute mehr denn je.
Die „Kirche“ in ihrer jetzigen Form ist am Ende.
„Macht Schluss mit Euren schlimmen Taten!“
„Hat meine Botschaft euch etwa nicht erreicht?!“
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Ersten Adventssonntag (28.11.2021)
ImpulsIhr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit! (Ps 24,7)
Es ist eines der Kirchenlieder, das fast jeder kennt und das bei vielen Gottesdienstbesuchern regelmäßig in der Adventszeit für Gänsehaut und einen wohligen Schauer der Rührung und Ergriffenheit sorgt: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit…“
Der Text ist inspiriert von Psalm 24 und wird im adventlichen Sinne auf die Ankunft des erwarteten Messias hin gedeutet. Am heutigen ersten Adventssonntag treten wir ein in eine Zeit der Vorbereitung und der Erwartung, um uns innerlich auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Der verheißene Messias, der als kleines Kind in unsere Welt kommt und als der Sohn Gottes den Lauf der Geschichte für immer verändert, will auch bei uns ganz persönlich ankommen. Und so sind es nicht nur die uralten Pforten von Stadttoren und Kirchenportalen, sondern es sind auch die Türen zu unserem Innersten und unseren Herzen gemeint. Stehen diese Türen offen für Christus und für all diejenigen, in denen er mir als mein „Nächster“ begegnen möchte und in ihrer Gestalt um Einlass bittet? Habe ich manche Türen meines Herzens aus Angst nur einen Spalt weit geöffnet oder sogar verschlossen? Wo würde ich mir wünschen, dass sich innerlich in mir etwas öffnet und aufgeht, so wie die uralten Pforten im Psalm? Vielleicht können diese Fragen eine kleine Anregung sein und Sie den heutigen Tag hindurch begleiten. Von Herzen wünsche ich Ihnen eine gesegnete und gnadenreiche Adventszeit!
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Pfingstmontag (24.05.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
in der Schriftlesung heißt es heute:
…sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk…. (aus Apg 2,42-47)
Eine ideale Beschreibung der ersten Gemeinde.
Einmütigkeit.
Freude.
Lauterkeit des Herzens.
Lobpreis.
Zu schön, um wahr zu sein!?
Wie sieht es in unseren Familien, Gemeinschaften und Gemeinden aus?
Wie geht es mir beim Lesen dieser Zeilen?
Hat es vielleicht schon beim Frühstück eine Auseinandersetzung gegeben?
Habe ich heute schon Gemeinschaft erlebt oder dazu beigetragen?
Ist mir schon ein Gedanke oder Wort der Dankbarkeit über die Lippen gekommen?
Was bedeutet für mich Gemeinschaft? Eine Antwort könnte lauten: Zusammenhalt in gegenseitiger Liebe und Hilfsbereitschaft.
Diese Definition gefällt mir, kommt darin doch zum Ausdruck: Mir wird geholfen und ich kann mich einbringen. Ich denke, darin liegt ein erstes Angebot für diesen Tag, denn beides müssen wir üben.
Und ein zweites: Gemeinschaft (er)leben. Auch das bedarf der Einübung. Denn echtes Leben vermehrt sich!
Mit dem vorliegenden Impuls endet die Reihe der österlichen Impulse. Ich bedanke mich für Ihr Interesse und die positiven Rückmeldungen.
Bewahren Sie sich die Freude des Herzens und vergessen Sie bitte unsere Gemeinschaft von Königsmünster nicht.
Mit folgenden Gebetsworten wünsche ich Ihnen frohe und gesegnete Begegnungen.
Bekleide uns mit deiner Gnade,
erfülle uns mit deiner Liebe
und führe uns den Weg zur Vollkommenheit.
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Im Advent 2021 werden wir die Reihe der täglichen Impulse wieder aufnehmen. Wenn Sie die Impulse als E-Mail-Newsletter empfangen möchten, nutzen Sie bitte den Anmeldelink rechts auf dieser Seite.
Impuls an Pfingsten (23.05.2021)
ImpulsDenn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. (aus der Apostelgeschichte 2,37-41)
Im antiken Pantheon in Rom, das heute eine Kirche ist, gibt es an Pfingsten einen schönen Brauch. Um das Ausgießen des Heiligen Geistes darzustellen, werden am Ende des Pfingstgottesdienstes durch die Öffnung der Dachkuppel Rosenblätter in die Kirche gestreut, die dann in einem duftenden Blütenregen zu Boden fallen.
Ein ganz ähnliches Bild gibt es in dem Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ von Marc Rothemund aus dem Jahr 2005. Im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität in München lassen die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ Flugblätter zu Boden regnen. Es ist nur eine Filmszene, aber sie ist tatsächlich so ähnlich in Wirklichkeit passiert. Nach dieser Aktion wurde die Gruppe durch die Nationalsozialisten zerschlagen, ihre Mitglieder festgenommen, verurteilt und ermordet. Wenn man heutzutage im Lichthof der Universität steht, kann man sich gut vorstellen, wie das damals alles geschah. Der Ort ist äußerlich unverändert.
Es ist schon seltsam: Damals, im Februar 1943 schien alles so, als ob es vorbei wäre. Die Mühen und Hoffnungen der Gruppe gescheitert, zerstört. Kein guter Anfang, so scheint es.
Und doch ist die Saat, die Saat der Flugblätter, aufgegangen, und als die Blätter am Boden angekommen waren, hatten sie die Welt verändert.
Steht man im Lichthof, erlebt man um sich herum junge freie Menschen, die von ihrem Morgen träumen. Der Traum der Weißen Rose vom Wintertag 1943 ist zu ihrer Wirklichkeit geworden.
Pfingsten ist die Geburtsstunde der Kirche, der Gemeinschaft. Es ist aber auch der Moment, in dem die Verheißung ausgesät wurde. Eine Verheißung, die wir säen sollten und die wir wachsen lassen können, deren Früchte aber für das Morgen bestimmt sein werden.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Samstag der 7. Osterwoche (22.05.2021)
Impuls„So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.“ (Apg 2, 36 – ganze Lesung: Apg 2,29-36)
Wie eine feierliche Proklamation hört es sich an, was uns die Apostelgeschichte hier vor Augen führt! Zum Ende der Osterzeit erinnert sie uns nochmal daran: der Mensch hat diesen Jesus gekreuzigt – Gott hat ihn auferweckt. Der Mensch hat ihn klein gemacht – Gott hat ihn groß gemacht.
Wiederholt sich dies nicht in unserer Geschichte? Der Mensch wird immer wieder vom Menschen klein gemacht – aber Gott macht ihn groß. Ja, wie oft habe ich das schon persönlich erlebt, dass man mich klein machen wollte, aufs Kreuz legen wollte, mundtot machen wollte… Doch dieser Gott will dem Menschen immer wieder Ehre und Ansehen verschaffen – ausnahmslos jedem! Das ist uns in und durch Jesus Christus versprochen. Vergessen wir es nie! Gerade dann nicht, wenn uns wieder jemand klein machen will. ER macht mich groß!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Freitag der 7. Osterwoche (21.05.2021)
ImpulsGott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt. (Apg 2,23 – ganze Lesung: Apg 2,22-28)
Ich halte den Herrn beständig vor Augen. Denn er steht mir zur Rechten, dass ich nicht wanke. (Ps 16,8)
Das zweite Kapitel der Apostelgeschichte beschreibt einen bedeutenden Wesenszug Gottes: Gott ist der, der rettet. Wir alle sind demnach Gerettete.
Gottes machtvolles Handeln wurde in der Auferweckung Jesu sichtbar. Gott erwies sich als eindeutiger Retter. Auch wir Menschen dürfen getrost sein, dass Gott uns rettet. Gott wählt immerfort das Leben. Auch wir werden von unserem Tod befreit. Das rettende Handeln Gottes ist bereits jetzt schon unser stetiger Begleiter. Zu unserer Rechten geht Gott alle Wege mit uns mit. Unterpfand dieser permanenten Präsenz zu unserer Rechten ist der in uns wohnende Heilige Geist. Die jetzige Pfingstnovene möge uns daran erinnern, dass wir auf Gott bezogen sind, ER unser Gefährte ist. Letztlich kann uns nichts ins Wanken bringen. ER bleibt unsere Urstabilität.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Donnerstag der 7. Osterwoche (20.05.2021)
Impuls14 Da trat Petrus auf, zusammen mit den Elf; er erhob seine Stimme und begann zu reden: Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem! Dies sollt ihr wissen, achtet auf meine Worte! 15 Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Tag; 16 sondern jetzt geschieht, was durch den Propheten Joël gesagt worden ist: 17 In den letzten Tagen wird es geschehen, so spricht Gott: Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden prophetisch reden, eure jungen Männer werden Visionen haben und eure Alten werden Träume haben. 18 Auch über meine Knechte und Mägde werde ich von meinem Geist ausgießen in jenen Tagen und sie werden prophetisch reden. 19 Ich werde Wunder erscheinen lassen droben am Himmel und Zeichen unten auf der Erde:/ Blut und Feuer und qualmenden Rauch. 20 Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und herrliche Tag. 21 Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.
(Apg 2,14-21)
Oder doch eher so – damals und heute …?!?
„Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle Jünger am gleichen Ort. Sie freuten sich, beieinander zu sein. Sie frischten Erinnerungen an Jesus auf; sie erzählten sich dies und jenes und dachten daran, wie schön es gewesen war, als er noch bei ihnen war. Die Fenster öffneten sie nur gelegentlich, um ein wenig zu lüften.
In den Straßen um ihr Haus herum tummelten sich an diesem Tag Leute aus aller Herren Länder. Sie unterhielten sich über vieles, manche auch über Jesus und seine Anhänger: „Man hört nichts mehr von der Sache. Sie scheint sich erledigt zu haben!“ Sie gingen weiter, ohne etwas Besonderes erlebt zu haben – der Pfingsttag, ein Tag wie jeder andere.
In der kleinen Gruppe aber hielt Petrus eine Rede: „Liebe Freunde in der Erinnerung an Jesus! Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass unser Freund Jesus nicht mehr bei uns ist. Von denen, die ihn getötet haben, haben wir nichts mehr zu befürchten. Langsam hat sich alles beruhigt. Warum sollten wir von der Sache wieder anfangen? Wir haben unsere Ruhe. Das ist gut so, das soll so bleiben! Ab und zu wollen wir uns treffen, um das Andenken an ihn in Ehren zu halten. Im Übrigen soll alles so bleiben, wie es ist. Das ist für uns alle das Angenehmste. Fremde können in unserer Gruppe nur stören.“
Die Jünger trafen sich noch öfters, aber irgendwann fingen sie an, sich zu langweilen. Mit den Jahren starben sie. So ging die Sache Jesu zu Ende. Man redete nicht mehr viel darüber, denn Belanglosigkeiten haben das gleiche Schicksal wie Eintagsfliegen.“
(Autor unbekannt)
Bald ist Pfingsten. Was feiern wir? Dass irgendwann der Geist geweht hat – oder auch nicht? Dass er heute noch weht – oder auch nicht?
Dass wir gar nicht mitbekommen, dass der Geist weht?
„Eure Jungen werden Visionen haben und Eure Alten Träume.“ Und wir möchten gerne alles so haben und behalten wie immer. Gottes Geist wird ausgegossen und prophetisch wird geredet. Na ja, zumindest damals. Wir verschließen lieber die Türen …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Mittwoch der 7. Osterwoche (19.05.2021)
ImpulsAls der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. (Apg 2,1 – ganze Lesung: Apg 2,1-13)
Wenn in der heutigen Tageslesung, die wir am Sonntag wieder in unseren Kirchen hören werden, vom „Tag des Pfingstfestes“ die Rede ist, dann ist damit mitnichten unser christliches Pfingsten oder ein „Geburtstag der Kirche“ gemeint, Das gab es nämlich zur Zeit, von der hier erzählt wird, noch nicht. Der deutsche Name „Pfingsten“ ist schlicht und einfach eine Ableitung vom altgriechischen „pentekoste“ (fünfzig), und meint den 50. Tag nach dem Pessachfest, an dem gläubige Juden bis heute das sog. Wochenfest „Chag Schawuot“ feiern. Ohne jüdisches Wochenfest kein christliches Pfingsten – das muss gerade in Zeiten des wachsenden Antisemitismus deutlich betont werden.
Das Wochenfest, das ursprünglich in einem landwirtschaftlichen Kontext stand und den Beginn der Weizenernte markiert (vgl. Ex 34,22), erinnert gläubige Juden an ein zentrales Ereignis ihrer Heilsgeschichte: die Übergabe der Tora, des Gesetzes von JHWH, auf dem Sinai (vgl. Ex 34,28). Das ist nicht ein einfacher juristischer Vertragsabschluss, sondern die Besiegelung einer dauernden Liebesgeschichte: JHWH und Israel versprechen sich gegenseitig ewige Treue.
Zum Wochenfest pilgerten zur Zeit der Abfassung der Apostelgeschichte fromme Juden zum Jerusalemer Tempel. Das erklärt die Aufzählung der verschiedenen Sprach- und Kulturgruppen, die in Apg 2,9-11 erwähnt werden und für jede*n Lektor*in eine Herausforderung darstellen. „Wir hören sie in unseren Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.“ Menschen werden ihrer fundamentalen Einheit gewahr, ohne dass diese Einheit zur Einförmigkeit wird, denn die verschiedenen Sprachen in ihrer Vielfalt bleiben. Sie werden aber nicht zum Hindernis und Sprachenwirrwarr. So viel Einheit in Vielfalt war den Menschen wohl schon damals suspekt, und ihre Reaktion besteht in Ratlosigkeit, Entsetzen bis hin zu Spott: “Sie sind voll süßen Weins.“ (Apg 2,13)
Beide Feste, das jüdische Schawuot und das christliche Pfingsten, haben für mich mit einem Traum, einer Vision zu tun: der Vision, dass menschliches Verstehen, auch über Sprach-, Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg möglich ist. Und dass überall da, wo Terror, Hass und Gewalt an der Tagesordnung sind, dem lautstark widersprochen werden muss. Gerade Antisemitismus, wie er sich in den letzten Tagen gezeigt hat, darf keinen Platz in Deutschland und anderswo haben!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Dienstag der 7. Osterwoche (18.05.2021)
ImpulsImpuls zu Apg 1,15-26
Die Nachwahl des Matthias findet statt, um die Zahl der zwölf Apostel nach dem Tod des Judas Iskarioth wieder herzustellen. Diese Zwölferzahl repräsentiert die Gesamtheit des Volkes Israel. Keiner von den Stämmen Israels soll verlorengehen. Und im Fortlauf der Apostelgeschichte werden die Apostel in alle Welt gesandt. Damit weitet sich die Zwölferzahl auf die ganze Welt. Es ergeht der Missionsbefehl an alle Welt.
Der Apostel Matthias wird in Trier verehrt. Er soll uns das Evangelium gebracht haben. Das kann uns in besonderer Weise mit dieser Textstelle in Verbindung bringen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Montag der 7. Osterwoche (17.05.2021)
ImpulsGeht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters.
(Apg 1,4 – ganze Lesung: Apg 1, 1-14)
Im Moment blicken wir wieder mal bange nach Jerusalem und in das Heilige Land. Wieder einmal scheint ein Krieg kurz bevorzustehen. Die Heilige Stadt, Heimat dreier großer Weltreligionen, kommt nicht zum Frieden.
Manchmal fragt man sich, warum es denn so schwer sein muss, endlich einen gemeinsamen Frieden zu finden.
Doch sind wir mal ehrlich mit uns selber: Wann haben wir selbst denn einmal wirklich inneren Frieden und sind ausgesöhnt? Auch uns fällt es schwer Frieden zu finden oder sich mit jemandem auszusöhnen. Landen wir in einem Konflikt oder im Strom unserer Verletzungen, dann sind wir oft auf Krawall gebürstet, oder wir wollen manchmal auch vor lauter Wut einfach alles hinschmeißen und weglaufen.
Der Heilige Benedikt rät uns im Prolog seiner Regel, nicht immer gleich zu fliehen, wenn wir einmal wieder von unseren Emotionen übermannt werden. Und daran ist etwas Wahres dran. Emotionen sind gut, und es kann uns helfen, sich in sie zu stürzen oder dorthin zu fliehen. Aber am Ende ist es doch immer besser, einen friedlichen Weg zu finden oder zumindest einen Pfad, der uns alle in eine friedvolle Zukunft führen wird.
Jerusalem bedeutet nicht nur endlose Konflikte, Hass und Gewalt, es ist der Ort, an dem alles geschehen ist und alles geschehen wird. Drei große Religionen legen darüber Zeugnis ab. Wir alle sollten dort aushalten, um das erfahren zu dürfen.
Hoffen wir im Weg auf Pfingsten zu, dass man im Heiligen Land diesen Pfad der Hoffnung und Verheißung finden wird, und wünschen wir uns alle Frieden.
Wir sehen uns in Jerusalem!
Salam, Shalom, Pace!
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am 7. Ostersonntag (16.05.2021)
Impuls1 Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Wen sollte ich fürchten?
Der HERR schützt mein Leben: Vor wem sollte ich bangen?
(…)
4 Eines erbat ich vom HERRN, danach verlangt mich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens, die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel.
5 Er birgt mich unter seinem Dach am Tag des Unheils, er beschirmt mich im Schutz seines Zeltes, er hebt mich empor auf den Felsen.
(…)
7 Höre, o HERR, den Ruf meiner Stimme, sei mir gnädig und gib mir Antwort!
8 Mein Herz denkt an dein Wort: „Suchet mein Antlitz! Dein Antlitz, o HERR, will ich suchen.
9 Verbirg mir nicht dein Antlitz, weise deinen Knecht nicht im Zorne zurück, du hast mir doch immer geholfen. Verstoß mich nicht, verlass mich nicht, du Gott meines Heiles.
(…)
13 Ich aber glaube fest: Die Güte des HERRN werde ich schauen im Land der Lebenden.
14 Harre auf den HERRN und sei stark, fasse Mut und harre des HERRN.
(Psalm 27 – Übersetzung: Münsterschwarzacher Psalter)
Schaut hin – so lautet das Motto des 3. Ökumenischen Kirchentages, der derzeit digital und dezentral stattfindet. Schaut hin. Schaut genau hin, hinterfragt, nehmt wahr! Aufforderung nicht nur in Zeiten von Fake-News und Populismus. Aufforderung zur Achtsamkeit und zur Wertschätzung.
Der Blick in die Bibelstelle des Mottos, Mk 6,38, zeigt noch eine weitere Perspektive. Angesichts der hungrigen Menschen fordert Jesus die Jünger auf nachzuschauen, was sie denn noch zu essen haben. Der Blick auf das Kleine, auf das ganz Eigene ist gefragt. Was sehe ich denn bei und in mir – das ich teilen, mit-teilen, weitergeben kann. Brot, Glauben, Hoffnung. Das wenige reicht.
Der Psalm 27, der heutige Text der Bibellesung, dringt noch tiefer. „Sucht mein Angesicht!“ (Ps 27,8) Schaut auf mich – und lasst euch von mir anschauen. Bei mir findet ihr Kraft, Geborgenheit, Hilfe, Leben.
Als wir uns 1984 diesen Psalmvers für unsere Zeitliche Profess auswählten, mahnte uns damals Pater Michael mit dem Wort an Moses: „Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.“ (Ex 33,20)
Mit Jesus hat sich das grundlegend geändert. Gott wird Mensch und nimmt das Gesicht, den Körper eines Menschen an. Von Angesicht zu Angesicht schaut er dem Menschen in die Augen und ins Herz.
Lasse ich mich anschauen?
Halte ich dem Blick stand?
Schaue ich selber hin?
Was entdecke ich im Blick Gottes?
Harre auf den HERRN und sei stark, fasse Mut und harre des HERRN.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Samstag der 6. Osterwoche (15.05.2021)
ImpulsÖffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen! Öffne deinen Mund, richte gerecht, verschaff dem Bedürftigen und Armen Recht. (Spr 31,8-9 – ganze Lesung: Spr 31,1-9)
Immer wieder gibt es die Diskussion, ob Religion Privatsache sei. Oder: Muss Religion politisch sein? Wenn wir den Abschnitt aus dem Buch der Sprichwörter ernst nehmen, stellt sich diese Frage nicht. Religion – und speziell auch das Christentum – hat anwaltliche Funktion. Sie muss auf Missstände hinweisen und sich einmischen. Überall wo Unrecht herrscht und Unterdrückung geschieht, wird dem Reich Gottes Gewalt angetan. Da ist Kirche gefordert. Aber nicht nur die Kirche als Institution, sondern ein jeglicher Christ. Dort wo wir Unrecht wahrnehmen, dürfen wir nicht schweigen. Da wo wir Unrecht wahrnehmen, dürfen wir nicht warten. Warten auf das, was andere denken, warten, bis es eine offizielle Mitteilung gibt. Ich wünsche mir Christen und ich wünsche es mir bei mir selbst, dass wir uns einmischen, da wo Unrecht geschieht. Dass wir die Angst überwinden. Ziel für uns Christen ist es, MitarbeiterInnen der Gerechtigkeit zu sein.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Freitag der 6. Osterwoche (14.05.2021)
ImpulsDas Staunen über Gott und die Menschen als sein Ebenbild – Spr 30,1-6 weitergedacht.
Wie gerne würden wir uns Gott* erklären. Es gibt – in der Geschichte und auch in der Gegenwart – genug Versuche, Ansätze und propagierte Wahrheiten: „So und so ist er…“
Ganz bewusst, wenn auch sehr provokativ, habe ich nach Gott* das Gendersternchen gesetzt. Sehr oft kommt ja das berühmte Bild des Alten mit grauem Bart. Ist das so? Kann ich Gott* so fassen und einzwängen?
Meine ganz persönliche Glaubensantwort: Nein.
Ausdruck eines Bewusstseins dieser Offenheit soll auf sprachlicher Ebene das Gendersternchen im Bezug auf Menschen sein. Schauen wir doch einmal unseren Mitmenschen an: Kann ich sagen, der ist so und so? Oder: Der ist Mann, Frau, Divers? Oder: So und so denkt der Mitmensch? Spätestens seit über das Gendern diskutiert wird, sollte klar werden, dass eine klare, einfache, eindeutige Einteilung eben nicht machbar ist. Das gilt sowohl, weil wir noch nicht ganz verstehen, wie der Mensch ist. Es gibt zu viele Rätsel, und die Wahrheit ist nicht einfach schwarz-weiß. Wenn ich auf den Mitmenschen unvoreingenommen zugehen möchte, ist und bleibt er mir ein Fremder, eine Andere, wie der Philosoph Lévinas es gesagt hat. Es ist ein Ausdruck des Respekts dem Anderen gegenüber, wenn ich ihn nicht direkt in Schubladen sortiere, sondern versuche, diesen Menschen zu verstehen. Mit einem wachen Blick, mit einem liebenden Herzen kann ich mein Gegenüber immer wieder neu entdecken, ohne dass diese Fremdheit ganz verschwinden wird. Ich kann meinem Gegenüber den Raum geben zum Selbstausdruck.
Im heutigen Tagesabschnitt (Spr 30,1-19) lesen wir die Worte Agurs, der versucht Gott* zu erfassen und es dann aufgibt. „Weisheit hab ich nicht gelernt, und Erkenntnis des Heiligen habe ich nicht.“ (Spr 30,3) Ein Erfassen und Durchdringen Gottes* gibt es nicht. „Wer ist hinaufgefahren zum Himmel und wieder herab?“ (V. 4) Bei Gott* bleibt eine Fremdheit bestehen, selbst in seinem Wort, das als Schlüssel gilt. „Tu nichts zu seinen Worten hinzu.“ (V. 6) Ich lese es als: Sei dir bewusst, dass deine Interpretation nicht Gott* entsprechen muss oder dass es nur ein Aspekt, der persönlich geprägt ist, sein kann. Für mich ein Ausdruck des Staunens. Immer wieder neu auf Gott* zu zugehen. Immer neu etwas zu entdecken. Im Bewusstsein, dass Gott* immer das größte Denkbare ist (Anselm von Canterbury) und es sogar übersteigt.
Realisiert sich nicht gerade darin die Ebenbildlichkeit Gottes* im Menschen? Dass wir immer mit Respekt und Liebe anerkennen müssen, mein*e Nächste*r ist immer anders, als ich es mir vorstelle. Man kann die Menschen – wie eben auch Gott – nicht in ein simples Schema einpassen. Es ist immer mehr in ihnen.
Das sich immer wieder bewusst zu machen, ist herausfordernd und anstrengend, aber fordert auch heraus in einer Welt, die zum Staunen anregt, wie mit dem Blick eines Kindes – ganz unvoreingenommen.
Br. Symeon Müller OSB
Impuls an Christi Himmelfahrt (13.05.2021)
Impuls, UnkategorisiertEin musikalischer Impuls zu Psalm 47
Jedes Jahr im Mai findet der EUROVISION SONG CONTEST statt. So auch dieses Jahr am 22. Mai in Rotterdam. Viele Lieder des sogenannten ESC spiegeln eine religiöse, spirituelle Botschaft wieder, und viele Lieder setze ich in der OASE im Rahmen meiner Kurse in den Meditationen ein. Der israelische Beitrag aus dem Jahr 1989 verbindet auf wunderschöne Weise Psalm 47 und das heutige Fest Christi Himmelfahrt.
Auf der Straße des Königs
(freie Übersetzung des Liedes DERECH HA MELECH von Shaike Paikov, ESC Israel 1989)
Ein Morgen voller Tau
und der Weg des Königs ist vor mir
Die Harfe und die Krone haben mich gerufen
Zur Auffahrt zum König
Meine Gedanken summen in mir
Ich schaue zu einem Sonnenstrahl
Meine Gedanken spiegeln sich in den Wolken
Ich schaue auf, das Pferd auf den Wolken ist wunderschön,
Es trägt mich auf dem Rücken
Auf.Fahrt auf den Weg des Königs
Der Weg des Königs ist mein einziger Weg
Die Harfe des Königs ist mein Lied
Der Weg des Königs ist mein Traum, ist mein Rätsel,
Die Harfe des Königs ist meine einzige Liebe
Ich klatsche in die Hände
Ich juble meinem König zu
Der Tag, der mit dem Sonnenaufgang geboren wird,
in den Zeiten des Kreislaufes der Natur
Der Tag kommt und wächst und stirbt plötzlich heimlich
Und in mir entsteht ein wunderbares goldenes Lied
Dem Universum schenke ich ein Gebet
Ich schaue auf, das Pferd auf den Wolken ist wunderschön
Er trägt mich auf dem Rücken
Auf.Fahrt auf den Weg des Königs …
Der Weg des Königs ist mein einziger Weg
Die Harfe des Königs ist mein Lied
Der Weg des Königs ist mein Traum, ist mein Rätsel,
Die Harfe des Königs ist meine einzige Liebe
Ich klatsche in die Hände
Ich juble meinem König zu
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Video laden
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der 6. Osterwoche (12.05.2021)
ImpulsImpuls zu Spr 29, 1-18
Beim heute betrachteten Text des ökumenischen Bibelleseplans fällt mir der starke Dualismus auf, der diese Verse – genau wie bereits die Verse des vorhergehenden Kapitels – durchzieht: Auf der einen Seite steht der gerechte Mensch, auf der anderen Seite der Gottlose.
Am Beispiel von Vers 4:
Der Gerechte
Ein König gibt durch das Recht dem Land Bestand;
Der Gottlose:
aber wer nur Abgaben erhebt, zerstört es.
Als Leser dieser Bibelworte darf man sich womöglich fragen: Auf welcher Seite dieses Dualismus stehe ich? Und ganz ehrlich: So kategorisch, wie der biblische Autor es an dieser Stelle sieht, ist die Welt zum Glück nicht. Das merke ich in meinem eigenen Leben: Hier und dort handle ich richtig, an anderer Stelle bin ich mir meiner Fehler bewusst.
Und selbst diese Einsicht greift im Prinzip noch zu kurz! Am liebsten hätten wir schnelle Antworten, um unser Handeln – und das der Mitmenschen – in die Kategorien Richtig und Falsch bzw. Gut und Böse einordnen zu können. Das macht uns das Leben zwar einfacher, aber so neigen wir dazu, die Menschen mit einem sehr engen Blick in unsere eigenen Kategorien zu packen.
Die Welt ist aber nicht Schwarz oder Weiß, sondern es gibt viele verschiedene Farben: Sie ist bunt! Was für mich stimmig und gut erscheint, mag für jemand anderen der falsche Weg sein. (Das wird auch an den hier betrachteten Versen deutlich: Man beachte die Pädagogik, die in den Versen 15 und 17 als sinnvoll erachtet wird. In der Zeit, aus der der Text stammt, war diese Weise der Aufzucht von Kindern leider üblich, heute wissen die meisten Eltern es – Gott sei Dank – besser!)
Insofern denke ich, dass die Bibel an dieser Stelle zu kurz greift.
Gut ist also m. E. am vorliegenden Text: Er beabsichtigt, uns auf den richtigen Weg zu führen. Die Art und Weise, wie dies geschehen soll – nämlich kategorisch – entspricht aber nicht der Realität des Facettenreichtums menschlichen Lebens.
Als gläubiger Mensch kann ich sagen: Ja, es gibt eine absolute Wahrheit – nämlich Gott – aber es gibt so viele Wege zu dieser Wahrheit, wie es Menschen gibt!
Lassen wir den Menschen die Freiheit, ihren Weg zu Gott zu gehen!
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Dienstag der 6. Osterwoche (11.05.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
ich lade Sie heute ein, die Schriftverse Sprüche 28, 12-28 vollständig zu lesen und in Ihrem Herzen zu erwägen.
Sicherlich finden wir uns in den einzelnen Inhalten wieder. Ich denke, der Schreiber möchte uns einen Spiegel vor Augen halten, damit wir unser Tun und Lassen überprüfen.
Ja, überprüfen und nicht den Zeigefinger erheben und von sich wegweisen, auf die Schwester, den Bruder.
Gerecht und Gottlos
Barmherzig und Unbarmherzig
Verstand und Unverstand
Treue und Untreue
Fragen wir uns ehrlichen Herzens: Was sollte in mir gefestigt werden und wo benötige ich die Hilfe und den Beistand Gottes zur Umkehr, zur Kurskorrektur?
In einem Text von Henri J.M. Nouwen heißt es:
Vielleicht habe ich Gott nie Einlass in mein Inneres gewährt, damit er mir mein wahres Ich und mein Selbstverständnis geben konnte.
Aber wann wird Gott endlich all meine Abwehrstellungen durchbrechen, damit ich das nicht nur mit meinem Verstand, sondern mit meinem Herzen erkenne und vollziehe?
Wir sind fast in der Mitte des Wonnemonats Mai angekommen. Vielleicht kann uns die Natur ein Vorbild sein. Das frische Grün, die Entfaltung der Natur. Das Leben regt sich. Die Schöpfung blüht erneut auf.
Ein Bild auch für mein Inneres. Gewähre ich Gott Einlass, damit er mich berührt mit seinem Erbarmen, seiner Liebe, seinem Licht? Damit ER das aufbreche, was der Erneuerung bedarf?
Ich wünsche Ihnen einen Tag voller Licht und Wärme.
Ich wünsche Ihnen den Mut, sich von Gott berühren und beschenken zu lassen.
Ich wünsche Ihnen die Kraft, ihre Augen, Ohren und das Herz zu öffnen.
Mein Gebet begleitet Sie!
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Montag der 6. Osterwoche (10.05.2021)
ImpulsImpuls zu Spr 27,1-7
Gut gemeint sind die Schläge eines Freundes, trügerisch die Küsse eines Feindes. (Spr 27,6)
Die heutige Textstelle aus dem Buch der Sprichwörter hat einen direkten Bezug zum Gesetz des Mose, in dem es heißt: „Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen. Weise deinen Mitbürger zurecht, so wirst du seinetwegen keine Sünde auf dich laden.“
Das Gesetz bestätigt also das Sprichwort, welches aussagt, „die Schläge eines Freundes sind gut gemeint“ und wird vom andern Ende aus erweitert durch die Aussage: „Trügerisch [hingegen sind] die Küsse eines Feindes“.
Es wird also mit Nachdruck vermittelt: Die gut gemeinte Zurechtweisung eines Nächsten (selbst wenn sie sich wie ein Schlag anfühlt) ist keine Sünde:
Besser offener Tadel als Liebe, die sich nicht zeigt. (Vers 5)
Die Schrift fordert uns heute dazu auf, kritikfähig, oder um es mit dem Wort des 5. Verses zu sagen, offen zu bleiben, auch wenn wir vielleicht schon einiges an Erfahrung gesammelt haben und meinen, bereits gesättigt zu sein durch unser Wissen.
Doch
Wer satt ist, will auch den besten Honig nicht mehr sehen; dem Hungrigen aber schmeckt sogar das Bittere süß. (Vers 7)
Ich glaube fest, dass wir tief im Innern alle noch hungrig sind, dass wir nur oft müde und gemütlich, vielleicht sogar ängstlich geworden sind, unseren Hunger mit Neuem zu stillen; stattdessen greifen wir auf die bewährten Mittel zurück, wir verkriechen uns – das verschafft uns ein Gefühl von Sicherheit und bestätigt ein anderes Sprichwort: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“ Doch trauen wir uns auch, das Bittere zu kosten! Lassen wir uns doch auch mal von anderen etwas sagen – besonders von denen, deren Meinung zu teilen uns manchmal schwer fällt.
Nur wenn wir kritikfähig, offen, ja hungrig bleiben, ganz gleich, wie viel wir schon zu wissen glauben, eröffnet sich das Potenzial, dass Bitteres süß wird und dass Liebe sich zeigt.
Br. Jonathan von Holst OSB
Impuls am 6. Ostersonntag (09.05.2021)
ImpulsÜber Psalm 1 – Die Frage „Wo verwurzele ich mich?“ als Schlüssel für das Psalmenlesen
„Wohl dem Mann, der…!“ Ein grandioser Eröffnungstext für eines der wirkmächtigsten Bücher der Heiligen Schriften Israels, sowohl im Judentum wie auch im Christentum, für das Buch der Psalmen. In beiden religiösen Traditionen, die sich auf diese antike Religion berufen, haben die Psalmen als tehilim, als Preisungen im liturgischen Gebetsleben einen festen Platz.
In den ersten beiden Psalmen wird dem Leser quasi eine Brille angeboten, die es ihm ermöglicht, das, was folgt, deutend zu verstehen. Beide bilden gleichzeitig auch den Auftakt zum sogenannten „Davidpsalter“, den Texten (Ps 1-41), die dem großen König Israels selbst zugeschrieben werden. Psalm 2, ein Königspsalm, ist im Christentum sehr bekannt, da er – ein altorientalisches Krönungsritual schildernd, in welchem der neue Herrscher zum Sohn des höchsten Landesgottes adoptiert wird und so Macht über seine Feinde bekommt – auf Jesus aus Nazareth als den Christus gedeutet wird, was nichts anderes als Messias heißt, ein weiterer altorientalischer Königstitel („Gesalbter“). „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt!“ sagt JHWH. Ganz in altorientalischer Natur wird hier von dem Sieg über Feinde gesprochen. Man wird an das ägyptische Motiv der „Erschlagung des Feindes“ erinnert, wie es auf vielen Tempelwänden noch heute von Touristen bewundert wird.
Psalm 1 scheint hier einen ganz anderen, moderneren Ton anzuschlagen. Das wunderschöne Bild vom Baum, „der gepflanzt ist an Wasserbächen“ (Ps 1,3), wirkt sehr idyllisch. Aber auch hier trifft der Leser auf die Zweiteilung vom Gerechten und den Frevlern. Die Frevler sind (in alttestamentlicher Sprache) Personen, die sich gegen JHWH auflehnen und seinen Bund brechen (vgl. auch Ps 2,2). Das macht sie zu „Spreu, die der Wind verstreut“ (Ps 1,4b). Sie haben keine Standfestigkeit, sondern werden von allen möglichen Einflüssen hin und her geworfen. Alles, was sie vorhaben, können sie nicht umsetzen. Es sind nichtige Pläne.
Der zentrale Fokus des ersten Psalms liegt jedoch auf dem Mann, der so überschwänglich gepriesen wird. „Wohl dem Mann, der (…) hat Lust an der torah JHWHs und sinnt über seine torah am Tag und in der Nacht.“ Hier wird ein messianisches Idealbild gezeichnet. Vor allem anderen, auch der königlichen Bedeutung und seiner Macht in Ps 2, steht die Beziehung zum Bund. Nicht Aktionismus und Planen sind entscheidend, sondern eine tiefe Verwurzelung in Gott, die in einer ständigen Suche nach ihm und in der Freude an seinem Bund sich zeigt. „Schau dir die anderen an! Korrigiere sie und sag ihnen, wie es sein soll!“ wird hier nicht gesagt, sondern „Verwurzele dich selbst, suche deine Beziehung zu JHWH, der mit dir einen Bund geschlossen hat, und denke nach über eben diesen Bund, den er nicht allein mit dir, sondern noch mit vielen anderen geschlossen hat, deinen Brüdern und Schwestern.“
So wird die Lesebrille deutlich, die alles andere erschließt: Es geht, spirituell gelesen, um ein Durchleben dieser Beziehung zu Gott, um ein Durch-Lieben, manchmal auch ein Durch-Kämpfen. Manchmal wird da zugesagt: „Mein Kind bist du!“, und manchmal tönt nur der Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22,2)
Hier liegt dann auch der Schlüssel für die Stellen, die für uns heutige Menschen verstörend sind, weil sie einem ganz anderen Kulturkreis angehören. Die altorientalische Sprache und Bildsymbolik wird aufgenommen, weil es die Sprache dieser Zeit ist. Sie kennt keine andere, und wir heute verstehen vieles vielleicht auch nicht mehr. Nicht einfach ausklammern, sondern sie aus einem ganz bestimmten Blickwinkel lesen und deuten. Heilige Schrift ist Gotteswort „durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat“ (DV 12), wie es das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet. Ein Text darf auch in seiner Fremdheit und seiner heute abstoßenden Sprache bestehen. Dies ist ein Bestandteil des Durchlebens der Beziehung und ihr Ausdruck, da darf auch mal geflucht werden. Das Durchleben lässt sich gut mystisch als Tanz verstehen. Es ist nicht statisch, sondern dynamisch. Es muss nicht immer alles rosarot sein, das wäre ein Verkennen der menschlichen Wirklichkeit. Aber wenn man sich verwurzelt in der Beziehung zu Gott und seinem Bund, wozu uns Psalm 1 aufruft, dann darf man auch hoffen, dass man „seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter nicht verwelken.“ (Ps 1,3) Dies erfordert aber auch eine ständige Rückkehr zur torah, zum Nachsinnen über Gottes Bund und ein Ausrichten an ihm. Benediktinisch gesprochen: stabilitas, Beständigkeit.
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am Samstag der 5. Osterwoche (08.05.2021)
ImpulsImpuls zu Spr 26,1-17: Da ist Hopfen und Malz verloren
Wie Schnee im Sommer und Regen zur Erntezeit, so unpassend ist Ehre für einen Toren.
Wie der Spatz wegflattert und die Schwalbe davonfliegt, so ist ein unverdienter Fluch; er trifft nicht ein.
Dem Pferd die Peitsche, dem Esel den Zaum, dem Rücken der Toren den Stock.
Antworte dem Toren nicht, wie es seine Dummheit verdient, damit nicht auch du ihm gleich wirst!
Antworte dem Toren, wie es seine Dummheit verdient, damit er sich nicht einbildet, ein Weiser zu sein!
Die Füße haut sich ab, Schaden muss leiden, wer Botschaft sendet durch einen Toren.
Schlaff wie die Schenkel des Lahmen ist ein Weisheitsspruch im Mund der Toren.
Den Stein bindet in der Schleuder fest, wer einem Toren Ehre erweist.
Ein Dornzweig geriet in die Hand eines Betrunkenen: ein Weisheitsspruch in den Mund der Toren.
Ein Schütze, der alle verwundet – wer einen Toren anstellt oder einen, der zufällig des Weges kommt.
Wie ein Hund, der zurückkehrt zu dem, was er erbrochen hat, so ist ein Tor, der seine Dummheit wiederholt.
Siehst du jemand, der sich selbst für weise hält – mehr Hoffnung gibt es für den Toren als für ihn.
Der Faule sagt: Ein Löwe ist auf dem Weg, ein Raubtier ist auf den Straßen.
Die Tür dreht sich in ihrer Angel und der Faule in seinem Bett.
Greift der Faule mit der Hand in die Schüssel, ist er zu träg, sie zum Mund zurückzubringen.
Der Faule hält sich selbst für weiser als sieben, die angemessen antworten können.
Einen vorbeilaufenden Hund packt bei den Ohren, wer sich in einen Streit mischt, der ihn nichts angeht.
(Spr 26,1-17)
Das hat doch alles keinen Sinn mehr. Da ist doch jede Mühe vergebens.
Da ist einfach Hopfen und Malz verloren!
So, liebe Schwestern und Brüder, heißt es bei mir daheim, wo ich aufgewachsen bin, von einem Menschen, dem nicht mehr zu helfen ist. Wo man nicht mehr erwartet, dass es noch eine Veränderung oder Besserung gibt. Da ist einfach jede weitere Anstrengung umsonst.
Und auch bei einem Tor, von dem im Text aus dem Buch der Sprichwörter (Spr 26,1-17) heute mehrmals die Rede ist, kann man da zunächst ähnliches sagen: „Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor!“ Er, der Tor, hat zwar für sich seine Erfahrungen gemacht, aber er ist trotz allem nicht schlau daraus geworden. Er ist einfach nicht intelligent genug oder anders gesagt, schwer von Begriff. Ist deshalb aber wirklich schon Hopfen und Malz verloren?
Beim Bierbrauen, woher diese Redewendung entstammt, war das sicher so, wenn die Mischung zwischen Hopfen und Malz nicht passte. Wenn da bei der Herstellung etwas schief lief, dann war das Bier verdorben und somit auch Hopfen und Malz verloren.
Bei Salomo, von dem diese Weisheitssprüche aus dem Buch der Sprichwörter stammten, gab es wenigstens noch die Unterscheidung zwischen unbelehrbaren und lernbereiten Toren. Da ist der unbelehrbare Tor, der sich für weise hält und jeden Rat von Gott und anderen Menschen ausschlägt (vgl. z.B.: Spr 26,7 „Wie einem Gelähmten das Tanzen, so steht dem Toren an, von Weisheit zu reden“).
Und da gibt es den lernbereiten Tor, der sich noch auf dem Weg befindet, ein Weiser zu werden (vgl. z.B.: Spr 26,12 „Wenn du einen siehst, der sich weise dünkt, da ist für einen Toren mehr Hoffnung als für ihn“).
Und wie ist es bei Gott?
Kurz gesagt: „Bei Gott gibt es keinen hoffnungslosen Fall!“
Und somit ist auch bei ihm bei keinem Menschen je Hopfen und Malz verloren!
Und das ist doch eine wichtige Botschaft für einen guten Tag!
Diesen guten Tag heute wünsche ich Ihnen allen
Ihr
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Freitag der 5. Osterwoche (07.05.2021)
ImpulsImpuls zu Spr 25,11-28
Mit dem heutigen Tag beginnt die Lesung aus dem Buch der Sprüche. Auf den ersten Blick – eine unzusammenhängende Zusammenstellung von verschiedenen weisheitlichen Mahnungen. Und diese wollen eines: dem Leser Hilfen für ein gutes Leben, für ein Leben unter den Augen Gottes an die Hand geben. Doch dazu muss ich eines tun: mir diese Worte zu Herzen nehmen, sie in die Tat umsetzen. Ja, auf sie hören! Auch in der Auswahl des heutigen Tages hören wir davon: „Ein Weiser, der mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein goldenes Halsband!“ (Spr 25,12). „Höre!“ – so beginnt auch die Regel des Hl. Benedikt. Und tatsächlich war er ein Freund dieses biblischen Buches. Immer wieder finden sich Anklänge in seiner Mönchsregel. Schon der Beginn könnte ein Zitat aus diesem biblischen Buch sein: „Höre, mein Sohn, auf die Worte des Meisters. Neige das Ohr deines Herzens und erfülle sie durch die Tat!“ (Prolog Benediktsregel) Aufmerksam hinzuhören, was mir jemand sagen will! Für das Buch der Sprüche ein Weg zum wirklichen Leben!
Wenn wir das „hören“ ein wenig umschreiben, wird vielleicht noch klarer, was gemeint ist. Wenn ich auf jemanden höre, dann lasse ich mir etwas sagen. „Lass dir etwas sagen!“ – und schon spüren wir alle, dass das doch nicht so einfach ist. Denn wer von uns will sich schon gerne etwas sagen lassen. Kann denn nicht nur ich selber wissen, was gut für mich ist?! Die Bibel ist jedenfalls der Meinung, dass ich die Stimme Gottes nicht nur in meinem Innern hören kann, sondern dass sie mir auch von außen entgegenkommt, ja, gesagt wird! Also, versuchen wir es heute einfach einmal und schauen, welche neuen Lebensperspektiven sich vielleicht eröffnen: „Lass dir etwas sagen!“
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Donnerstag der 5. Osterwoche (06.05.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 12,1-13
Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste … Du wirst ruhen und auferstehen gemäß deinem Losanteil am Ende der Tage (Dan 12,3.13)
Erstmals schildert das Buch Daniel die Hoffnung auf Auferstehung im AT.
Unsere jüdischen Wurzeln als Christen dürfen uns ermuntern, in diesen Glaubensweg der Hoffnung auf die Auferstehung einzustimmen. Als Christen begehen wir die Osterzeit als eine Zeit, unsere Hoffnungsperspektive auf unvergängliches Leben jedes Jahr neu einzuüben. Die Osterzeit bildet einen inneren Verwandlungsweg, dass der Tod nicht das Letzte ist. Diese Hoffnung darf in uns klar aufscheinen. Dieser innere Hoffnungsglanz darf durch uns strahlen und glänzen. Jeder Sonnenstrahl, den wir in diesen Mai-Tagen wahrnehmen, darf uns an unsere unzerstörbare Hoffnung erinnern. Ich vertraue darauf, dass hoffnungsvolle Menschen dies ausstrahlen. Sie glänzen eben!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der 5. Osterwoche (05.05.2021)
ImpulsÜber das Durchhalten – Dan 10,1-21
Ein Kraftakt. So lässt sich der Eindruck am besten umschreiben, als ich den heutigen Tagesabschnitt las. Wieder eine Vision. Ein Gesicht, dass Daniel traurig stimmt. Fast wirkt es, als ist er am Ende seiner Kräfte angelangt. Er versteht, was er sieht. Aber die Luft ist raus – wie man umgangssprachlich sagt. Dies findet seinen Ausdruck in der Trauer.
Dann dieser Mann, den er sieht. Es ist eine Vision voller Symbolik, die schwer zu entschlüsseln ist. Dies zu tun, soll hier nicht Thema sein. Schauen wir darauf, wie die Reaktionen sind. Daniels Begleiter flüchten, obwohl sie nichts sehen. Das einzige, was sie hören ist die Stimme. „Die Stimme seiner Worte“ (קול דבריו) heißt es im Hebräischen. Fast klingt es, als wenn die Worte im Raum schweben – ohne Person – und doch so machtvoll sind. Sie erinnern an das Brausen des Meeres. Die Naturgewalten und das Urchaos schwingen mit. Sie sind Ausdruck einer nicht zu kontrollierenden Natur – hier als eine große Macht zu verstehen. Da ist die Reaktion verständlich: die Flucht.
Daniel bricht zusammen. Allein gelassen scheint er nicht fähig, irgendetwas zu tun. Alles biblische Zeichen und Bilder einer Theophanie, einer Gotteserscheinung. Wen Daniel genau sieht, wird aber nicht aufgeklärt.
Er ist am Boden. Hier erfährt er Zuspruch: „Du von Gott Geliebter.“ (V. 11) Im Zuspruch geschieht Aufrichtung. Es ist ein Prozess. Daniel hat keine Energie. Er wirkt matt. Sätze wie „richtete ich mich zitternd auf“ (V.11) und „neigte ich mein Angesicht zur Erde und schwieg still“(V.15) und „es war keine Kraft mehr in mir“ (V. 16) und „da auch jetzt noch keine Kraft in mir ist und mir der Atem fehlt“ (V. 17) verdeutlichen das sehr plastisch. Es macht mir Daniel sympathisch. So viel Gefühl drückt sich hier aus, ein Bewusstsein für die eigene Gefühlswelt und ihren körperlichen Ausdruck. Und: Er lässt uns, seine Leser, teilhaben an seinem Erleben und der Autor überwindet eine kalte rein beschreibende Sprache.
Neben dem Eindruck, dass hier authentisch geschildert wird, wie es einem Menschen geht und er es selbst schildert, steht der schon genannte Zuspruch. Daniel wird aufgerichtet. Sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Wortsinn: „Und siehe, eine Hand rührte mich an und half mir auf die Knie und auf die Hände (…) Und als er dies mit mir redete, richtete ich mich zitternd auf.“ (V.10f.) Man stelle sich das ruhig sehr bildhaft vor: Von ganz unten aus dem Liegen, auf Hände und Knie und dann wankend, vielleicht nach Halt tastend, kommt Daniel auf die Beine. Eine Bewegung, die auch noch so unbeholfen sein mag: Er steht, ist aufrecht, Ausdruck der Autonomie, des Selbst-bewusstseins. Eigentlich ist das ein sehr schönes Wort für diesen Text: Daniel, wie er es selbst berichtet, ist sich selbst bewusst, das heißt, er weiß um seinen kraftlosen Zustand. „Wie kann der Knecht meines Herrn mit meinem Herrn reden, da auch jetzt noch keine Kraft in mir ist und mir der Atem fehlt?“ (V. 17) Und: Er ist selbstbewusst, weil er die Stärkung einfordert und nicht unterwürfig, das heißt nicht auf Augenhöhe. Der körperliche Ausdruck des Stehens spiegelt das wieder. Zuletzt richtet er auch seine Augen auf und schaut hin.
Höhepunkt dieses Prozesses ist der Zuspruch des Menschenähnlichen: „Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebter! Friede sei mit dir! Sei getrost, sei getrost!“ (V. 19) Eine sehr schlichte und doch kraftvolle Sprache. Das doppelte חזק („Chazak“), das die hier zitierte Lutherbibel mit „Sei getrost.“ wiedergibt, lässt sich besser mit „Sei stark!“ (vgl. Einheitsübersetzung) übersetzen. Auf den Zuspruch „Sei stark!“ folgt die Stärkung „sah ich mich gestärkt“. Für diesen Übergang ist das Wort „getrost“ passend. Er wird getrost. Der Zuspruch gibt Sicherheit und aus dieser Sicherheit kommt eine seelische Ruhe, aus welcher wiederum Stärke erwächst.
Ich sehe hier einen Mann vor mir, der, am Ende seiner Kräfte angekommen, neue Kraft zum Durchhalten bekommt und so sich dem Kommenden stellen kann. Er kann stark nach vorne blicken, in die Zukunft. Eigentlich ein schönes Wortspiel. Der Visionär, dem die (vielleicht ferne) Zukunft vor Augen gestellt wird, kann auf den Weg schauen, die nähere Zukunft, die vor ihm liegt, und sich der Aufgabe, die er hat, nämlich die Vision, stellen.
Daniels Schilderung kann uns in unserer aktuellen Situation, die geprägt ist von einer Hoffnung auf das Ende der Pandemie und doch immer wieder erschüttert mit neuen Zahlen und schrecklichen Bildern aus verschiedenen Regionen der Welt, veranlassen uns Fragen zu stellen.
Wo erfahre ich Zuspruch zum Durchhalten?
Was oder wer schenkt mir Kraft?
Wo werde ich gestützt und angerührt, dass ich den Blick erheben kann?
Wer spricht mich an „Fürchte dich nicht, Du von Gott Geliebte*r!“?
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am Dienstag der 5. Osterwoche (04.05.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 9,20-27
Daniel betet. Er kommt mit Gott ins Gespräch. Und mitten in diesem Gebet passiert etwas in und mit Daniel, was er wahrscheinlich erst einmal gar nicht wahr-nimmt (jedenfalls erwähnt es unser Text nur kurz, wie am Rande). Und doch ist es wahrscheinlich das wichtigste, was in einem Gebet, in solch einem Beziehungsaustausch zwischen Gott und Mensch passieren kann. Es heißt im Text: „Denn als du anfingst zu beten, erging ein Wort, und ich komme, um dir’s kundzutun; denn du bist von Gott geliebt.“ (Dan 9,23)
Du bist von Gott geliebt – das ist es, was mir das Gebet wirklich kundtun will – neben allem anderen. Und vielleicht ist das genau die Botschaft, auf die wir unsere Gebete immer wieder abklopfen, ja, absuchen sollten. Wo und wie ist mir das entgegengekommen? In meinen Gebeten – aber eigentlich in meinem ganzen Leben. Denn, so der Jesuit Willi Lambert einmal in einem seiner Bücher: „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit!“ Er kommt mir in meinem Alltag mit seinen Höhen und Tiefen, seinen Stunden der Freude und Stunden der Trauer entgegen, um diese Botschaft in mein Herz zu träufeln: „Du bist von Gott geliebt!“ Klopfen wir die letzten Tage darauf ab!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Montag der 5. Osterwoche (03.05.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 9,1-19
Nicht im Vertrauen auf unsere guten Taten legen wir dir unsere Bitten vor, sondern im Vertrauen auf dein großes Erbarmen. (Dan 9,18)
Die heutige Lesung besteht fast ausnahmslos aus einem Gebet, aus einem flehentlichen Bittgebet, das Daniel stellvertretend für sein Volk vor Gott bringt. Es ist ein Gebet, das in eindringlichen Worten die eigene Umkehr bekennt – und Gott zur Umkehr aufruft, zur (Wieder-)Hinwendung zu seinem Volk. Wir beten dieses Gebet in der liturgischen Zeit der Umkehr schlechthin, in der Österlichen Bußzeit, als einer der Psalmen der Sonntagsvesper.
In Vers 18 finden wir sozusagen die Quintessenz dieses ganzen Gebetes. Es geht nicht um die guten Taten derer, die zu Gott beten. Wenn es allein darum ginge, wenn wir abhängig von unseren Taten wären, dann wären wir hoffnungslos verloren. Nein, „im Vertrauen auf dein großes Erbarmen“, im Vertrauen auf die immer größere Barmherzigkeit Gottes dürfen wir vor ihn treten. Ich muss mich vor Gott nicht groß machen, sondern darf meine Kleinheit, meine Schwachheit bekennen. Er wird meine Kleinheit annehmen, sich hinwenden zu mir und mich wieder groß machen. Ich muss mir das Erbarmen Gottes nicht verdienen, sondern darf schlicht und einfach darum bitten. Dazu braucht es nicht unbedingt viele Worte – manchmal genügt ganz einfach die Stille meines Herzens.
Machen wir uns heute die Worte des Gebetes Daniels zu eigen. Lesen wir sie Vers für Vers durch, und bleiben wir bei dem, was uns anspricht. Und versuchen wir dann, in eigenen Worten das vor ihn zu bringen, was uns bewegt.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 5. Ostersonntag (02.05.2021)
Impuls„Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr…“ (Ps 45,11)
Der 45. Psalm ist überschrieben als „Lied zur Hochzeit des Königs“. In der Sprache der Brautmystik, ähnlich wie auch im Hohenlied, wird das sehnsuchtsvolle Warten von Braut und Bräutigam aufeinander in einer poetischen und sinnlichen Sprache umschrieben. Das Verhältnis zwischen Gott und seiner Braut Israel wird wie in einem Ehebund als Bund ewiger Treue charakterisiert. In Psalm 45 erfüllt sich nun gewissermaßen die Verheißung aus Hosea 2,21-22: „Ich verlobe dich mir auf ewig; ich verlobe dich mir um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich verlobe dich mir um den Brautpreis der Treue.“
Der Bräutigam des Psalms ist der Messias, dessen Zepter die Gerechtigkeit ist und der von Gott her gesalbt ist wie kein irdischer König je zuvor. Für die Kirche ist jetzt die Zeit des sehnsuchtsvollen Erwartens des Bräutigams. Bis es am Ende der Zeiten heißen wird: „Der Geist und die Braut aber sagen: Komm!“ (Offb 22,17) und wir eingeladen sind zum himmlischen Hochzeitsmahl, das nie mehr endet (vgl. das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl in Mt 22).
In dem Psalmwort an die Braut „neige dein Ohr“ klingt für mich als Echo auch das Wort aus dem Prolog der Benediktusregel mit: „Neige das Ohr deines Herzens…“
Sehnsuchtsvoll dürfen wir den Messias als Bräutigam erwarten und das Ohr unseres Herzens sensibel dafür machen, wenn er an die Tür unseres Herzens klopft: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und Mahl mit ihm halten und er mit mir.“ (Offb 3.20)
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Samstag der 4. Osterwoche (01.05.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 8,1-27
Doch die Vision bedrückte mich, und ich verstand sie nicht. (Dan 8,27)
Es ist tröstlich, was der Seher Daniel am Ende seiner zweiten großen Vision von sich selbst sagt. Wenn selbst er nicht versteht, was er gesehen hat, wenn ihm diese Vision von einem, der „aussieht wie ein Mann“ (vgl. Dan 8,15), erklärt werden muss, um wie viel weniger verstehen wir die Vision vom Widder und dem Ziegenbock, vom Kampf der bestialischen Wesen, von dem hier lang und breit die Rede ist.
Könnte es nicht sein, dass es uns in diesen Tagen ganz ähnlich ergeht wie Daniel? Wir sind wegen der chaotischen Situation von Pandemie und Krankheit bedrückt, wir verstehen nicht, was das alles soll, wir können uns nicht ausmalen, wohin es uns noch führen will. Dann kann hilfreich sein, was Daniel vorher von sich sagt: „Dann stand ich auf und versah wieder meinen Dienst beim König.“
Aufstehen und seinen alltäglichen Dienst tun. Sich nicht gehen lassen, sondern weiter behutsam Schritte im Alltag gehen. Das, was ich nicht verstehe, annehmen, nicht darüber nachgrübeln, sondern das tun, was ich tun kann, um es mir selbst und anderen halbwegs erträglich zu machen. Das könnte ein Weg sein, der uns aus der Krise führen kann.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der 4. Osterwoche (30.04.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 7,16-28
Der heutige Text aus dem Buch Daniel schildert wieder die Vision des Daniel. In erschreckenden, schwer zu deutenden Bildern geht er der Frage nach, wer letztlich den Sieg im Kampf um Himmel und Erde davonträgt: die unmenschlichen Kräfte des Bösen – oder die menschlichen Kräfte des Guten. Und in diesen apokalyptischen Beschreibungen findet sich dann der Satz: „Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen!“ Welch hoffnungsvolles Ende! In all dem Chaos, in dem vielen Unmenschlichen und Bösen, was dem Menschen in diesem Leben begegnet (vgl. Vision des Daniel) wird der Gott des Lebens den Sieg davontragen! Diese Hoffnung wird Daniel in seiner Vision ins Herz gepflanzt. Können wir solch eine Botschaft nicht auch heute brauchen – im Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Corona-Pandemie, in dem uns auch viel Chaotisches, Lebensfeindliches und vielleicht auch Böses begegnet. Wo auch wir vielleicht die Frage stellen, wie dass denn alles weitergehen soll? „Ich glaube, das bleibt jetzt immer so!“ Nein, der, dessen Reich ewig ist, der lebensspendende Gott, wird die Oberhand behalten! „Alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen!“ Alle! Träufeln wir diese Botschaft wie Medizin in unsere Herzen – damit langsam wieder das Leben, das Licht in uns die Oberhand gewinnen kann. Und wir das hoffen können, was wir in einem Osterlied singen: „Das Leben hat besiegt den Tod!“ Auch heute!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Donnerstag der 4. Osterwoche (29.04.2021)
ImpulsDarüber war ich, Daniel, im Geist bekümmert, und was mir vor Augen stand, erschreckte mich. (Dan 7,15 – ganze Lesung: Dan 7,1-15)
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Dieses geflügelte Wort wird dem nüchternen Politiker Helmut Schmidt zugeschrieben. Er wollte damit wohl ausdrücken, dass es in der Politik meistens nicht so sehr um große Visionen geht, sondern um alltägliche Entscheidungen, die mit viel Sinn für die Realität der Menschen gefällt werden müssen. Ob in der Politik wirklich kein Raum für Visionen ist, darüber kann man sicherlich streiten. Vielleicht ist das politische Hin und Her, was wir in diesen Tagen der Pandemie erleben, eine Folge des Verlustes größerer Visionen und des alleinigen Schielens auf Umfragewerte.
Um Visionen geht es im zweiten Teil des Danielbuches, beginnend mit dem 7. Kapitel, das wir heute beginnen zu lesen. Es ist hilfreich, sich vor Augen zu stellen, wie diese gewöhnungsbedürftigen Beschreibungen zu verstehen sind. Nicht als historische Tatsachenbeschreibungen, die die Wirklichkeit so zeigen, wie sie ist. Auch nicht als genaue Vorhersage der Zukunft. Wer so denkt, der sollte tatsächlich zum Arzt gehen.
Nein, es geht bei den Visionen des Daniel nicht um eine Beschreibung der Zukunft, sondern eher um ein Aushalten einer oft freud- und perspektivlosen Gegenwart. Zu der Zeit, in der das Buch Daniel entstanden ist, war das Volk Israel Spielball vieler großer Weltmächte, die aufeinander folgten und deren politische Herrscher die Menschen tyrannisierten – einen Anklang dafür bieten die Erzählungen im ersten Teil des Danielbuches (Dan 1-6). Was Daniel den Menschen in seinen Visionen zu sehen gibt bzw. was sich ihm zeigt – denn genau das meint der Begriff der Vision – ist eine andere Perspektive, ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft. Die großen Weltreiche und ihre Gewaltherrscher – symbolisiert in den wilden Tieren und monströsen Bestien – haben nicht das letzte Wort. Es wird irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft ein Retter, ein Messias, erscheinen, einer, der Gericht hält und Gerechtigkeit wiederherstellt, Gerechtigkeit mit den Opfern der Geschichte. Das ist die Hoffnungsperspektive, die hinter den Visionen Daniels steht. Übrigens trifft hier dann doch der Satz von Helmut Schmidt zu – denn die Visionen, die Daniel sieht, sind nicht gerade dazu angetan, seine Stimmung zu heben, ja, sie deprimieren und erschöpfen ihn zutiefst. Da kann (ärztliche) Begleitung wirklich nicht schaden…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der 4. Osterwoche (28.04.2021)
ImpulsSo wurde Daniel aus der Grube herausgeholt; man fand an ihm nicht die geringste Verletzung, denn er hatte seinem Gott vertraut. (Dan 6,24 – ganze Lesung: Dan 6,1-29)
Diese Textstelle bei Daniel 6,24 berührt mich. Aus der Grube herausgeholt. Das ist für mich ein Bild der Auferstehung. Wie Daniel aus der Grube herausgeholt wird, so werden auch wir nicht im Tod verbleiben. Wir sind wie Daniel aufgerufen, auf den lebendigen Gott zu vertrauen. Gottvertrauen ist natürlich in diesen Zeiten eine Zumutung. Menschen leiden, Menschen versterben. Täglich. Ich kann keine allgemeine Aussage treffen, warum Gott das Leid zulässt. Mein Gottvertrauen ist mehr ein Trotzdem Glauben. Ich verstehe nicht; Ich weiß nicht, warum – und trotzdem glaube ich. Es gibt bei mir hinter allem Leid noch eine tiefere Schicht, die nach dem lebendigen Gott fragt und sucht und vertraut. Zu erklären ist das eigentlich nicht. Was ich aber spüre ist, dass dann mein Gottvertrauen in die Heilung führt. Hinter allem Leid, hinter aller Ungerechtigkeit gibt es für mich den lebendigen Gott. Hinter dem Tod wartet auf uns die Auferstehung.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der 4. Osterwoche (27.04.2021)
Impuls23b Du hast die Götter aus Gold und Silber, aus Bronze, Eisen, Holz und Stein gepriesen, die weder sehen noch hören können und keinen Verstand haben. Aber den Gott, der deinen Lebensatem in seiner Hand hat und dem all deine Wege gehören, den hast du nicht verherrlicht.
24 Darum hat er diese Hand geschickt und diese Schrift geschrieben.
25 Das Geschriebene lautet aber: Mene mene tekel u-parsin.
26 Diese Worte bedeuten: Mene: Gezählt hat Gott die Tage deiner Herrschaft und macht ihr ein Ende.
27 Tekel: Gewogen wurdest du auf der Waage und zu leicht befunden.
28 Peres: Geteilt wird dein Reich und den Medern und Persern gegeben.
29 Da befahl Belschazzar, Daniel in Purpur zu kleiden und ihm eine goldene Kette um den Hals zu legen, und er ließ verkünden, dass Daniel als der Dritte im Reich herrschen sollte.
30 Aber noch in derselben Nacht wurde Belschazzar, der König der Chaldäer, getötet.
(Dan 5,23b-30; Gesamttext des Tages: Dan 5,1-30)
Das „Menetekel“ ist sprichwörtlich geworden. Es steht für eine unheilverkündende Warnung, einen Mahnruf oder ein Vorzeichen für ein drohendes Unheil. Im heutigen Bibeltext eine sehr konkrete Botschaft an König Belschazzar. Die lange Vorgeschichte zu den letzten, dramatischen Versen macht ja auch deutlich, was hinter der Warnung steckt.
Aber ist das „Menetekel“ nicht viel tiefer gehend, viel allgemeiner – ja, mich betreffend?
„Den unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben,“ mahnt der Hl. Benedikt in unserer Ordensregel (RB 4,47). Als junger Mönch konnte ich damit nichts anfangen. Was soll das? Verstanden habe ich es nach einem schweren Autounfall, als der Mensch am anderen Ende der Notrufsäule nur fragte: „Und Sie leben noch?!“
Ja, ich lebte noch und lebe heute noch. Und lebe seit der Zeit viel bewusster. Nicht aus Angst vor dem Tod, sondern um der Chance zum Leben willen. HEUTE lebe ich – weiß ich, was morgen ist?! Heute kann ich die Chance nutzen, mein Leben zu gestalten, Liebe zu leben und weiterzugeben, die Freiheit, die Gott mir geschenkt hat, zu nutzen. HEUTE. (In Klammern: vielleicht auch ein klein wenig, um nicht „ausgezählt“ oder als „zu leicht“ empfunden zu werden …)
Ich kann es nicht glauben, Gott,
dass mein Leben einmal zu Ende sein soll.
Dass ich nicht mehr atme,
nicht mehr gehe, staune, genieße.
Jede Stunde kann meine letzte sein.
Kann ich daran denken?
Was will ich noch tun?
Wem noch etwas sagen?
Was noch möglich machen?
Ob ich es nicht schon heute tue, Gott?
Du schenkst mir einen neuen Tag.
Danke, Gott!
(Guido Hügen OSB in: Wegzeichen. Ein Gebetbuch für den Weg)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der 4. Osterwoche (26.04.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 3,1-30
Nebukadnezzar beabsichtigt, die Einheit seines Reiches dadurch zu festigen, dass er den Einwohnern, die ihm untergeben sind, vorschreibt, welches Gottesbild sie zu haben und zu verehren haben. Er möchte also die Menschen zur Einheit führen. Abgesehen davon, dass er es tut, um seine eigene Macht zu untermauern, ist das eigentlich ein hehres Ziel, aber eine echte Einheit kann es (in dieser Welt) faktisch (noch) nicht geben, zumal er dem Volk seine eigene Idee der Einheit aufzwingen möchte.
Er ist also äußerst intolerant gegenüber denen, die sich seiner Meinung nicht beugen und er möchte Vielfalt – Pluralismus – nicht akzeptieren. Alle, die nicht für ihn und seine Meinung stehen, sieht er als Feinde.
Schadrach, Meschach und Abed-Nego stehen vielmehr zu dem, an das sie glauben. Und sie vertreten ihre Überzeugung mit vollem Eifer, ganz unabhängig davon, ob Gott sie tatsächlich aus dem Feuer retten wird: Sie machen ihren Glauben nicht an einem Wunder fest, sondern an ihrer Überzeugung. So steht für sie die Treue zu Gott im Vordergrund. Denn sie sind im Glauben überzeugt, dass sie tatsächlich wissen, was Gott von ihnen verlangt, der ihnen selbst seine Gebote gegeben hat. Sie vertreten ihre Überzeugung so gut sie können.
Ihre Standhaftigkeit und der Wille Gottes bewirken schließlich, dass auch Nebukadnezzar die Wahrheit wenigstens ein Stück weit erkennt. Und zudem ist es Gott selbst, der entscheidet, was recht oder unrecht ist. Er gibt das Gelingen, wo es ihm gefällt!
Liebe*r Leser*in, ich sehe in dem Text vom heutigen Tag eine Einladung an uns, den Pluralismus auszuhalten, den es ja auch in unserer Kirche gibt. Das mag negativ klingen, so als ob ich einen negativen Blick auf den Pluralismus hätte, aber das meine ich gar nicht! Ganz im Gegenteil!
Dieses Aushalten von Spannungen, von unterschiedlichen Überzeugungen, ist in unserer heutigen Welt und in unserer heutigen kirchlichen Realität wichtiger denn je! Denn im Beispiel des Blicks auf die Kirche gilt: Wenngleich es ein kirchliches Lehramt gibt, gibt es doch viele Menschen, die sich heute nicht in allen Belangen mit diesem Lehramt und seinen Lehrmeinungen identifizieren können. Es wäre wohl falsch, so zu tun, als ob dies anders wäre, als ob bestimmte Menschen – diejenigen, die das Sagen haben – ganz genau wüssten, was Gott will, ohne dass sie dies vernünftig begründen könnten. Oft sind Sachverhalte ja gar nicht so klar! Dies gilt gerade dort, wo derzeit Spannungen bestehen! So hoffe ich, dass wir uns in Toleranz üben können, im Vertrauen darauf, dass Gott auch in unserer Zeit das Gelingen gibt, wo er es für richtig hält!
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am 4. Ostersonntag (25.04.2021)
ImpulsÜber der heutigen Betrachtung steht der Psalm 67, welcher überschrieben ist (Lutherübersetzung): GOTTES SEGEN ÜBER ALLE WELT.
Ich halte das für eine sehr beruhigende und kraftvolle Überschrift. Benötigen wir doch gerade in diesen Tagen und Wochen immer wieder neu den Zuspruch von Hoffnung und Leben, von Gutheißung und Zukunft.
In diesem Psalm kommt das Wort „segne uns“ vielfach vor. Der Beter bittet Gott um seinen Segen, seinen Beistand, seine Nähe.
„Gott sei uns gnädig und segne uns“. Mich berühren diese Psalmworte immer neu, da sie mir verdeutlichen, welches Vertrauen Menschen ihrem Gott nahegebracht haben. Was sie schon alles durch den Segen Gottes an Gutem erfahren und geschenkt bekommen haben. Großartig! Eine Einladung auch für jede und jeden von uns persönlich.
Segen und Segnen sind im AT und NT zentrale Begriffe.
Segen meint: Kraft, Fruchtbarkeit, gelingendes Leben, hilfeschaffende Kraft des segnenden Schöpfergottes…
Segnen meint: Gut reden von, loben, preisen und rühmen…
Wenn wir ehrlich sind, tragen wir alle diese Sehnsucht nach Kraft und gelingendem Leben in uns.
In der seelsorglichen Begleitung und in Exerzitienkursen spüre ich eine große Aufmerksamkeit im Blick auf „GESEGNET WERDEN“ und „GESEGNET SEIN“.
Vielleicht nutzen Sie heute den Tag, um sich der Segensfülle bewusst zu werden, die über Ihrem Leben ausgegossen ist.
Sie sind: GELIEBTE TOCHTER / SOHN GOTTES!
Sie sind: GELIEBTE SCHÖPFUNG!
Im Schöpfungsbericht heißt es: ES IST ALLES SEHR GUT!
Mit dem Segen steht die Dankbarkeit in enger Verbindung. Wer Gutheißung erfahren hat, aus welchem Grund auch immer, wird dafür dankbar sein.
Grund zur Dankbarkeit besteht im Kleinen und im Großen. Allein unser Leben ist Geschenk und alles, was uns zum täglichen Leben zur Verfügung steht.
Somit können wir frohgemut den Vers 6 zufügen: ES DANKEN DIR, GOTT, DIE VÖLKER, ES DANKEN DIR ALLE VÖLKER.
Der Vierte Ostersonntag ist in der katholischen Tradition der GUTE-HIRTE-SONNTAG und zugleich Welttag der Geistlichen Berufungen.
Und so schreibt Papst Franziskus in seiner Botschaft zum heutigen Tag: „JA“ zum Herrn zu sagen, der immer überrascht und nie enttäuscht!
Ich wünsche Ihnen für heute ein frohes und empfängliches Herz:
GEH UNTER DER GNADE;
GEH MIT GOTTES SEGEN;
GEH IN SEINEM FRIEDEN…
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Samstag der 3. Osterwoche (24.04.2021)
ImpulsImpuls zu Dan 2,24-49: Wie ein Traum wird es sein…
Puh, Gott sei Dank, war das nur ein Traum!
Vielleicht geht es Ihnen auch immer wieder mal so, dass Sie aufwachen und froh sind, dass dies eben, was Sie da erlebt haben, nur ein Traum war. Wir Menschen träumen im Schlaf ja so manche Dinge und manchmal erwische ich mich, wie ich mich frage: Was hatte denn dieser Traum jetzt für mich zu bedeuten?
König Nebukadnezar im heutigen Textabschnitt aus dem Buch Daniel (Dan 2,24-49) geht es da ähnlich. Er hatte einen erschreckenden Traum, aber der enthielt nicht nur eine Botschaft für ihn, sondern für alle Menschen. Da er ihn selbst nicht deuten konnte, wollte er, dass die Weisen seines Reiches ihm helfen. Aber auch die waren eher hilflos als hilfreich. Bis auf Daniel, denn er deutet den Traum des Königs und öffnete ihm die Augen. Er machte ihm klar, dass er zwar über das stärkste Reich der damaligen Welt herrschte und nach dem Sieg über Ägypten scheinbar als unbesiegbar galt, aber dass eben sein Reich doch nur von begrenzter Dauer sei. Und er, der mächtige König, nur ein kleines Rädchen in der Geschichte der Zeit. Und Daniel unterstrich, dass nur Gott allein der Gott Israels, der souveräne Herrscher über die ganze Welt ist.
So zeigte Gott damals dem mächtigen König Nebukadnezar, dass er trotz seiner gefühlten Macht in allem Gott unterstand und dass sein Reich eben nicht ewig bestehen würde. Und alle Menschen und so auch König Nebukadnezar sollten Gott anerkennen und Gottes Reich bejahen, anstatt nur an ihr eigenes Reich zu denken. König Nebukadnezar reagierte damals sehr eindrücklich, indem er sich vor Daniel niederwarf und befahl, man sollte ihm Speiseopfer und Räucheropfer darbringen. Und zu Daniel sagte der König: Es gibt keinen Zweifel, euer Gott ist ein
Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige, der Geheimnisse offenbaren kann, wie du das Geheimnis meines Traumes mir geoffenbart hast.
Leider hielt diese Einsicht des Königs Nebukadnezars nicht lange so an, er zog keine dauerhaften Konsequenzen und er unterstellte sich auch nicht Gottes Herrschaft.
Ob die anderen Menschen da konsequenter waren?
Und wie sieht es bei uns aus?
Wird alles zum Albtraum?
Oder ist es, wie Lothar Zenetti es einmal beschrieben hat: „Wie ein Traum wird es sein, wenn der Herr uns befreit zu uns selbst und zum Glück seiner kommenden Welt“.
Einen guten Tag
wünscht Ihnen
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Freitag der 3. Osterwoche (23.04.2021)
ImpulsÜber Nebukadnezars Traum (Dan 2,1-23)
Ein König träumt. Dies ist der Dreh- und Angelpunkt der folgenden neunundvierzig Verse (Die zweite Hälfte folgt in der Leseordnung erst morgen).
Was heißt es, dass er träumt? Träume sind in der Hebräischen Bibel durchaus bekannt. Der Patriarch Josef träumt und wird dafür verspottet und nach Ägypten verkauft. Der Patriarch Jakob träumt und erkennt darin die Verbindung zu JHWH. Dies sind nur zwei Beispiele. Hier träumt jetzt – nicht weiter ungewöhnlich, weil auch der Pharao einen wahrsagenden Traum hat – ein heidnischer König und möchte sich den Traum deuten lassen.
Traum als Verbindung zum Göttlichen? Heute, für uns moderne Menschen doch etwas weit hergeholt. Andere Kultur, andere Zeit, anderes Weltbild. Ja, stimmt und das muss auch immer berücksichtigt werden. Darum ist die Erforschung der kulturellen Umwelt so wichtig und darf nicht vernachlässigt werden. Wir dürfen aber auch nicht einfach das, was da im Wortlaut steht, unhinterfragt und nicht kritisch reflektiert übernehmen. Das geschieht leider viel zu oft. Selbst höchste Stellen in Rom sind nicht immer vor einem solchen Fehler gefeit, wie man in der aktuellen Diskussionslandschaft leicht feststellen kann.
Aber muss es deswegen gleich alles als überholt abgeschrieben werden?
Der Begründer der Psychoanalyse, der Wiener Sigmund Freud hat 1900 ein Werk veröffentlicht, das sich mit Träumen beschäftigt: „Die Traumdeutung“. In seiner Zeit innovativ, eröffnete es die psychologische Erforschung von Träumen. Sein Freund und Kollege Carl Gustav Jung wandelte seine Gedanken ab und entwickelte – das führte dann auch zum Bruch zwischen beiden – seine eigene, Freud widersprechende Theorie der analytischen Psychologie. Wir sehen: Auch in der Moderne verlor das Thema nicht an Brisanz. Wo ist hier der Unterschied? Er liegt darin, woher die „Botschaften“ kommen. Sind es „Botschaften“ des Göttlichen oder „Botschaften“ des Unterbewussten, die sich Raum schaffen?
Immer noch besteht die Brisanz, wie ich mit solchen Texten umgehe.
Alle drei Wege werden dem Text nicht gerecht.
Es geht, wie immer um einen Mittelweg, den es einzuhalten gilt.
Einen Text wahrnehmen, wie er ist – Das ist die Aufgabe. Eintreten in einen Dialog mit dem von Menschen in einer anderen Zeit geschriebenen Text: Das wahrnehmen, was mich irritiert, und das, was mich anspricht. Das wahrnehmen, was ich in genau diesem Augenblick als Botschaft wahrnehme, die mir der Autor vermitteln will. Alles kann sich wenig später geändert haben, aber vielleicht schlägt es in mir eine Saite an, die nachklingt. Vielleicht muss ich nicht verzweifelt raten, wie die Deuter im heutigen Abschnitt, sondern mir wird – wie Daniel – das klar, was vielleicht gar nicht ausgesprochen wurde. Das ist ein verborgener Traum, den es zu erraten gilt, um ihn dann zu deuten. Vielleicht ist es das, was Joseph von Eichendorff meinte, als er schrieb:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am Donnerstag der 3. Osterwoche (22.04.2021)
ImpulsVom „Mut, Dinge wirklich anders zu machen“ – Gedanken zu Dan 1,1-21
Ein Volk im Umbruch, eine Welt im Wandel: So setzt das Buch Daniel in seine Erzählung ein. Nebukadnezar, der babylonische König, erobert Jerusalem, raubt den Tempelschatz und nimmt die Oberschicht als Geiseln mit; ins Exil.
Ein Volk am Ende? So könnte man schnell meinen. Die Veränderung des Gewohnten ist gewaltig. Man könnte resignieren. Das ist Verlust von Freiheit durch ein Regime. Das ist das Ende des Vaterlandes. So geht ja alles nur zu Grunde. Kennen wir solche Parolen nicht auch heute?
Bemerkenswert ist, dass der heutige Abschnitt des Bibelleseplans gar nicht auf solche Emotionen, die es hier bestimmt auch gegeben hat, eingeht. Vielmehr werden die neuen Wege betont. Ungewöhnlich vielleicht – wenn auch nicht direkt aus heutiger Sicht -, da wollen vier junge Männer vegan leben. Aufgrund der kaschrut, der jüdischen Speisevorschriften, denen sie aus Überzeugung treu bleiben wollen, wollen sie nicht den guten Lebensstil haben. Keinen Wein, kein Essen von der royalen Tafel: Einfach Gemüse. Da steht Treue zu ihren Überzeugungen hinter.
Ja, auch das Gegenargument ist auch heute noch bekannt: Nicht den gewohnten Lebensstil, nicht das Alteingesessene? Das kann ja nichts werden. „Warum soll er [der König] sehen, dass eure Gesichter schmächtiger sind als die der anderen?“ (Dan 1,10b) So ein Leben, das nicht bloß auf Konsum setzt – „mehr; höher; weiter“ ist das Motto! – wird als seltsam, unnatürlich dargestellt.
Junge Leute wagen Veränderung. Sie merken, dass es so nicht weiter gehen kann und dass sie – die neue Generation – neue Wege beschreiten müssen, weil die vorherigen Entscheidungen nur in die Katastrophe führten.
Die Veränderungen gelingen zur Überraschung der Anderen. Der Mut, Dinge wirklich anders zu machen, zahlt sich aus.
Fragen wir – die Jungen und auch die Älteren- uns im Heute, wenn wir so etwas lesen:
Was ist die Aufgabe meiner Generation?
Habe ich den Mut, Dinge anders zu gestalten und so mutig in die Zukunft zu gehen?
Will ich nur, dass alles beim Alten bleibt?
Deute ich Einmütigkeit in Entscheidungen als Schwäche und Offenheit in der Position als Unentschiedenheit? Oder ist es für mich Ausdruck eines Stils, der im Dialog neue Wege sucht?
Wie reagiere ich, wenn junge Leute für ihre Überzeugungen freitags auf die Straße gehen, um Veränderungen einzufordern?
Es ist Zeit für eine sanfte, aber bewusste Veränderung, eine Veränderung, die mutig in die Zukunft geht und doch im Dialog und Austausch ist. Wir können die Zukunft gut gestalten, wir müssen es nur wagen und dann auch machen. Manchmal muss man – persönlich und als Gesellschaft – einfach den Sprung ins kalte Wasser wagen und wählen, was vielleicht ungewohnt und neu ist, damit die Zukunft gut werden kann.
Für mich persönlich, als junger Mensch, ist es eine sehr tröstliche Botschaft im heutigen Bibelabschnitt.
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am Mittwoch der 3. Osterwoche (21.04.2021)
Impuls„Ihn habe ich eben deshalb zu euch gesandt, dass ihr unsere Umstände erfahrt und er eure Herzen tröstet, …“ (Kol 4,8), so in unserem heutigen Text (Kol 4,7-18). Er soll die Herzen trösten! Trost spenden – das ist auch eine ganz göttliche Angelegenheit. Der Hl. Geist wird der Tröster genannt.
Doch – was ist das eigentlich: Trost? Oder anders gefragt: Was tröstet mich denn überhaupt? Stellen wir uns eine reale Situation vor, in der es mir gut täte, getröstet zu werden. Vielleicht eine Situation der Krankheit, des Verlustes… Da tut es gut, wenn jemand da ist und … Ja, was soll er denn tun? Große Reden schwingen? Ich glaube, das Wichtigste ist, dass er einfach da ist. Vielleicht meine Hand hält, mich in den Arm nimmt. Und mir Raum gibt – in meinem Erzählen, meinem Weinen… Trost spendet mir die Erfahrung, nicht allein zu sein und deshalb: geliebt zu sein, angenommen zu sein. Einfach so. Und genau das will mir der Geist Gottes vermitteln: dass Gott der „Ich-bin-da“ ist. Und – dass ich geliebte Tochter, geliebter Sohn bin. Jede und jeder. Immer und überall. Ja, das kann mir ein festes Fundament für mein Leben geben. Gerade auch in den Krisen. Und trösten…
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dienstag der 3. Osterwoche (20.04.2021)
Impuls2 Lasst nicht nach im Beten; seid dabei wachsam und dankbar! 3 Betet auch für uns, damit Gott uns eine Tür öffnet für das Wort und wir vom Geheimnis Christi sprechen können, um dessentwillen ich im Gefängnis bin; 4 betet, damit ich es so kundtue, wie davon zu sprechen meine Pflicht ist! 5 Seid weise im Umgang mit den Außenstehenden, nutzt die Zeit! 6 Euer Wort sei immer freundlich, doch mit Salz gewürzt, denn ihr müsst jedem in der rechten Weise antworten können. (Kol 4,2-6)
Lasst nicht nach im Beten!
Damit ist nicht gemeint, dass wir quasi ständig irgendwelche Gebete vor uns hin sprechen müssen. Möglichst so, dass viele mitbekommen, wie fromm ich bin. Dazu hat Jesus eine klare Meinung. Wir sollen nicht plappern wie die Heiden. Paulus will uns damit auffordern, uns immer in die Gegenwart Gottes zu stellen. Nicht nur während eines Gottesdienstes, sondern in allen Lebenssituationen. Für uns Christen gibt es deshalb auch keine Unterscheidung zwischen weltlichen und geistlichen Räumen. Die ganze Welt ist der Tempel des Herrn. Mich in die Dimension Gottes zu stellen, ermöglicht es mir, mich von Ihm begleitet zu wissen. Von Ihm gewollt zu sein. Das gibt meinem Leben die notwendige Gelassenheit.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Montag der 3. Osterwoche (19.04.2021)
ImpulsWenn wir die heutige Tageslesung (Kol 3,18-4,1) lesen, die mit „christliche Hausordnung“ überschrieben ist, werden wir aus einer modernen Perspektive wohl öfter mit dem Kopf schütteln: Unterordnung der Frau unter den Mann, Gehorsam des Sklaven gegenüber seinem Herrn, des Kindes gegen den Vater. Aber auch – und das ist revolutionär für die damalige Zeit: Liebe und Sanftmut des Mannes seiner Frau gegenüber, keine Einschüchterung der Kinder von den Eltern, Gerechtigkeit der Herren gegenüber den Sklaven.
Ich finde, es ist wichtig, diesen so zeitbedingten Text in eine Sprache zu „übersetzen“, die den bleibenden Wert der Anweisungen für Menschen des 21. Jahrhunderts verdeutlicht. Daher folgt nun ein solcher Übersetzungsversuch:
Ihr Menschen, die ihr in einer Beziehung lebt, seid einander in gegenseitiger Liebe verbunden und achtet einander.
Ihr Menschen, die ihr allein lebt, sucht euch gute Freundinnen und Freunde, mit denen ihr eine gute Form der Intimität pflegen könnt.
Ihr Kinder, lasst euch von euren Eltern etwas sagen, denn sie meinen es gut mit euch und wollen nur euer Bestes.
Ihr Eltern, seid nachsichtig mit euren Kindern und erinnert euch daran, dass auch ihr einmal jung wart.
Ihr Angestellten und Arbeiterinnen, seht eure Arbeit nicht nur als Gelderwerb, sondern vielmehr als Berufung. Ihr könnt mit eurer Arbeit etwas bewegen und zu Mitschöpferinnen und Mitschöpfern Gottes werden. Denkt daran, dass euer Handeln Auswirkungen auf andere Menschen hat.
Ihr Chefs und CEO’s, traut euren Mitarbeitenden etwas zu, gängelt sie nicht. Und wenn einer in der Arbeit besser zu sein scheint als ihr, dann fördert ihn oder sie.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 3. Ostersonntag (18.04.2021)
Impuls…und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar. (aus Psalm 23)
Viele Menschen kennen den 23. Psalm auswendig und bei vielen Beerdigungen wird er gesungen und am Grab gebetet. Für mich ist der Psalm mit seiner Rede von den grünen Auen und dem Ruheplatz am frischen Wasser ein Bild für das Leben nach dem Tod, so wie ich es mir vorstelle: Über der grünen Wiese, auf der der Tau eines neuen und ganz anderen Morgens glänzt, leuchtet die österliche Sonne der Ewigkeit.
Das finstere Tal des Todes ist bereits durchschritten und selbst da war ich nicht alleine: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.“
Mich tröstet dieser Psalm in einer Zeit, in der die Zahlen der Corona-Toten immer weiter steigen. Es fällt mir schwer und treibt mir die Tränen in die Augen, darüber nachzudenken, wie viele von ihnen einsam gestorben sind. Und wie viel Schmerz, Trauer und Wut es bei denen geben muss, die ihre liebsten Menschen in diesen Stunden nicht noch einmal sehen konnten, um Abschied zu nehmen.
Mich tröstet die Vorstellung, dass es für die Verstorbenen jenseits unserer Welt und Zeit diesen Frühling der Auferstehung geben wird: Dass ihnen der Tisch gedeckt sein wird und sie bereits erwartet werden.
Und mich trägt in meinem Leben die Hoffnung, dass auch ich einmal in dieses Haus des Vaters heimkehren werde, wo ich schon erwartet werde und in dem ich bleiben darf immerdar…
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Samstag der 2. Osterwoche (17.04.2021)
Impuls12 Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! 13 Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist!
(Kol 3,12-14 – Gesamttext der Tageslesung: Kol 3,12-17)
„Den Nächsten lieben,“ kann man die Worte aus dem Brief an die Gemeinde in Kolossä zusammenfassen. Nach den Worten Jesu fehlt dann nur noch: „wie dich selbst.“ (vgl. z.B. Mk 12,31) Leider haben wir die Aufforderung Jesu wie Paulus oft verengt nur auf den Nächsten.
Aber ja: liebe dich selbst! Nimm dich an, wie du bist – damit du andere annehmen kannst, wie sie sind. Und mehr noch: damit du für sie (und für Gott) so da sein kannst, wie du bist. Mit deinen Fähigkeiten und Eigenschaften, mit Grenzen und Stärken.
Deshalb: sei gut zu dir, gönne dich dir selbst: dann wirst du auch zu anderen gut sein. (vgl. Sir 14,5) Denn: auch Gott liebt dich und nimmt dich an!
Wenn das für dich keine Floskel ist, dann hat das die „Konsequenzen“, die Paulus aufzeigt. Sie zeigen sich noch einmal aufmunternder in der Übersetzung der „Volxbibel“:
Wie Christen drauf sein sollen
12 Weil Gott euch ausgesucht hat, weil ihr etwas ganz Besonderes seid und weil Gott euch ohne Ende liebt, könnt ihr auch anders miteinander umgehen! Ihr könnt euch wirklich lieben und nett zueinander sein. Ihr müsst euch selber nicht so wichtig nehmen. Achtet lieber darauf, dass andere nicht zu kurz kommen. Und geht entspannt und geduldig miteinander um!
13 Streitet euch nicht, und wenn euch jemand geärgert hat oder mies zu euch war, dann seid bereit, ihm das zu vergeben. Das hat Jesus ja schließlich auch getan.
14 Hey, Leute, am wichtigsten ist es echt, sich zu lieben! Wenn ihr die Liebe nicht habt, dann fehlt euch das Beste.
15 Jesus hat euch ermöglicht, Frieden mit Gott zu haben. Darum soll dieser Frieden euer ganzes Leben bestimmen. Gott möchte, dass das bei eurer ganzen Gemeinde der Fall ist. Dafür könnt ihr ihm echt danken.
16 Sorgt dafür, dass die gute Nachricht von Jesus bei euch immer wieder erzählt wird. Lasst euch erklären, was sie bedeutet. Macht euch gegenseitig Mut, indem ihr zusammen Lieder zu Gott singt, Psalmen betet oder einfach Musik für Gott macht. Ihr habt doch genug Grund dazu, oder?
17 Egal, was ihr macht, ob ihr gerade redet oder irgendwas arbeitet, macht alles so, dass Jesus seine Unterschrift drunter setzen könnte, und bedankt euch dabei bei eurem Papa im Himmel.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Freitag der 2. Osterwoche (16.04.2021)
Impuls5 Darum tötet, was irdisch an euch ist: Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist! 6 All das zieht den Zorn Gottes nach sich. 7 Einst war auch euer Lebenswandel von solchen Dingen bestimmt, ihr habt darin gelebt. 8 Jetzt aber sollt auch ihr das alles ablegen: Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung und schmutzige Rede, die aus eurem Munde kommt. 9 Belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt 10 und habt den neuen Menschen angezogen, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen. 11 Da gibt es dann nicht mehr Griechen und Juden, Beschnittene und Unbeschnittene, Barbaren, Skythen, Sklaven, Freie, sondern Christus ist alles und in allen. (Kol 3,5-11)
Wenn heute jemand von der Vision eines „neuen Menschen“ spricht, dann werde ich zunächst einmal skeptisch. Zu sehr muss ich an historische Erfahrungen denken, wo auch das Bild eines neuen Menschen entworfen wurde, eines „Übermenschen“ – mit der Folge, dass alles, was nicht in dieses Bild passte, gnadenlos vernichtet werden musste.
Die Vision, mit der der heutige Abschnitt des Kolosserbriefes endet, ist anders. Da wird die Welt nicht mehr eingeteilt in „Über- und Untermenschen“, da gibt es keine Abgrenzung mehr zwischen Nationalität, Religion oder Stand eines Menschen.
„Christus ist alles und in allen.“ Das macht den entscheidenden Unterschied. Nicht wir müssen die Menschen einteilen und klassifizieren, nicht wir müssen den neuen Menschen aus eigener Kraft schaffen – das führt irgendwann in die Unmenschlichkeit. Nein, wir dürfen den „neuen Menschen“ anziehen, weil er uns geschenkt wird. Wenn wir in Christus leben, im Bewusstsein, dass wir alles von Ihm haben, dann brauchen wir uns nicht als Über- oder Untermenschen zu fühlen, sondern dürfen einfach Mensch sein…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag der 2. Osterwoche (15.04.2021)
ImpulsTageslesung: Kol 3,1-4
Ihr seid mit Christus auferweckt…
Und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott.
Der Kolosserbrief versucht in unterschiedlichen Nuancen, die Existenz des Christen zu umkreisen. Durch unsere Taufe tragen wir als Christen unzerstörbares Leben bereits jetzt in uns. Bildlich ausgedrückt heißt das, dass wir Träger eines unzerstörbaren und göttlichen Lebenskeimes in uns sind. Diese Sicht kann ein Fundament bilden, tiefer, freier und lebensbejahender unser derzeitiges Leben zu gestalten. Das Himmlische, somit das Göttliche ist nicht nur „oben“, sondern bereits in unseren Herzen. Unsere Herzen können demnach nicht anders als Güte und Liebe zu leben. Diese bilden unseren göttlichen Ausdruck in dieser Welt, da ja Güte und Liebe Gott vergegenwärtigen. Wir sind von Gott Beschenkte und werden selbst zum Geschenk für diese Welt, wo wir dem Leben dienen. Wir haben Anteil am Wesen Jesu Christi. Die volle Fülle göttlichen Lebens bleibt unser Ziel.
Einen weiteren Hinweis halte ich für bedenkenswert. Unser je eigenes Leben mit all seinen Brüchen und Leiderfahrungen, aber auch mit den beglückenden Erfahrungen ist bereits verbunden mit Gott, in der Existenz Gottes aufgehoben. Jetzt schon sind wir als erlöste Menschen in Gottes Gegenwart geborgen.
Mich tröstet es, um diese tiefe Geborgenheitserfahrung zu wissen.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der 2. Osterwoche (14.04.2021)
Impuls16 Darum soll euch niemand verurteilen wegen Speise und Trank oder wegen eines Festes, ob Neumond oder Sabbat. 17 Das alles ist nur ein Schatten von dem, was kommen wird, die Wirklichkeit aber ist Christus. 18 Niemand soll euch den Kampfpreis absprechen, der sich gefällt in Unterwürfigkeit und Verehrung, die er den Engeln erweist, der als Eingeweihter mit Visionen prahlt und sich ohne Grund nach weltlicher Art wichtig macht. 19 Er hält sich nicht an das Haupt, von dem aus der ganze Leib durch Gelenke und Bänder versorgt und zusammengehalten wird und durch Gottes Wirken wächst. 20 Wenn ihr mit Christus den Elementarmächten der Welt gestorben seid, warum lasst ihr euch dann, als würdet ihr noch in der Welt leben, vorschreiben: 21 Berühre das nicht, iss das nicht, fass das nicht an! 22 Das alles wird verbraucht und dadurch vernichtet. Menschliche Satzungen und Lehren sind es. 23 Man sagt zwar, in ihnen liege Weisheit, es sei freiwillige Frömmigkeit und Unterwürfigkeit, den Leib nicht zu schonen. Doch das bringt keine Ehre ein, sondern dient nur zur Befriedigung irdischer Eitelkeit. (Kol 2,16-23)
Die Textstelle fasst für mich sehr gut zusammen, worum es bei Paulus immer wieder geht: die Freiheit, die wir gewonnen haben durch Tod und Auferstehung Jesu nicht wieder zu verlieren. Nicht wieder in die Unfreiheit einer formalen Gesetzesfrömmigkeit zu verfallen. Nährboden der Unfreiheit aber ist die Angst. Die Angst, etwas falsch zu machen. Sei es im Kult, sei es durch Speisen, sei es durch Begegnungen und Berührungen. Der Umgang mit der Angst, die in die Unfreiheit führt, ist geprägt durch Jesu Umgang mit den Vorschriften des Gesetzes, die er immer wieder bewusst verletzt. Bei Augustinus heißt es: Liebe und tu was Du willst. Wenn etwas aus Liebe geschieht, kann es nicht falsch sein. Erinnern wir uns immer wieder daran, wie Jesu Umgang mit der Schuld ausgesehen hat: „Frau, hat Dich niemand verurteilt? Auch ich verurteile Dich nicht.“ Wir sind seit Ostern Erlöste. Daran möchte uns die heutige Textstelle erinnern.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der 2. Osterwoche (13.04.2021)
ImpulsEr hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. (Kol 2,14 – ganze Tageslesung: Kol 2,8-15)
Wo ich weiß, dass mir all meine Verfehlungen vergeben sind, ist es mir möglich, als freier Mensch zu leben! Zu dieser Freiheit hat Christus uns befreit!
Es ist allerdings keine Freiheit, die zum Ziel hätte, dass ich nach meinem eigenen Gutdünken handle, denn gerade das wäre, nach biblischem Verständnis, noch ein sehr unfreies Verhalten.
Nein, vielmehr geht es hierbei um die Freiheit, die dazu führt, Gutes zu tun, Gott zu ehren und meinen Nächsten zu lieben, wie mich selbst.
An solchem befreiten, guten Handeln wird man erkennen, dass jemand Christ ist!
Auch alle anderen Verbote, Selbstkasteiungen etc. sind bloß menschliche Satzungen und Lehren (Kol 2,22f), die vor Gott keine Ehre einbringen, sondern nur der Befriedigung irdischer Eitelkeit dienen (23). Insofern sind sie nutzlos und entsprechen nicht einem christlichen Leben.
Ein Christ soll nicht das Irdische suchen, sondern nach dem Himmlischen streben! Da Christus mich befreit hat, möchte ich ihm antworten und ihm entgegeneilen!
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Montag der 2. Osterwoche (12.04.2021)
ImpulsIch will euch nämlich wissen lassen, was für einen schweren Kampf ich für euch und die Gläubigen in Laodizea zu bestehen habe, auch für alle anderen, die mich von Angesicht nie gesehen haben. Dadurch sollen sie getröstet werden, verbunden in der Liebe, um die tiefe und reiche Einsicht zu erlangen und das Geheimnis Gottes zu erkennen, das Christus ist. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Das sage ich, damit euch niemand durch Überredungskünste täuscht. Denn wenn ich auch leiblich fern von euch bin, im Geist bin ich doch bei euch. Mit Freude sehe ich, wie fest und geordnet euer Glaube an Christus ist. Ihr habt also Christus Jesus als Herrn angenommen. Darum führt auch, wie es ihm entspricht, euren Lebenswandel! Bleibt in ihm verwurzelt und auf ihn gegründet, gefestigt durch den Glauben, in dem ihr unterrichtet wurdet! Seid voller Dankbarkeit! (Kol 2,1-7)
Bleibt in IHM verwurzelt – Gott nur genügt!
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
nach ihrem Tod fand man im Gebetbuch der Hl. Teresa von Ávila einen kleinen, mit der Hand geschriebenen Text, den sie wohl immer wieder gesprochen hat: „Nichts soll dich verstören, nichts dich erschrecken, alles vergeht“, heißt es da. Und Teresa von Ávila formulierte weiter: „Gott ändert sich nicht. Geduld erlangt alles; wer Gott hat, dem fehlt nichts.“
Vielleicht hat sie sich mit diesen Gedanken immer wieder ermutigt, den Weg der Nachfolge Jesu treu weiterzugehen und in IHM verwurzelt zu bleiben, denn sie schließt ihren Text mit den Worten: „Sólo Dios basta – Gott nur genügt.“
Vielleicht hat sich Teresa mit diesen Gedanken aber auch einfach in Erinnerung gerufen, was sie selbst im Psalm 1 immer wieder gebetet hat. Nämlich wie ein Baum am Wasser gepflanzt zu sein und dadurch reiche Frucht zu bringen.
Vielleicht hätte dann der Apostel Paulus auch zu Ihr gesagt: „Mit Freude sehe ich, wie fest und geordnet dein Glaube an Christus, an Gott ist“ (vgl. Kol 2,5).
Bleiben für mich und uns heute die Fragen:
• Wie fest und geordnet ist mein Glaube an Christus, an Gott?
• Welchen handgeschriebenen Text habe ich in meinem Gebetbuch?
• Mit welchen Worten mache ich mir selbst immer wieder Mut, im Glauben weiterzugehen?
• Kann ich auch sagen: „Sólo Dios basta – Gott nur genügt?“
Erst durch Gott bekommt für mich alles einen Sinn und alles, was ich erlebe eine Tiefe.
Deshalb möchte ich in IHM verwurzelt bleiben und bitte euch, helft mir dabei!
Gute gemeinsame Wege und heute einen guten Tag
wünscht
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am 2. Ostersonntag (11.04.2021)
ImpulsTageslesung: Psalm 116
„Mich umfingen Fesseln des Todes,
Drangsal der Unterwelt befiel mich,
ich erfuhr Bedrängnis und Kummer.
Da rief ich den Namen des Herrn an:
Ach Herr, rette mein Leben.
Der Herr behütet die schlichten Herzen.
Ich war schwach und gering, – er brachte mir Hilfe.
Ja, du hast mein Leben dem Tode entrissen,
mein Auge den Tränen, meinen Fuß dem Straucheln.
Ich glaube,
auch wenn ich sagen muss:
Ich war zutiefst erniedrigt,
ich sagte, als ich in Bedrängnis war:
Die Menschen lügen alle.“
Diese Verse des 116. Psalms, welchen wir in der Osteroktav jeden Tag gebetet haben, zeigen mir erneut, dass Gott besonders dort helfen kann, wo ich meine Schwäche zugebe.
Eine Freundin fragte mich vor kurzem: „Warum ist das Symbol für das Christentum eigentlich das Kreuz? Ist das nicht sogar fast makaber?“
Es ist wahr:
Im Mittelpunkt jeder katholischen Kirche erwartet den Gast das Bild einer am Kreuz hängenden Leiche. Im Zentrum unseres Glaubens steht der menschgewordene, als Verbrecher hingerichtete Sohn Gottes. Zwar „relativieren“ eine Fülle von anderen Bildern, Gemälden, Symbolen und Skulpturen den Schrecken dieses Anblicks – sie vermitteln, dass der Tod in unserem Glauben nicht das letzte Wort hat. Aber umso seltsamer ist es doch, dass nicht der Auferstandene das Zentrum beherrscht, sondern der Tote.
Gott entscheidet sich, Mensch zu werden, doch mit welch radikaler Konsequenz! Er wird in ärmlichsten Verhältnissen im Stall geboren und stirbt als Verurteilter. Der heutige Psalm zeigt auf, dass Gottes Gnade stärker wirken kann, je größer die Not ist.
„Wie kann ich dem Herrn vergelten
all das Gute, das er mir erwiesen?
Ach Herr, ich bin doch dein Knecht,
dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd.
Gelöst hast du meine Fesseln.“
Ich stelle mir vor, wie Jesus selbst den Psalm betet, nachdem er auferstanden ist, im Rückblick auf seinen Kreuzweg. Es wird im Nachhinein klar, dass sein Vater selbst, nein gerade in diesem Moment bei ihm war.
Das Opfer Christi am erhöhten Kreuz spannt sich über die gesamte Breite, vom „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ im tiefsten Elend bis hin zur Auferstehung in Herrlichkeit. Es füllt die Leere des scheinbaren Nichtvorhandenseins Gottes und versöhnt unsere kaputte Welt mit dem dreifaltigen Gott. In der Wahrnehmung und Akzeptanz unseres Geschwächtseins und unserer Schwächen, ja im Erhöhen jener am Kreuz liegt die Chance wirklicher Heilung, die Auferstehung.
Br. Jonathan von Holst OSB
Impuls am Ostersamstag (10.04.2021)
ImpulsIhr Diener bin ich geworden gemäß dem Heilsplan Gottes, um an euch das Wort Gottes zu erfüllen. (aus Kol 1,24-29)
Vor kurzem habe ich eine Reportage über ein Grandhotel in Genf gesehen. Der Portier des Hotels berichtete in einem Interview offen und leidenschaftlich über seine Liebe zu seinem Beruf. Ganz selbstverständlich erzählt er, dass er schon immer gerne anderen Menschen gedient hat.
Das ist sicher für viele von uns nicht ganz leicht nachzuvollziehen. Dienen, da muss man sich doch klein machen, oder wird man kleingemacht, und überhaupt, was hat man selbst davon?
In einer anderen Dokumentation reist ein junger Mann mit dem Fahrrad durch den Iran, und das im Jahr 2019. Ständig wird er von Fremden zum Tee oder zum Essen eingeladen, bietet man ihm ein Nachtquartier an. In einem Dorf lassen ihn die Bewohner sogar in ihrer Moschee schlafen, weil es nachts draußen zu kalt zum Zelten ist. Das entspricht alles nicht den Vorurteilen, die wir dem Iran normalerweise gegenüber haben.
Die Liebe zu dienen, oder einem Fremden zu helfen, dem Gast ein Freund zu sein, ist in vielen Kulturen selbstverständlich.
Einem Menschen zu helfen, ihm die Sicherheit zu geben, wenn er sich unsicher fühlt, ihn willkommen zu heißen, sind scheinbar einfache Dinge, die aber viel bewirken können.
Das Heil Gottes fängt nicht erst in einer Kirche beim Gottesdienst an. Es beginnt an unserer Haustür, und manchmal klingelt es sogar an unserer Tür.
„Wer einem anderen die Hände reicht, bringt Segen über sein Haus“, heißt ein arabisches Sprichwort.
Im Benediktinischen ist die Gastfreundschaft elementar, und gerade in jedem Fremden soll man Christus sehen. Das ist nicht immer leicht, aber es hält ein Kloster lebendig.
Es ist schon seltsam, dass in einer Dienstleistungsgesellschaft das Dienen keinen guten Stand hat. Dabei ist es doch eigentlich seine Quelle.
Dem Heil zu dienen, heißt letztendlich Menschen zu dienen.
Ein Haus, in dem niemand dienen möchte, das seine Türen verschließt, und in dem das Heil exklusiv ist, wird nicht viele Gäste sehen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Osterfreitag (09.04.2021)
ImpulsTageslesung: Kol 1,15-23
Wie konnte Jesus von Nazareth durch seinen Tod und seine Auferstehung uns Menschen heute erlösen, von unserer Schuld und unserem uns allen bevorstehenden Tod?
Darauf gibt der Kolosserbrief die Antwort: Weil Jesus das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung ist. Und weiter: Er ist vor aller Schöpfung und in ihm hat alles Bestand.
Er hat also die Macht, die auch Gottes Macht ist, uns von der Schuld zu erlösen und uns in die Ewigkeit Gottes zu geleiten.
Das ist eigentlich der Markenkern der Kirche: Schuld zu vergeben und den Menschen eine Perspektive über den Tod hinaus zu geben. Und dann steht auch weiter im Kolosserbrief, dass Jesus das Haupt des Leibes ist, der Leib aber ist die Kirche.
Eigentlich selbstverständlich. Aber buchstabieren wir das durch. Jesus ist das Haupt der Kirche, er ist der, der den Pharisäern unerschrocken gegenübertritt und sie daran erinnern will: Urteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden.
Urteilt nicht – ist das nicht eine Botschaft an die Kirche unserer Zeit? Nicht das Urteil zu sprechen ist Aufgabe der Kirche, sondern die Menschen in ihren Lebenslagen und Lebensfragen zu begleiten.
Erinnern wir uns daran, dass der verherrlichte Christus eins ist mit dem Jesus von Nazareth, der dem verlorenen Schaf nachgeht, der auch den Menschen über den Sabbat stellt und damit den Menschen über das Gesetz stellt.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Osterdonnerstag (08.04.2021)
ImpulsTageslesung: Kol 1,1-14
Einst am Anfang hat Gott das Licht von der Finsternis geschieden. Einst an Ostern war derselbe Gott bei der Auferstehung Jesu am Werk. Schöpfungsgeschichte und Osterbotschaft sind miteinander tief vernetzt. Die Osterbotschaft knüpft über den Graben menschlicher Unheilsgeschichte hinweg an Gottes Schöpfungshandeln an. Ostern ist für uns so bedeutsam wie Gottes erstmalige Schöpfung. Wie Gott einst aus dem Chaos eine lebensfreundliche Welt hervorrief, so setzt er heute in die finsteren Momente der Menschheit sein Licht der Liebe, dessen Flamme Ostern ist. Ein neuer Morgen, der mit der Nacht beginnt und doch das Licht bereits in sich trägt. In der Morgendämmerung des Ostertages ereignet sich noch einmal das, was den ersten Tag der Schöpfung ausmachte: das Herbeirufen des Lichts. Durch die Auferstehung von Jesus, dem Licht der Welt, hat Gott uns endgültig „der Nacht der Finsternis entrissen und hat uns aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes“ (Kol 1,13). Ostern haben wir eine Wohnung bei Gott durch Christi Auferstehung geschenkt bekommen. Eine Wohnung auf der lichtvollen, der Sonnenseite des Lebens. Ostern heißt wohnen. Wohnst du schon und lebst du auch?
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Ostermittwoch (07.04.2021)
ImpulsDann führte Jesus seine Schüler und Freunde an einen Ort in der Nähe vom Ort Betanien. Da angekommen, hob er die Hände hoch und betete für sie. Und während er das tat, wurde Jesus langsam vor ihren Augen in den Himmel gehoben. Sie warfen sich vor ihm hin, beteten zu ihm und dankten ihm für alles, was er für sie getan hatte. Danach gingen sie wieder nach Jerusalem und waren total glücklich. Immer wieder gingen sie in den Tempel, freuten sich über Gott und dankten ihm für die vielen guten Sachen, die er tat. (Lk 24,50-53 nach der „Volxbibel“)
Eine Abschiedsszene. Nach der Auferstehung und den verschiedenen Begegnungen mit seinen Jüngerinnen und Jüngern verlässt Jesus diese endgültig. Zumindest im irdisch erfahrbaren Sinn. Es ist die Szene der „Himmelfahrt“. Eine gute Dramaturgie.
Und das war‘s dann?
Nun gut – immer wieder gehen sie in den Tempel, beten und danken. Das war’s??
Bei diesen Zeilen des Lukas am Ende seines Evangeliums muss ich immer wieder an uns denken. Wir haben unsere Erfahrungen mit Gott, mit Jesus. Schön, sich gesegnet zu fühlen. Da kann ich mich freuen und „Danke“ sagen.
Gut, dass die anderen Evangelien und andere Quellen diese Situation anders erzählen! Sie sprechen von einem Sendungsauftrag. „Geht hin in alle Welt …“
Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir das nicht mehr so gerne hören. Ist „freuen“ und „danken“ nicht genug?
Ich fühle mich doch gesegnet, angenommen, geliebt … Ja, das ist etwas Wunderbares. Und genau deshalb möchte ich davon erzählen. „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.“ (vgl. Lk 6,45)
Aber: haben wir heute noch den Mut dazu? In unserem ganz normalen Alltag, in der Begegnung mit Menschen, auf der Straße, in Versammlungen – wie die Jünger nach den anderen Überlieferungen? Oder ziehen wir uns lieber in den Tempel, in unsere Kirche, ins persönliche Gebet zurück?
Nur am Rande: hätten das die Jünger damals tatsächlich getan, hätte uns die frohe Botschaft nicht erreicht. Also: wollen wir, dass sie auch zukünftige Generationen erreicht?
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Osterdienstag (06.04.2021)
ImpulsDarauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. (Lk 24,45 – ganze Lesung: Lk 24,36-49)
Was mir bei den biblischen Erzählungen der Erscheinungen des Auferstandenen vor seinen Jüngern auffällt, ist, dass Jesus oft als „Exeget“ auftritt, als einer, der seinen Jüngern die Schriften Israels auslegt. Schon bei der Erzählung über die Emmausjünger war das so, und auch in der heutigen Perikope ist es ähnlich. Jesus sagt es hier ganz deutlich: „Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht.“ Hier haben wir übrigens eine erste Beschreibung des Dreiklangs unseres heutigen Alten Testaments, das auch Tanach genannt wird – eine Wortschöpfung, die gebildet wird aus den hebräischen Begriffen Tora (das Gesetz des Mose), Nebiim (die Propheten) und Ketubim (die „Schriften“ der jüdischen Weisheitsliteratur, zu denen vor allem die Psalmen gehören).
Mit der Auferstehung bzw. Auferweckung mag zwar etwas Neues geschehen sein, was es vorher noch nie gegeben hat (erst die Spätschriften des Alten Testaments kennen eine Hoffnung auf die Auferstehung der Toten am Ende der Zeiten), aber dieses Neue ereignet sich auf dem Boden des Judentums. Jesus ist nicht gekommen, um das Judentum abzuschaffen oder um es durch eine andere Religion zu ersetzen. Er war selbst Jude und ist in den Traditionen seines Volkes aufgewachsen. Die Schriften Israels sind der Nährboden, von dem her die umstürzende Erfahrung der Auferstehung verstanden und ausgelegt werden kann. Deshalb will Jesus seinen Jüngern den Sinn für das Verständnis ihrer Schriften neu öffnen.
Im Lauf der Geschichte hat sich das Christentum immer mehr vom Judentum seiner Zeit gelöst – mit tragischen Folgen in den jüdisch-christlichen Beziehungen. Die Tochter löste sich immer mehr von der Mutter – und brach oft völlig mit ihr, ja, gab der Mutter die Schuld für alles, was bei der Tochter nicht aufgearbeitet war – ein bekanntes psychologisches Muster. Erst seit dem II. Vatikanischen Konzil wächst das Verständnis dafür, dass es die jüdischen Wurzeln sind, die auch uns tragen. So etwas wie „Judenmission“ kann es nicht geben. Kann man sich so einfach von den eigenen Wurzeln lossagen?
Jesus bleibt auch als Auferstandener eingebettet in die Traditionen seines Volkes und seiner Religion. Nur wer die Schriften Israels kennt und immer neu um ihr Verständnis bemüht ist, kann auch das Neue der Auferstehung verstehen. Deshalb beten wir Mönche auch täglich die Psalmen, die alten jüdischen Gebete, die so reich sind an menschlicher Erfahrung, um uns über die Jahre „hineinzubeten“ in unsere Wurzeln, die uns bis heute tragen und die wir nie abschneiden dürfen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Ostermontag (05.04.2021)
ImpulsBrannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete? (Lk 24,32 – ganze Tageslesung: Lk 24,13-35)
Die Erzählung von den beiden Jüngern, denen auf dem Weg nach Emmaus Jesus selbst begegnet und die ihn beim gemeinsamen Brotbrechen erkennen, gehört für mich zu den schönsten Ostererzählungen überhaupt. Ich kann mich in ihr so gut wiederfinden, weil ich mir die Enttäuschung, die Resignation und die tiefe Traurigkeit der beiden Jünger so gut vorstellen kann. Wenn ein geliebter Mensch gegangen ist, bleibt die riesige Lücke, die niemand füllen kann. Dann will man den Verlust nicht wahrhaben und kann gar nicht richtig begreifen, was eigentlich passiert ist.
Dass die Jünger Jesus nicht erkennen, weil ihnen die „Augen gehalten“ waren, wundert mich nicht. Der leere Blick eines trauernden oder auch eines schwer depressiven Menschen drückt das für mich aus: Die Wahrnehmung ist eingetrübt und der Trauernde erscheint ganz weit weg von einem.
Mich berührt die Erzählung aber auch deshalb so sehr, weil die Jünger zwar traurig stehen bleiben, sich dann aber dem Fremden in ihrem Kummer anvertrauen. Für mich persönlich klingt darin an, was Seelsorge bedeuten kann: „Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?“ Es tut gut, wenn jemand Anteil an meinem Kummer nimmt, wenn jemand nachfragt, was mich bedrückt. Und daher ist es so wichtig, auf den Trauernden und auf den Depressiven zuzugehen. Sodass er das Gefühl haben darf, nicht alleine zu sein auf seinem Weg durch die Trauer. Auch das schweigende Mitgehen auf diesem Weg kann genauso hilfreich sein,wie ganz praktisch das miteinander Essen (was Trauernde oft schlichtweg vergessen, weil sie ohnehin keinen Hunger mehr haben).
„Brannte nicht unser Herz in uns?“ Auch wenn die Jünger vermutlich noch nicht einmal beim gemeinsamen Mahl mit Jesus begreifen, wie ihnen geschieht: Sie wissen und spüren in dem Moment einfach, dass Jesus da ist.
Auch wenn wir letztlich gar nicht begreifen können, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, sondern es das „Geheimnis unseres Glaubens“ bleibt, so dürfen wir an Ostern gemeinsam das Brot brechen und feiern, dass Jesus bei uns ist.
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Ostersonntag (04.04.2021)
ImpulsTageslesung: Lk 24,1-12
Ostermorgen
Die Nacht wird hell wie der Tag sein, wie strahlendes Licht
Die Nacht
Das Licht
Die Sonne – Morgenrot
Maria Magdalena mit Tränen der Trauer in den Augen
In der Morgenstille macht sie sich auf zum Grab
Halleluja! Wer gleicht dem Herrn, unserem Gotte,
der oben thront in der Höhe?
Erhaben ist seine Herrlichkeit über alle Himmel.
Halleluja! Halleluja!
Im Spiegel.Glanz des Mondes erstrahlt die Morgenröte
Der Fels
Das Grab
Der Stein – Felsengrabstein
Wer wird den Stein wohl wegrollen
Ein Engel kam vom Himmel und wälzte den Stein weg
Halleluja! Tanze du Erde und frohlocke
Er hat sein Volk herausgeführt in Freude,
seine Erwählten in Jubel.
Halleluja! Halleluja!
Das Licht eines neuen Morgens über der Stadt
Der Stein
Das Grab
Das Licht – Licht.Glanz
Warum weinst du Maria aus Magdala? Wen suchst du?
Yeshua, meinen Herrn! Hast du ihn weggebracht? Wo liegt er?
Halleluja! Er hat meine Fesseln gelöst.
Mein Leben entriss er dem Tod:
So wandle ich vor Gott, im Lande der Lebendigen.
Halleluja! Halleluja!
Rosen erblühen im Morgenlicht am Grab im Felsen
Die Rose
Der Stein
Das Grab – Klarheit
Im Morgentau des ersten Tages hörst du: Maria!
Rabbuni! Meister! Die Tränen klären sich im Licht.
Fürchte Dich nicht! Er ist auferstanden!
Wahrhaft auferstanden! Halleluja! Er lebt! Amen.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls an Karsamstag (03.04.2021)
ImpulsUnd er nahm ihn vom Kreuz, hüllte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch niemand bestattet worden war. (Lk 23,53, ganze Tageslesung: Lk 23,50-56)
Der Leib des Herrn ruht im Grab, die Welt liegt in Dunkelheit.
Alles ist überstanden. Das Werk unserer Erlösung ist vollbracht. Jetzt sind wir Kinder Gottes, weil Jesus für uns gestorben ist und sein Tod uns losgekauft hat.
Empti enim estis pretio magno! (1 Kor 6,20)
Du und ich sind um einen hohen Preis erkauft worden.
…Nun ist alles still.
Die schreckliche Not ist endlich vorüber.
Ein tiefer Friede liegt um das einsame Grab. Es ist der Friede der Vollendung.
Der drinnen schläft, hat mit göttlicher Treue alles zu Ende gebracht, was der Vater ihm aufgetragen hatte.
Ich lade Sie ein, diese Stille, diese Ruhe am Grab – Grabesruhe – auszuhalten und die Sehnsucht nach der Ostersonne nicht zu vergessen.
…Und es ist uns, als wetterleuchte schon die nahende Osterherrlichkeit um den stillen Ort, so schreibt es Romano Guardini.
Benjamin Schmolck hat 1715 gedichtet: Ich gehe zu deinem Grabe, du großer Osterfürst, weil ich die Hoffnung habe, dass du mir zeigen wirst, wie ich kann fröhlich sterben und fröhlich auferstehn und mit des Himmels Erben ins Land des Lebens gehen.
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls an Karfreitag (02.04.2021)
ImpulsUnd der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! (aus Lk 23,32-49)
Wir haben gestern am Gründonnerstag unsere Kirche leergeräumt. Alle Kerzen, alles Schmückende ist weg. Der Tabernakel ist leer, und das ewige Licht erloschen. Es ist seltsam, heute am Karfreitag kann man in der Abteikirche eine Weite erleben, die ganz weit von dem scheint, was wir heute in der Sterbestunde Jesu erfahren und erleben. Der Vorhang ist zerrissen, und wir blicken auf einen Raum, der durch seine Leere Dinge sichtbar macht, die andern Tags verborgen bleiben.
Als der Jesuit Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan dem Buddhistischen Weg des Zen begegnete und er begann, sich intensiv mit der Zen Meditation auseinanderzusetzen, da begegnete er einem Zen Meister, der ihn durch seine große Ruhe und Gelassenheit tief beeindruckte. Er wusste, dass der Zen Mönch im Zweiten Weltkrieg Schreckliches erlebt hatte und dass er in dieser Zeit mehrmals fast verhungert wäre. Trotz alledem war er nicht verbittert.
Lassalle fragte ihn eines Tages, wie es denn komme, dass er so in sich ruhe, und dass er gegen niemanden einen Groll hege? Der Meister erzählte ihm, dass er genau in der Zeit, als er so Schreckliches erleben musste, eines Tages in sich einen Raum fand, in dem vollkommener Frieden war. Dieser Ort war kein Fluchtraum oder ein Raum der inneren Immigration. Er berichtete Lassalle, dass sich, in dem Moment, da er den Raum gefunden hatte, alles um sich wandelte. All der Schrecken war auf einmal für ihn unwesentlich geworden.
Man kann besonders an einem Tag wie heute so eine Geschichte gut falsch verstehen. All das Leid, der Schmerz, der Menschen zugefügt wird, ist erst einmal wesentlich. Grausamkeit und Leid sind Realitäten in unserer Welt, und sie gehen uns alle an. Auch die Passion erzählt ja heute dies.
Doch gleichzeitig sind eben alle Lebewesen, auch immer viel mehr als nur ihre Existenz.
Wir sind nicht nur statisch, sondern immer auch im Wandel.
Wir haben es ja gerade in der Fastenzeit erlebt, durch die wir gegangen sind.
Und wir werden diese Wandlung in unserem Sterben erleben. Es werden dann Dinge sichtbar werden, es werden sich Räume öffnen, die sonst verborgen bleiben.
Wir erfahren es heute, und wir werden es an Ostern erleben.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls an Gründonnerstag (01.04.2021)
Impuls26 Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie Simon, einen Mann aus Kyrene, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage. 27 Es folgte ihm eine große Menge des Volkes, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. 28 Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Töchter Jerusalems, weint nicht über mich; weint vielmehr über euch und eure Kinder! 29 Denn siehe, es kommen Tage, da wird man sagen: Selig die Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. 30 Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns! und zu den Hügeln: Deckt uns zu! 31 Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden? (Lk 23,26-31)
An den letzten drei Tagen der Karwoche folgt der Schluss des 23. Kapitels des Lukasevangeliums. Dieser wird besonders von einem Thema bestimmt: Jesus trifft auf seinem Leidensweg – bis in die Kreuzigung hinein – auf verschiedene Menschen und Menschengruppen. Seine Situation und seine Worte fordern die Anwesenden hierbei heraus und beziehen sie mit ein. Sein Leiden betrifft nicht nur sein eigenes Schicksal, sondern auch das Schicksal zahlreicher anderer Menschen.
Wir können in gewisser Weise auch uns selbst zu den Anwesenden zählen, die Jesus auf dem Weg zum Kreuz beobachten, dieser abscheulichen Situation beiwohnen und sich ihr stellen müssen.
Wir begegnen also im heutigen Text- oder Wegabschnitt zuerst Simon von Kyrene, der das Kreuz Christi ein Stück weit hinter ihm herträgt. Anschließend stoßen wir auf eine große Volksmenge, die um Jesus klagt und weint. Sie nimmt Anteil an seinem Leid, obwohl sie zu der Gruppe gehört, die noch kurz vorher skandierten, Jesus müsse gekreuzigt werden, nämlich den Einwohnern Jerusalems. Womöglich finden sich in dieser Gruppe einige, die ebenfalls um Jesu Kreuzigung mitgebrüllt haben, und die es nun reut?
Wo stehe ich selbst als Anwesender?
Vermutlich geht es Ihnen, liebe*r Leser*In, wie mir: Ich nehme mich im Alltag meist ambivalent wahr, das heißt zum einen, ich ähnele manchmal (hoffentlich) dem Simon von Kyrene, der das Kreuz hinter Christus herträgt, und ihm so ein Stück weit in seiner Sache hilft.
Andere Male nehme ich aber wahr, wie ich an meinem Nächsten verräterisch handle, wie ich gegen ihn sündige, ähnlich wie es die Jerusalemer Bevölkerung getan hat, die Jesus ans Kreuz bringen wollte.
Jesus prophezeit dieser Gruppe Unheil. Das mag auch mich – angesichts meiner eigenen Verfehlungen – ganz real erschrecken, aber ich hoffe, dass die Absicht Jesu hierbei auch nur das Hervorrufen eben dieser Reaktion ist. So kann es sich bei dieser Prophezeiung weniger um ernste Feindschaft gegenüber den Bewohnern Jerusalems und auch mir handeln, sondern vielmehr um einen Aufruf zur Achtung vor der Allmacht des richtenden Gottes. Soll heißen: Sie wäre so etwas wie ein versteckter Wehe-Ruf, der zur Reue, zum Sich-Beklagen und schließlich zur Umkehr führt!
Durch Christi Passion und die mir ohne eigene Leistung erwiesene Liebe ist mir bereits meine Erlösung bewusst. Gott sei Dank!
Aber durch das Erkennen meiner eigenen Schuld kann ich stets neu auf den Weg der Umkehr geraten, mich so der Gottes- und Nächstenliebe neu öffnen und durch mein Handeln mir und der Welt Gottes Heil schon jetzt erfahrbarer machen.
So werden wir mit diesem Textabschnitt aufgerufen, den Gewinn der Passion entgegenzunehmen.
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Mittwoch der Karwoche (31.03.2021)
ImpulsSie aber schrien und forderten immer lauter, er solle Jesus kreuzigen lassen, und mit ihrem Geschrei setzten sie sich durch: Da entschied Pilatus, dass ihre Forderung erfüllt werden solle. (Lk 23,23-24 – gesamte Tageslesung: Lk 23,13-25)
Bei dieser Verurteilungsszene durch Pilatus, die bis in unseren Sprachgebrauch hinein prägend wurde mit der Redewendung „seine Hände in Unschuld waschen“, beschleicht mich regelmäßig ein ungutes Gefühl. Die lautstarke Forderung des Volkes, Jesus kreuzigen zu lassen, wurde offensichtlich bewusst so inszeniert: Das jüdische Volk fordert den Tod Jesu und stattdessen die Freilassung des Aufrührers Bar-abbas.
Die Wirkungsgeschichte dieser Szene ist fatal: Den Juden wurde in einer diffamierenden Lesart die Schuld am Tod Jesu gegeben. Ja, das auserwählte Volk wurde gar zum Volk der Gottesmörder stilisiert. Bis heute wirkt ein Verständnis, dass die Kirche nun an der Stelle des auserwählten Volkes sieht, in die theologischen Debatten hinein und führte so etwa zur Diskussion um die Abänderung der entsprechenden Karfreitagsfürbitte, die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil von der „Bekehrung der verstockten Juden“ sprach.
Es bleibt daher eine dauernde Herausforderung für die Kirche und für die Theologie, diese fatalen Missverständnisse nun zu korrigieren und den jüdisch-christlichen Dialog zu fördern. Jesus war selbst Jude und hat sich zeitlebens so verstanden. Antijudaismus darf in der Kirche keinen Platz haben und auch gesamtgesellschaftlich ist es unsere Christenpflicht, mutig gegen jeglichen Antisemitismus unsere Stimme zu erheben!
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Dienstag der Karwoche (30.03.2021)
Impuls1 Daraufhin erhob sich die ganze Versammlung und man führte Jesus zu Pilatus. 2 Dort brachten sie ihre Anklage gegen ihn vor; sie sagten: Wir haben festgestellt, dass dieser Mensch unser Volk verführt, es davon abhält, dem Kaiser Steuer zu zahlen, und behauptet, er sei der Christus und König. 3 Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er antwortete ihm: Du sagst es. 4 Da sagte Pilatus zu den Hohepriestern und zur Volksmenge: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. 5 Sie aber blieben hartnäckig und sagten: Er wiegelt das Volk auf; er verbreitet seine Lehre im ganzen jüdischen Land, angefangen von Galiläa bis hierher. 6 Als Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mann ein Galiläer sei. 7 Und als er erfuhr, dass Jesus aus dem Herrschaftsgebiet des Herodes komme, ließ er ihn zu Herodes bringen, der in jenen Tagen ebenfalls in Jerusalem war. 8 Herodes freute sich sehr, als er Jesus sah; schon lange hatte er sich gewünscht, ihn zu sehen, denn er hatte von ihm gehört. Nun hoffte er, ein von ihm gewirktes Zeichen zu sehen. 9 Er stellte ihm viele Fragen, doch Jesus gab ihm keine Antwort. 10 Die Hohepriester und die Schriftgelehrten, die dabeistanden, erhoben schwere Beschuldigungen gegen ihn. 11 Herodes und seine Soldaten zeigten ihm offen ihre Verachtung. Er trieb seinen Spott mit Jesus, ließ ihm ein Prunkgewand umhängen und schickte ihn so zu Pilatus zurück. 12 An diesem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; vorher waren sie Feinde gewesen. (Lk 23,1-12)
Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um die Erwartungen von Menschen zu erfüllen, sondern um uns als Mittler zwischen Gott und Mensch zu dienen. So erfüllt er in unserer heutigen Textstelle auch nicht die Erwartungen, die Pilatus an ihn stellt. Die Erwartung eines Zeichens. Für Machtmenschen, wie es Pilatus und auch Herodes sind, sind Zeichen und Wunder Mittel zum Zweck. Es geht ihnen nicht um die Erfahrungen von Heilsein, sondern um die Demonstration von Wirkmächtigkeit. Um dieser Instrumentalisierung zu entgehen, schweigt Jesus. Es ist ein Schweigen, wie wir es schon bei der drohenden Verurteilung der Ehebrecherin gesehen haben. Es ist ein Schweigen, nicht weil Jesus die Worte fehlen, sondern weil er nicht in den Kreislauf einer Machtmaschinerie kommen will. Er schweigt und erntet Spott und Hohn. Das sind die klassischen Reaktionen von Menschen, die es gewohnt sind, dass man ihnen gehorcht. Sie verstehen nicht, dass es eine Ohnmacht der Liebe gibt. Die Ohnmacht der Liebe – selbst im Angesicht des Todes. Selbstentäußerung, Abgabe von Macht, Ohnmacht der Liebe.
Und wir, die wir ihm nachfolgen? Wir dürfen üben. Uns einüben in die Liebe. Wir dürfen uns einüben in die Aufgabe von Macht, um glaubwürdig die Ohnmacht der Liebe zu leben.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Montag der Karwoche (29.03.2021)
Impuls63 Die Männer, die Jesus bewachten, trieben ihren Spott mit ihm. Sie schlugen ihn, 64 verhüllten ihm das Gesicht und fragten ihn: Du bist doch ein Prophet, sag uns: Wer hat dich geschlagen? 65 Und noch viele andere Lästerungen stießen sie gegen ihn aus.
66 Als es Tag wurde, versammelte sich der Ältestenrat des Volkes, die Hohepriester und die Schriftgelehrten und sie ließen Jesus vor ihren Hohen Rat führen. 67 Sie sagten zu ihm: Wenn du der Christus bist, dann sag es uns! Er antwortete ihnen: Wenn ich es euch sage, glaubt ihr mir ja doch nicht; 68 und wenn ich euch etwas frage, antwortet ihr nicht. 69 Von nun an wird der Menschensohn zur Rechten der Macht Gottes sitzen. 70 Da sagten alle: Du bist also der Sohn Gottes? Er antwortete ihnen: Ihr sagt es – ich bin es. 71 Da riefen sie: Wozu brauchen wir noch eine Zeugenaussage? Wir haben es selbst aus seinem Mund gehört. (Lk 22,63-71)
Verspottet, geschlagen, zum Tode verurteilt.
Nichts bleibt Jesus erspart.
Alles, was Menschen einander antun können, hat er am eigenen Leib erleiden müssen.
Die Passionsgeschichte offenbart uns, wie der Mensch ist.
Was Menschen einander antun, im Großen wie im Kleinen.
Bis heute. Überall auf der Welt.
Die Passionsgeschichte geht aber darüber hinaus.
„Was nicht angenommen wird, kann nicht erlöst werden.“
So hat es ein früher Kirchenvater ausgedrückt.
Nur das, was ich auf mich nehme, erleide, annehme, nur das kann auch erlöst werden.
Deswegen hat Jesus all das, was Menschen einander antun, angenommen.
Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende.
Das ist unsere Hoffnung.
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Palmsonntag (28.03.2021)
ImpulsTageslesung: Psalm 22,23-32
Palmsonntag – heute gehen wir in die Karwoche und ahnen zugleich, dass der Weg in die Dunkelheit führt.
In der heutigen Schriftlesung betet der Psalmist:
Denn des Herrn ist das Reich, und er herrscht unter den Völkern.
Ihn allein werden anbeten alle Großen auf Erden;
vor ihm werden die Knie beugen alle, die zum Staub hinabfuhren.
(Ps 22,29-30)
Wen bete ich an?
Vor wem beuge ich meine Knie?
Auf wen hoffen wir in diesen Zeiten, wo wir vor großen Herausforderungen stehen?
Wir bemühen uns um Frieden in der Welt – und doch immer neu Krieg und Unversöhnlichkeit.
Wie schnell lassen wir uns von Macht beeindrucken und von Ohnmacht bestimmen!
Der Psalmist betet: Denn des Herrn ist das Reich…
Glaube ich heute an Gottes Stärke?
Ich lade Sie ein, den Dunkelheiten des Lebens nicht auszuweichen, sondern sie dort zu positionieren, wo es Ihnen nach Ihren Kräften möglich ist.
So können wir Schmerz, Leid und Ungerechtigkeit bestehen im Glauben an den Gott, der das Leben will und uns Frieden und Versöhnung schenkt – gerade in Zeiten der Dunkelheit.
Schauen Sie das ausgewählte Meditationsbild an.
Die Skulptur steht in unserem Kreuzgang zur Abteikirche.
Mich sprechen die SICH FESTKLAMMERNDEN HÄNDE sehr an. Ein Sinnbild: Ich lasse nicht vom Herrn! Ich lasse nicht von IHM, gerade nicht in Zeiten der Not und des Elends. Er, der Mann der Schmerzen schenkt Kraft und Stärke. ER verlässt uns nicht in der Not.
In betender Verbundenheit
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Samstag der 5. Fastenwoche (27.03.2021)
Impuls54 Darauf nahmen sie ihn fest, führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohepriesters. Petrus folgte von Weitem. 55 Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet und Petrus setzte sich zu den Leuten, die dort beieinandersaßen. 56 Eine Magd sah ihn am Feuer sitzen, schaute ihn genau an und sagte: Der war auch mit ihm zusammen. 57 Petrus aber leugnete es und sagte: Frau, ich kenne ihn nicht. 58 Kurz danach sah ihn ein anderer und bemerkte: Du gehörst auch zu ihnen. Petrus aber sagte: Nein, Mensch, ich nicht! 59 Etwa eine Stunde später behauptete wieder einer: Wahrhaftig, der war auch mit ihm zusammen; er ist doch auch ein Galiläer. 60 Petrus aber erwiderte: Mensch, ich weiß nicht, wovon du sprichst. Im gleichen Augenblick, noch während er redete, krähte ein Hahn. 61 Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort, das der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 62 Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
(Lk 22,54-62)
Ach, Petrus.
Wie oft geht es mir im Leben wie dir.
Ich stehe nicht zu dem, was mir wichtig ist.
Ich stehe nicht zu meinem Glauben, meiner Überzeugung.
Manches Mal stehe ich nicht einmal zu mir selbst.
Ist es Angst?
Ist es Unsicherheit?
Ist es Mutlosigkeit?
Würde mir dann doch auch jemand in die Augen blicken.
Nicht mit vorwurfsvollem, sondern mit liebendem Blick.
Mit einem Blick, der in mein Inneres schaut,
meine Liebe sieht und meine Tränen.
Oder würde doch wenigstens ein Hahn krähen,
der mich aufweckt …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Freitag der 5. Fastenwoche (26.03.2021)
ImpulsLk 22, 47-53: Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar; und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und nahte sich Jesus, um ihn zu küssen. 48Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? 49Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? 50Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. 51Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn.
52Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren: Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen? 53Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen, und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.
Mit einem Kuss wird ER verraten. Einem so grundlegenden, menschlichen Zeichen! Ganz zu Beginn unseres Lebens – werden wir begrüßt von unserer Mutter, unserem Vater – mit einem Kuss. Im Verliebtsein, sich Überschreiten auf den anderen hin – gebe ich einen Kuss! Und vielleicht werden wir auch wieder aus unserem Leben verabschiedet – mit einem Kuss von unseren Liebsten. Zeichen tiefster Annahme, Geborgenheit. Und dann: Verrat, Zerbrechen der Beziehung. Wie mag sich Jesus in diesem Moment gefühlt haben? Was mag er gedacht haben? Wenn die, die ihm am nächsten stehen, die seine Sache bisher mitgetragen haben – ihn verraten, ausliefern, ja – abschlachten! Völlige innere Einsamkeit, freier Fall… Er muss sich durchringen, durchbeten zu der Erfahrung – gehalten zu sein, trotz allem. Oder anders: er kann sie nicht machen, diese Erfahrung – sie wird ihm geschenkt. Aber – erst nach drei Tagen. Zuerst nur: Alleinsein, Einsamkeit, Dunkelheit, Depression. Er war in allem uns gleich! Denn: Auch ich werde immer wieder verraten, angelogen, bloßgestellt, aufs Kreuz gelegt…
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Donnerstag der 5. Fastenwoche (25.03.2021)
Impuls39 Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm. 40 Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet! 41 Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete: 42 Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. 43 Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44 Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. 45 Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft. 46 Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet! (Lk 22,39-46)
Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau befindet sich die „Todesangst-Christi-Kapelle“, die auf die Initiative des Münchner Weihbischofs Johannes Neuhäusler zurückgeht, der selbst vier Jahre in Dachau inhaftiert war. 1960 ist sie eingeweiht worden. Wo anders passt dieses Patrozinium besser als an diesem Ort, wo unzählige Menschen Tag für Tag Todesängste aushalten mussten angesichts der unvorstellbaren Barbarei des NS-Terrorregimes?
Auf unserem Passionsweg gehen wir heute mit Jesus auf den Ölberg, wo er unter Blut und Tränen betete, dass dieser Kelch an ihm vorübergehe. Dieses Gebet ist nicht erhört worden – wie so viele Gebete der vielen KZ-Häftlinge nicht erhört worden sind. „Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“ Dieses Wort bleibt dunkel und rätselhaft angesichts von so viel ungerechtem Leid in der Welt. Kann das wirklich Gottes Wille sein? Fragen bleiben.
Wir dürfen all unser Fragen und Zweifeln, unsere Todesangst und unsere Tränen im Gebet vor den bringen, der all das selbst durchlitten hat. Und wenn wir wie die Jünger „vor Kummer erschöpft“ einschlafen, lassen wir uns behutsam von ihm wecken – er wird uns dafür sicher nicht verurteilen…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der 5. Fastenwoche (24.03.2021)
Impuls31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. 32 Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du wieder umgekehrt bist, dann stärke deine Brüder! 33 Darauf sagte Petrus zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Jesus aber sagte: Ich sage dir, Petrus, ehe heute der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich zu kennen. (Lk 22,31-34 – ganze Tageslesung: Lk 22,31-38)
„Na, ich kenne dich doch!“
Diesen Satz haben sicher viele von ihnen so oder ähnlich schon öfters gehört. Menschen sehen tief in uns und kennen uns manchmal besser als wir uns selbst.
Ich höre den Satz immer wieder von einem guten Freund, mit dem ich durch dick und dünn gegangen bin. Ich vertraue ihm, und er kennt meine Schwächen oder Ticks, und ich seine. Wir lachen viel gemeinsam. Meist über uns selbst, über unsere alltäglichen Missgeschicke, oder über die Absurditäten des Lebens. Wir können uns aber auch ganz ehrlich gegenseitig die Meinung sagen. Das geht dann auch fast immer gut aus, denn wir wissen um unsere Empfindlichkeiten. Wir kennen uns eben.
Wir alle haben Partner, Freunde, oder auch Vertraute, die uns besonders gut kennen, die tief in uns blicken können. Auch Fremde, die uns begegnen, können manchmal diese Gabe haben.
Wir alle haben die Fähigkeit, in das Herz, in die Seele eines anderen Menschen zu sehen.
Jesus sieht in die Seele seines Freundes. Er kennt ihn. Er macht ihm dabei nichts vor. Er nennt die Dinge beim Namen. Das ist nichts oberflächlich Nettes, was er ihm sagt, sondern klar und existenziell.
Würden Sie aber einem Freund vertrauen, der verspricht, in der Not nicht von Ihrer Seite zu weichen, und Sie dann doch im Stich lässt? Ich ehrlich gesagt bin mir da nicht so sicher. Da hört doch irgendwann die Freundschaft auf!
Hört die Freundschaft aber wirklich bei sowas auf?
Wir erwarten oft von jemandem etwas, obwohl wir wissen, dass unser Gegenüber das nicht einlösen kann. Oft ist der andere der Spiegel unseres Wunschdenkens, eine Projektionsfläche für unser Ego. Wie kann aber genau da dann Vertrauen wirklich entstehen, wenn wir einen Menschen nicht so annehmen, wie er ist? Wollen wir in den Seelengrund eines anderen sehen, muss unser Ego ganz still werden.
Petrus wird mit seinem Freund nicht ins Gefängnis gehen. Er wird Jesus verleugnen. Wir kennen die Geschichte. Es wird so kommen, wie es Jesus gesagt hat. Petrus wird bitterlich weinen, vielleicht um seine Schuld, vielleicht auch um das Schicksal seines Freundes, oder um seine Hilflosigkeit im entscheidenden Moment.
Und doch, Jesus vertraut ihm. Er erwartet nicht, dass Petrus mit ihm ins Gefängnis, in den Tod geht.
Er übergibt ihm die Schlüssel für alles.
Er hat im Abgrund etwas Besonderes gesehen.
Er kennt ihn, so wie er dich kennt.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dienstag der 5. Fastenwoche (23.03.2021)
Impuls24 Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei. 25 Da sagte Jesus zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker und die Vollmacht über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen. 26 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende. 27 Denn wer ist größer: Der bei Tisch sitzt oder der bedient? Ist es nicht der, der bei Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie der, der bedient. 28 Ihr aber habt in meinen Prüfungen bei mir ausgeharrt. 29 Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: 30 Ihr sollt in meinem Reich an meinem Tisch essen und trinken und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. (Lk 22,24-30)
Die reduzierten Formen der Passionszeit wollen uns in eine größere Klarheit führen.
Vor allem in eine größere Klarheit auf unseren Glauben hin. In dieser Zeit dürfen wir unsere Nachfolge Jesu reflektieren und erneuern. Ein Wesensmerkmal der Nachfolge bildet das Dienen.
Im Bewusstsein einer wirklichen Alternative nehmen wir dabei Maß bei Jesus Christus, der uns heute zuruft: „Ich aber bin unter euch wir der, der bedient.“ Der Dienstcharakter unserer Nachfolge verdeutlicht uns, dass religiöses Bewusstsein und Vollzug primär eine Hingabe darstellen. Gott selbst gibt sich ja den Menschen hin. Der Dienst Gottes versteht sich vornehmlich als ein Dienst an den Menschen, die am Rande stehen, den Leidenden und den Armen. Das ist der leidenschaftliche Weg Jesu, der uns neu ermutigen will, ebenfalls vom falschen Herrschen ins Dienen zu kommen. Eine Kirche bleibt nur glaubwürdig, wenn sie dies beherzigt und falscher Macht- und Herrschsucht entsagt.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Montag der 5. Fastenwoche (22.03.2021)
ImpulsMit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes. (Lk 22,15-16 – gesamte Tageslesung: Lk 22,7-23)
In unserer Abteikirche gibt es einen Stein aus dem Abendmahlssaal in Jerusalem, der in die Ziegelmauer unter einem der Apostelleuchter eingelassen ist. Er erinnert mich jeden Tag daran, was damals in Jerusalem geschehen ist, als Jesus mit seinen Jüngern das Paschamahl gefeiert hat.
Es berührt mich, dass Jesus sich danach gesehnt hat, mit seinen Jüngern noch ein letztes Mal zusammenzukommen, um gemeinsam mit ihnen das Paschamahl zu feiern. Das Mahl, das an die Befreiung des jüdischen Volkes aus der Knechtschaft Ägyptens erinnert. Bei diesem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern sagt Jesus: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Daher feiern wir am Gründonnerstag, an dem des letzten Abendmahls gedacht wird, die Einsetzung der Eucharistie. Seitdem versammelten sich zu allen Zeiten und überall auf der Welt Christen, um miteinander das Brot und den Wein zu teilen. Das Brot wird zu Christi Leib, der für uns hingegeben wird und der Wein zu Christi Blut, das für uns vergossen worden ist. Das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern wird in jeder Eucharistiefeier Gegenwart. Es ist nicht nur ein reines Erinnern an das, was damals in Jerusalem geschehen ist, sondern Jesus gibt seinen Leib und sein Blut auch für uns hin. Er sehnt sich danach, auch mit uns dieses Mahl zu feiern.
In jeder Eucharistiefeier werden wir selbst Teil der Heils- und Erlösungsgeschichte Gottes: Jesu Hingabe für uns wird in der Feier des Abendmahls gegenwärtig und erfahrbar. Und zugleich ist dieses Mahl ein Vorgeschmack des himmlischen Hochzeitsmahles, das seine Erfüllung findet im Reich Gottes.
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am 5. Fastensonntag – Beginn der Passionszeit (21.03.2021)
ImpulsTageslesung: Psalm 22,1-22
„Hilf mir!“ (V. 22a) Ein Schrei dringt aus der Tiefe der Not. Hier ist einer, dem jede Hoffnung geschwunden ist. „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch.“ (V. 7a) Wo ist da die Gottesebenbildlichkeit? Wo ist da die Würde des Menschen? Seine Alltagserfahrung ist geprägt von Ablehnung seiner Nächsten. Spott und Hohn, Lästern und Gaffen – so begegnen ihm seine Mitmenschen.
Tag und Nacht betet er. Aber im Beten erfährt er doch nur Leere. „Doch du antwortest nicht.“ (V. 3a) Hier tut sich ein schwarzes Loch auf. Die Stille erdrückt und Unruhe greift um sich. Wo ist er, der doch versprochen hat, ein Fels zu sein? „Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.“ (V. 2b) Was ist passiert mit der Erfahrung, dass Gott ein Fels, eine Hilfe, eine bergende Burg ist? (Vgl. Ps 62,3) Hier leuchtet im Hintergrund der Zion auf, der Hügel mit dem Heiligtum JHWHs – befestigt wie eine ragende Feste. Es wurde gesagt, er würde nicht wanken. Wurde das nicht auch von denen gesagt, die glauben: „Die auf den HERRN hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg Zion.“ (Ps 125,1)? Jetzt aber bricht alles ein. Der Glaubende wankt, der Gottesberg erzittert, weil jede Sicherheit fehlt.
Wo sind die Erfahrungen der Errettung von früher? Gott hat seinen Glaubenden doch immer geholfen. „Aber du bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.“ (V. 4) Der Gottesberg, der Zion wird überragt. Im Lobgesang, in der glaubenden Erhöhung tritt der sichtbare Hügel, auf den der Blick gefallen ist, in den Hintergrund. Aber doch kann diese Erkenntnis nicht die Not mildern.
„Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.“ (V. 12) Er hat – von den Menschen verlassen – sich auf Gott verlassen. Aber bisher? Nichts. Es bleibt eine Frage, die alles durchdringt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (V. 2) Von ihr gehen alle Gedanken aus.
Wir, Christen, verbinden mit diesem Vers die letzten Worte Jesu. Am Kreuz erhöht, außerhalb der Stadt hatte er all dies vor Augen. Seine Feinde verspotten ihn. Seine Freunde haben ihn verlassen. Gott, auf den er seine Hoffnung setzte, hält sich scheinbar fern. Und so schleudert er vom Kreuz dem Zion, dem Tempel, der Wohnstatt seines Gottes, die die Stadt überragt, diese Frage entgegen. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Bleibt es bei dieser düsteren Perspektive? Nein! „Du hast mich erhört!“ (V. 22b) Ein starker Gegensatz zur verzweifelten Frage. Eine neue Perspektive ist eröffnet. „Du hast mich erhört!“ Es bleibt nicht in der Dunkelheit. Es bleibt nicht beim Gefühl der Gottverlassenheit. Es bleibt nicht beim Karfreitag, sondern Ostern kommt bestimmt. Das Licht des Morgens eines neuen Tages schenkt Hoffnung. Die Hoffnung auf eine neue Welt.
Kann ich das glauben? Im Hier und Jetzt? In meiner aktuellen Situation? In der Situation unserer Welt?
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am Samstag der 4. Fastenwoche (20.03.2021)
Impuls1 Das Fest der Ungesäuerten Brote, das Pascha genannt wird, war nahe. 2 Und die Hohepriester und die Schriftgelehrten suchten nach einer Möglichkeit, Jesus zu beseitigen; denn sie fürchteten sich vor dem Volk. 3 Da fuhr der Satan in Judas, genannt Iskariot, der zu den Zwölf gehörte. 4 Judas ging zu den Hohepriestern und den Hauptleuten und beriet mit ihnen, wie er Jesus an sie ausliefern könnte. 5 Da freuten sie sich und kamen mit ihm überein, ihm Geld zu geben. 6 Er sagte zu und suchte nach einer günstigen Gelegenheit, ihn an sie auszuliefern, ohne dass das Volk es merkte. (Lk 22,1-6)
In der Zeit auf Ostern zu dürfen wir uns alle neu bewusst machen, dass Jesus jedem Menschen immerfort seine Freundschaft anbietet.
Im heutigen Abschnitt des Lukasevangeliums werden wir mit einer verstörenden Tat des Judas, eines der Jünger und Freundes Jesu, konfrontiert. Judas liefert Jesus an seine Feinde aus. Schnell kommen uns Gedanken, Gefühle und Fragen: Wie konnte Judas die Freundschaft zu Jesus so verletzen?
Eine Abbildung, die Judas und Jesus darstellt, berührt mich seit längerem. Es ist ein Kapitell aus der Basilika Ste. Marie-Madeleine in Vezelay im Burgund. Der romanische Künstler stellt dar, wie Jesus seinen Verräter Judas auf seinen Schultern trägt. Diese tragende Haltung erinnert uns an den guten Hirten, der das Verlorene zurückbringt. Jesus trägt Judas auf seinen Schultern. Der Künstler wollte uns wohl verdeutlichen, dass Jesu Liebe niemals aufrechnet. Immerfort läuft Jesus dem Verstörten, dem Irrenden und dem Verlorenen nach. Jesu Handeln spiegelt die Haltung eines grenzenlosen Verzeihens. Niemals kann ein Mensch aus der Zuneigung Jesu, somit aus der Zuneigung Gottes, herausfallen. Der von Jesus getragene Judas wird zum Urbild einen grenzenlos barmherzigen Gottes.
Mich persönlich tröstet diese romanische Abbildung. Bei all meinen irrenden Wegstrecken des Lebens werde ich von Gott selbst in das verzeihende Haus seiner Liebe zurückgetragen.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Freitag der 4. Fastenwoche (19.03.2021)
Impuls29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht euch den Feigenbaum und die anderen Bäume an:
30 Sobald ihr merkt, dass sie Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist.
31 So erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass das Reich Gottes nahe ist.
32 Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis alles geschieht.
33 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
(Lk 21,29-33 – heutiger Gesamttext: Lk 21,29-38)
Der Feigenbaum ist ein uraltes Bild für das Volk Israel. Wir können es auch als Bild für die Kirche verstehen. Wenn – ja wenn es dann nicht so traurig wäre. Keine sprießenden Blätter am Feigenbaum Kirche, keine Früchte. Zu kalt ist der Wind, zu rau der Ton, zu verletzend und verstörend Aussagen und Texte. Da soll Sommer werden? Da soll Reich Gottes lebendig werden?
Ein paar Kapitel früher erzählt Jesus das Gleichnis eines Feigenbaums, der keine Frucht trägt (Lk 13,6-9). Drei Jahre lang kommt der Herr des Weinbergs und der Baum bekommt dann sogar noch mal ein Jahr Gnadenfrist. Ob das für die Kirche reichen würde? Ich wage es zu bezweifeln.
Und doch: Bleibt uns überhaupt diese Zeit? Zu viele Menschen, auch aus dem Inneren der Gemeinden, aus unseren Verbänden, verlassen die Kirche. Ich kann sie verstehen. Soll die Kirche doch Ort der erfahrbaren Nähe Gottes sein – aber wenn selbst der Segen verboten wird…
Mich tröstet der letzte Vers des obigen Textes. Auch wenn wir es „schaffen“, dass alles vergeht – Gottes Wort wird bleiben. Längst suchen und hören es Menschen an anderen Orten. Machen wir uns nichts vor: auch ein paar digitale Highlights, ein paar Likes in Sozialen Medien, Hochglanzbroschüren – wir erreichen kaum noch Menschen außerhalb eines engen Kreises. Das Wort Gottes braucht anderen Dünger, um wieder am Feigenbaum der Kirche zu blühen.
Wie wäre es mit Wertschätzung und Anerkennung – gegenseitig, ohne Vorurteile und Einschränkungen. Wie wäre es mit Vertrauen – dem anderen gegenüber und vor allem Gott gegenüber. Wie wäre es mit Mut, neue Wege auszuprobieren und zu gehen, mit Phantasie und Freude sogar in unseren Gottesdiensten.
Der Text des heutigen Tages geht ja noch weiter:
34 Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht
35 wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
36 Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!
Nehmen wir uns in Acht!
Und vertrauen wir.
Gottes Wort gilt.
Und sein Segen trägt. Alle.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Donnerstag der 4. Fastenwoche (18.03.2021)
ImpulsWenn ihr aber seht, dass Jerusalem von Heeren eingeschlossen wird, dann erkennt ihr, dass seine Verwüstung bevorsteht. Dann sollen die Bewohner von Judäa in die Berge fliehen; wer in der Stadt ist, soll sie verlassen, und wer auf dem Land ist, soll nicht in die Stadt gehen. Denn das sind die Tage der Vergeltung, damit alles in Erfüllung geht, was geschrieben steht. Wehe den Frauen, die in jenen Tagen schwanger sind oder ein Kind stillen! Denn große Bedrängnis wird über das Land hereinbrechen und Zorn über dieses Volk. Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie zu allen Völkern schleppen und Jerusalem wird von den Völkern zertreten werden, bis die Zeiten der Völker sich erfüllen.
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und
erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. (Lk 21,20-28)
Schon und noch nicht!
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
dieser Gedanke „Schon und noch nicht“ legt sich mir heute nahe, wenn ich den Text aus dem Lukasevangelium lese. Vernichtung und Zerstörung sind hier im Grunde bereits im Gange, aber das Neue ist noch nicht errichtet. Der Evangelist spricht davon, dass die Menschen große Bedrängnis erleben werden und der Zorn Gottes über das Volk kommen wird. Ja, er spricht mit deutlichen Worten vom Ende Jerusalems.
Als im vergangenen Jahr die Corona-Pandemie ihren ersten Höhepunkt erreichte, gab es damals nicht wenige Menschen, auch aus den Reihen der Kirche, die öffentlich vermuteten, dass Corona eine längst fällige Strafe Gottes für uns Menschen sei, weil wir allzu egoistisch miteinander und der ganzen Schöpfung umgegangen sind. Aber kann es wirklich sein, dass Gott uns Menschen bestrafen und vernichten will? Ist sein Wort also eher eine Drohbotschaft statt einer
frohmachenden Botschaft?
Ich meine nicht, auch wenn mir in diesem Zusammenhang ganz schnell die Geschichte der Arche Noah und der Sintflut einfällt, in der Gott ja nur die Menschen rettet, die nach seiner Weisung gelebt haben – alle anderen aber die Sintflut verschlingt. Aber wenn wir diese Sintfluterzählung genau ansehen, dann hören wir selbst dort, wie am Ende der Erzählung Gott es reute und er den Menschen das Versprechen gab, nie wieder „alles Lebendige zu schlagen“ (vgl. Gen 8).
Natürlich können wir sagen und genügend Beispiele aufzählen, wo wir Menschen uns nicht an Gottes Gebote gehalten haben und wo wir sicher immer wieder auch an der Botschaft des Evangeliums vorbeigelebt haben und vorbeileben. Aber letztlich sagt uns auch das heutige Evangelium, trotz aller Zerstörung, die es andeutet und beschreibt: Gott kommt nicht, um uns Menschen zu vernichten, sondern er kommt, um uns zu retten! Und viele Male spricht die Bibel davon, dass wir Menschen daher keine Angst haben sollen, denn er ist bei uns und wird uns retten. Deshalb richten wir uns auf und erheben wir unser Haupt, denn es naht unsere Erlösung. Denn es hat schon begonnen, auch wenn es noch nicht vollendet ist!
Einen guten Tag
wünscht Ihnen allen
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Mittwoch der 4. Fastenwoche (17.03.2021)
Impuls17 Und ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen. 18 Und kein Haar von eurem Haupt soll verloren gehen.
(Lk 21,17-18 – gesamte Tageslesung: Lk 21,5-19)
Es wirkt etwas verloren und unglaubwürdig am Ende all der schrecklichen Dinge von Kriegen, Katastrophen und Verfolgungen, die Jesus in seiner sog. Kleinen Apokalypse hier ankündigt: „Kein Haar von eurem Haupt soll verloren gehen.“ Nach all den Kriegen, Hungersnöten, Seuchen und Verfolgungen soll uns kein Haar gekrümmt werden? Das klingt doch reichlich weltfremd.
Mir hilft hier ein kleiner Satz, den ich einmal irgendwo gelesen habe: Gott bewahrt mich vielleicht nicht vor allem Leid, er bewahrt mich aber in allem Leid. Ich kann nicht verhindern, dass nicht alles glatt läuft im Leben, dass ich Leid, Finsternis, Zweifel, Verleumdung etc. erleben muss. Ich darf aber darauf vertrauen, dass da einer ist, der mich in all dem begleitet, der mich bewahrt. „Dies alles ist noch nicht das Ende.“
Das ist alles leichter gesagt als getan. Und wenn ich drinstecke, dann wird auch der Zweifel kommen, die Dunkelheit, der Unglaube. Aber in allem Unglauben – bleibt ER doch da. Gibt es eine größere Verheißung?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Dienstag der 4. Fastenwoche (16.03.2021)
ImpulsAls er umherblickte, sah er, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten legten. Er sah auch, wie eine arme Witwe zwei kleine Münzen hineinlegte, und er sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr hineingelegt als alle. Denn sie alle haben von ihrem Überfluss hineingelegt zu den Gaben Gottes, sie aber legte von ihrer Armut den ganzen Lebensbedarf hinein, den sie hatte.“ (Lk 21,1-4)
Der Opferbegriff an dieser Stelle des Lukas-Evangeliums hat für mich eine unglaubliche Tiefe. Ich denke nicht, dass es Jesus hier um einen finanziellen Beitrag im wörtlichen Sinne geht. Dass für die arme Witwe der Betrag von „zwei kleinen Münzen“ ein weitaus größeres Opfer darstellt als für eine reiche Person, macht Jesus unmissverständlich deutlich… Doch darum geht es gar nicht.
Gehen wir einen Schritt weiter und übertragen dieses ‚Gleichnis‘ einmal auf unsere ganz persönliche Gottsuche.
In der Hl. Messe legen wir bei der Gabenbereitung, dem Offertorium (von lat. offerre, „entgegentragen“, „darreichen“) Gott unsere Anliegen und Gebete zu den Gaben Gottes auf den Altar. Sie werden in der Eucharistie gewandelt, und so werden wir mit unseren Anliegen Teil des Leibes Christi.
Doch was reichen wir dar? Wie viel von uns geben wir Gott preis? Wie stark ist unser Vertrauen zu ihm? Leisten wir womöglich nur einen „Mindestbeitrag“? Haben wir Angst, Gott alles hinzulegen, weil dann nichts mehr für uns selbst übrig bleibt?
Der Punkt ist nicht, dass wir mehr geben müssen, wenn wir mehr haben, oder dass „zwei kleine Münzen“ reichen, wenn wir gerade etwas ärmer dran sind. Worum es Jesus geht, ist, dass wir unseren ganzen Lebensbedarf, also alles, was wir haben, Gott hinlegen können. Wir dürfen uns ihm ganz hingeben.
Die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns selbst erkennen und unsere Schwächen, ja unsere Armut akzeptieren. Diese dürfen wir – und wenn sie uns noch so peinlich ist – Gott hinhalten. Wir dürfen uns vor Gott entblößen, auch wenn wir uns noch so sehr dabei schämen; nur dann kann Gott an uns wirken. Heilen kann Gott uns nur, wenn wir ihm auch unsere Wunden zeigen – selbst wenn diese Wunden in Kämpfen entstanden sind, in denen möglicherweise auch wir an anderen schuldig geworden sind.
Die arme Witwe steht somit für einen Menschen, der erkannt hat, dass er vor Gott letztendlich arm ist, so wie jeder von uns. Und wenn wir dieses bisschen dann auch noch Gott anvertrauen, legen wir mehr hinein als alle.
Br. Jonathan von Holst OSB
Impuls am Montag der 4. Fastenwoche (15.03.2021)
Impuls45 Als aber alles Volk zuhörte, sprach er zu seinen Jüngern: 46 Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und es lieben, sich auf dem Markt grüßen zu lassen und obenan in den Synagogen und beim Gastmahl zu sitzen; 47 sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.
(Lk 20,45-47 nach der Lutherübersetzung; gesamte Tageslesung: Lk 20,41-47)
„Sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete.“ Diesen Satz aus der heutigen Tageslesung in der Übersetzung von Martin Luther musste ich mehrmals lesen. Steht da wirklich, dass die Schriftgelehrten die Häuser der Witwen „fressen“? So sehr diese kraftvolle Übersetzung auch befremdlich ist, so sehr bringt sie mich zum Nachdenken – wie es Luther zweifelsohne auch beabsichtigt hat.
Ja, ist das nicht wirklich so? Dass Menschen in ihrer Raffgier den Besitz der Ärmsten im wahrsten Sinne des Wortes „auffressen“ und in ihrer Scheinheiligkeit dazu noch große Worte machen? Ich denke an den Kredithai, der die Menschen mit fadenscheinigen Angeboten über den Tisch zieht, bis nichts mehr von ihnen und ihrem Geld übrigbleibt. Ich denke an den Bischof, der den missbrauchenden Priester von Pfarrei zu Pfarrei versetzt hat und sich dann vor die Kameras stellt und etwas von Vergebung faselt.
Aber muss ich wirklich so weit gehen? Reicht es nicht, bei mir selbst zu bleiben? Ich bete jeden Tag meine Gebete – und beachte nicht den Menschen neben mir, der Not leidet. Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche – und bin insgeheim ganz froh, dass der Friedensgruß in Coronazeiten entfällt und ich so dem Nachbarn nicht die Hand reichen muss. Es gibt sicher noch viele solcher Situationen, wo ich „die Häuser der Witwen fresse“.
Mache ich mir heute wieder neu bewusst: Wer sich von Gottes Wort nährt, der braucht keine Häuser der Witwen zu fressen, denn er ist schon gesättigt.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 4. Fastensonntag (14.03.2021)
Impuls2 Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth! 3 Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. 4 Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott. (aus Psalm 84)
Vor einigen Wochen bin ich ganz früh am Morgen aufgewacht und hörte, wie ein Schwarm Kraniche über das Kloster zog. Über das Sauerland ziehen immer viele Zugvögel im Frühjahr und Herbst, auf der Reise zu ihren jeweiligen Quartieren.
Es war draußen noch vollkommen dunkel, und nur die eindrücklichen Rufe der Vögel waren zu hören.
Ich fand es beindruckend, mit welchem Vertrauen sie ihrem Ziel entgegenstrebten. Sicher, sie haben bestimmt so etwas wie einen inneren Kompass, um auch unter widrigen Bedingungen ihr Ziel zu finden. Aber die Vorstellung, aus der Dunkelheit dem Licht entgegenzufliegen, ohne überhaupt etwas von dem Licht zu sehen, gefiel mir.
Kraniche sind in vielen Kulturen Glücksboten, und auch wenn sie ja nicht direkt in unserem heutigen Psalm vorkommen, so sind sie doch, wie alle Zugvögel, ein Symbol für unsere Sehnsucht nach dem Licht des Lebens. Auch Schwalben sind normalerweise nicht das ganze Jahr bei uns zuhause, sondern nur Sommergäste.
Das Spannende ist: Zugvögel sind Boten für das Leben, und sie streben dem Licht und der Wärme entgegen. Für eine Weile finden sie ein Haus, ein Nest, es gibt Nachwuchs, dann heißt es wieder aufzubrechen und an ein anderes Ziel zu gelangen. Sie sind immer wieder auf der Reise, und im Rhythmus der Jahreszeiten kehren sie eigentlich auch immer wieder um.
Umkehr kann also einfach auch Rhythmus bedeuten und etwas ganz Natürliches sein. Es muss nicht immer das Schwere in sich tragen, dass ich als Mensch ein armer Sünder bin und umkehren muss, um wieder auf den tugendhaften Weg zurück zu kommen.
Jeder zum Beispiel, der gerne bergwandert, weiß, dass er spätestens auf dem Gipfel wieder umkehren muss.
Unser eigener innerer Kompass kann uns helfen, wenn wir manchmal den Weg nicht sehen können. Unser Leib und unsere Seele sind gute Wegweiser. Oft ist da dieses Gefühl von Geborgenheit, dessen Ursprung wir aber nicht ergründen können. Vertrauen wir darauf, dass dieses Gefühl uns an einen guten Ort bringt.
Und auch unsere Sehnsucht ist ein guter Hinweisgeber. Ich finde, wir hören viel zu selten auf unsere Sehnsucht und haben oft nicht den Mut, ihr zu folgen.
Gerade aber sie lässt uns durch die Nacht fliegen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Samstag der 3. Fastenwoche (13.03.2021)
Impuls27 Da traten zu ihm einige der Sadduzäer, die sagen, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn 28 und sprachen: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (5. Mose 25,5-6): »Wenn jemand stirbt, der eine Frau hat, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 29 Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos. 30 Und der zweite 31 nahm sie zur Frau, dann der dritte, desgleichen alle sieben: Sie hinterließen keine Kinder und starben. 32 Zuletzt starb auch die Frau. 33 Die Frau nun: Wessen Frau wird sie in der Auferstehung sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt. 34 Und Jesus sprach zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten; 35 welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen. 36 Denn sie können hinfort nicht sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder der Auferstehung sind. 37 Dass aber die Toten auferstehen, darauf hat auch Mose hingedeutet beim Dornbusch, wo er den Herrn nennt Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs (2. Mose 3,6). 38 Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden; denn ihm leben sie alle. 39 Da antworteten einige der Schriftgelehrten und sprachen: Meister, du hast recht geredet. 40 Denn sie wagten nicht mehr, ihn etwas zu fragen. (Lk 20,27-40)
Schon wieder versuchen sie, Jesus „in seinen Worten zu fangen“. Diesmal sind es die Sadduzäer, von denen es ausdrücklich heißt, dass sie die Auferstehung leugnen. Und mit einem doch arg konstruierten Beispiel versuchen sie, die Auferstehung von den Toten ad absurdum zu führen. Wenn eine Frau sieben Männer überlebt hat, wessen Frau wird sie dann bei der Auferstehung sein? Da sieht man doch, wie sinnlos dieser Glaube ist – so unausgesprochen die Sadduzäer.
Jesus rückt die Dinge in die rechte Perspektive. Die Auferstehung ist nicht einfach die Fortsetzung des irdischen Lebens, wo die Menschen weiter so leben wie bisher. Es geht hier um eine fundamental andere Wirklichkeit, die wir uns auch nicht ansatzweise vorstellen können. „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“ Das ist der Satz, auf den es ankommt. Schon allein deshalb muss es eine Realität geben, in welcher der Tod endgültig besiegt ist. „Gott ist ein Gott des Lebens.“ Da kommt es nicht darauf an, wer wen geheiratet hat. Da kommt es darauf an, ob ich dem Leben gedient habe.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der 3. Fastenwoche (12.03.2021)
Impuls20 Und sie beobachteten ihn und sandten Leute aus, die sich stellen sollten, als wären sie gerecht; die sollten ihn fangen in seinen Worten, damit man ihn überantworten könnte der Obrigkeit und Gewalt des Statthalters. 21 Und sie fragten ihn und sprachen: Meister, wir wissen, dass du aufrichtig redest und lehrst und achtest nicht das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes wahrhaftig. 22 Ist’s recht, dass wir dem Kaiser Steuern zahlen, oder nicht? 23 Er aber merkte ihre List und sprach zu ihnen: 24 Zeigt mir einen Silbergroschen! Wessen Bild und Aufschrift hat er? Sie sprachen: Des Kaisers. 25 Er aber sprach zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! 26 Und sie konnten ihn in seinen Worten nicht fangen vor dem Volk und wunderten sich über seine Antwort und schwiegen still. (Lk 20,20-26)
„Die sollten ihn fangen in seinen Worten“. Eine treffende Ausdrucksweise in der Übersetzung von Martin Luther für das, was die Pharisäer und Schriftgelehrten hier versuchen. Sie wollen Jesus eine Falle stellen, ihn in seinen Worten „fangen“, dass er nicht mehr vor und zurück kann und ihnen hilflos ausgeliefert ist. Und dazu eignet sich die scheinbar interessierte Frage, ob sie dem römischen Kaiser Steuern zahlen sollen, sehr gut. Denn wie Jesus auch hier antworten wird, er kann es nur falsch machen. Bejaht er die Frage, gilt er bei den Juden als Opportunist der verhassten Besatzungsmacht, verneint er sie, gilt er bei den Römern als Aufwiegler.
Doch Jesus lässt sich nicht „in seinen Worten fangen“. Er antwortet: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Jesus redet den Besatzern nicht nach dem Mund noch will er einen Aufstand provozieren. Aber er macht klar, dass es hier um zwei ganz verschiedene Ebenen geht. Ich kann mich äußerlich an die Gesetze halten – und innerlich doch so frei sein, mein Herz an einen Anderen, Größeren zu hängen.
Wem folge ich? Woran hängt mein Herz? Was ist für mich des Kaisers, und was Gottes?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag der 3. Fastenwoche (11.03.2021)
ImpulsTageslesung: Lk 20,9-19
Mord und Totschlag – gibt es nichts anderes mehr?
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
an manchen Tagen denke ich mir: Gibt es wirklich nichts anderes mehr zu berichten als von Mord und Totschlag? Sind die Welt und die Menschen tatsächlich nur noch unbarmherzig und schlecht?
Sie werden mit mir sicher „Nein“ sagen, auch wenn uns selbst viele Beispiele aus der weiten und näheren Umgebung einfallen, die uns aufzeigen, dass die Welt nicht nur schön ist und das nicht erst seit Corona.
Und selbst in der Heiligen Schrift gibt es viele Stellen, an denen Unmenschliches berichtet wird. Die Erzählung von den bösen Winzern (Lk 20,9-19) ist da nur ein Beispiel von vielen.
Aber so schwer das Verhalten der bösen Winzer zu verstehen ist, so deutlich ist in diesem Text auch etwas Hoffnungsvolles herauszuhören: „Den Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“, und der Weinberg selbst wird ja auch nicht zerstört! Sodass er weiter Frucht bringen wird, mit einem guten Winzer bzw. einer guten Winzerin.
So bleibt die Frage: Wie lebe ich in diesem Weinberg des Herrn?
Und wenn ich und wir auf unseren guten Willen und unser eigenes Tun blicken, dann kann man doch schon sagen:
Es gibt weit mehr als Mord und Totschlag in unserer Welt, deshalb berichtet auch davon!
Einen guten Tag
wünscht Ihnen allen
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Mittwoch der 3. Fastenwoche (10.03.2021)
Impuls1 Und es geschah: Eines Tages lehrte er im Tempel das Volk und verkündete das Evangelium, da kamen die Hohepriester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten hinzu 2 und fragten ihn: Sag uns: In welcher Vollmacht tust du das? Wer hat dir diese Vollmacht gegeben? 3 Er antwortete ihnen: Auch ich will euch eine Frage stellen. Sagt mir: 4 Stammte die Taufe des Johannes vom Himmel oder von den Menschen? 5 Da überlegten sie und sagten zueinander: Wenn wir antworten: Vom Himmel!, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? 6 Wenn wir aber antworten: Von den Menschen!, dann wird das ganze Volk uns steinigen; denn sie sind überzeugt, dass Johannes ein Prophet ist. 7 Darum antworteten sie: Wir wissen nicht, woher. 8 Jesus erwiderte ihnen: Dann sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue. (Lk 20,1-8)
Jesus wird in der Synagoge von den Pharisäern und Schriftgelehrten gefragt, in welcher Vollmacht er verkünde und Taten vollbringe. Sie fragen Jesus, wer oder was ihn ermächtigt. Auch heute stellen viele Zeitgenossen die Frage nach der Macht in der Kirche. Jesu Auftrag war es, den umfassenden Heilswillen des Vaters allen Menschen erfahrbar werden zu lassen. Auch wir sind als Schwestern und Brüder zu diesem Auftrag heute berufen. Jesu Weg entlarvt falsche Machtvorstellungen. Sein Weg gipfelt in der Ohnmacht seiner Liebe am Kreuz. Sein Weg ist ein Weg der hingebenden Liebe. Jede Frau und jeder Mann, der aus dieser göttlichen Grundinspiration versucht zu leben, verwirklicht diese Liebe. Als Geschwister haben wir alle Anteil am Dienst des Evangeliums und der Versöhnung.
Die Zeit auf Ostern hin ist immer auch eine Zeit der Korrektur und der Umkehr. Fragen wir uns kritisch, wo jeder einzelne von uns einer falschen Macht folgt, die nicht Maß nimmt an der Liebe und Selbsthingabe Jesu.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Dienstag der 3. Fastenwoche (09.03.2021)
Impuls41 Und als er nahe hinzukam und die Stadt sah, weinte er über sie 42 und sprach: Wenn doch auch du erkenntest an diesem Tag, was zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. 43 Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen 44 und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du besucht worden bist.
45 Und er ging in den Tempel und fing an, die Händler hinauszutreiben, 46 und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus wird ein Bethaus sein«; ihr aber habt es zur Räuberhöhle gemacht. 47 Und er lehrte täglich im Tempel. Aber die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Angesehensten des Volkes trachteten danach, dass sie ihn umbrächten, 48 und fanden nicht, wie sie es machen sollten; denn alles Volk hing ihm an und hörte ihn. (Lk 19,41-48)
Es ist ein Abschnitt voller Emotionen, in dem uns ein Jesus vor Augen geführt wird, der von ganz unterschiedlichen Gefühlen überwältigt wird. In Jerusalem angekommen, ist es zunächst Trauer, die ihn übermannt. Jesus schämt sich seiner Tränen nicht, wenn er Jerusalem, wörtlich: „die Stadt des Friedens“ sieht, die ihrem Namen so gar keine Ehre macht: „Wenn doch auch du erkanntest an diesem Tag, was zum Frieden dient!“ Eine große Sehnsucht spricht aus diesem Satz.
Nach der Trauer kommt der Zorn. Als Jesus in den Tempel kommt – eher ist hier der Vorhof des Tempels gemeint, wo die Händler und Geldwechsler ihren Ort hatten – überkommt ihn die Wut darüber, dass hier kaum noch etwas vom Tempel als Bethaus zu spüren ist.
Trauer und Zorn sind urmenschliche Emotionen. Jesus scheut sich nicht, zu diesen Emotionen zu stehen – weil ihm Jerusalem, die Stadt des Friedens, so wichtig ist, weil ihm Gott und seine Herrschaft so wichtig sind.
Was ist mir wichtig im Leben? Was ist mir so wichtig, dass die Emotionen hochkochen?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der 3. Fastenwoche (08.03.2021)
Impuls28 Nach dieser Rede zog Jesus voran und ging nach Jerusalem hinauf. 29 Und es geschah: Er kam in die Nähe von Betfage und Betanien, an den Berg, der Ölberg heißt, da schickte er zwei seiner Jünger aus 30 und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her! 31 Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr es los?, dann antwortet: Der Herr braucht es. 32 Die Ausgesandten machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. 33 Als sie das Fohlen losbanden, sagten die Leute, denen es gehörte: Warum bindet ihr das Fohlen los? 34 Sie antworteten: Weil der Herr es braucht. 35 Dann führten sie es zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Fohlen und halfen Jesus hinauf. 36 Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf dem Weg aus. 37 Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die Schar der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machttaten, die sie gesehen hatten. 38 Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe! 39 Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: Meister, weise deine Jünger zurecht! 40 Er erwiderte: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien. (Lk 19,28-40)
Die meisten von uns werden diese Bibelstelle kennen. Sie wird jedes Jahr an Palmsonntag verlesen. Ich möchte heute auf den letzten Satz der Perikope eingehen.
Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: Meister weise deine Jünger zurecht! Er erwiderte: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.
Für mich ergeben sich daraus zwei Fragestellungen: Gibt es für mich eine Wahrheit? Und: Habe ich den Mut, für diese Wahrheit einzustehen?
Gibt es für mich eine Wahrheit? Das heißt nicht, im Fundamentalismus andere zu bevormunden, sondern es heißt, für sich eine Wahrheit gefunden zu haben und anderen ihre Wahrheit nicht abzusprechen. Es heißt aber auch, diese für sich gefundene Wahrheit nicht zu verstecken. Sie in den Diskurs der Gesellschaft zu stellen. Das erfordert Mut. Dass ich an Jesus glaube als den Erlöser, dass ich an ein Leben nach dem Tod glaube, das in der heutigen Zeit zu bekennen ist mutig. In einer Zeit der berechtigten Kirchenkritik zu bekennen, dass ich an Jesus glaube, ist mutig. Ich wünsche Ihnen in dieser Woche, dass sie Zeit finden, sich zu fragen: An welche Wahrheit glaube ich? Und: Habe ich den Mut zum Bekenntnis?
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am 3. Fastensonntag (07.03.2021)
ImpulsImpuls zu Psalm 34
Fallschirm
„Der Engel des Herrn umschirmt, die ihn fürchten, und er befreit sie!“ Das ist für mich der schönste Vers des 34. Psalms, den wir Mönche montags in der Komplet beten. Ein schönes biblisches Bild für die Engel, besonders für den Schutzengel. Es ist auch ein Trostbild: Du bist behütet. Du kommst nicht zu Fall. Gott schenkt dir einen Schutzengel, der dich umschirmt, so wie der Fallschirm den Fallschirmspringer hält und trägt. Unter Gottes Fallschirm kommst du nicht zu Fall. Und dennoch bist du frei, denn Gott schnürt dich los und hilft dir heraus. Er schnürt uns los, in dem Schutzraum, den er selbst uns garantiert. Aber wenn Gott dir selber einen Schutzraum schafft, dann kannst du ja deine Kräfte frei entfalten, und du sollst diese Kräfte nutzen. Nutzen, um in schwierigen Situationen das Notwendige zu tun, eben das, was jetzt dringend getan werden muss. Manchmal ist es etwas Konkretes. Es kann aber auch sein, dass es „nur“ darum geht, etwas auszuhalten, was uns kaum erträglich erscheint. Gott hilft dir hindurch, auch durch die Not-Situationen. Durch die dunklen Stunden, die zunächst so gar nicht zum Lobe Gottes aufrufen. Wenn du das aber für dich erkannt hast, dann kannst du eben doch Gott „allezeit loben“, wie es im 34. Psalm heißt. Auch in den schmerzhaften Zeiten. Denn: Du kannst diese Zeiten ja in dem Schutzraum Gottes durchleben. Du kannst nicht tiefer fallen als in Seine Hand.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag der 2. Fastenwoche (06.03.2021)
ImpulsLk 19,11-27: Von den anvertrauten Pfunden
11Als sie nun zuhörten, sagte er ein weiteres Gleichnis; denn er war nahe bei Jerusalem und sie meinten, das Reich Gottes werde sogleich offenbar werden. 12Und er sprach: Ein Mann von edler Herkunft zog in ein fernes Land, um ein Königtum zu erlangen und dann zurückzukommen. 13Der ließ zehn seiner Knechte rufen und gab ihnen zehn Pfund und sprach zu ihnen: Handelt damit, bis ich wiederkomme! 14Seine Bürger aber waren ihm feind und schickten eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen: Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche.
15Und es begab sich, als er wiederkam, nachdem er das Königtum erlangt hatte, da ließ er die Knechte zu sich rufen, denen er das Geld gegeben hatte, um zu erfahren, was sie erhandelt hätten. 16Da trat der erste herzu und sprach: Herr, dein Pfund hat zehn Pfund eingebracht. 17Und er sprach zu ihm: Recht so, du guter Knecht; weil du im Geringsten treu gewesen bist, sollst du Macht haben über zehn Städte.18Der zweite kam auch und sprach: Herr, dein Pfund hat fünf Pfund erbracht. 19Zu dem sprach er auch: Und du sollst über fünf Städte sein.20Und der dritte kam und sprach: Herr, siehe da, hier ist dein Pfund, das ich in einem Tuch verwahrt habe; 21denn ich fürchtete mich vor dir, weil du ein harter Mann bist; du nimmst, was du nicht angelegt hast, und erntest, was du nicht gesät hast. 22Er sprach zu ihm: Mit deinen eigenen Worten richte ich dich, du böser Knecht. Wusstest du, dass ich ein harter Mann bin, nehme, was ich nicht angelegt habe, und ernte, was ich nicht gesät habe, 23warum hast du dann mein Geld nicht zur Bank gebracht? Und wenn ich zurückgekommen wäre, hätte ich’s mit Zinsen eingefordert. 24Und er sprach zu denen, die dabeistanden: Nehmt das Pfund von ihm und gebt’s dem, der zehn Pfund hat. 25Und sie sprachen zu ihm: Herr, er hat doch schon zehn Pfund. 26Ich sage euch aber: Wer da hat, dem wird gegeben werden; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat.27Doch diese meine Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie herrsche, bringt her und macht sie vor mir nieder.
Wagen wir es also, ICH zu sein!
Als ich dieses Gleichnis Jesu las, dachte ich: „Ja klar, kenne ich. Aber – es ist irgendwie anders als sonst…!“ Und tatsächlich, vergleicht man es mit der Fassung im Matthäusevangelium, die uns aus der Liturgie viel bekannter ist, dann fällt ein fundamentaler Unterschied auf. Hier bei Lukas bekommt jeder der zehn ausgesuchten Knechte ein Pfund! Bei Matthäus heißt es dagegen: „Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten!“ (Mt 25,14-15)
Die beiden Evangelisten schildern uns zwei unterschiedliche Lebensauffassungen. Der eine: Alle sind gleich und haben gleich viele Charakterstärken mit auf den Lebensweg bekommen. Also die gleiche Ausgangslage für alle! Der andere: Das Leben ist ungerecht. Die einen haben viele Stärken mitbekommen – die anderen wenig. Eine völlig unterschiedliche Ausgangslage.
Wie empfinde nun ich? Was hat mich mein Leben bisher gelehrt? Alle haben dieselben Risiken und Chancen – oder: Der eine ist bevorteilt, der andere – und hier vor allem ich selbst – ist im Nachteil. Ich glaube, es kann sehr heilsam sein, sich einmal diesen Gedanken zu stellen. Wie viele Konflikte unseres Lebens hängen an dieser Frage. Ganz besonders deutlich wird sie, oft ein Leben lang, bei Geschwistern ausgefochten. „Du warst doch immer Papas Liebling! Und ich wurde überhaupt nicht wahrgenommen in meinem Bemühen…“ Und so tun wir unser ganzes Leben nichts anderes – als doch endlich wahrgenommen zu werden. Überall. Immer wieder.
Interessant ist nun, dass beide Evangelisten bei der Reaktion des Herrn, nach seiner Rückkehr, auf das Handeln seiner Knechte übereinstimmen. Es kommt nicht so sehr darauf an, wieviel diese mit dem ihnen anvertrauten Silbergeld erwirtschaftet haben. Sondern vor allem, dass sie überhaupt etwas daraus gemacht haben. Die einzige Haltung, die kritisiert wird, ist die der Angst, des Versteckens.
Eigentlich ist das doch sehr tröstlich! Ich muss in meinem Leben nicht der „tolle Hecht“, der „Tausendsassa“ sein. Ich darf das, was mir ganz persönlich an Stärken mit auf den Weg gegeben ist (ob viel oder wenig), weiterentwickeln. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Und am Ende wird es reichen, ist es gut.
Jeder Mensch hat seinen besonderen Weg. Mit jedem Menschen ist etwas Neues in die Welt gesetzt, was es noch nicht gegeben hat, etwas Erstes und Einziges. Es ist nicht noch einmal zu tun, was ein anderer, und wäre es der Größte, schon verwirklicht hat. Darum lautet für Rabbi Sussja die Frage der Fragen:
„In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: ‘Warum bist du nicht Mose gewesen?’ Man wird mich fragen: ‘Warum bist du nicht Sussja gewesen?’“
Wagen wir es also, ICH zu sein!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Freitag der 2. Fastenwoche (05.03.2021)
Impuls1 Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt. 2 Und siehe, da war ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war reich. 3 Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei, doch er konnte es nicht wegen der Menschenmenge; denn er war klein von Gestalt. 4 Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. 5 Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben. 6 Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. 7 Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. 8 Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. 9 Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist. (Lk 19,1-10)
Fast wirkt es so, als ob Zachäus nicht nur in den Maulbeerfeigenbaum steigt, um Jesus von Ferne zu sehen, sondern auch, um sich vor ihm zu verstecken. Vielleicht ist dies tatsächlich ein Ausdruck seiner eigenen Sehnsucht nach Heil und seiner Scham vor seinem eigenen Un-Heil.
Ihm, dem Oberzöllner, d.h. einem, der mit dem ungeliebten römischen Staatswesen kooperierte und sich am System der Steuereintreibung bereicherte – der einen Reibach gemacht hat – werden seine eigenen Sünden bekannt gewesen sein. Nur durch seine Unehrlichkeit konnte er Reichtum erlangen. So sucht er, in seiner Scham, eine vermeintlich sichere Distanz zum Heiligen, Heilenden.
„Da kommt also jemand in meine Stadt, von dem sich die Menschen Heil versprechen… Wär ja schon schön. Mal sehen… Aber ich selbst hab ja zu viel verbockt – bin ja wohl unwürdig, gerettet zu werden…?“
Jesus begnügt sich nicht damit, nur zu den ganz normalen Menschen zu gehen. Er hat entschieden, die größten Sünder zu retten. Und so geht er direkt zu Zachäus, dessen Herz er kennt, und sucht den Kontakt mit ihm, dem Sünder.
Als Zachäus also Jesus bei sich aufnimmt, bekehrt er sich und bekennt sich zu seiner Umkehr. Er zeigt guten Willen. So kann Jesus ihm das Heil zusprechen!
Was ergibt sich für uns? Auch wir erfahren uns in vielen Bereichen als sündige, widersprüchliche Menschen. Letztendlich ist die zentrale Frage des heutigen Textes aus dem Lukasevangelium: „Wer ist würdig, gerettet zu werden?“
Verstecke ich mich aus Angst vor meiner eigenen Umkehr im Maulbeerfeigenbaum? Oder lasse ich mich von Jesus ansprechen? Und was ist meine Antwort?
Dann darf ich wieder gewiss sein: Wenn es bei Zachäus mit der Heilung geklappt hat, wird es auch bei mir klappen.
Mit dem Psalmisten dürfen wir also beten: „Du hast entschieden, mich zu retten!“ (Ps 71,3)
Ich darf, selbst wenn ich meine eigenen Unzulänglichkeiten wahrnehme, und sie mich oft frustrieren mögen, darauf vertrauen, dass Gott mich – wenn ich es will – retten wird. Wenn ich will! Das ist keine Einladung, sich zurückzulehnen, sondern die Aufforderung, sich vertrauensvoll auf den Weg zu machen.
Er wird das, was er in meiner Taufe begonnen hat, auch zu Ende führen!
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Donnerstag der 2. Fastenwoche (04.03.2021)
Impuls31 Jesus versammelte die Zwölf um sich und sagte zu ihnen: Siehe, wir gehen nach Jerusalem hinauf; und es wird sich alles erfüllen, was bei den Propheten über den Menschensohn geschrieben steht. 32 Denn er wird den Heiden ausgeliefert, wird verspottet, misshandelt und angespuckt werden 33 und man wird ihn geißeln und töten und am dritten Tag wird er auferstehen. 34 Doch die Zwölf verstanden das alles nicht; der Sinn der Worte war ihnen verschlossen und sie begriffen nicht, was er sagte.
(Lk 18,31-34 – ganze Tageslesung: Lk 18,31-43)
In den Tageslesungen aus dem Lukasevangelium machen wir heute einen großen Sprung und gehen direkt ins 18. Kapitel, wo Jesus den Jüngern sein Schicksal vorhersagt – Leiden, Auslieferung, Verspottung, Misshandlung, Tod. Es wird ernst. Der Konflikt mit den religiösen Autoritäten, von dem wir in der Tageslesung gestern gehört haben, spitzt sich zu. Dass Jesus auch von der Auferstehung spricht, scheinen die Jünger vor lauter Leidensweissagungen gar nicht mehr zu hören.
„Doch die Zwölf verstanden das alles nicht.“ Wie sollten sie auch? Ein Messias, der durch das Leiden hindurchgeht, das war für sie jenseits aller Vorstellungskraft. Indem sie Jesus auf seinem Leidensweg begleiten, müssen sie noch einen langen und auch schmerzhaften Lernprozess durchmachen.
Und wie ist es mit mir? Verstehe ich Jesus? Oft geht es mir, wenn ich ehrlich bin, so wie den Jüngern. Ich verstehe das alles nicht. Es erschließt sich mir kein Sinn. Es ist wohl so wie mit den Jüngern. Ich muss mit Jesus mitgehen, ihn auf dem Weg seiner Passion begleiten, an seiner Seite sein – um vielleicht nach einem langen Lernprozess besser begreifen zu können.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der 2. Fastenwoche (03.03.2021)
Impuls37 Jesus sprach noch mit seinen Zuhörern, als er von einem Pharisäer zum Mittagessen eingeladen wurde. Er ging mit und setzte sich an den Tisch. 38 Entrüstet beobachtete der Gastgeber, dass sich Jesus vor dem Essen nicht die Hände gewaschen hatte, wie es bei den Juden vorgeschrieben war. 39 Jesus bemerkte seinen Unwillen und wandte sich zu ihm: „Äußerlich seid ihr Pharisäer ohne Fehler, ihr glänzt wie die Becher, aus denen ihr trinkt. Aber innerlich seid ihr schmutzig und verkommen. 40 Ihr Scheinheiligen! Ihr wisst doch ganz genau, dass Gott beides geschaffen hat – Äußeres und Inneres. Meint ihr da wirklich, dass er nur auf das Äußere achtet? 41 Eure Schüsseln und Becher sind voll. Gebt das, was drin ist, den Armen, dann seid ihr auch vor Gott rein!
42 Wehe euch, ihr Pharisäer! Sogar von Küchenkräutern wie Minze und Raute und auch von allen anderen Gewürzen gebt ihr Gott den zehnten Teil. Aber das, was viel wichtiger wäre – Gerechtigkeit und die Liebe zu Gott –, ist euch gleichgültig. Doch gerade darum geht es hier: das Wesentliche tun und das andere nicht unterlassen.“
(Lk 11,37-42 (nach: Hoffnung für alle) – gesamte Tageslesung: Lk 11,37-54)
„Außen hui – innen pfui“ pflegte meine Oma zu Menschen zu sagen, die sich äußerlich gut, sauber, wichtig, rechtschaffen, „herausgeputzt“ gaben – und innerlich so ganz anders waren. Es ist wie die Kurzfassung der heutigen Tageslesung. Aber ist das so einfach?
Die Pharisäer sind Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen und aus ihm heraus leben. In gewisser Weise sind sie die Elite der damals Glaubenden. Und doch geht Jesus mit ihnen nicht gerade zimperlich um. Er wirft ihnen vor, dass sie die Gesetzestreue höher ansetzen als die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Ja, dass sie die Gerechtigkeit nicht beachten – und die Menschen am Rande der Gesellschaft, die es nötig hätten, im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen.
Und ich merke, dass diese Worte mich meinen. Nicht einen konkreten Menschen damals, sondern mich in meiner doch so oft pharisäischen Haltung. Stehe ich damit nicht oft genug Gott selbst im Wege durch mein (Nicht-)Zeugnis, trage seine Liebe nicht zu denen, die sie nötig hätten?
Da ist ein schöner Gottesdienst wichtiger als die Möglichkeit, Menschen nahe zu kommen. Da schreibe ich lieber Texte, als auf Menschen zuzugehen. Da fühle ich mich gut und wichtig, wenn andere mir das auch noch sagen – statt zu sehen, wen ich alles übersehe, wem ich weh tue, wen ich nicht beachte. Gelder für wichtige Hilfsprojekte kann ich organisieren. Aber mich der Bettlerin am Straßenrand zuzuwenden, schaffe ich nicht.
Jesus macht deutlich: das eine tun ohne das andere zu lassen. Nur: Gerechtigkeit und Liebe müssen an erster Stelle stehen. Nicht ich.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Dienstag der 2. Fastenwoche (02.03.2021)
Impuls33 Niemand zündet eine Leuchte an und stellt sie in einen versteckten Winkel oder unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter, damit alle, die eintreten, das Licht sehen. 34 Die Leuchte des Leibes ist dein Auge. Wenn dein Auge gesund ist, dann ist dein ganzer Leib hell. Wenn es aber krank ist, dann ist auch dein Leib finster. 35 Achte also darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist! 36 Wenn nun dein ganzer Leib hell ist und nichts Finsteres in ihm ist, dann wird er ganz hell sein, wie wenn die Leuchte dich mit ihrem Strahl bescheint. (Lk 11,33-36)
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!“ Das sagte früher meine Mutter zu mir, wenn ich mich nicht traute, irgendetwas zu tun, wo ich zwangsläufig im Rampenlicht stände – beim Schultheater, in der Musikgruppe, beim Lektorendienst im Gottesdienst. Sie ermutigte mich, meine Talente nicht zu vergraben, sondern zu nutzen – und genau deshalb habe ich das dann getan, zwar mit viel Lampenfieber und Zittern, aber auch mit der Erfahrung, dass es eigentlich gar nicht so schlimm war.
Wer im Licht steht, der wird gesehen. Das ist positiv und negativ. Nicht nur der Applaus am Ende zählt, sondern jeder Versprecher wird wahrgenommen – oft mehr von mir selbst als von anderen.
„Achte also darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist!“ Ich bin für mein Licht selbst verantwortlich. Wenn ich einmal im Licht stehe, dann muss ich damit rechnen, dass da vielleicht auch etwas zum Vorschein kommt, dass ich lieber im Dunkeln gelassen hätte. Deshalb ist manchmal auch die Vorsicht des Kindes angebracht, das sich nicht traut, im Licht zu stehen. Gerade unsere Mediengesellschaft ist unbarmherzig im Aufdecken des eigenen Schattens.
Mir hilft es in solchen Situationen oft innezuhalten. Mich zu vergewissern, dass ich durch nichts aus dem Licht Gottes herausfallen kann. Mich neu anfüllen zu lassen von Seinem Licht, das auch das Dunkle in mir erleuchtet. Nicht grell wie ein Scheinwerfer, sondern sanft wie eine Nachttischlampe.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der 2. Fastenwoche (01.03.2021)
Impuls29 Als immer mehr Menschen zusammenkamen, begann Jesus zu sprechen: Diese Generation ist eine böse Generation. Sie fordert ein Zeichen; aber es wird ihr kein Zeichen gegeben werden außer das Zeichen des Jona. 30 Denn wie Jona für die Einwohner von Ninive ein Zeichen war, so wird es auch der Menschensohn für diese Generation sein. 31 Die Königin des Südens wird beim Gericht mit den Männern dieser Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo. 32 Die Männer von Ninive werden beim Gericht mit dieser Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie sind auf die Botschaft des Jona hin umgekehrt. Und siehe, hier ist mehr als Jona. (Lk 11,29-32)
Was ist eigentlich so schlimm daran, ein Zeichen zu fordern? Nicht alles einfach so hinzunehmen, einfach „zu glauben“, sondern den Dingen auf den Grund gehen zu wollen? Für die Wissenschaft ist dieses Vorgehen Standard. Jede neue Hypothese wird zunächst einmal hinterfragt, von allen Seiten beleuchtet, bis sie wirklich hieb- und stichfest ist. An den Forschungen am Coronavirus kann man das hautnah miterleben.
Jesus geht es hier wohl nicht um Wissenschaftsfeindlichkeit. Er will keinen Gegensatz zwischen Wissen und Glauben aufbauen. Ihm geht es nicht um einen Sachverhalt, den man verifizieren oder falsifizieren kann, nüchtern und ohne jedes Pathos. Nein, Jesus geht es um die zwischenmenschliche Ebene, um die Beziehung zwischen ihm und seinen Jüngern. Und da kann es nicht darum gehen, immer neue Zeichen und Beweise zu fordern, sondern zwischen Menschen geht es um Vertrauen – manchmal auch um einen Vertrauensvorschuss. Liebe und Freundschaft lassen sich nicht beweisen. Das heißt dann natürlich auch, dass mein Vertrauen enttäuscht werden kann, dass ich aufs falsche Pferd gesetzt habe. Das gehört zum Risiko des Glaubens dazu.
Jesus führt den Propheten Jona als Zeichen für seine Jünger an. Jona ist ein Prophet, der die Menschen zur Umkehr aufrief – und der selbst immer wieder umkehren musste. Hin zu einem Gott, der größer ist als unsere Vorstellungen von ihm. So muss auch ich immer neu umkehren, meine Bilder und Vorstellungen, wie Gott ist bzw. wie ich ihn haben möchte, lassen und mich neu in das Risiko des Glaubens hineinwagen. Im Bewusstsein, dass alles auch ganz anders sein könnte. Aber im Vertrauen, dass es doch richtig sein könnte.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 2. Fastensonntag (28.02.2021)
ImpulsTageslesung: Psalm 25
Fernglas
Im Sommer ein paar schöne Tage in den Südtiroler Bergen genießen. Wanderungen in den Bergen. Stille erleben und pure Natur erblicken. Den Augen.Blick genießen. Der Rucksack ist gefüllt. Freiheit fast über den Wolken finden. Den Blick auf das Gipfelkreuz gerichtet. Ein Fernglas darf nicht fehlen, um Steinböcke oder Adler oder die Bergspitze mit dem uralten Gletscher ins Visier zu nehmen. Wie oft habe ich das Fernglas schon in die Hand genommen, um es in eine ganz bestimmte Richtung zu schwenken, damit ich die Wunderwelt der Südtiroler Berge in den Blick nehmen kann. Wenn ich durch ein Fernglas schaue, kann es sein, dass ich lange suchen muss, bis ich meinen Blick.Punkt gefunden habe. Habe ich es geschafft, dann kann ich mich einen Augen.Blick an dem Erblickten erfreuen. Im 25. Psalm hören wir: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn er wird meinen Fuß aus dem Netz ziehen.“ Im Leben gibt es immer wieder Situationen, in die ich mich verstricke. Moment.Aufnahmen, in denen ich mich verliere. Augen.Blicke, wo ich falle oder festsitze. Gefangen im Netz der eigenen Verstrickungen. In diesen Moment ist ein guter Blick.Punkt mit klarer Aussicht wichtig. Mit dem Fernglas meiner Seele suche ich in meinem Herzen Gottes Augen, denn ich weiß, dass seine Augen stets auf mir ruhen. Gott schaut mich an. Er schenkt mir ein Ansehen, auch wenn ich mich in den Verstrickungen des Lebens verheddert habe. Ich werde von ihm gesehen und er wird mich aus meinen Netzen der Dunkelheit mit seiner leuchtenden, warmen Liebe befreien. Durch den An.Blick Gottes ist über den Augen.Blick der Ewigkeit hinaus das Netz der unbarmherzigen Verstrickungen zerrissen, und ich bin frei – in seiner Liebe frei.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag der 1. Fastenwoche (27.02.2021)
ImpulsTageslesung: Lk 11,14-28
Mir ist der Begriff „Dämon“ fremd. Auch mit der Bezeichnung „unreiner Geist“ kann ich wenig anfangen. Aus medizinischer Sicht gibt es Erkrankungen, die entweder physischer Natur oder psychischer Natur sind. Hier passen für mich keine theologischen Begriffe. Der Dämon oder auch der unreine Geist sind für mich Stellvertreter für das damals Unbekannte an Erkrankungen. Womit ich jedoch etwas anfangen kann, ist, dass Jesus heilt. Was er heilt und wie er heilt, ist dabei eigentlich nebensächlich. Der Mensch, der vorher krank war, ist jetzt geheilt. Jesus vermag durch seine Anwesenheit, durch seine Botschaft in dem Menschen etwas gerade zu rücken. Oder er vermag durch seinen liebenden Blick den Sprachlosen wieder zum Sprechen zu bringen.
In der Medizin gilt der Grundsatz: Wer heilt, hat recht. Jesus wird durch seine Heilungswunder von Gott ins Recht gesetzt. Genau das versuchen die Leute zu bezweifeln, wenn sie behaupten, dass Jesus mit Beelzebub die Dämonen austreibt. Hier passiert exemplarisch an Jesus, was wir immer wieder beobachten können. Es geschieht etwas Unerwartetes oder auch Unerklärliches. Und das wird dann dämonisiert. Für mich stellt sich dann die Frage: Kann ich das Unerwartete und Unerklärliche aushalten? Kann ich es aushalten, dass ich für manches einfach keine Erklärung habe? Mich mahnt diese Bibelstelle zur Zurückhaltung in der Beurteilung von Situationen und auch dazu, dafür keine Sündenböcke zu suchen. Die Pandemie, die wir erleben, ist eben keine Weltverschwörung, sondern ein neues Phänomen, das wir bisher nicht kannten.
Mir bleibt, mich dem liebenden Blick Jesu auszusetzen und zu versuchen, dass ich diesen liebenden Blick und seine Botschaft der Liebe an mir zulasse und an andere weitergebe. Dann wird das Reich nicht gespalten sein, sondern sein Reich ist im Kommen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Freitag der 1. Fastenwoche (26.02.2021)
Impuls5Und er sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.
9Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 10Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
11Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? 12Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? 13Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! (Lk 11,5-13)
„Bittet!“
Ich darf Gott bitten! Das hört sich zunächst ganz selbstverständlich an. Aber ist es das wirklich? Das große, unfassbare Geheimnis, das wir Gott nennen – und ich kleiner Mensch darf ihn bitten… Ist das nicht ziemlich verwegen?
Schauen wir uns einmal das Bitten näher an! Denn – so einfach ist das gar nicht! Ich darf jemanden (einen Menschen) um etwas bitten! Etwas, was mir in meinem tiefsten Innersten helfen würde – in meinem Leben. Also nicht eine kleine Alltäglichkeit (aber damit fängt es schon an!), sondern etwas Fundamentales. Seien wir ehrlich. Das fällt unsagbar schwer. Denn zuerst einmal stellt sich mir selbst die Frage: Was brauche ich denn? Was ist denn mein innerstes Bedürfnis? Was fehlt mir denn zutiefst in meinem Leben? Und dann muss ich meine Bedürftigkeit noch vor einem anderen Menschen offenbaren, mich offenbaren, öffnen. Ja, ich muss so noch umso mehr zu meiner Bedürftigkeit stehen. Muss zugeben, dass ich in gewisser Weise vom anderen abhängig bin. Ich bin nicht der Fels, der unberührt dasteht und nichts und niemanden braucht. Ganz im Gegenteil!
Das ist genau der Prozess, den Jesus in mir anregen will, wenn er uns zuruft: „Bitte!“ Und dies nicht nur im Hinblick auf einen Menschen an meiner Seite, sondern auf den tragenden Grund unseres Lebens – Gott selbst.
Ich darf vor diesem Gott zu meiner Bedürftigkeit stehen. Ich muss nicht perfekt und fertig sein. Nein – ich bin auf dem Weg und er ist an meiner Seite. Als Hilfe, als Stütze, als…
„Bittet!“ – Haben wir den Mut in dieser Zeit vor Ostern uns auf den Weg zu machen und hinzuschauen. Was fehlt da in mir, dessen ich wirklich bedarf? Was müsste mir von Gott zuwachsen, damit neues Leben wachsen kann? Damit es Ostern wird – auch in mir!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Donnerstag der 1. Fastenwoche (25.02.2021)
Impuls1 Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat! 2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. 3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen! 4 Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung! (Lk 11,1-4)
Es gehört zu den immer wiederkehrenden Begebenheiten im Evangelium, dass sich Jesus zum Gebet an einen einsamen Ort zurückzieht. In der Stille schöpft er Kraft für seinen Dienst an den Menschen. Seine Jünger merken, wie wichtig ihm diese Zeit ist, und sie spüren wohl auch die Kraft, die von Jesus nach seinen stillen Zeiten ausgeht. Und so bitten sie Jesus darum, sie beten zu lehren.
Hier zeigt sich für mich deutlich, wie der Glaube weitergegeben wird. Nicht durch große Reden, sondern durch das Beispiel von Menschen. Ich bete, weil ich es bei anderen so gesehen habe und weil andere mich das Beten gelehrt haben.
Jesus lehrt seine Jünger ein Gebet, das in den Gebetsschatz der Kirche eingegangen ist und das seinen festen Ort in jeder Eucharistiefeier gefunden hat – das „Vaterunser“. Wir kennen es so gut, dass wir es oft wahrscheinlich einfach so runterbeten, ohne groß auf den Sinn der Worte zu achten. Das Vaterunser ist ein festes Ritual geworden.
Vielleicht wäre es eine gute Übung, sich heute einmal dieses Vaterunser zu nehmen und neu durchzubuchstabieren. Bei dem zu bleiben, was mich unmittelbar anspricht. Vielleicht zu jeder der Bitten eigene Gedanken zu formulieren – und so dieses alte Gebet durch mein Leben fortzuschreiben.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der 1. Fastenwoche (24.02.2021)
Impuls38 Als sie weiterzogen, kam er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. 39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. 40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! 41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. 42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden. (Lk 10,38-42)
Die bekannte Erzählung der Schwestern Marta und Maria, die Jesus in ihr Haus einladen, scheint ein Schlag ins Gesicht zu sein für alle, die sich redlich bemühen, ihren Mitmenschen gastfreundlich zu begegnen, ihnen die kleinen Sorgen des Alltags abzunehmen. Marta, die „ganz davon in Anspruch genommen war zu dienen“, scheint von Jesus regelrecht abgekanzelt zu werden, wenn er ihr sagt, dass „nur eines notwendig“ sei und dass Maria den „guten Teil“ gewählt habe – ausgerechnet Maria, die keinen Finger rührt und ihrer Schwester die ganze Hausarbeit allein überlässt.
Marta ist so von ihrer Arbeit in Anspruch genommen, dass sie die Gaben und Talente ihrer Schwester nicht anerkennen kann. Sie vergleicht sich mit ihrer Schwester und kann nicht mehr das Positive sehen, das sie selbst für Jesus tut. „Im ständigen Sich-Vergleichen liegt der Anfang der Sünde“ – so haben es die Wüstenväter ausgedrückt. Immer da, wo ich mich mit anderen vergleiche, sehe ich nur das, was ich nicht habe bzw. fühle mich von anderen weniger gesehen, weniger wertgeschätzt.
Beide Schwestern sind für Jesus wichtig. Sicher wird Jesus nach einem anstrengenden Tag Hunger gehabt haben und sich über das köstliche Mahl, das Marta zubereitet hat, gefreut haben. Aber ebenso war das offene Ohr von Maria wichtig für ihn. Jede der beiden Schwestern dient Jesus mit ihrer Gabe.
Jeder von uns ist an manchen Tagen Marta und an anderen Tagen Maria. Und daran ist nichts Schlimmes. Schlimm ist es, wenn sich Marta und Maria gegenseitig beargwöhnen. Wenn beide zusammenstehen, dann kann daraus Wunderbares entstehen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Dienstag der 1. Fastenwoche (23.02.2021)
ImpulsImpuls zu Lk 10,25-37: Sei was du bist – Gib was du hast
Bin ich Jesus? – auf diese etwas flapsige Art und Weise hat meine Schwester immer wieder geantwortet, wenn ihr eine Bitte zur Mithilfe zu übermäßig vorkam.
Bin ich Jesus?
Nein, bin ich auch nicht! Aber ich bin ich und das genügt.
Rose Ausländer hat passend dazu einmal gesagt:
Sei was du bist – gib was du hast
Und diese Antwort hätte Jesus sicher auch dem jungen Mann geben können, der ihn gefragt hat: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“
Wir selbst würden sicher auf eine solche Frage eine ganze Latte von Erwartungen und verschiedenen Aufgaben erwarten. Jesus aber antwortet kurz und knapp: Liebe Gott und deinen Nächsten, wie dich selbst! Und durch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) macht er uns allen deutlich: Tu immer das Naheliegende, so wie es im Gleichnis vom barmherzigen Samariter buchstäblich das Naheliegende ist, dem Ausgeraubten, am Boden liegenden Mann zu helfen. Denn das, was es zu tun gilt, ist oft das nahe liegende, besteht oft in alltäglichen, ganz selbstverständlichen Dingen und Aufgaben. So auch, wenn ein Mensch spontan mein Herz berührt, mich die Sorge um einen anderen Menschen umtreibt oder wenn mir jemand einfällt, bei dem ich mich schon lange nicht mehr gemeldet habe. In der Regel muss ich dann dazu mein momentanes Tun unterbrechen, ganz so wie im Gleichnis der Samariter seine Reise. Leben gewinne ich da, wo ich aufmerksam bin für das, was jetzt als das Naheliegende zu tun ist.
Oder anders gesagt:
Sei was du bist – gib was du hast!
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Montag der 1. Fastenwoche (22.02.2021)
Impuls17 Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude: Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan. 18 Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen. 19 Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch schaden können. 20 Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind! 21 In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. 22 Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand erkennt, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand erkennt, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. 23 Jesus wandte sich an die Jünger und sagte zu ihnen allein: Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht. 24 Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört. (Lk 10,17-24)
Die heutige Schriftlesung schließt an die Stelle vom vergangenen Samstag an, in der von der Aussendung der Jünger durch Jesus berichtet wird. Heute lesen wir von der Rückkehr der 72 Jünger. Die Jünger sind völlig euphorisiert von den Wundertaten und Dämonenaustreibungen, die sie vollbracht haben. Offenbar haben sie Erfolg gehabt und konnten vielen Menschen helfen, sie von Blockaden und Lähmungen befreien.
Da ist auch zunächst einmal nichts Schlimmes dran, und Jesus bestätigt in eindrücklichen Worten das, was die Jünger berichten: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen!“ Etwas Neues ist angebrochen, vor dem die lebensfeindlichen Mächte nicht bestehen können.
Und doch rückt Jesus die Freude der Jünger in die rechte Perspektive: „Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!“ Das Sein steht bei Jesus vor dem Tun – zuerst wird mir etwas geschenkt, und meine Taten sind sozusagen die Konsequenz daraus. Die Jünger handeln nicht aus eigener Macht, sondern mit der Vollmacht Jesu, dessen, der sie gerufen und gesandt hat.
Es ist so etwas wie eine Umkehrung der Perspektive, die hier geschieht. Es sind nicht die Weisen und Klugen, die mit gewandten Worten reden können, die Jesu Botschaft voranbringen, sondern gerade die „Unmündigen“, Menschen, denen man es vordergründig nicht zutrauen würde. Das Heil kommt da zu mir, wo ich es am wenigsten erwarte.
Wenn ich mir bewusst mache, dass ich das, was ich kann und leiste, nicht aus mir selbst habe, sondern es mir von einem Anderen geschenkt ist, dann werde ich wahrhaft Großes vollbringen. Dann muss ich auch nicht neidisch auf die Talente anderer blicken, sondern kann mich an ihnen freuen – wie auch an meinen eigenen Gaben, die mir geschenkt wurden.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 1. Fastensonntag (21.02.2021)
ImpulsBibellesung: Psalm 10
„Warum, o HERR, bleibst du so fern!“ Traurigkeit, Einsamkeit und Verlassenheit von Gott, das beklagt der Beter im 10. Psalm. Er klagt: Gott ist an Tagen der Not so fern. Jene Traurigkeit kann ich gut verstehen, besonders in diesem langen Winter der Pandemie. Oft habe ich mir in den letzten Wochen, wenn ich abends am Fenster stand und in den Nachthimmel geguckt habe, die Frage gestellt: Wo bist du? Es wurde dann still in mir. In solchen Situationen muss ich immer an Windkrafträder denken. Windräder von über 100 Metern Höhe müssen über Blinklichter verfügen, um nachts für Flugzeuge sichtbar zu sein. Wären sie nicht da, dann könnte das Flugzeug im Zusammenstoß mit dem Windrad in große Not geraten. Schaue ich in einer dunklen, wolkenverhangenen und nebligen Nacht aus dem Fenster meiner Klosterzelle, dann sehe ich diese „Leuchtfeuer“ der Windkrafträder nicht aufleuchten. Meine Erfahrung sagt mir aber dann: Auch wenn der Nebel dicht ist, die Lichter sind dennoch da. Der Verstand sagt mir weiter: Müssen sie ja auch, sonst geraten die Flugzeuge in Gefahr! Schaue ich aber in einer sternklaren und wolkenfreien Nacht aus meinem Fenster, dann sehe ich deutlich die roten Lichter im Dunkeln von den Sauerländer Bergen her leuchten. Sie sind da – einfach! Im Gleichklang leuchten sie auf – immer wieder! Dieses Bild verdeutlicht mir, dass Gott da ist, immer da ist. Gerade auch dann, wenn die Nebel der Traurigkeit meine Seele umhüllen. In meiner Not weiß ich, dass Gott auch in meinen Dunkelheiten an meiner Seite steht. Gott kann ich vertrauen und auf ihn hoffen: Er ist da. Das verrät mir auch sein Name: JHWH! Und darum kann ich mit dem Psalmbeter einstimmen und am Ende des 10. Psalms Gott immer wieder als König preisen, der mein Herz aufrichtet. Die Fastenzeit will uns einladen, Gottes „Leuchtfeuer“ der Liebe zu entdecken, damit er in unserem Herzen scheinen kann. Und zwar immer, ob an Tagen der Not oder Freude. Er ist da.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag nach Aschermittwoch (20.02.2021)
ImpulsHeilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe! (Lk 10,9 – gesamte Tageslesung: Lk 10,1-16)
In der heutigen Schriftlesung lesen wir, wie Jesus seine Jünger aussendet. Er gibt ihnen konkrete Anweisungen mit auf den Weg – sich nicht mit schwerem Gepäck zu belasten, auf den Gruß unterwegs, der meist in ein längeres Gespräch mündet, zu verzichten, sich zu konzentrieren auf diejenigen, die die Jünger aufnehmen, ihnen den Frieden zuzusagen (vgl. Lk 10,1-8). Und im zweiten Teil seiner Rede (Lk 10,10-16) bereitet Jesus seine Jünger darauf vor, dass sie vermutlich nicht überall freundlich empfangen werden, dass sie – wie er selbst – auf Unverständnis, Ablehnung, ja, auf unverhohlene Feindseligkeit stoßen werden.
In der Mitte dieser Perikope steht die zentrale Botschaft: „Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe(gekommen)!“ (Lk 10,9)
„Das Reich Gottes ist euch nahegekommen.“ Auch uns heute ist dieser Satz zugesagt. Inmitten von so viel Krankheit, Leid und Tod, die uns umgeben, birgt dieser kleine Satz vom nahegekommenen Gottesreich ein unerhörtes Hoffnungspotential. Die kleinen Zeichen der befreienden Herrschaft Gottes sind schon da – sie wollen von mir bloß wahrgenommen werden.
„Das Reich Gottes ist euch nahegekommen.“ Wie reagiere ich auf diese Botschaft? Mit der Ablehnung des nüchternen Realisten, der nur das sieht, was vor Augen liegt, und nicht glauben kann, dass es da vielleicht mehr geben kann? Oder mit der Hoffnung desjenigen, der sich mit dieser harten Realität nicht zufriedengibt und von einer besseren Welt zu träumen wagt und sich mit allen Kräften dafür einsetzt?
„Das Reich Gottes ist euch nahegekommen.“ Was ich daraus mache, das liegt an mir.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag nach Aschermittwoch (19.02.2021)
ImpulsWer rastet, der rostet…
57 Als sie auf dem Weg weiterzogen, sagte ein Mann zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst. 58 Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. 59 Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben! 60 Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes! 61 Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind. 62 Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes. (Lk 9,57-62)
„Der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ – Auch Jesus hat sich ausgeruht, aber sein Leben war ein Leben auf dem Weg.
Jeder, der mal eine längere Wanderung, eine Fahrradtour oder etwas Ähnliches gemacht hat, weiß: Wer auf dem Weg ist, möchte auch Pausen machen. Mal aus Erschöpfung, mal, weil der Ort, an dem man ist, so schön ist und zum Verweilen einlädt.
Im übertragenen Sinn mag es einem so auch in der Fastenzeit gehen, wenn einem das, was man sich gegebenenfalls für diese Zeit vorgenommen hat, lang wird und man sich der damit verbundenen Anstrengung und Unbequemlichkeit bewusst wird. Das ist vielleicht jetzt am Anfang noch nicht so wichtig, aber es mag im Verlauf des Weges kommen…
Wer dann stehen bleibt, kann nicht ankommen. Der Weg ist das Ziel!
Dies kann aber nur dann gelten, wenn der Weg auch ein Ziel hat. Wer sich auf einen Weg ohne Ziel macht, droht planlos umherzuirren. Also sollte ich mir erst bewusstmachen, was mein Ziel eigentlich ist.
Was will ich also mit meiner Ausdauer bewirken, jetzt in der Fastenzeit, aber auch größer gefasst, in meinem Leben?
Wozu tue ich das, was ich in der Fastenzeit tue? Was will ich mit dem erreichen, was ich in meinem Leben tue?
Im Kontext der Bibel und des christlichen Lebens stellt man fest: Unermüdlich weiterzulaufen ist zwar mit Anstrengung verbunden und durchzuhalten ist wahrlich nicht immer leicht. Der christliche Weg führt, wie der Weg Christi, durch Mühe und Leid.
Aber: Wenn wir das richtige Ziel vor Augen haben, wissen wir, dass sich die Mühe lohnen wird! Und: Zeichen für dieses Ziel ereignen sich bereits in der Mühe (z.B. wenn uns und andere der bloße Gedanke an das Ziel aufbaut (vgl. Lk 9,60b)) und vielleicht sogar im Schmerz der Abschiede, die wir im Leben erleiden und trotz derer wir Jünger Christi bleiben (vgl. Lk 9,58 + 9,60a).
Wichtig ist: Wir haben die Zusage, dass wir an der Bewältigung des Weges wachsen und schließlich das Ziel erreichen werden. So heißt es ganz zum Schluss der Benediktsregel, in ihrem letzten Wort: „pervenies“, d.h. „Du wirst ankommen!“ (vgl. RB 73,9).
Bleiben wir also dran! Jetzt ist die Zeit der Gnade! (2 Kor 6,2)
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Donnerstag nach Aschermittwoch (18.02.2021)
ImpulsBibellesung: Lk 9,51-56
Liebe Leserin, lieber Leser,
Jesus befindet sich auf dem Weg nach Jerusalem, und ER wusste, was ihn dort erwartete.
Mit IHM, Jesus, sind auch wir in dieser Österlichen Bußzeit auf dem Weg. Wir gehen dem Österlichen Triduum entgegen. Den Tagen von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu.
In der Liturgie des Palmsonntags wird mit folgenden Worten eröffnet: In den Tagen der Fastenzeit haben wir uns auf Ostern vorbereitet. Christus ist in seine Stadt Jerusalem eingezogen; dort wollte er Leiden und Tod auf sich nehmen, dort sollte er auch auferstehen. Und weiter: …damit wir auch Anteil erhalten an seiner Auferstehung und seinem Leben.
Es gilt, dieses Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren. Festen Schrittes, unverwandt… Oder wie es Philipp Spitta in einem Lied zum Ausdruck bringt: …Und wenn zerfällt die ganze Welt, wer sich an ihn und wen er hält, wird wohlbehalten bleiben. Was er verspricht, das bricht er nicht; er bleibet meine Zuversicht, ich will ihn ewig preisen.
Liegt es unserer menschlichen Natur doch nahe, eher das Angenehme und Schöne in den Blick zu nehmen. Alle Energie und Kraft einzusetzen für Anerkennung und Belohnung.
Leiden und Tod im Blickfeld haben?
Lebenshingabe statt Lebensfreude?
In dieser jesuanischen Haltung wird die Bestimmung Jesu, sein Auftrag, ganz deutlich. „DIE ZEIT IST ERFÜLLT…“ „Meine Speise ist es, den Willen meines Vaters zu erfüllen“.
Jesu Weg und sein Blick auf Jerusalem wollen auch uns zu einer konsequenten und entschiedenen Lebenshaltung und Glaubenstreue einladen. Es kommt auf meinen „Auftrag“, meine „Bestimmung“, meine „Mission“ in der Nachfolge als Getaufte und mit dem Heiligen Geist Besiegelte an.
Dazu gehört, so schwer es auch ist, Ablehnung, Spott und Verfolgung anzunehmen. Eben nicht, wie die Jünger „FEUER VOM HIMMEL REGNEN ZU LASSEN“.
Es geht nicht um Vernichtung, Drohung und Zerstörung, sondern immer neu darum, den von Gott erhaltenen Auftrag in Wort und Tat zu erfüllen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich wünsche Ihnen Kraft, Ausdauer und Freude in den Tagen auf Ostern zu. Möge es Ihnen gelingen, den Blick auf Jesus zu richten und Spuren des Lebens zu entdecken.
Unser Ordensvater schreibt im Kapitel 49, Vers 7b seiner Regel: …Mit geistlicher Sehnsucht und Freude erwarte er das heilige Osterfest.
Erspüren Sie heute Ihre Sehnsucht und Freude und bereichern Sie dadurch Ihr Leben.
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls an Aschermittwoch (17.02.2021)
ImpulsDa sagte Johannes: „Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb, und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er nicht mit uns zusammen nachfolgt.“ Jesus antwortete ihm: „Hindert ihn nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.“ (Lk 9,49-50; ökumenischer Bibelleseplan für die Fastenzeit)
Als ich erst recht spät in meinem Leben, nämlich im Alter von 25 Jahren, damit begann, aktiver am Kirchenleben teilzunehmen, war mir gar nicht so bewusst, wie zerstritten die Kirche oft ist. Natürlich kannte ich die (oft auch mit Augenzwinkern vollzogenen und in der Regel eigentlich „ganz netten“) Sticheleien zwischen Protestanten und Katholiken. Aber Schlachtfelder, wie sie sich vor allem in den sozialen Medien – besonders auf katholischen Seiten – auftun, waren mir unbekannt.
In meiner Zeit in Köln lernte ich den Katholizismus in seiner ganzen Bandbreite kennen: ein riesiger Schatz, an den ich mit jener Offenheit, die ich zuvor als Schüler auf Besinnungstagen in der OASE in Königsmünster erfahren durfte, heranzugehen versuchte und wertzuschätzen lernte.
Dabei bemerkte ich nicht selten Anfeindungen zwischen den verschieden ausgeprägten Gemeinden; und ich fragte mich: Wieso eigentlich? Sind wir letzten Endes nicht in ein und derselben Sache auf dem Weg der Gottsuche: im Glauben an Jesus Christus?
Jesus sagt es uns doch ins Gesicht: Keine christliche Gemeinschaft, wie heilig auch immer sie sein mag, könnte je göttliche Vollmacht für sich allein beanspruchen.
Welche Form die richtige für mich persönlich ist, ist dabei keine problematische Frage; im Gegenteil, sie ist zutiefst wichtig für den eigenen spirituellen Weg! Nicht umsonst hat sich Papst Franziskus für eine stärkere Inkulturation der Liturgie und somit im Grunde für eine „höhere Flexibilität“ im römischen Ritus ausgesprochen. Einer der wesentlichen Beiträge des II. Vatikanums bestand ja gerade darin, Normen für die Anpassung an die Formen und Traditionen vorzuschlagen!
Vielleicht wäre das eine Frage, die es sich lohnt mitzunehmen in die Fastenzeit: Wer bin ich eigentlich, dass ich sage, meine Ansichten seien die richtigen und die gewisser Anderer die falschen? Lassen auch wir uns von Jesus sagen: „Hindert [sie] nicht!“
Br. Jonathan von Holst OSB
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (10.1.2021)
ImpulsIn jenen Tagen kam Jesus aus Nazaret in Galiläa
und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. (Mk 1,9)
Das Fest der Taufe des Herrn beschließt liturgisch den Weihnachtsfestkreis. Die Taufe Jesu im Jordan bedeutet für mich, dass der „holde Knabe im lockigen Haar“ nun endgültig der Krippe entwachsen ist und seinen Weg gehen muss: Israel zu sammeln und das Reich Gottes zu verkünden. Und deshalb besteht die Botschaft von Weihnachten nicht nur in der Erzählung von Jesu Geburt in Bethlehem, sondern Weihnachten geht weiter…
Die Hirten blieben nicht dauerhaft bei der Krippe, sondern sie „kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten“ (Lk 2,20) und auch die Sterndeuter aus dem Osten ziehen wieder heim in ihr Land, bevor die Heilige Familie selbst nach Ägypten fliehen muss (Mt 2,12-15).
Wenn wir am heutigen Sonntag das Evangelium von Jesu Taufe im Jordan hören, dann kann uns das bewusst machen, dass auch unser je eigener und persönlicher Glaubensweg mit der Taufe einen sakramentalen Anfang nahm. Aber das Christ-Sein, zu dem wir berufen sind, soll sich wie ein roter Faden durch unseren Alltag und unser ganzes Leben ziehen. Auch wir sollen als Christen unseren Weg gehen: Indem wir von unserem Glauben und unserer Hoffnung erzählen, geht Weihnachten auch in diesem Sinne weiter, wenn wir nun am Anfang des Neuen Jahres wieder in den Alltag zurückkehren.
Br. Vincent Grunwald OSB
Mit dem Fest der Taufe des Herrn endet die Weihnachtszeit – und damit vorerst auch die Zeit der täglichen Impulse. Ab dem 17. Februar, wenn an Aschermittwoch die Österliche Bußzeit beginnt, geht es aber schon mit unserem Angebot durch die Fasten- und Osterzeit hindurch weiter. Wenn Sie die Impulse dann als Newsletter weiterempfangen möchten, brauchen Sie gar nichts zu tun – wenn nicht, können Sie über den Abmeldelink, den Sie in jedem Newsletter unten finden, ganz einfach Ihr Abonnement beenden.
Impuls am Samstag nach Epiphanie (9.1.2021)
ImpulsNicht kann auch
aus Gottes Hand fallen,
wer sogar außerhalb seiner selbst
und aller Kreatur fällt,
die doch Gottes Hand
von allen Seiten umfasst.
Stürze also durch die Welt,
wohin stürzest du?
Doch nur in die Hand
und an die Brust Gottes!
(Martin Luther)
Es braucht immer wieder diese Vergewisserung. Gerade am Anfang des neuen Jahres, gerade in dieser schwierigen Zeit. Denn es werden Situationen kommen, wo ich fallen werde. Es werden Dinge passieren, die mich an meine Grenzen bringen. Da ist es gut, sich sagen zu lassen, dass ich in Gottes Hand bin, von allen Seiten umfasst. Vielleicht ist auch genau das die Erfahrung Jesu in seiner Taufe, die wir zum Abschluss der Weihnachtszeit morgen feiern. Der Himmel öffnet sich und er hört die Stimme: „Du bist mein geliebter Sohn!“ Und kurz danach: Krisenzeit in der Wüste.
„Ich bin in Gottes Hand geborgen!“ – möge mir dies Fundament für alles sein, was in diesem Jahr auf mich zukommt, was mir widerfährt. Wohin falle ich? – In die Hand Gottes. Möge es so sein.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Freitag nach Epiphanie (8.1.2021)
ImpulsGebt ihr ihnen zu essen!
Was für deutliche Worte!
Kommen sie bei den Jüngern an?
Wenn ich es genau betrachte,
dann arbeiten wir ja noch immer daran,
an diesem Auftrag,
diesem Wort Jesu
und all dem,
was jeder von uns einbringt.
Unseren guten Willen,
unsere Talente,
auch wenn nicht alles
wirklich gelingt.
Fünf Brote und zwei Fische
für fünftausend peinlich gering,
jedoch, so sehr ich auch suche,
mehr ist bei mir einfach nicht drin.
Doch welch Wunder,
das Wenige reicht schon aus,
sofern ich es Jesus überlasse
wird die Fülle daraus.
ER nimmt, was ich ihm übergebe
und blickt zum Himmel hin,
sein Lobpreis klingt in die Höhe
und so wird meine Gabe zum Gewinn.
Das sollten wir nicht vergessen,
ja, darum sind wir hier.
Jesu Worte: „Gebt ihr ihnen zu essen!“,
sie gelten auch dir und mir!
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Donnerstag nach Epiphanie (7.1.2021)
ImpulsGeh mit Gott!
Aber geh.
Diesen Ausruf,
vielleicht auch nur inneren Seufzer,
kennen wir alle.
Gibt ihm das heutige Evangelium
nicht eine andere Richtung,
als wir sie sonst kennen?!
Geh!
Mache dich auf!
Kehr um!
Denn das Himmelreich ist nahe.
Geh mit Gott!
Geh endlich los.
Die Menschen warten auch auf dich.
Auf dein Tun.
Auf deine frohe Botschaft.
Geh mit Gott!
Das Himmelreich ist nahe.
P. Guido Hügen OSB
Zeichnung: Christina Kulot
Impuls am Hochfest Epiphanie (6.1.2021)
ImpulsDie Geburt eines Sternes
Vor einigen Tagen war auf einem großen deutschen Nachrichtenportal ein Foto der sogenannten „Wishing Wall“ auf dem New Yorker Times Square zu sehen. Hierbei handelte es sich um eine Wand, bei der Passanten Wünsche für das neue Jahr auf kleine bunte Zettel schreiben und dann auf ihr anpinnen konnten. In der Silvesternacht wurden diese Wunsch-Zettel dann als Konfetti verwendet.
Besonders im Fokus der gezeigten Fotografie, auf der also bereits angepinnte Zettel zu sehen waren, war der Wunsch, der Coronavirus möge besiegt werden – das ist wohl ein Wunsch, den wir alle nachvollziehen können.
Ein weiterer Wunsch, der mich nachdenklich gestimmt hat, war allerdings unscharf dahinter zu sehen: „I wish to meet my idols“ – zu Deutsch: „Ich wünsche mir, meine Vorbilder zu treffen“ oder, etwas genauer und dazu prägnanter übersetzt: „Ich wünsche mir, meine Idole/Götzen zu treffen“.
Zur Zeit der Geburt Jesu war die Vorstellung verbreitet, jeder Mensch habe seinen Stern, bedeutende und reiche Leute einen hellen, die anderen einen unscheinbaren, der mit der Geburt entsteht und mit dem Tod erlischt.
Die Magier vertrauten wohl dieser Überzeugung. Sie nahmen – so geht die Erzählung im Evangelium zum heutigen Tag – einen neuen, hellen Stern wahr, sodass sie sich auf den langen Weg nach Betlehem machten, um dem neugeborenen König zu huldigen.
König Herodes war – als Herrscher – das, was man heute vielleicht als „Star“ bezeichnen würde. Er sieht seine Macht durch den neuen König angezweifelt, schließlich erfährt auch er von dem neuen, hellen Stern. Der neue Stern passt weder in sein Selbstbild, noch in sein Weltbild, denn er und seine Herrschergewalt sind gewissermaßen sein eigenes Idol. Er macht sich selbst zum Götzen. Dies wird im weiteren Verlauf der Geschichte zu großem Unglück führen (Mt 2,16).
Die Magier scheinen seinen Aberglauben jedoch zu durchschauen. Sie machen sich voll Vertrauen auf den Weg zu Christus, dem wahren König, der sein Volk nicht mit Gewalt beherrscht, sondern voll Dienstbarkeit in die Welt kommt. Von ihm lassen sie sich zutiefst berühren, geben sich ihm hin und werden durch ihn gewandelt.
Welche Wünsche habe ich für das neue Jahr? Wer ist mein Stern, was sind meine Sterne? Gibt es Wünsche, die nur vermeintlich Sterne sind, die ich aber als Götzen entlarven kann, sodass ich stattdessen Ausschau nach dem wahren Stern, Ausschau nach dem wahren König halten kann?
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Dienstag der 2. Weihnachtswoche (5.1.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
im Schlussgebet der heutigen Eucharistiefeier heißt es: Gib uns Kraft für unseren Weg zu dir und schütze uns in deiner nie versagenden Liebe.
Wir sind auf dem Weg, unserem Lebensweg. Wir pilgern unserer himmlischen Heimat entgegen, dem Licht, das keinen Abend kennt. Für jeden Schritt und alle Lebenssituationen, die wir erleben und in die wir gestellt werden, tut es Not, den Schutz und die Hilfe Gottes zu erbitten.
Schütze uns in deiner nie versagenden Liebe. Auch diese Worte gilt es „auszukosten“, immer wieder, täglich neu.
Gott ist Liebe. Er ist treu und sorgsam!
Diethard Zils hat es in einem Liedtext so zum Ausdruck gebracht: Weil wir neues Leben suchen, darum folgen wir dem Stern (Gotteslob Nr. 262).
Ich wünsche Ihnen einen solchen Stern, einen Orientierungspunkt, der Halt und Richtung schenkt.
P. Gabriel O.C.D. hat in einer Betrachtung zum Fest Epiphanie folgende Gebetsworte gesprochen:
Lass auch mir heute deinen Stern erstrahlen, und weise mir den Weg zu dir hin. Lass auch mich heute eine wahre Epiphanie erleben, eine neue Offenbarung deiner selbst an meinem Geist und meinem Herz.
In herzlicher Weggemeinschaft
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Montag der 2. Weihnachtswoche (4.1.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Jahr 2021.
Im Evangelium des Tages heißt es bei Johannes: „Jesus antwortete: „Kommt und seht“! Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte.“
Diese Einladung gilt jeder und jedem persönlich.
Lassen wir uns erneut auf diese Einladung ein. Öffnen wir Augen und Ohren. Ja, beginnen wir wieder neu, uns auf IHN, das Lamm Gottes, auszurichten.
Ich möchte Ihnen Gebetsworte von Alkuin von York anvertrauen:
Ewiges Erbarmen, werde uns zuteil, damit wir mit unserem ganzen Herzen und Verstand, mit unserer Seele und Kraft dein Antlitz suchen und durch deine unendliche Gnade und Barmherzigkeit zu deiner heiligen Anschauung gelangen.
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am 2. Sonntag nach Weihnachten (3.1.2021)
ImpulsAls tiefes Schweigen das All umfing, (…) da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab. (Weish 18,14-15)
Wann haben Sie sich im Familien- oder Freundeskreis das letzte Mal Geschichten erzählt?
Eine Geschichte kann bedeuten: Ein Märchen, wie sie früher erzählt wurden. Oder: Den Kindern oder Enkelkindern von der eigenen Kindheit und ihren Abenteuern erzählen. Oder: lustige Geschichten, die man von anderen gehört hat. Oder: Ein Buch mit Geschichten nehmen, um vorzulesen.
Früher war es üblich, in der Winterzeit zu erzählen. Die Nächte sind lang und das Wetter kalt, Arbeit draußen ist kaum möglich. Da saß man in der „guten Stube“ am Ofen und einer erzählte oder las Geschichten vor, während die anderen zuhörten. Das stiftet Gemeinschaft und verankert jeden einzelnen in Kultur und Geschichte der Familie und der näheren Umgebung. Es ist ein urmenschliches Phänomen.
Papst Franziskus sagte dazu in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2020: „Der Mensch ist nicht nur das einzige Lebewesen, das Kleidung braucht, um seine Verwundbarkeit zu verhüllen (vgl. Gen 3,21) – er ist auch das einzige, das von sich erzählen, sich in Geschichten ‚kleiden‘ muss, um sein Leben zu bewahren. Wir weben nicht nur Kleider, sondern auch Erzählungen: die menschliche Fähigkeit zu ‚weben‘ bringt Textilien und Texte hervor.“
Ein schönes Bild: Texte und Geschichten sind die Textilien, die uns unsere seelische Verwundbarkeit verhüllen und uns mit einer ganz persönlichen Zugehörigkeit kleiden. Das ist etwas, was uns Sicherheit gibt und uns prägt. Wir werden durch unsere eigene Geschichte zu ganz einzigartigen Menschen, aber auch durch die Geschichten anderer.
Das weiß auch die Bibel. Aus diesem Grund besteht sie fast nur aus Geschichten, aus dem, was Menschen mit Gott und mit dem Nächsten erlebt haben, und sie ordnet an zu erzählen. „Wenn dich morgen dein Kind fragt (…), dann sollst du deinem Kind antworten:“ (Dtn 6, 20f.) und es soll die Geschichte des Exodus erzählt werden.
Wir leben in den schweren Zeiten einer Pandemie. Wir sind auf uns und auf unseren engsten Kreis zurückgeworfen. Die Welt umfängt scheinbar tiefes Schweigen, weil wir nicht so feiern können, wie wir es gewohnt sind. Müssen wir da in Trübsal verstummen? Müssen uns die Worte fehlen?
Ich würde behaupten: Nein!
Warum? Weil ein Wort vom Himmel in die Welt gesprungen ist und es selbst, das die große Geschichte der Welt erzählt, soweit ging, dass es Fleisch wurde und es uns Kunde gebracht hat – also Geschichten erzählt. (vgl. Joh 1,14.18) Alle Texte der heutigen Messe fordern uns auf, zu erzählen von früher und von unserer Hoffnung.
Darum noch einmal meine Frage: Wann haben Sie sich das letzte Mal Geschichten erzählt?
Und mein Vorschlag: Nutzen Sie diese weihnachtliche Gelegenheit, um sich im Kreis Ihrer Lieben – real oder digital – zu treffen, es sich bei Gebäck und warmen Getränken gemütlich zu machen und um zu erzählen: Geschichten gegen die Einsamkeit und das Schweigen der Pandemie und den dunklen Winter, um uns so mit Worten zu stärken, wie auch Gottes Wort als Mensch uns stärken will.
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am 2. Januar – Samstag nach Neujahr (2.1.2021)
ImpulsSo lass uns ruhig sein
In dieser Liebe
So lass uns ruhn
In unserer einen Liebe
So lass uns
Leben
Tag für Tag
Mit Menschen
Und allem
Was wir uns schaffen
So lass uns
Ganz innig
Und still
Und dankbar
Unsere Liebe bergen
In den Tiefen
Lass uns
Darin gründen
Und leben
Tag für Tag
(Verfasser unbekannt)
Er, die Liebe, ist Mensch geworden, ist konkret in mein Leben gekommen. Das haben wir an Weihnachten gefeiert. Meine Liebe und Sehnsucht zu IHM und seine Liebe zu mir – sie sind sich begegnet. Oder in den Worten des Weihnachtsliedes ‚Ich steh an deiner Krippen hier‘: „Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast dich mir zu eigen gar, eh’ ich dich kannt’, erkoren. Eh’ ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.“
In dieser Liebe, in diesem Geliebt-sein, mein Leben gestalten. Die Höhen und Tiefen des neuen Jahres 2021, die Begegnungen, das Freuen und Weinen – es soll gegründet sein in dieser Liebe. Sie soll das Fundament sein, was mir festen Stand, festen Halt gibt – in all dem, was auf mich, auf uns zukommt.
Ja – lassen Sie uns in diesem neuen Jahr wieder darin gründen, darauf gründen. Auf diese unerschütterliche Liebe Gottes zu mir – komme auch, was will. ER IST DA!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls an Neujahr – Hochfest der Gottesmutter Maria (1.1.2021)
ImpulsIn Süddeutschland, wo ich aufgewachsen bin, war häufig die Zeit um Neujahr der Moment, in welchem Neuschnee gefallen ist. Manchmal fing es wie bestellt in der Silvesternacht an, und am nächsten Morgen war die ganze Welt weiß und verwandelt. Wir Kinder sind dann oft schon in der Nacht nach draußen gegangen, um kleine Abenteuer zu erleben. Im frisch gefallenen Schnee auf den stillen Straßen war es ein Riesenspaß, über die Wege zu schlittern und im Schnee erste Spuren zu hinterlassen.
Der Benediktiner David Steindl-Rast nimmt in seinem Buch „Credo“ den jungfräulichen Schnee als ein Bild, um das Wunder der Jungfrau Maria auch für einen eher skeptischen Menschen begreifbarer zu machen. Nicht das Enge, Dogmatische ist wirklich wichtig, sondern das Geheimnis der Muttergottes geht viel tiefer.
Die Welt zeigt sich uns von einem Moment auf den anderen jungfräulich eingeschneit, sie ist ohne unser Zutun verwandelt, und das Leben wird beginnen, in diesem Schnee seine Spuren zu hinterlassen. Es ist wie die weiße Leinwand, das leere Blatt Papier. Die Stunde Null.
Maria hinterlässt ihre Spuren, und sie, Maria, die Muttergottes wird (ihre) Geschichte schreiben.
Heute am Neujahrstag zu Beginn des Jahres 2021 gehen sicher viele von uns mit hoffnungsvollen oder bangen Schritten voran. Wir haben unsere Träume oder auch Sorgen. Die Menschheit hat im vergangenen Jahr ein gemeinsames Thema gefunden, um neue Spuren zu schreiben. Wann endlich wird diese Pandemie enden? Werden wir aus der Vergangenheit lernen? Werden wir Abenteuer wagen?
Eine neue Welt tut sich zart auf.
Der Wintermorgen wartet auf unsere Spuren im Schnee.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls an Silvester
ImpulsNun geht dieses Jahr zu Ende. Für mich war es eine wirkliche Herausforderung und ist es immer noch. Ich musste in diesem Jahr lernen, dass sich das Leben nicht wirklich planen lässt. Auch ich habe immer wieder Vermutungen angestellt, wie und wann es mit der Pandemie zu Ende geht. Ich lag immer falsch. Ich habe gelernt, dass ich Termine machen kann, aber dass sich das Leben nicht planen lässt. Es liegt in Gottes Hand. Eigentlich müsste ich das als Mönch ja wissen. Aber die Erfahrungen der früheren Jahre hatten bei mir die Wirkung, dass sich Leben in geordneten Bahnen voraussagen lässt. Wenn die Verordnungen der Regierung Beachtung finden, werden wir diesen Jahreswechsel in Stille begehen. Für mich eine Chance, tatsächlich nach meiner Befindlichkeit zu schauen und zu schweigen.
Schweigen!
Mir ist aufgefallen, wie oft wir Menschen Dinge sagen, die wir gar nicht wissen können: „Das wird schon! Nächstes Jahr wird alles besser! Die Wirtschaft wird sich so entwickeln, und die Bevölkerung wird in diese oder jene Richtung tendieren.“ Ich weiß das alles nicht.
Und noch etwas ist mir aufgefallen beim Lesen mancher Predigten, auch von Bischöfen, die reden von Gott und wie er ist. Wie er uns Menschen sieht. Wie Gott über Lebensentscheidungen bzw. Lebensformen denkt. Ich weiß das alles nicht. Vielleicht trauen wir uns auch einmal zu sagen: „Ich weiß nicht, was Gott denkt, ich weiß nicht, was er sich dabei denkt.“ Er ist eben auch der Unverfügbare, nicht Erklärbare. Er ist eben auch Geheimnis.
Ich habe mir für das kommende Jahr vorgenommen, häufiger den Satz einzuüben: „Ich weiß es nicht.“ Ob es mir gelingt, weiß ich nicht, aber ich habe Hoffnung.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am 30. Dezember – Mittwoch der Weihnachtsoktav
ImpulsIn jener Zeit lebte eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Pénuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. (Lk 2,36-38)
Hanna, die treue Prophetin
Sie hatte in ihrem langen Leben sicher so einiges durchgemacht. Schon nach wenigen Ehejahren wurde sie Witwe, und das bedeutete für sie, schutzlos und benachteiligt zu sein. Sie war angewiesen auf fremde Hilfe, und bestimmt war ihr Leben geprägt von großer Not. Doch Hanna, die der Evangelist Lukas eine Prophetin mit 84 Jahren nennt, scheint aus ihrem Leben das Beste gemacht zu haben, denn sie strahlt trotz allem Schweren, das ihr Leben prägte, eine unerschütterliche Hoffnung aus. Nichts und niemand konnte sie von ihrem Gottvertrauen abbringen.
Es scheint fast so, als hätten die Schicksalsschläge in ihrem Leben sie eher noch näher hin zu Gott gebracht, denn der Evangelist berichtet, dass sie sich ständig im Tempel aufhielt und Tag und Nacht Gott diente mit Fasten und Beten. Bis ins hohe Alter hatte sie nicht aufgehört, an die Erlösung Jerusalems zu glauben, und ihre Sehnsucht wurde erfüllt, als Maria und Josef ihren Sohn zu Simeon in den Tempel brachten. Auch wenn es Simeon mit seinem Lobgesang des „Nunc dimittis“ bis ins Nachtgebet der Kirche geschafft hat, so nennt der Evangelist Lukas jedoch sie eine Prophetin, und Hanna könnte für uns nicht nur eine Prophetin, sondern ein Vorbild im Glauben sein. Denn wir können nicht nur von ihrer Hoffnung und ihrer Ausdauer im Auf und Ab des Lebens lernen, sondern auch von ihrer Frömmigkeit, ihrer Demut und ihrem unerschütterlichen Gottvertrauen.
Auch wenn nicht überliefert ist, was Hanna genau sagte, so lässt uns der Evangelist doch wissen, dass sie im Tempel hinzutrat und Gott lobte und sie mit allen sprach, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Wäre das nicht auch eine Aufgabe für uns, von Weihnachten und der Geburt Jesu weiterzuerzählen und Gott zu loben und ihm zu danken, dass er uns seinen Sohn als Mensch und Erlöser geschenkt hat.
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am 29. Dezember – Weihnachtsoktav
ImpulsAm heutigen 29. Dezember, meinem Namenstag, der traditionell auch der Gedenktag König Davids ist, möchte ich ein paar Gedanken zu meinem Namenspatron Jonathan teilen:
Jonathan ist der Sohn Sauls, des ersten Königs des Volkes Israel. Er ist somit auch der geborene Nachfolger, wodurch die Rivalität zu David, der von JHWH zum zweiten König Israels erwählt wird, vorprogrammiert scheint. Jonathan hätte jeden Grund gehabt, David zu verachten – ganz wie sein Vater Saul, an dessen Seite er schließlich auch im Kampf stirbt (vgl. 1 Sam 31,2). Doch „Jonathan liebte David wie sein eigenes Leben“ (1 Sam 18,2). So rational und logisch sich Jonathan auch stets im 1. Buch Samuel verhält – sei es zu Beginn in den Vorstößen gegen die Philister oder später bei den Versuchen, David auf seiner Flucht vor Saul zu helfen – die Liebe zu David ist der Punkt, an dem er irrational handelt, an dem er sogar auf seinen eigenen Thronanspruch verzichtet:
Eine Unvernunft um der Liebe willen.
Jonathan gerät zwischen die Fronten von David und Saul. Er bleibt seinem Vater treu, ohne David zu verraten; und er hält seine Liebe zu David, ohne Saul zu verlassen. Jonathan nimmt die Gestalt des idealen Vermittlers ein, dem es irgendwie gelingt, den Todfeind seines eigenen Vaters über alles zu lieben, ohne dessen Zorn auf sich zu laden. Wie durch ein Wunder schafft er es, in solch einer problematischen Situation selbst ganz unparteiisch zu bleiben und keine der beiden ihm so lieben Seiten gegeneinander auszuspielen oder im Stich zu lassen. Jonathan ist somit auch der Inbegriff der Treue und der Zuverlässigkeit, und er ist für mich das Sinnbild des Brückenbauers.
Dabei fällt mir besonders auf, wie Jonathan stets unauffällig und diskret in seinem Vorgehen bleibt. Nicht zuletzt durch seinen Verzicht auf die Thronfolge wird deutlich, dass Jonathan niemand ist, der große Anerkennung und viel Reichtum (was er leicht haben könnte) braucht.
Für mich hängt dies auf eine bestimmte Weise auch mit Weihnachten zusammen.
Angenommen, wir wären dazu angehalten, eine Menschwerdung Gottes zu inszenieren, wie hätten wir das Ganze vonstatten gehen lassen?
Das Naheliegendste wäre es doch, ihn in einem Palast zur Welt kommen zu lassen, wo er als Thronfolger und neuer Herrscher über seine ganze Schöpfung regieren könnte. Wieso ist der Messias eigentlich nicht als Königssohn zur Welt gekommen? Möglich wäre das Gott doch gewesen. Und wir hätten ihm doch bestimmt gerne gehorcht in dieser Position – schließlich wäre er ja Sohn Gottes!
Gott wurde Mensch in den für uns denkbar unwürdigsten Verhältnissen: Er wurde in einer kalten Winternacht in einem Stall geboren, weil seine Eltern keinen Platz in einer Herberge bekamen. Keine Mutter würde ihr Kind in eine Futterkrippe legen – doch Maria hatte keine andere Wahl. Kurz darauf muss die Familie nach Ägypten fliehen, um dem kindermordenden Herodes zu entkommen.
Und es kommt noch schlimmer: Das Leben Gottes auf Erden endet mit Geißelung und Folter. Jesus wird bespuckt, geschlagen, mit Dornen gekrönt, zur Schau gestellt und verlacht. Er endet am Kreuz, sein Leben mit der Todesstrafe.
Warum tut Gott seinem Sohn und sich selbst das an?
Der Grund ist die Liebe zu seiner Schöpfung.
Gott möchte mehr von uns als unseren Gehorsam, er wünscht sich – so wie im Grunde wir alle (und da ist unsere Ähnlichkeit zu Gott besonders spürbar) – die Erwiderung seiner Liebe.
Am Oktavtag gedachte die Kirche früher (und die evangelische Kirche noch heute) der Beschneidung Jesu: Die menschliche Seite Jesu, die gehorsam unter dem jüdischen Gesetz steht, gerät in den Mittelpunkt.
Doch blinder Gehorsam wäre Gott viel zu einfach. Er sehnt sich nach seiner in Sünde verirrten Schöpfung und möchte, dass auch wir uns nach ihm sehnen. Und er macht es uns eigentlich ziemlich leicht:
Ein schwaches, wehrloses Kind in einer Krippe – man müsste gänzlich in Dunkelheit versunken sein, um kein Mitgefühl, keine Liebe zu empfinden.
Wäre er ein königlicher Herrscher, hätten wir vielleicht (mehr oder weniger) Gottes Geboten eine Zeit lang gehorcht. Wir hätten ihn aber niemals lieben können.
Nun wird Gott nicht nur als schwaches Kind geboren, sondern verzichtet sogar auf jeden Herrschaftsanspruch. Obendrein gibt er sein Leben für uns, seine Freunde, und für unsere Sünden dahin.
Gott handelt irrational um der Liebe willen.
Den Kreis schließen möchte ich, indem ich auf einen weiteren Namen zu sprechen komme:
Vor zwei Tagen, am 27.12., war der Gedenktag des Evangelisten Johannes, der in diesem Jahr ausnahmsweise vom Sonntag der Weihnachtsoktav verdrängt wurde.
Johannes zeigt uns in seinem Evangelium ein Beispiel wirklich verstandener mystischer Liebe Gottes. Der an Jesu Brust ruhende „geliebte Jünger“, der keines apostolischen Amtes bedarf (vgl. Joh 21,20-22) erinnert mich an den an Davids Brust ruhenden Jonathan. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich die Namen so ähneln und dass sie so dicht zusammen ihr Gedenken feiern.
Br. Jonathan von Holst OSB
Impuls am Fest der Unschuldigen Kinder (28.12.2020)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser!
„Die unschuldigen Martyrer haben nicht redend, sondern sterbend Gott verherrlicht“, so heißt es in der Liturgie des heutigen Tages.
Was bedeutet dieses Fest für mein Leben?
Eine Antwort könnte lauten: Auch mein Leben soll ein Lobhymnus an Gott, nicht durch das Wort, sondern durch die Tat sein.
In Psalm 103 lese ich: Preise den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht seine unendlichen Wohltaten.
Aber auch Schmerz und Trauer verbinde ich mit dem heutigen Festgeheimnis. Ich lade Sie ein, folgende Gedanken von Frère Roger auf sich wirken zu lassen:
Gott sieht der Qual der Menschen niemals unbewegt zu, er leidet mit den Unschuldigen, den Opfern unbegreiflicher Not, er leidet mit jedem.
Es gibt einen Schmerz Gottes, ein Leiden Christi. Im Evangelium macht sich Christus das unbegreifliche Leid Unschuldiger zu eigen, beweint den Tod der Menschen, die er liebt.
Ist Christus nicht auf die Erde gekommen, damit sich jeder Mensch geliebt weiß? Das Herz kann vor solcher Liebe schier ins Staunen geraten.
Tragen wir unsere persönliche Not und das Leid der Welt an das Herz dessen, der aus Liebe Mensch geworden ist.
In herzlicher Verbundenheit
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Fest der Heiligen Familie (27.12.2020)
ImpulsAm Fest der heiligen Familie stehen heute zwei Gestalten der heiligen Schrift im Mittelpunkt, nämlich Hanna und Simeon. Explizit wird auf das Alter der beiden Gestalten hingewiesen. Das Alter spielt im biblischen Kontext eine große Rolle. So wird auch Abraham als alter Mann beschrieben. Das bedeutet für mich, dass Gott die älteren Menschen beruft, Zeugnis abzulegen. In ihnen verdichtet sich die Lebenserfahrung, und daraus kann sich die Weisheit, die häufig aus älteren Menschen spricht, speisen. Daher bin ich dankbar, in einer Gemeinschaft zu leben, wo der ältere Bruder seinen festen Platz hat. Ich kann dann miterleben, was wirklich wichtig ist im Leben. Ich darf wahrnehmen, was wirklich nährt und was wirklich bleibt. Für mich hat das Alter eine ganz eigene Würde. Diese Würde ist unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Menschen. Vielmehr ist es das Hinweisen auf das Wesentliche. Die Sehnsucht auf das Wesentliche wachhalten. Für Hanna und Simeon ist dies das Kommen des Messias. Die Sehnsucht nach einer Verheißung wachhalten, die über das Hier und Jetzt hinausgeht. Im Stundengebet hat die Aussage des Simeon ihren festen Platz: „Nun lässt Du, o Herr, mich in Frieden scheiden, denn ich habe das Heil gesehen, dass Du allen Völkern bereitet hast.“
Wenn ich glaube, dass das Heil schon gekommen ist und ich am Ende in dieses Heil eingehe, dann kann ich in Frieden leben – jetzt in dieser Gegenwart.
Das Fest der heiligen Familie wurde häufig als Erziehungsmodell für Kinder genutzt. Auch als Projektionsfläche, um einem Familienideal zu huldigen, das es nie gegeben hat. Aber das Fest ermutigt, Kontakt zu unseren älteren Mitmenschen zu suchen. Nicht um ihnen einen Gefallen zu tun, sondern um an ihrer Lebenserfahrung und Weisheit teilzuhaben.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Zweiten Weihnachtstag – Fest des hl. Stephanus (26.12.2020)
Impuls„Siehe, ich sehe …“ (Apg 7,56)
Das kennen Sie bestimmt auch: „Heute feiern wir den ersten Blutzeugen für Jesus!“ „Der Priester trägt heute rot, wie Blut!“ Das sind Klassiker für Predigten am heutigen Tag, dem Fest des heiligen Stephanus. Irgendwie ist es „alle Jahre wieder“ das Gleiche. Spätestens heute scheint es vorbei mit der wohligen Weihnachtsstimmung in der Kirche. Gibt es keinen Bezug auf das Weihnachtsfest, das wir doch alle immer noch feiern wollen? Muss man automatisch einen gedanklichen salto mortale hinlegen, um diesen Spalt zu überbrücken?
Schauen wir uns die Evangelien der Christmette (Lk 2,1-14) und des Weihnachtstages (Joh 1,1-18), sowie die heutige Lesung (Apg 6,8-10.7,54-60) an. Es gibt ein Wort, dass in allen drei Texten identisch ist: doxa. Übersetzt wird es mit „Ehre“ und „Herrlichkeit“.
Dreimal das gleiche Wort. Die Herrlichkeit Gottes. Sie ist im Sprachgebrauch des Alten Testaments gleichbedeutend mit Gott selbst. Wenn Mose Gottes Herrlichkeit sehen will, will er Gott sehen! (vgl. Ex 33,18 ff)
Was ist sonst noch allen gemeinsam? Hier bricht etwas in die menschliche Realität ein. Gott erscheint! Nicht mehr im Tempel, wo sonst immer die Herrlichkeit Gottes zu sehen ist. Er ist zu sehen auf dem Feld bei den Hirten, nicht bei den Führern. Er ist zu sehen im Fleisch eines Menschen, nicht mehr im abstrakten Gedenken! Er ist zu sehen im Augenblick des ungerechten Todesurteils, nicht bloß beim Lobpreis, der ihn rühmt! Und das Bindeglied zwischen allen drei Erscheinungsformen ist Jesus. Als Baby, von dem die Welt sich noch nichts erwartet. Als Mensch, den die Menschen nicht verstehen. Als der, den Gott an seine Rechte gestellt hat. Alle Extreme sind umfasst: Der Anfang des Lebens und sein Ende. Das Sich-Umstrahlen-Lassen und das Nicht-Erkennen. Die Realität dieser Welt und die Hoffnung auf den Himmel, den Stephanus offen sieht.
Könnten uns diese Texte nicht folgendes sagen wollen? All dies ist Weihnachten. Nicht bloß Jesu Geburt, die wir feiern, und die wohlig klassische Feier daheim, sondern auch das, was an den Rändern geschieht, in den Ausnahmesituationen.
Vielleicht feiern Sie Weihnachten allein. Vielleicht sind sie wegen der Pandemie von ihren Lieben getrennt. Vielleicht sind Sie erkrankt oder jemand, der Ihnen am Herzen liegt. Vielleicht leiden Sie unter dem Verlust eines geliebten Menschen. Können diese Texte Ihnen einen Trost schenken? Für mich sprechen die Texte diese Botschaft: Gott will uns seine Nähe in allen Lebenslagen schenken und bei uns sein. Er will uns nicht verlassen. Einen kleinen Lichtstrahl dieser Erfahrung wünsche ich Ihnen von Herzen an diesem außergewöhnlichen Weihnachtsfest, dass Sie auch den Himmel offen sehen und vielleicht neu mit einstimmen können in den Gesang der Engel: „Ehre Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen!“
Frohe und gesegnete Weihnachten!
Ihr
Br. Symeon Müller OSB
Impuls an Weihnachten (25.12.2020)
ImpulsHeute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren;
er ist der Christus, der Herr. (Lk 2,11)
Die Worte des Engels an die Hirten werden Ihnen sicher bekannt sein. Vielleicht haben Sie diese Worte in der letzten Nacht auch gehört – sei es in einem Präsenzgottesdienst, sei es via Internet, TV oder Radio. Aber haben Sie sich durch diese Worte auch angesprochen gefühlt? Oder sie eher als Bestandteil einer schönen Geschichte aus vergangenen Zeiten gesehen, die zu Weihnachten gehört wie der Tannenbaum und die Geschenke?
Das Heute macht darauf aufmerksam, dass es bei diesen Worten um mehr geht als um eine Erzählung aus der Vergangenheit. Ich selbst bin gemeint: Mir ist in meiner Stadt, in meinem Alltag, in meinem Haus der Retter geboren, Christus, der Herr. Das alles geschieht wirklich heute, mitten in der Zeit der Pandemie, mitten in diesem so anderen Weihnachtsfest, das geprägt ist von Verzicht, Kontaktbeschränkungen und Reduzierung.
Heute ist uns der Retter geboren, heute ist uns Erlösung geschenkt: Das ist die befreiende Botschaft von Weihnachten – mitten in allem Leid, aller Krankheit, aller Entbehrung! Ich wünsche Ihnen, dass Sie dieses Heute in Ihrem Alltag erleben können.
P. Maurus Runge OSB
Die Mönche der Abtei Königsmünster wünschen Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Impuls an Heiligabend (24.12.2020)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
im Tagesgebet wird die Bitte ausgesprochen: Herr Jesus Christus, komm bald und säume nicht.
Kann ich in diesen Gebetsruf einstimmen?
Bin ich bereit für das Fest der Geburt des Herrn?
Da sind sie nun unterwegs, zu Fuß wie die Ärmsten, trotz der Mühsal für Maria, die bald Mutter werden soll. Sie sind unterwegs, weil sie gehorsam sind, ohne Einwände. Ihr tiefer Glaube entdeckt im ausgesprochenen Befehl den Willen Gottes. Und sie gehen dahin, voll Vertrauen auf die Vorsehung.
Wie gehe ich meine Wege?
Vertraue ich der Führung Gottes?
In Betlehem ist für sie kein Platz, und es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in eine Höhle im Freien zu flüchten. Sie wissen wohl, dass der Sohn Gottes geboren werden soll. Und sie wissen, dass Gott so ganz anders wirkt als die Menschen.
Wo hat Gott in meinem Leben gewirkt?
An welchem Ort und unter welchen Umständen?
Und Gott, ganz auf seine Art, bedient sich, um das größte seiner Werke zu vollbringen: die Menschwerdung des Wortes.
Die Hl. Elisabeth von der Dreifaltigkeit betet: „Lass mich die geheimnisvollen Wege deiner Liebe verstehen“.
Ich wünsche Ihnen ein mit Sehnsucht erfülltes Herz, im Zugehen auf das Geburtsfest unseres Herrn. In der Christmette werde ich an Sie denken und für Sie und Ihre Familien und Freunde den Segen erbitten.
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
O IMMANUEL – Impuls zur O-Antiphon am 23. Dezember
ImpulsO Immanuel, unser König und Lehrer, du Hoffnung und Heiland der Völker. O komm, eile und schaffe uns Hilfe, du unser Herr und unser Gott!
Gott hat Sehnsucht nach seinem Geschöpf. Um diesem Geschöpf nahe sein zu können, sendet Gott von sich aus ein Zeichen. Eine Jungfrau gebiert einen Sohn, den Immanuel (vgl. Jes 7,14). Das Zeichen Gottes ist ein Kind. Für uns Christen ist dieses Kind, dieser Immanuel, Jesus Christus. Wir mögen uns fragen, weshalb Gott gerade als verletzliches und unterstützungsbedürftiges Kind kommt. Ein neugeborenes Kind steht für Offenheit und Vertrauen. Jeder von uns kennt den Blick der Augen eines Säuglings. Die Augen schauen voller Neugier weit geöffnet in diese Welt hinein. Die geöffneten Augen des Kindes stehen für Offenheit. Die Sehnsucht des Kindes ist es, immer wieder die Nähe der Eltern zu suchen, die es dann in die Arme schließen und herzen. Diese Bewegung des Kindes ist eine Bewegung des Vertrauens. Das Kind vertraut restlos seinen Eltern. Wir Menschen sind eingeladen, es diesem Kind gleich zu tun. Mit einem offenen und liebenden Blick in diese Welt zu schauen. Jeder, der von einem solchen offenen und liebenden Blick getroffen wird, empfängt Heil und kann so selbst heil werden. Ebenso sind wir eingeladen, an diesem Weihnachtsfest 2020 unser Vertrauen zu erneuern, da unser Gott helfend an unserer Seite unseren Lebensweg teilt.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
O KÖNIG DER VÖLKER – Impuls zur O-Antiphon am 22. Dezember
ImpulsO König der Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht, du Schlussstein, der den Bau zusammenhält – komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet!
Für mich gehören die O-Antiphonen, die wir vom 17. bis zum 23. Dezember in unserer Vesper singen, zu den schönsten und dichtesten Texten im Advent. Das sind Rufe der Erwartung und Sehnsucht, die bis in die Glaubensgeschichte Israels zurückgehen und auf Christus hin gedeutet werden, zu dem wir in diesen Tagen ja unterwegs sind. Sie heißen so, weil sie mit dem Ausruf O als Ausdruck des Staunens und der Ehrfurcht beginnen. Mit diesen O-Antiphonen stellen wir uns in eine ganz alte Glaubensgeschichte hinein.
In der Krypta unserer Abteikirche befindet sich eine Säule, in die der Text der heutigen O-Antiphon in lateinischer Sprache eingeschrieben ist. Diese Antiphon weist hin auf Christus, den König des Friedens, den König aller Völker, dem wir in unserem Königs-Münster besonders verpflichtet sind. Er wird einmal hoffentlich unsere Sehnsucht nach Frieden erfüllen, nach dem sich unsere Welt so sehr sehnt.
Die Säule befindet sich genau unter dem Altar unserer Hauptkirche. Sie trägt den Altar und das ganze Kirchengebäude. Der König des Friedens trägt uns. Aber noch etwas ganz Wichtiges trägt uns: In dieser Säule befinden sich die Namen aller Menschen, die uns beim Bau unserer Kirche in den 1960er Jahren unterstützt haben. All diese Menschen tragen uns bis heute. Jeder hat einen Beitrag dazu geleistet, dass wir heute noch hier beten können. Diese Säule erinnert mich daran, dass wir zu einer Gemeinschaft gehören, die Raum und Zeit übersteigt, eine Gemeinschaft von Menschen aller Völker und Kulturen, aber auch von Menschen, die noch leben und solchen, die schon gestorben sind.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder in Ihrem Leben den Frieden erfahren können, den uns Christus bringen möchte, und ich wünsche Ihnen eine gute Vorbereitung auf das Fest der Menschwerdung!
P. Maurus Runge OSB
O MORGENSTERN – Impuls zur O-Antiphon am 21. Dezember
ImpulsO Morgenstern,
Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne:
o komm und erleuchte, die da sitzen in Finsternis
und im Schatten des Todes!
Der Morgenstern wurde schon früh als Bild auf Christus hin übertragen. Das Licht des Morgensterns, das in der Antiphon „O oriens“ besungen wird, vermag mit seinem Leuchten selbst in tiefster Finsternis im wahrsten Sinne des Wortes Orientierung zu geben. Im Exsultet der Osternacht wird die Osterkerze besungen als das Licht, das die Dunkelheit der Welt vertreiben soll. Solange, bis im letzten Advent der Herr „wiederkommt in Herrlichkeit“ und der Morgenstern aufgeht: „Jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht.“
Der Advent ersehnt diesen Aufgang des Morgensterns, weil die Geburt Jesu mit dem Aufstrahlen dieses Lichtes in Verbindung gebracht wird: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.“ So verheißt Zacharias in seinem Lobgesang, dass durch die Geburt Jesu dieses Licht in die Welt kommt (vgl. Lk 1,78.79).
Die Finsternis und der Schatten des Todes, die Angst vor Corona und der Grauschleier der Schwermut, der sich für manchen über die kommenden Tage legt, ist in dieser aktuellen Corona-Situation fast mit den Händen zu greifen. Die Worte der O-Antiphonen, die durch die Jahrhunderte hindurch und selbst in den dunkelsten Zeiten von Kriegen, Epidemien und Katastrophen von gläubigen Menschen gesungen werden, können in dieser Zeit die Hoffnung wachhalten, dass die Schatten des Todes und der Traurigkeit irgendwann auch einmal weichen müssen. Aber auch wenn Ihnen diese Worte selbst vielleicht nicht so recht über die Lippen kommen wollen, dann lade ich Sie heute ein, einmal in einem stillen Moment eine Kerze oder ein Teelicht anzuzünden: Dann geht nämlich auch von Ihnen ein Licht aus und macht die Welt für Sie und auch für alle anderen ein bisschen heller…
Br. Vincent Grunwald OSB
O SCHLÜSSEL DAVIDS – Impuls zur O-Antiphon am 20. Dezember
ImpulsO Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel – du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und niemand vermag zu öffnen: Komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes. (O-Antiphon vom 20.12.)
In der heutigen Vesper-Antiphon besingen wir den Schlüssel und das Zepter Davids.
Christus selbst ist es, der öffnet und der schließt.
Und wir fordern Gott dazu auf, zu kommen und uns zu befreien: aus Kerker, Finsternis, Fesseln und Tod.
Was für Orte sind das, die Gott verschlossen hat und öffnen wird?
Der Garten Eden? Das Reich Gottes? Das neue Jerusalem?
Der Verfasser der Antiphon zieht auf diese Weise einen Bogen von der Genesis zur Apokalypse, also vom Anfang bis zum Ende der Bibel;
vom ersten bis zum letzten Tag; vom Ursprung bis zur zukünftigen Verheißung.
Dazwischen liegen Kerker, Finsternis, Fesseln und Tod.
Wir alle kennen das Dunkle, durch das wir in unserem Leben von Zeit zu Zeit gehen müssen.
Wir denken an die finsteren Kapitel der Geschichte Israels: Josef wird von seinen Brüdern in einen tiefen Brunnen geworfen; das Volk Jakobs in der Sklaverei in Ägypten; die 40-jährige Wüstenwanderung; Kriege um das verheißene Land; die Zerstörung des Tempels; das babylonische Exil.
Wir denken an den Brudermord Kains gleich zu Beginn nach der Verbannung aus Eden. An das Buch Ijob und an zahlreiche Psalmen, in denen wir uns der absoluten Dunkelheit ausgeliefert wiederfinden.
Wir erleben es auch heute: die Lasten des Alltags, schwere Schicksalsschläge, Ungerechtigkeit in der Welt – hinzukommend in diesem Jahr die Corona-Pandemie und ihre Folgen.
Manchmal bleiben wir sprachlos zurück, sehen einfach überhaupt kein Licht mehr:
„Du hast mir entfremdet Freunde und Gefährten; mein einziger Vertrauter ist nur noch die Finsternis.“ (Ps 88,19)
Schlüssel und Zepter: Symbole für Verwaltungsgewalt und Königsmacht.
Die Schlüsselvollmacht wird erstmals beim Propheten Jesaja erwähnt, wo dem Knecht Eljakim mit der Schlüsselübergabe das Amt des Palastvorstehers übertragen wird. (Jes 22,22)
Uns ist das Schlüsselmotiv spätestens durch die Jesusworte im Matthäusevangelium bekannt:
„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Kirche, und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was du binden wirst auf Erden, das wird gebunden sein im Himmel; und was du lösen wirst auf Erden, das wird gelöst sein im Himmel.“ (Mt 16,18f)
Doch kommen wir zum Bild des Zepters. Ist hier wirklich „nur“ die beherrschende Königsmacht gemeint?
„Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ (Ps 23,4)
Johannes schildert die Bevollmächtigung Petri anders als Matthäus: „Weide meine Schafe!“ (Joh 21,16f)
Der Hirtenstab als Königszepter? König David war Schafhirte!
Und Jesus schildert uns in seinem Gleichnis die Bemühung des Hirten, ein verirrtes Schaf wiederzufinden, der dafür sogar seine ganze Herde verlässt. (Mt 18,12-13)
So wird für mich die vermeintliche Königsallmacht enttarnt als treuhänderische Verwaltungspflicht.
Und das Zepter steht somit für den Dienst am Nächsten, und nicht für die privilegierte Ausübung von Macht.
Über das Bild des Schafhirten finden wir auch zum Schlüsselmotiv zurück, denn Jesus sagt:
„Ich bin die Tür zu den Schafen. Wer durch mich hineingeht, wird Heil erfahren; er wird hinein- und herausgehen und Weide finden.“ (Joh 10,7.9b)
Jesus ist Schlüssel, Tür und Hirte für seine Herden.
Nur durch ihn, mit ihm und in ihm finden wir aus unserem Kerker der Finsternis und werden wir befreit aus den Fesseln des Todes.
Br. Jonathan von Holst OSB
O WURZEL JESSE – Impuls zur O-Antiphon am 19. Dezember
ImpulsO Spross aus Isais Wurzel, gesetzt zum Zeichen für die Völker – vor dir verstummen die Herrscher der Erde, dich flehen an die Völker: o komm und errette uns, erhebe dich, säume nicht länger! (O-Antiphon vom 19.12.)
An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Feldzeichen für die Völker; die Nationen werden nach ihm fragen und seine Ruhe wird herrlich sein. (Jesaja 10,10)
Dies ist der Vers, der der heutigen Antiphon zugrunde liegt. In der Tradition der Kirche wird er mit einem weiteren Vers zusammen gelesen:
Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. (Jesaja 53,2)
Weihnachten ist ein Fest, das emotional stark mit Traditionen in Verbindung gebracht wird. Da gibt es in jeder Familie eigene Festtagsbräuche. Es ist ein Fest, das hohe Erwartungen mit sich bringt, und das viele von uns deswegen jedes Jahr feiern wollen, „wie wir es immer feiern“.
In diesem Jahr 2020, das nun mal einen gewaltigen Einschnitt in unser aller Leben darstellt, werden entsprechende Erwartungen an ein „perfektes Weihnachtsfest“ mancherorts notwendiger Weise untererfüllt bleiben.
Wie mag es Maria und Josef gegangen sein, als Maria ihr Kind in Betlehem zur Welt bringen musste? Weit weg von Zuhause, wollten sie in einer Herberge übernachten – zweifelsohne ein besserer Ort für eine hochschwangere Frau, als dies eine Scheune sein könnte – aber es war kein Platz in der Herberge. Also haben sie – wohl mit Müh und Not – eine Bleibe in einem Viehstall gefunden. Sie konnten ihr Kind, den Messias, ja Gott selbst (!) in nichts anderes legen, als in das Stroh einer Futterkrippe.
Wir neigen dazu, auch diese Geschichte emotional positiv zu verklären, denn sie wird ja üblicher Weise vorgelesen, wenn Weihnachten „wie immer“ gefeiert wird. Wir laufen jedoch Gefahr, zu übersehen, dass es sich bei der Geschichte der Geburt Christi um eine Erzählung großer Not handelt – eine Situation, die nicht der Hoffnung von Maria und Josef für Marias Kind entsprochen haben kann.
Ja, zu Weihnachten kommt Gott in die Welt!
Aber er kommt nicht voll Pracht als mächtiger Herrscher. Er liegt als schwaches, machtloses, von seiner Mutter absolut abhängiges Baby in dem Stroh einer Futterkrippe. Er bedient nicht die Erwartungen der Menschen!
Lenken wir unseren Blick wieder auf das diesjährige Weihnachtsfest, das unsere durch andere Jahre geprägten Erwartungen in vielen Fällen nicht erfüllen wird.
Dieses Weihnachten wird anders. Aber vielleicht kann uns gerade dieses Weihnachten das „Andere“ des Weihnachtsfests vor Augen stellen, wie es ein „normales“ Weihnachten nicht könnte. Vielleicht hilft uns gerade das diesjährige Weihnachtsfest, Christus an der Realität der Krippe zu nahen.
Auf diesem „dürren Boden“ können wir mit der Strophe eines Weihnachtslieds von Paul Gerhardt singen: „Du fragest nicht nach Lust der Welt, noch nach des Leibes Freuden; du hast dich bei uns eingestellt, an unsrer Statt zu leiden, suchst meiner Seele Herrlichkeit durch Elend und Armseligkeit; das will ich dir nicht wehren.
Br. Josef Ellendorff OSB
O ADONAI – Impuls zur O-Antiphon am 18. Dezember
ImpulsO Adonai, Herr und Führer des Hauses Israel – im flammenden Dornbusch bist du dem Mose erschienen und hast ihm auf dem Berg das Gesetz gegeben: o komm und befreie uns mit deinem starken Arm! (O-Antiphon vom 18.12.)
„O Adonai“ – Ein Gebet der Völker für ihre Wallfahrt zum Zion?
Die heutige O-Antiphon der Vesper nennt zwei biblische Ereignisse.
Es sind die Erscheinung JHWHs im Dornbusch und der Bundesschluss am Berg Sinai, bei dem JHWH Israel die Tora gegeben hat, das große Gesetzeswerk, welches sie vor aller Welt zu Weisen macht (vgl. Dtn 4,6).
JHWH ist der hebräische Gottesname, der vermutlich „Jahwe“ geheißen hat. Das Hebräische ist ursprünglich eine reine Konsonantenschrift. Als die Juden im 6. Jahrhundert unserer Zeit feststellten, dass es immer schwerer wird, die richtige Aussprache des Bibeltextes im Gottesdienst sicher zu stellen, fügten sie auch Zeichen für die Vokale ein. Allein der Gottesname erhielt nicht die Vokale (a-e), die er eigentlich haben sollte, sondern die für das hebräische Adonai („mein Herr“) (æ-o-a) stehen.
Dies hat folgenden Grund: Der Name wurde und wird nicht ausgesprochen, sondern umschrieben. Man sagt an seiner Stelle Adonai oder „der Name“ (haSchem). Es ist vor allem Respekt und Ehrerbietung. Die Zehn Gebote formulieren es so: „Du sollst den Namen JHWHs, deines Gottes nicht missbrauchen.“(Ex 20,7)
Dies galt nicht nur in jüdischen Kreisen, sondern auch die Christen haben ihn bis in das späte Mittelalter hinein umschrieben: Das griechische Alte Testament (und das Neue Testament) schreiben kyrios (Herr), wenn JHWH im Hebräischen steht. Auch die neue Einheitsübersetzung, die jetzt in unsere Gottesdienste Einzug hält, schreibt JHWH als Herr in Großbuchstaben. Es ist Ausdruck unseres Respekts gegenüber dem Gott Jesu und dem Brauch seiner Geschwister, den Juden, die der Baum sind, der uns trägt (vgl. Röm 11,17-21). Man sollte schließlich nicht an dem Ast sägen, auf dem man sitzt. Das war noch nie klug.
Darum ist es mittlerweile ausdrücklich verboten, dass man den Gottesnamen in der katholischen Liturgie ausspricht. Er muss umschrieben werden. Es ist ein Hoffnungszeichen, dass wir als Christen uns auf unsere Wurzeln und deren Traditionen besinnen.
Wir, Christen und Juden, glauben, dass Gott immer größer ist, als alles, was wir fassen können. Adonai ist nicht greifbar, das ganze Universum kann ihn nicht fassen. Adonai ist größer als alle Bilder, die wir uns machen können. Adonai ist größer als alles Sprechen. Adonai ist nur bemerkbar in der unterbrechenden Stille.
In diesen letzten Tagen des Advent machen wir uns ganz bewusst Gedanken über die Verheißungen, die an die Juden ergangen sind, und wir erwarten die Geburt eines kleinen jüdischen Kindes. Wir erwarten den, der Gläubige aus Israel und aus den Völkern (das sind wir!) sammeln wird.
Wir können uns in diesen Tagen bewusst zum Zion aufmachen, um die Tora kennenzulernen, wie es die Propheten gesehen haben (vgl. Jes 2,3f.). Wir können dort zu den Juden sagen „Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört: Gott ist mit euch.“(Sach 8,23) Das heißt auch, dass wir einstimmen sollen in das beredte Verstummen beim Namen des Ewigen, damit wir ihn nennen können: „Adonai!“ – „MEIN Herr!“
Br. Symeon Müller OSB
O WEISHEIT – Impuls zur O-Antiphon am 17.12.2020
ImpulsO Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten, die Welt umspannst du von einem Ende zum andern, in Kraft und Milde ordnest du alles: Komm und lehre uns den Weg der Einsicht! (O-Antiphon vom 17.12.)
Im Buch Jesus Sirach lesen wir: „Kind, von deiner Jugend an erwähle Bildung! Bis du graue Haare hast, wirst du Weisheit finden… Hör auf meinen Rat, schlage ihn nicht in den Wind! Leg dir selbst die Fesseln der Weisheit um die Füße und ihren eisernen Ring um den Hals! Nimm sie auf die Schultern und trage sie, ärgere dich nicht über ihre Stricke! Laß dich mit deinem ganzen Willen auf sie ein und folge ihr mit deiner ganzen Kraft! Geh ihren Spuren nach und suche sie; sie wird sich dir zu erkennen geben. Und wenn du sie ergriffen hast, dann lass sie nicht wieder los! Am Ende wirst du bei ihr Ruhe finden, und deine Mühe wird sich in Freude verwandeln. Dann werden ihre Fußfesseln für dich zum starken Schutz und ihr Halseisen zum prächtigen Gewand. Ihr Joch wird zum goldenen Schmuck und ihre Stricke zu purpurfarbenen Bändern. Wie ein Prachtgewand wirst du sie tragen und wie eine strahlende Krone.“ (Sir 6,18.23-31)
Weisheit ist nicht die Ansammlung von möglichst viel Wissen, man kann sie sich nicht erarbeiten. Weisheit erlangt man, indem man sich dem Leben aussetzt und sich auf das Leben
Einlässt – vielleicht sich ganzheitlich durch den Rhythmus der Jahreszeiten bildet. Denn hinter und vor unserem Leben steht Gott selbst, der die Welt und alles Geschehen in ihr weise geschaffen hat. Der, der mir den Weg der Weisheit zeigen möchte, lässt mich fragen:
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der 3. Adventswoche (16.12.2020)
Impuls„Rorate caeli desuper, et nubes pluant iustum“ – „Tauet, ihr Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet herab den Gerechten!“ (Jes 45,8)
Kein Gesang verkörpert so stark die adventliche Sehnsucht nach dem Kommen Gottes wie der Gesang des Rorate. In der liturgischen Tradition hat der Introitus des „Rorate caeli“ seinen festen Platz am 4. Adventssonntag. Sicher klingen bei vielen Menschen tiefe Erfahrungen nach, einen Rorate-Gottesdienst erlebt zu haben. In der Dunkelheit erklingt der Gesang tiefer Sehnsucht: “Tauet, Himmel, den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab, rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab.“ So heißt es in einer Nachdichtung eines bekannten Adventsliedes.
Heute am 16. Dezember hören wir diese Worte des Propheten Jesaja in der Lesung der Eucharistie. Martin Buber übersetzt:
„Träufelt ihr Himmel von oben,
Wahrhaftigkeit sollen rieseln die Lüfte.
Die Erde soll sich öffnen,
Freiheit soll sie fruchten lassen,
Bewährung soll sie sprießen zumal.
Ich selber habe es geschaffen.“
Dieses heutige Prophetenwort schreit gleichsam nach Gerechtigkeit, nach Freiheit, nach Frieden, Wahrhaftigkeit und Bewährung. Diese Worte haben ihren Ursprung in der Zusage Gottes an sein Volk, welches im Exil lebt. Gott will den bedrängten Menschen trösten. Da Gott selbst Mensch wird, stellt er sich selbst an unsere Seite. In all unseren heutigen Bedrängnissen, unserem Unfrieden und unserer Unversöhntheit will Gott mit uns sein.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Dienstag der 3. Adventswoche (15.12.2020)
ImpulsAn jenem Tag brauchst du dich nicht mehr zu schämen, wegen all deiner schändlichen Taten, die du gegen mich verübt hast. (Zef 3,11)
Wir kennen wohl alle nur zu gut das Gefühl der Scham, wenn wir als kleines Kind (und manchmal auch als Erwachsener) einen Fehler gemacht haben, den alle um uns herum bemerkten. Wir werden dann rot oder schauen auf den Boden, würden am liebsten in selbigem versinken. Manchmal ist es auch die Fremdscham, wenn ein Freund, eine Verwandte etwas tut, was dann auch auf uns zurückfällt. Ein Gefühl, was manche vielleicht auch in ihrer Kirche empfinden, wenn der nächste Fall von schlimmster sexualisierter Gewalt durch die Medien aufgedeckt wird. Auch wenn uns formal keine Schuld trifft, empfinden wir doch Scham ob der Ungeheuerlichkeit der Tat – wir können uns davon nicht freisprechen, weil wir eben zur gleichen „Täterorganisation“ gehören.
Wie wohltuend und befreiend ist da das Wort des Propheten Zefanja, das wir in der heutigen Tageslesung hören, das uns dort zugesagt wird: Du brauchst dich nicht mehr zu schämen! Das bedeutet nicht, dass meine Taten vergessen sind – aber zumindest sollen sie mich nicht mehr belasten.
Das kann ich verständlicherweise nicht selbst sagen. Gerade in Extremfällen wäre es vermessen den Opfern meiner Taten gegenüber. Ich kann es mir letztlich nur zusagen lassen – und das oft nach einem langen Prozess der Läuterung und Versöhnung. Mir sagen lassen von einem, der mich als Person sieht und mich nicht auf meine Taten reduziert.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Hochfest der hl. Odilia (14.12.2020)
ImpulsÖffne uns auf die Fürsprache der hl. Odilia die Augen, damit wir in der geschaffenen Schönheit deine Größe erahnen. (Aus dem Tagesgebet am Fest der heiligen Odilia)
Heute feiern wir – vom Dritten Adventssonntag auf den 14.12. verdrängt – das Hochfest der heiligen Odilia, die im 7. Jahrhundert im Elsass gelebt hat. In diesem Jahr feiern wir ihren 1300. Todestag. Der Legende nach hat sie, die blind geboren war, bei ihrer Taufe das Augenlicht geschenkt bekommen. Die Missionsbenediktiner von St. Ottilien begehen an ihrem Festtag ihr „Patronatsfest“.
Ein Gedanke aus dem heutigen Tagesgebet lässt mich nicht los. Wir erahnen in der geschaffenen Schönheit die Größe Gottes. Die Welt ist nicht einfach nur vergängliche, sündhafte, „böse“ Welt, sondern gute Schöpfung Gottes. In der Welt, in der Schönheit der Welt können wir Spuren Gottes erahnen – wenn wir dafür empfänglich sind, wenn wir offene Augen haben, ja, wenn wir „sehen“ können.
Oft bin ich aber blind. Nicht im wörtlichen Sinn, sondern übertragen. Vor lauter Problemen und Sorgen sehe ich die Spuren Gottes in seiner Schöpfung nicht mehr. Dann muss ich mir die Augen öffnen lassen, neu sehen lernen. Von Gott die Gnade des Sehens erbitten, damit ich nicht seine Spuren der Schönheit in dieser Welt übersehe – auch mitten in der Pandemie.
Öffnen wir heute unsere Augen, oder lassen wir sie uns öffnen. Wir werden staunen, was wir alles entdecken können.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 3. Adventssonntag
ImpulsDer heutige dritte Adventssonntag steht ganz im Zeichen der Vorfreude: „Gaudete in Domino semper“ („Freut euch im Herrn zu jeder Zeit“, Phil 4,4)!
Die Hälfte der Adventszeit liegt hinter uns, und das Weihnachtsfest rückt immer näher.
Ich muss zugeben, dass es mir dieses Jahr nicht leicht fällt, eine große Vorfreude zu empfinden, und vielleicht geht es ja manchen von ihnen ähnlich.
Ich habe vor kurzem eine gute Freundin verloren, die an Krebs gestorben ist, und ich musste erleben, wie leidvoll ihr Krankheitsweg war.
Ein Sprichwort sagt: Die Vorfreude ist die kleine Schwester der Hoffnung.
Aber woher seine Vorfreude nehmen, wenn man manchmal nur ganz wenig Hoffnung hat, oder einem die Hoffnung genommen wurde?
Astronomisch gesehen befinden wir uns weiterhin auf dem Weg in die Nacht. Die Tage werden auch weiter noch kürzer und die Nächte länger. Nicht gerade rosige Aussichten, auch wenn manche von uns heute eine rosa Kerze entzünden.
Vielleicht hilft uns aber ein wenig der Blick zu unseren jüdischen Geschwistern, auf unserer Reise durch die Dunkelheit des Advents.
Am vergangenen Donnerstag hat das jüdische Chanukka-Fest begonnen, und am nächsten Freitag wird es seinen Höhepunkt haben. Das Lichterfest erinnert daran, dass der heilige Leuchter des Tempels zu Jerusalem durch ein Wunder acht Tage lang brannte, obwohl nur noch für einen Tag geweihtes Öl vorhanden war. Chanukka ist ein fröhliches Fest, mit viel Musik und gutem Essen. Es ist ein Fest der Freiheit und ein Familienfest.
Jeden Abend, wenn die ersten Sterne am Himmel erscheinen, wird ein Licht am Leuchter angezündet, bis der ganze Leuchter hell strahlt.
Es ist schon seltsam – hier ergibt die Summe der einzelnen Teile etwas ganz Anderes, als das, was wir erwarten. Fülle, genau da, wo eigentlich nicht mehr viel zu finden ist. Im Nicht-Perfekten findet sich die Hoffnung.
Gott wird sich uns als Mensch schenken. Gerade als Mensch.
In diesem Sinne:
Fröhliches Chanukka!
Chag sameach!
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Samstag der 2. Adventswoche (12.12.2020)
ImpulsHättest Du
Hättest Du
Nur nicht
Diese Sehnsucht
In mich
Hineingelegt
Hättest Du
Sie
Nur nicht
So tief
In mich
Hinein versenkt
Bevor ich ward
War diese Sehnsucht
Und mich
Hast du nur
Aus ihr gezogen
Hast mich
Um sie herum
Gewoben
Mich aus ihr
Gebunden
Ins Leben.
(Autor unbekannt)
Ja, die dunklen Tage des Advents bringen es ans Licht. Unsere tiefe Sehnsucht nach…. Unsere Sehnsucht nach Annahme, Geborgenheit, Liebe – Gott?!
Aber es ist oft so schwer, dieses Unerfüllte auszuhalten. Und so fülle ich es mit vielen Dingen, Genüssen, Ablenkungen,… Löse die große Sehnsucht auf in viele kleine Sehn-süchte.
Halten wir sie aus – die unerfüllte Sehnsucht in uns. Unseren innersten Kern.
Und lassen wir sie füllen – von IHM.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Freitag der 2. Adventswoche (11.12.2020)
ImpulsWir haben für euch auf der Flöte Hochzeitslieder gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen. (Mt 11,17)
Im Evangelium zum heutigen Tag begegnet uns ein Gleichnis, das aus dem ganz normalen Leben gegriffen ist. Thematisiert wird die (eigentlich kindliche) Launenhaftigkeit, immer das nicht zu wollen, was einem angeboten wird.
Eine Erinnerung, die mir dazu aus meiner eigenen Kindheit einfällt:
Wenn meine Eltern ihren Mittagsschlaf halten wollten, musste für mich – als kleinem Kind – eine Beschäftigung gefunden werden. Vor dem Spielzeugschrank schlug mir meine Mutter verschiedene Spiele vor, aber ich wollte keine der mir angebotenen Möglichkeiten wählen. Oder eher: Ich wollte eigentlich alles, aber nichts so richtig. Denn schließlich bedeutet eine Entscheidung für eine Sache, dass man eine andere Sache nicht machen kann. Da war es spannender und einfacher, stattdessen meinem Unmut über die Spiele Ausdruck zu geben. Es fiel also leichter, die Flucht in die Meckerei zu ergreifen.
Damit habe ich meine Mutter manches Mal zur Weißglut getrieben. Ich habe nicht erkannt, was dran ist.
Einem kleinen Kind ist das wohl zu verzeihen, aber ähnlich mag es ja auch den Erwachsenen gehen, die Jesus im Evangelium mit den Kindern vergleicht.
Johannes der Täufer kam, um auf den kommenden Messias hinzuweisen. Er tat dies durch den Aufruf zur Umkehr und zum Fasten zur Vorbereitung auf das Kommen Christi. Von denen, die Jesus kritisiert, wird er jedoch verworfen.
Mit der Ankunft des Menschensohnes beginnt dann schließlich die Freude des Gottesreiches – die Heilszeit des Feierns –, doch auch er wird verworfen.
Die Leute können sich nicht entscheiden, was sie eigentlich wollen. Eigentlich wollen sie gar nichts wirklich. Also ergreifen auch sie die einfachere Option: Die Flucht in die Ablehnung von allem.
Für uns – hier und heute – gilt: Jetzt warten wir auf die Ankunft des Herrn. (Und das auch in einem weiteren Sinne, unabhängig von der Jahreszeit!)
Lehne ich in dieser Zeit, in der wir auf die Ankunft des Herrn warten, alle guten Möglichkeiten, die sich bieten, ab und ruhe mich lieber darauf aus, Kritik üben zu können? Stemme ich mich auf diese Weise dagegen, mich entscheiden und als Christ „Farbe bekennen“ zu müssen?
Oder erkenne ich, was jetzt zu tun ist und wo ich die Ärmel hochkrempeln und selbst anpacken kann, damit mein Glaube den Menschen Licht werde?
Br. Josef Ellendorff OSB
Impuls am Donnerstag der 2. Adventswoche (10.12.2020)
ImpulsIn meinen Kindertagen war am Sonntagnachmittag immer Spaziergehzeit durch Waldecks wunderschöne Wälder. Mit Mama, Papa und den Geschwistern ging es bei Wind und Wetter los. Ich lief oft vorweg und untersuchte etwas am Wegesrand. Toll, dann wurde ich von meinen Geschwistern und Eltern überholt. Ich erinnere mich aber auch, dass es Momente gab, in denen ich trotzig zurückblieb, weil mir der Weg zu weit und zu mühsam war. Ich lief hinterher. Da fühlte ich mich allein und rannte schnell zu meinen Eltern. Und dann wieder vorneweg! Plötzlich bemerkte ich, dass mir jemand mit einem großen Hund entgegenkam. Es dauerte nicht lange, da suchte ich die Nähe der Eltern und nahm schnell Mamas Hand. An Mamas Hand war auch ein großer Hund kein Problem. Hand in Hand mit Mama oder Papa, da fühlte ich mich sicher und geborgen. Wo mich einer bei der Hand nimmt, entsteht Vertrauen. Und das ist eine ganz wichtige Basis für unser Leben. Weil da, wo Vertrauen fehlt, die Herzenskraft zum Leben fehlt. Wenn ich vertrauen kann, dass andere zu mir halten, mich unterstützen, mich nicht hängen lassen: Da kann ich dann auch selbst Mut zum Leben haben. Der Prophet Jesaja nimmt eine solche Ur-Vertrauens-Erfahrung als Bild für die Begleitung von Gott: „Ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir.” Wenn ich weiß, dass Gott mir nahe ist, wächst Vertrauen ins Leben. Und genau dazu will uns der Advent mit seiner besonderen Atmosphäre sensibilisieren: für das Urvertrauen in Gott.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der 2. Adventswoche (9.12.2020)
ImpulsJeden Tag brennen in unseren Kirchen und Kapellen unzählige sogenannte Opferkerzen. Menschen haben diese Lichter für sich oder andere entzündet, um in die alltäglichen Sorgen etwas Licht zu bringen.
Im Advent brennen solche Lichter aber nicht nur in den Kirchen, sondern auch viele Gärten und Fenster erstrahlen in einem wahren Lichtermeer und erzählen auf ihre Weise von der großen Sehnsucht der Menschen nach Licht im Dunkel des Lebens.
„Hebt eure Augen in die Höhe und seht: Wer hat die Sterne dort oben erschaffen?“, so fragt der Prophet Jesaja in der heutigen Lesung (Jes 40,25-31), und er macht uns Menschen Mut, auf Gott zu vertrauen. Gott selbst ist es, der dem Müden Kraft gibt und dem Kraftlosen Stärke verleiht.
Der Prophet Jesaja schenkt dem Volk Israel, das damals in der Gefangenschaft an Gottes Hilfe zweifelte und auch uns Menschen heute, die wir unter der Corona-Pandemie stöhnen, neue Hoffnung und macht deutlich, dass Gott, der das Weltall schuf, unermüdlich am Werk ist, um die Schwachen zu stärken.
Und auch Jesus, so ist es im Tagesevangelium (Mt 11,28-30) zu hören, macht all denen Mut, die sich plagen und schwere Lasten zu tragen haben. Unmissverständlich ruft er uns zu: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“.
Oder wie es bei uns daheim früher im Hausflur hing:
„Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“.
Mögen die vielen Kerzen und Lichterketten uns immer dran erinnern, dass der Herr dieses Licht für uns sein will, deshalb rufen wir im Advent:
Rorate, caeli desuper, et nubes pluant iustum.
Ihr Himmel, tauet den Gerechten,
ihr Wolken regnet ihn herab.
P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Hochfest „Maria Immaculata“ (8.12.2020)
Impuls„Wo bist du?“ (Gen 3,9)
Gott stellt dem Menschen heute diese Frage. Sie führt im Verlauf des Mythos zu einer unglaublich traurigen Dramatik. Ein Blick in den Zusammenhang:
Der zweite Schöpfungsbericht (Gen 2,4-25) schildert die Erschaffung des Menschen und seines Lebensraums, sowie die Suche nach „Hilfe, die ihm ebenbürtig ist“(V. 18b). Vom Menschen aus entsteht schrittweise die Ordnung der Welt – Flüsse, die begrenzen, ein Garten, Namen, die allen Dingen gegeben werden. Es entsteht ein Netz, ein geordneter Raum. Alles hat seinen Platz. Erst das Essen vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse stört dieses Gleichgewicht.
Die andere Seite des Rahmens der Lesung ist geprägt von entgegengesetzten Motiven: Statt Zentrierung nun Vertreibung, statt Bejahung in der Namensgebung nun Brudermord, statt gegenseitiger Hilfe nun Trennung in verfeindete Sippen.
In der Mitte unsere Frage: „Wo bist du?“. Obwohl sprachlich so einfach, hat sie doch eine große Tiefe. Vordergründig fragt Gott nach dem Aufenthaltsort, wie ein Freund. Andererseits schwingt mit, wo sich der Mensch verortet.
Der Mensch beantwortet beides: Er hat sich versteckt. Hier ist der Ort. Er war in Angst. Hier sieht er sich selbst.
Weil er durch das Essen der Frucht seine kindliche Unschuld verloren hat und sich selbst erkennt, nimmt er seine Nacktheit gegenüber Gott war. Er reagiert nicht mit Liebe Gott gegenüber, sondern versteckt sich aus Angst, weil das, was er an sich sieht, Gott nicht gefallen könnte. Das ist die Tendenz aller Menschen. Wir wollen uns verbergen, weil wir Angst haben, nicht so akzeptiert zu werden, wie wir sind. So entsteht die Entzweiung und der Argwohn in den folgenden Kapiteln der Genesis.
Ist der vorherige Zustand verloren?
Einen Ausweg kann uns das heutige Evangelium (Lk 1,26-38) bieten. Auch Maria fürchtet sich zu Beginn, aber sie versteckt sich nicht, sondern geht unbefangen auf den Engel zu. Sie macht sich Gedanken, stellt Fragen. Sie reagiert, wie eine, die es gelernt hat, selbstbewusst zu sein und zu sich selbst zu stehen. Hier steht wirklich eine Tochter Israels vor uns. Maria erfüllt den Bund in Hinwendung zu Gott. „Alles, was der HERR gesagt hat, wollen wir tun; und wir wollen es hören!“ (Ex 24,7b) ist die Antwort des Volkes auf das Angebot Gottes am Sinai. Man beachte die Reihenfolge: Erst tun und dann hören!
Wir können nicht alles direkt erfassen, sondern müssen oft im Vertrauen handeln. Nicht aus Angst verstecken, sondern: Aufrecht, als Partner! Wir sind mündige Menschen. Maria lebt das, was ihr Volk im Bundesschluss wieder begonnen hat, den Kreislauf der Angst zu durchbrechen und aufrecht vor Gott zu stehen.
Möchte ich mich als Christ bei einem solchen Vorbild nicht diesem Bund Israels mit seinem Gott anschließen?
Br. Symeon Müller OSB
Impuls am Montag der 2. Adventswoche (7.12.2020)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
die Kirche begeht den Gedenktag des Hl. Ambrosius.
Ich lade Sie heute ein, einen Text dieses Bischofs und Kirchenlehrers zu meditieren und in Ihren Alltag einzubeziehen.
Die Worte prüfen
„Ist einer der Rede behutsam, so wird er milde, sanft und bescheiden. Wenn er nämlich den Mund hält und seine Zunge beherrscht und nicht redet, bevor er seine Worte geprüft und abgewogen hat und überlegt hat, ob dies zu sagen sei, ob es diesem Menschen gegenüber zu sagen sei, so übt er in der Tat Bescheidenheit, Sanftmut und Geduld“.
Gerade in diesen adventlichen Tagen tut es gut, immer wieder Zeiten der Stille einzuüben. Um uns herum und auch in uns ist es laut, unruhig und dunkel. Versuchen wir, zur Ruhe zu finden, zum Licht, in unser Innerstes. Achten wir in unseren Begegnungen auf die Worte, die wir sprechen. Wählen wir aus und wägen wir ab. Hören wir nochmals Ambrosius: „…so wird er milde, sanft und bescheiden…“
Wandlung – Verwandlung schwingt in diesem Ausspruch mit. Und auch darum geht es im Zugehen auf das Weihnachtsfest.
Im Gabengebet betet die Kirche heute: Lass auch uns in diesem Licht deine Wahrheit tiefer erfassen.
Menschwerdung: Bin ich bereit, mich wandeln zu lassen? Bin ich bereit, mich „erfassen“ zu lassen?
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag und „prüfende“ Augenblicke.
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Zweiten Adventssonntag – Hl. Nikolaus (6.12.2020)
ImpulsNikolaus – Bischof – Nothelfer
Dunkelgrau das Meer, es stürmen und toben die Wellen
Das Meer
Die Wellen
Der Wind – Sturmzeiten
Winter.Stürme
Es tosen die Wasser, es zucken die Blitze
Im Auge des Orkans
Das wünsch ich sehr
Dass immer einer bei dir wär
Der lacht und spricht
Fürchte dich nicht
Schiff – Ruder – Segel
ER gebot und ließ den Sturmwind aufstehen.
Der türmte hoch die Wogen.
Sie sanken hinab in den Abgrund,
so dass ihre Seele vor Not verzagte.
In ihrer Angst schrien sie zum HERRN
Und er sandte ihnen einen Nothelfer
Das wünsch ich sehr
Dass immer einer bei dir wär
Der lacht und spricht
Fürchte dich nicht
Selig, die barmherzig sind
Sankt Nikolaus, du Pilger Gottes
Steh uns bei in den Stürmen
Herz.Anker voller Nächstenliebe
Seefahrer – stark und fest
Sei da, hab auf die Menschen acht!
O Heiliger – Bischof – Nikolaus
Kapitän – Seemann – Nothelfer
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag der 1. Adventswoche (5.12.2020)
ImpulsDer Herr ist dir gnädig, wenn du um Hilfe schreist; er wird dir antworten, sobald er dich hört. (Jes 30,19)
Gott will nicht der ferne Gott sein, sondern sich als ein Gott der Fürsorge zeigen. Diese Nähe zum Menschen wird in seiner Menschwerdung in Jesus Christus sichtbar. Dass diese Nähe Gottes zum Menschen in Jesu Geburt sichtbar wird, darauf bereiten wir uns im Advent vor. Diese Nähe Gottes zum Menschen, die in der Geburt des Kindes im Stall zu Bethlehem konkret wurde, kann theologisch betrachtet als fundamentale Gebetserhörung verstanden werden. Durch Gottes Menschwerdung ist Gott nicht ein monolithisch kühler und distanzierter Gott, sondern einer, der für den Menschen ein fürsorgendes Herz hat. Alle unsere Nöte, Ängste und unser Leid dürfen in seine Gegenwart hineingesprochen werden. Wie jedoch Gott darauf antwortet, unterliegt nicht unserem Willen. In diesem Geschehen des menschlichen Ich zum göttlichen Du hin darf ich mich aufgehoben wissen.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Freitag der 1. Adventswoche (4.12.2020)
ImpulsDarauf berührte er ihre Augen und sagte: Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen. (Mt 9,29)
Bevor Jesus im heutigen Tagesevangelium die zwei Blinden heilt, steht seine Frage: „Glaubt ihr, dass ich euch helfen kann?“ Bei den Heilungserzählungen geht es wie auch bei der Heilung der zwei Blinden wohl kaum oberflächlich um das medizinische Können Jesu. Zwar sprechen die Kirchenväter schon früh vom „Christus medicus“ und stehen damit in der Tradition des alttestamentlichen Gottesbildes aus Ex 15,26: „Ich bin der HERR, dein Arzt“. Aber die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Heilung möglich wird, ist das Vertrauen und der Glaube an Jesus als den Erlöser und Heiland. Dieses tiefe Vertrauen zeigt sich für mich auch in der Verehrung der Heiligen Barbara, deren Namensfest die Kirche heute feiert. Traditionell ließen die Bergleute ihr zu Ehren an diesem Tag ihre Lampen in den Stollen und Gruben brennen. Meine Großväter haben noch beide im nahen Ruhrgebiet unter Tage gearbeitet. Auch wenn der Bergbau hierzulande keine große Rolle mehr spielt, möchte ich gerade heute allen Menschen einen Lichtblick wünschen, die innerlich „unter Tage“ sind – durch Ängste, Depressionen oder Einsamkeit. Und allen Barbaras wünsche ich einen gesegneten Namenstag!
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Donnerstag der 1. Adventswoche
ImpulsVerlasst euch stets auf den Herrn;
denn der Herr ist ein ewiger Fels.
(Jes 26,4)
So heißt es in der Lesung des heutigen Tages.
Aufrufend, aufmunternd: baut auf IHN.
Aber auch abschmetternd, kalt:
Gott ein Fels?
Ja, auf den kann ich bauen.
Der gibt Halt.
Aber er ist kalt, unnahbar, hart,
die Begegnung ist einseitig, ohne Reaktion.
Ist Gott so?
Oft erfahre ich IHN so.
Das Evangelium (Mt 7,21.24-27) fordert mich auf,
auf einen solchen Felsen zu bauen.
Ich kann es tun –
weil ich diesem FELSEN Gott
begegnen darf auch und gerade als dem Liebenden,
bei dem ich mit meinen Fehlern und Macken „andocken“ kann,
von dem ich mich getragen weiß.
Dann ist ER kein Fels mehr – kalt und abweisend.
Dann ist ER Freund – warmherzig und bergend.
Wage ich es, auf IHN zu bauen?!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Mittwoch der 1. Adventswoche (2.12.2020)
ImpulsSeit dem letzten Sonntag, dem Einstieg in den Advent, begleitet mich ein kurzer Text:
„So bist DU
mir
also wieder
da
oder vielmehr
ich bin Dir
wieder
da
mein Gott“
Irgendwie dreht er die gewohnte Perspektive um: „ vielmehr – ich bin dir – wieder da – mein Gott“. Für mich ist der Text ein Ansporn für die Zeit des Advents. Zu versuchen, für und vor Gott da-zu-sein. Aber wir wissen alle, wie schwer das ist. Da-sein. Vielleicht muss ich manches lassen – in diesem Advent. Weniger Internet, Facebook, Instagram,… Um einfach vor diesem Gott da-zu-sein. In der tiefen Gewissheit: Er ist da! Denn das ist sogar sein Name: „Ich bin der Ich-bin-da!“
Vielleicht kann ich ja dann an Weihnachten sagen: „Und jetzt bin auch ich ganz da!“
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dienstag der 1. Adventswoche (1.12.2020)
ImpulsDieser Sommer ist längst gestorben. Das letzte Grün, das manche Büsche noch tragen, ist eine Erinnerung an längst entschwundene Zeiten. Der winterliche Garten hat immer etwas Verwunschenes. Still liegt er da: Nebel durchziehen ihn. Der Frost verzaubert ihn. Und es wirkt, als ob er träumt.
„Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht“. (Jes 11,1)
Vertraute, uralte Worte aus längst vergangenen Tagen! Mit diesem Satz beginnt eine biblische Prophezeiung. Sie gehört zum Advent wie die Lieder, die nur in diesen Tagen gesungen werden. Abgehauene Stämme und alte Wurzelstöcke werden noch einmal austreiben, die totgeglaubten Wurzeln sind noch aufrührerisch, ganz tief da unten. Das Leben kommt wieder. Das erzählt der Prophet Jesaja: wie aus einem abgestorbenen Baumstumpf etwas Neues wächst. Etwas ist abgeschnitten, ja, aber das ist nicht das Ende. Jesaja schaut in seiner Prophezeiung aber noch weiter und tiefwirkender – das Bild vom ewigen Frieden der Geschöpfe!
„Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.“ (Jes 11,6-9)
Diese Verheißung der fernen Zukunft führt uns der Prophet Jesaja in der heutigen Lesung vor Augen. Es ist die fernere Zukunft, die einen umfassenden Frieden der Schöpfung und zwischen den Geschöpfen bringen wird. Seine Vision führt uns gegenüber der Wirklichkeit in der Natur ein sehr abstraktes Bild vor Augen. Dieses utopische Bild ist ein starkes Symbol für das kommende Reich Gottes: Die tödlichen Feindschaften zwischen den Geschöpfen werden dort aufhören.
„An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen ihn auf; sein Wohnsitz ist prächtig.“ (Jes 11,10)
Wenn wir begreifen wollen, wer Jesus ist, dann können wir auf die mächtigen Bilder dieser alten Verheißung des Jesaja blicken. Das Kind, das im Stall von Bethlehem geboren wird, ist nicht nur ein Kind, sondern in ihm kommt Gott selbst in unsere Welt. Mit Jesus erfüllen sich die Heilsankündigungen des Propheten Jesaja. Jesus ist das neue Reis, das aus dem Baumstumpf des Isai wachsen soll. Er ist der neue König aus dem Hause David, der da kommen soll. Mitten in einer dunklen und kalten Welt wird ein Kind geboren, es ist der Keim einer großen Hoffnung. ER wurzelt. Er knospt auf. In der Stille des Wintergartens des Lebens blüht eine Rose auf: Jesus Christus. Mit seinem Leben und Leiden, mit seiner Verkündigung der Liebe Gottes will er sich als Baum des Lebens in unserem Herzen verwurzeln. Neigen wir in diesen Tagen des Advents das Ohr unseres Herzens, und hören wir!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 30.11. – Fest des hl. Andreas
ImpulsMit Advent verbinde ich Stille, Beschaulichkeit und manchmal auch Rückzug. Der heutige Tagesheilige, der Apostel Andreas, ist das genaue Gegenteil. Er lässt sich berufen und senden. Er verkündet das Evangelium in fremden Ländern. Der Advent ist also nicht nur eine Zeit der Besinnung, sondern auch eine Zeit der Sendung. Wohin lasse ich mich senden?
Viele Menschen lassen sich in dieser Zeit zur Hilfsbereitschaft senden. Sie wenden sich den Bedürftigen hier und in der weiten Welt zu. Eine bemerkenswerte Intensität der Hilfe und Solidarität bricht sich in ganz vielen Menschen Bahn. Mich berührt es jedes Jahr, mit wieviel Phantasie Menschen versuchen, anderen Menschen zu helfen und ihnen eine Freude zu bereiten. Und das sind längst nicht alles Christen. Karl Rahner hat einmal vom „anonymen Christentum“ gesprochen. In der Hilfsbereitschaft so vieler Menschen, seien es Christen oder nicht, erkenne ich dieses anonyme Christentum. So viel an froher Botschaft wird durch die Hilfsbereitschaft vieler in die Welt gesandt.
Ich weiß nicht, ob sich der Apostel Andreas schon als Christ bezeichnet hätte. Ich finde das auch nicht wichtig. Aber er hat sich senden lassen, ganz konkret zu den Menschen in seiner Zeit. Mich berührt es, wie viele Menschen ihm darin folgen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Ersten Adventssonntag (29.11.2020)
ImpulsSeht euch also vor, und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. (Mk 13,33)
„Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“ Wir alle erinnern uns wohl noch lebhaft an diese Worte, die Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. März dieses Jahres in einer Rede an die Nation eindringlich formulierte. Sie machte damit eindrücklich die Bürgerinnen und Bürger auf den Ernst der Lage angesichts der Corona-Pandemie aufmerksam und mahnte zur Wachsamkeit. Ihre Worte haben bis heute nichts an Aktualität verloren. Auch wenn uns die immer wiederkehrende Mahnung zur Wachsamkeit, zur Beschränkung der Kontakte, zum Einhalten der Hygieneregeln manches Mal nerven mag, so ist sie doch wichtig, um Leben zu retten und Schwächere zu schützen.
Wir stehen heute am Anfang eines Kirchenjahres. Und auch das heutige Evangelium mahnt uns mehrmals zur Wachsamkeit. Allerdings ist es hier kein Virus, das ungefragt in den Alltag einbricht, sondern der „Hausherr“ selbst, der zu vorgerückter Stunde kommt, dann, wenn er am wenigsten erwartet wird.
Das Evangelium möchte uns keine Angst machen. Die Katastrophen, von denen kurz vorher die Rede ist (vglMk 13,24) sind nicht das Ende. Wenn der Hausherr kommt, der, dem wir letztlich gehören, der die Welt in seinen Händen hält, dann ist die Zeit der Katastrophen und Pandemien vorbei. Wir haben eine Hoffnung, die über alle Not, so schwer sie auch sein mag, hinausreicht.
Unsere im Advent beleuchtete Abteikirche soll solch ein Zeichen der Hoffnung sein. Inmitten der vielen Lichter des Advent, aber auch der leeren Straßen, weil in diesem Jahr eben vieles nicht stattfinden kann, strahlt sie in der Dunkelheit hoch über Meschede und weist hin auf den König des Friedens, den wir im Advent erwarten.
Wenn die Stimmung sich in diesen Tagen trübt und der Blick schwer wird, dann schauen Sie auf das Bild der beleuchteten Kirche und denken Sie daran: die Welt ist nicht verloren! Es gibt Hoffnung!
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Pfingsten
ImpulsDer Film „Babel“ des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu aus dem Jahr 2006 zeigt auf eindrückliche Weise, dass alles mit allem verbunden ist. Drei zunächst zusammenhanglos erscheinende Episoden in verschiedenen Regionen der Erde hängen doch miteinander zusammen. Ein Gewehrschuss in der Wüste von Marokko löst eine internationale Krise aus und verbindet das Schicksal von Menschen dort, in Japan und an der mexikanisch-amerikanischen Grenze.
Der Filmtitel „Babel“ erinnert an die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel, Symbol für den Größenwahn des Menschen, der dann letztlich in Sprachverwirrung und das Nicht-Verstehen mündet. Und auch im Film ist es oft das Nichtverstehen, das Aneinander-Vorbeireden, die körperliche und seelische Gewalt, die Verwirrung schafft. Erst am Ende des Films gibt es ein zartes Pflänzchen der Hoffnung, dass Kommunikation gelingen kann.
Pfingsten ist der biblische Gegenentwurf zu Babel. Hier ist die Vielfalt nicht verwirrend und führt in die Isolation, sondern Menschen verschiedener Kulturen beginnen einander zu verstehen, obwohl sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Nicht menschengemacht und damit heillos überfordernd, wie es die Geschichte von Babel zeigt, sondern Geschenk des „Ruach“-Geistes, des „Atems“ Gottes, der Menschen befreit aufatmen lässt. So nennt der Journalist Heribert Prantl in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung die Pfingstgeschichte „eine Anti-Geschichte gegen das Virus, das den Kranken und der Gesellschaft den Atem nimmt.“ Eine Geschichte, die von „göttlicher Beatmung“ erzählt.
„Pfingsten ist die Vision, dass gegenseitiges Verstehen trotz dieser Vielfalt möglich ist.“ Das Ende des Films „Babel“ zeigt diese Vision in einer sehr zarten, leicht zerbrechlichen Form. Pfingstliche Aufbrüche sind nicht unbedingt laut, sondern kommen oft eher leise daher. Der Gottesgeist offenbart sich nicht immer in den kräftigen Bildern des aufrüttelnden Sturmes und der Feuerzungen, sondern manchmal im sanften, leisen Säuseln, das der Prophet Elija am Gottesberg erspürt, in der „Stimme verschwebenden Schweigens“, wie es Martin Buber großartig übersetzt. Mögen wir diese leisen Hoffnungszeichen in unserer schnellen Welt nicht übersehen!
Impuls am 7. Ostersonntag
ImpulsSie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. (Apg 1,14)
Am heutigen Siebten Ostersonntag, der liturgisch zwischen Christi Himmelfahrt und der Geistsendung an Pfingsten, also in einer Zwischen-Zeit liegt, finden wir uns wieder im Obergemach in Jerusalem gemeinsam mit den Aposteln, mit Maria, der Mutter Jesu, und weiteren Frauen und mit Jesu Brüdern. Es ist dasselbe Obergemach, in dem Jesus mit seinen Freunden am Abend vor seinem Tod das Abschiedsmahl hielt. Und es ist dasselbe Obergemach, in dem sich die Apostel nach Jesu Tod eingeschlossen haben, voller Angst und Zweifel, was nun nach dem Tod ihres Meisters werden soll. So ist das Obergemach ein Ort durchlebter Emotionen.
Jetzt ist die Stimmung anders: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet.“ Der von Emotionen gefüllte Raum wird zum durchbeteten Raum, zum Raum, in dem die junge Kirche ihre Sehnsucht und Erwartung im Gebet vor Gott bringt. Es ist der Raum, in dem sich die Apostel vorbereiten auf ihre Mission, die an Pfingsten, am jüdischen Wochenfest, zum Durchbruch kommt.
Wo ist mein Obergemach? In welcher Stimmung bin ich dort? Ist es Raum des Abschieds, der Erinnerung an das, was einmal gewesen ist? Raum der Angst und Verzweiflung, in den ich mich einschließe und niemanden hereinlasse? Oder doch Raum des Gebetes, in dem meine Sehnsucht gut aufgehoben ist im doppelten Sinn des Wortes?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 6. Ostersonntag
ImpulsSeid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. (1 Petr 3,15)
In einem katholischen Podcast, in dem mehrmals in der Woche ganz unterschiedliche Menschen über ihr Leben in und ihren Umgang mit der Corona-Pandemie interviewt werden, wird jedem Gast am Ende dieselbe Frage gestellt: „Was gibt Ihnen Hoffnung in dieser Zeit?“ Am Ende eines Gespräches, in dem es vor allem um Schwierigkeiten und Probleme geht, mit denen die befragten Menschen zu tun haben – und derer gibt es viele – wird der Horizont geweitet auf Zukunft hin, auf das, was den Menschen mitten in der Krise Hoffnung macht. Nicht umsonst heißt der Podcast „Himmelklar“ – er sieht in großer Klarheit die Situation der Menschen in der Krise, richtet den Blick aber weiter, gen Himmel, auf das, was uns übersteigt und am Leben hält (er ist übrigens sehr hörenswert; den Link finden Sie im Text).
In den Worten des Ersten Petrusbriefs, die der heutigen Lesung entnommen sind, steht ebenfalls die Aufforderung, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.“ Hoffnung ist die Tugend der Zukunft. Sie eröffnet neue Räume über die oft triste Gegenwart hinaus und zeigt uns, was alles an Möglichkeiten, die Wirklichkeit werden wollen, in der Luft liegt. Und genau deswegen ist sie auch keine bloße Vertröstung, wie es ihr immer wieder vorgeworfen wird. Denn Hoffnung kann das Potential wecken, das in mir zum Besseren angelegt ist. Sie kann aus Möglichkeit Wirklichkeit machen – und setzt ihr Heil dennoch nicht auf den Menschen allein – das würde uns hoffnungslos überfordern – sondern weiß sich rückgebunden an einen, der all unsere verloren geglaubten Hoffnungen einmal erfüllen wird – auch die Hoffnungen der Zu-Kurz-Gekommenen, der sog. Opfer der Geschichte.
Was gibt ihnen Hoffnung in dieser Zeit? Ich lade Sie ein, einmal über diese Frage nachzudenken und für sich zu beantworten. Das kann die Perspektive auf diese Zeit vielleicht schon verändern.
P. Maurus Runge OSB
Bild: Gianni Crestani auf Pixabay
Impuls am 5. Ostersonntag
ImpulsEuer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Joh 14,1)
In diesen Tagen ist es nicht unbedingt einfach, diesem Rat Jesu am Anfang des heutigen Evangeliums zu folgen. Denn wer ist gerade nicht verwirrt bei den vielen oft widersprüchlichen Meldungen und Meinungen, bei unterschiedlichen Herangehensweisen an die Krise, bei so vielen Fake News und Verschwörungstheorien, vor denen selbst hochrangige Kardinäle der Kirche nicht gefeit sind?
Wer sollte nicht das Vertrauen verlieren, wenn Menschen in der näheren Umgebung krank werden, im schlimmsten Fall sogar sterben?
Wer sollte sich nicht sorgen um die Gesundheit, um die wirtschaftliche Existenz, um liebe Freunde und Bekannte?
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Jesu Wort klingt wie eine Beruhigungspille, eine billige Vertröstung, welche die Realität nicht wahrhaben will.
Aber dieses Wort ist ganz und gar nicht realitätsfremd. Es ist Teil der sog. Abschiedsreden Jesu – gesprochen im Schatten des Kreuzes, am Vorabend von Jesu Passion. Jesus hat die Realität klar gesehen. Er hat gespürt, dass es mit ihm zu Ende geht, und er hat die Angst und Sorge seiner Jünger vorausgesehen. Und so spricht er ihnen Worte der Stärkung und Ermutigung zu. Worte des Trostes, die auch in schweren Zeiten tragen sollen. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Habt Vertrauen, dass es einen gibt, der alle Unsicherheiten überdauert, der in allen Stürmen des Lebens Halt gibt. Ja, das mag manchmal wie eine Beruhigungspille wirken. Aber auch eine Beruhigungspille kann für den Moment helfen, Schmerz lindern, das Herz ruhig machen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder Orte finden, an denen Sie Ihr Herz festmachen können, wo Sie den Anker werfen und neuen Mut schöpfen können.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 4. Ostersonntag
ImpulsWenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. (Joh 10,4)
Der Vierte Ostersonntag wird auch als „Guter-Hirte-Sonntag“ bezeichnet; denn im Evangelium wird das Verhältnis der Jünger zu Jesus mit dem Bild vom Hirten und seiner Herde von Schafen beschrieben. Die Schafe kennen ihren Hirten, sie hören seine Stimme und folgen ihm – im Gegensatz zu einem Fremden, der sich irgendwie Zutritt zur Herde verschaffen will.
Das Bild vom Schafen und seinem Hirten ist uns heute suspekt, wenn es auf den Priester, den „Pastor“, also den Hirten seiner Schäfchen übertragen wird. Da kann etwas von Unmündigkeit und Willenlosigkeit mitklingen, von Schafen, die ohne eigenen Willen gehorsam ihrem Hirten folgen. Dabei sind wir doch in Taufe und Firmung zu mündigen Christen geworden, mit einer unzerstörbaren Würde ausgestattet, gesandt zu einer je unverwechselbaren Aufgabe.
Gerade in der Diskussion um öffentliche Gottesdienste in diesen Tagen, die oft auf öffentliche Eucharistiefeiern reduziert wird, erlebe ich, wie solch ein antiquiertes und der Realität nicht entsprechendes Bild fröhliche Urständ feiert. Da geben die „Hirten“ Richtlinien vor, sprechen von einer „Versorgung“ ihrer Herde. Und es wird vergessen, dass Schafe alles andere als willenlose und unmündige Geschöpfe sind, dass sie durch Taufe und Firmung geistbegabt sind und dass es somit durchaus andere Formen als die pure „Versorgung“ mit Gottesdiensten gibt. Vielleicht lädt uns diese Zeit gerade dazu ein, kreativ zu werden, die eigenen Möglichkeiten zu entdecken, aus einer reinen Versorgungsmentalität rauszukommen hin zu einer echten Kirche der Beteiligung. Dann können wir einander vom „Leben in Fülle“ weitergeben, zu dem Jesus uns alle, Schafe wie Hirten, berufen hat.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 3. Ostersonntag
ImpulsJauchzt vor Gott, alle Menschen der Erde! Spielt zum Ruhm seines Namens! Verherrlicht ihn mit Lobpreis! Halleluja. (Ps 66,1-2)
Diese Verse aus dem 66. Psalm singen wir als Introitus, als Eröffnungsgesang der Eucharistiefeier am heutigen 3. Ostersonntag. Sie bringen den Jubel von Ostern, das österliche Halleluja, in Wort und Ton. Die ganze Welt soll sich freuen und den Herrn lobpreisen, vor ihm jauchzen wegen des Unglaublichen, das geschehen ist. Gott hat Jesus nicht im Tod gelassen, sondern ihn auferweckt. „Der Tod ist tot, das Leben lebt“, wie es in einem Osterlied heißt.
Die Erfahrung in unserer Welt ist in dieser Zeit eine ganz andere. Nicht das Leben scheint über den Tod zu triumphieren, sondern der Tod über das Leben. Nicht nur, dass viele Menschen an den Folgen von Covid-19 sterben, nein, auch viel von dem, was wir mit Leben verbinden – Freunde zu besuchen, ins Theater oder Kino zu gehen, Sport zu treiben – ist kaum möglich oder nur mit großen Einschränkungen. Wie können wir da dem Aufruf zum Osterjubel nachkommen?
Vielleicht lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Denn nicht überall triumphiert der Tod über das Leben. Vor einigen Tagen habe ich die Nachricht gelesen, dass eine über 100jährige an Covid-19 erkrankte Frau wieder genesen ist. Aber auch über die Krankheit hinaus gibt es viele Zeichen der Hoffnung: neue Formen von Solidarität und Menschlichkeit, fremde Menschen, die auf der Straße – natürlich unter Wahrung des Abstandes – einander grüßen oder ein Lächeln schenken.
Ja, es mag oft ein trotziger Osterjubel sein, der sich trotz aller widrigen Umstände Bahn bricht. Aber er lässt sich nicht verdrängen. Das Leben lebt – und es will weiter leben. Halleluja!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 2. Ostersonntag
ImpulsStreck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (Joh 20,27)
Jesus lädt Thomas ein, seine Wunden zu berühren. Er lädt den ein, der an das Unglaubliche nicht glauben kann, weil es jeder menschlichen Erfahrung widerspricht, ihn zu berühren. Jesus lässt sich berühren.
In Coronazeiten bekommt dieses Evangelium der Begegnung des Auferstandenen mit dem Apostel Thomas eine ganz neue Sinnspitze. Undenkbar, dass in diesen Tagen jemand einen Mitmenschen dazu einlädt, ihn zu berühren. In Zeiten des Social Distancing ist körperliche Berührung gefährlich geworden, weil sie den Mindestabstand nicht einhält und die Gefahr einer Infektion vergrößert. „Distanz ist die neue Form von Zuneigung“, so hat es unsere Bundeskanzlerin am Beginn der Pandemie formuliert. Und sie hat zweifelsohne recht. Menschen, die mir etwas bedeuten und die ich schützen will, zu denen sollte ich in diesen Tagen auf Abstand gehen – so paradox das auch klingt und so schmerzhaft das sein mag. Zum Glück gibt es noch andere Wege der Berührung.
So spricht die Einladung Jesu an Thomas, seine Wunden zu berühren, vielleicht eine zutiefst menschliche Sehnsucht in uns an: die Sehnsucht nach Berührung, die Sehnsucht, umarmt zu werden und einem lieben Menschen auch körperlich nahe zu sein. Und vielleicht tröstet es uns, dass im Fortgang des Evangeliums von einer Berührung Jesu durch Thomas nicht die Rede ist, dass Thomas sein Glaubensbekenntnis – „Mein Herr und mein Gott“ – spricht, auch ohne Jesus körperlich zu berühren.
Es ist das Wesen menschlicher Sehnsucht, dass sie hier auf Erden unerfüllt bleibt. Und wenn sie – ansatzweise – Erfüllung findet, dann oft nur, um wieder neu, größer, anders aufzubrechen. Der Mensch ist das Wesen der Sehnsucht. „Alles beginnt mit der Sehnsucht“, schreibt die Dichterin Nelly Sachs. Vielleicht kann uns gerade das Unerfüllbare menschlicher Sehnsucht dazu antreiben, kreativ zu werden, Wege zu finden, die Distanz zwischen uns zu überwinden, Menschen nahe zu sein, auch wenn körperliche Nähe gerade nicht geboten ist. So ist das Evangelium gerade in unsere Zeit hinein geschrieben, für uns Jüngerinnen und Jünger „zweiter Hand“, die Jesus nicht mehr physisch berühren können, aber dennoch in seine Nähe eingeladen sind, damit auch wir einmal mit Thomas sagen können: „Mein Herr und mein Gott!“
P. Maurus Runge OSB
Ostergruß von Abt Aloysius
ImpulsLiebe Freundinnen und Freunde,
liebe Wohltäterinnen und Wohltäter unserer Gemeinschaft!
Ich rufe Ihnen ein frohes Der Herr ist auferstanden entgegen.
Ja, der Herr ist Sieger über Tod und Sünde. Er, der Auferstandene, befähigt uns zum Leben: Ich lebe und auch ihr sollt leben.
Kann es eine schönere Ermutigung und frohmachende Zuversicht geben?
Das Licht der Osterkerze erhellt die Dunkelheit der Nacht und auch das Dunkel der aktuellen Corona-Krise.
In diesen Tagen dürfen wir die Strahlen der Sonne genießen, das Aufblühen der Natur bewundern und nicht zuletzt viel Gutes erfahren.
Unsere Gemeinschaft dankt Ihnen für die positiven Rückmeldungen auf die Übertragungen der Gebetszeiten und Gottesdienste, ihre Zeichen der Solidarität durch finanzielle Unterstützung und freundschaftliche Verbundenheit.
All das schenkt Hoffnung und ermutigt, zuversichtlich nach vorne zu schauen.
Ein Wort von Alfons Gerhardt hat sich in diesen Tagen fest in mir eingeprägt: MITTEN IM KREUZ IST LEBEN!
Trotz Einschränkungen unterschiedlichster Art haben wir Grund zum Osterjubel. Die Frauen am leeren Grab sollten nicht mehr trauern und weinen, nein, der Engel hat sie gesandt: Geht, der Gekreuzigte lebt. Verkündet die Botschaft des Lebens!
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich an ihren Lebensorten des Lebens neu vergewissern und die Nähe des Auferstandenen spüren.
Unsere Gemeinschaft gedenkt Ihrer in der Feier der österlichen Liturgie und nimmt alle Ihre Anliegen mit hinein in unser Gebet.
Ostern – Auferstehung – vom Tod zum Leben!
Gott will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit!
Frohe Ostergrüße
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Karsamstag
ImpulsEs folgten aber die Frauen nach, die mit ihm gekommen waren aus Galiläa, und sahen das Grab und wie sein Leib hineingelegt wurde. Sie kehrten aber um und bereiteten wohlriechende Öle und Salben. Und den Sabbat über ruhten sie nach dem Gesetz. (Lk 23,55.56)
Der Karsamstag ist ein stiller Tag, ohne liturgische Feier. So steht es in den liturgischen Hinweisen für die Kartage. Ich selbst habe die Stille dieses Tages immer sehr intensiv, aber auch als sehr bedrückend empfunden. Voller Gespanntheit und Vorfreude wartete ich auf die Nacht zum Ostersonntag, wenn das Glockengeläut zum Gloria diese Karsamstagsstille endlich durchbrach und das Evangelium von Jesu Auferstehung am Ostermorgen wie die ersten zarten Lichtstrahlen des Sonnenaufgangs nach einer langen und dunklen, einsam durchwachten Nacht die Seele erhellten.
In diesem Jahr ist alles anders. Denn ich habe das Gefühl, dass der Karsamstag in diesem Jahr unendlich viel länger dauert. Ich sehe die Bilder der Särge in den italienischen Kirchen, die Bilder der leeren Städte, Plätze und Kirchen. Karsamstagsstille… und das schon seit Wochen. Und ein Ende ist noch nicht absehbar. Wie mag es wohl den Frauen aus Galiläa damals gegangen sein? Das Bereiten der Salben und Öle für die Salbung des Leichnams ist ein letzter Dienst am Verstorbenen. Ausdruck eines liebevollen Abschiednehmens und Zeichen der unverlierbaren Würde des Menschen, selbst wenn er wie ein Verbrecher am Kreuz hingerichtet wurde. Und wieder kommen mir die Bilder aus Italien in den Sinn… Die Militärfahrzeuge, die die Särge der Corona-Toten nachts zu den Krematorien fahren. Für viele Menschen ist ein liebevoller Abschied ihrer verstorbenen Eltern, Großeltern oder Kinder gar nicht mehr möglich gewesen. Ich erlebe diese ganze Zeit der Corona-Pandemie als einen einzigen Karsamstag. Aber mit der Angespanntheit und auch der Hoffnung, dass irgendwann alle Kirchenglocken diese Karsamstagsstille durchbrechen, die Menschen sich irgendwann wieder in die Arme nehmen können und das Evangelium von der Auferstehung der Toten hineingesungen wird in die Ängstlichkeit dieser Tage. Und dass, wie es gerade in dieser Zeit des Frühlings spürbar wird, die österliche Sonne der Hoffnung das Dunkel einer langen, durchwachten Nacht vertreibt.
Br. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Karfreitag
ImpulsInkarnation
Zusammengedrückt
zwischen
dem Sand
der Stundenuhr,
eingeklemmt
in die pausenlos
rollenden Räder
des Großen Wagens,
festgekrustet
im Salz,
das zurückblieb
vom Tränenstrom
weinender Mütter,
das Wort.
Als es handgreiflich wurde,
tropfte es
als Blut zur Erde.
Br. Andreas Hentschel OSB
Impuls am Gründonnerstag
ImpulsDiesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest für den Herrn! (Ex 12,14)
Tut dies zu meinem Gedächtnis! (1 Kor 11,24)
Diese beiden Verse aus den heutigen Tageslesungen machen deutlich, worum es an diesem Gründonnerstag geht: um Erinnerung.
Die Israeliten feiern Jahr für Jahr das Paschafest, um sich an eines der wichtigsten Ereignisse ihrer Geschichte mit Gott zu erinnern: an die Befreiung ihrer Vorfahren aus der Sklaverei Ägyptens. Die verschiedenen Riten und Bräuche wollen Geschichte gegenwärtig setzen, um aus der Vergangenheit Kraft für die Zukunft zu schöpfen. Durch Erinnerung hole ich in mein Inneres, was Gott für mich getan hat.
Auch die ersten Christen feiern den Ritus des Brotbrechens als Erinnerung an die Befreiungstat Jesu, die in seinem Leiden und seiner Auferstehung offenbar wurde. Das gilt bis heute. Immer wenn wir Eucharistie feiern, tun wir das im Gedächtnis an das, was Jesus für uns getan hat, im Gedächtnis an sein Leiden. Das Abschiedsmahl Jesu am Abend vor seinem Tod, das im Zentrum der heutigen Gründonnerstagsliturgie steht, macht diese Dimension deutlich. „Das ist heute“ – so wird es im Eucharistischen Hochgebet an diesem Tag eingefügt. Durch Erinnerung wird die Vergangenheit in uns lebendig.
In der Nähe unseres Klosters gibt es einen großen Soldatenfriedhof. Wenn man von der Autobahn aus Bestwig kommt, sieht man ihn von der Abfahrt. In der zum Friedhof zugehörigen Kapelle gibt es das sog. „Fenster der Erinnerung“, das unser P. Abraham in der Abteischmiede entworfen hat. In dieses offene Fenster sind auf verschiedenen Tafeln die Namen aller Kriegsgefallenen notiert, die in unserer Region im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind und die ermittelt werden konnten. Sie bekommen durch dieses Fenster einen Namen. Aber auch die unbekannten Menschen, die im Krieg gefallen sind, werden erinnert, sind nicht vergessen.
Ganz in der Nähe des heutigen Friedhofs ist in der Endphase des Zweiten Weltkriegs ein schreckliches Verbrechen geschehen. In der Nacht vom 22. auf den 23. März 1945 sind dort 80 russische und polnische Zwangsarbeiter erschossen worden – an zwei anderen Orten im Arnsberger Wald noch mehr. Lange hatten diese Opfer des Krieges keinen Namen, drohten in Vergessenheit zu geraten. Bis 1981 lagerte ein Sühnekreuz zum Gedenken an diese Verbrechen in einer Garage. Erst danach hat es in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt im Norden Meschedes einen Platz erhalten. Durch die akribische Arbeit einzelner Menschen unserer Region konnte dieser Teil der Geschichte inzwischen gut aufgearbeitet werden. Noch gibt es an besagtem Ort des Kriegsverbrechens kein sichtbares Zeichen der Erinnerung. Meine Hoffnung ist, dass dort einmal etwas entstehen wird – damit durch die Erinnerung Vergangenheit lebendig wird und Schritte in eine bessere Zukunft möglich werden. Denn nur wer sich erinnert, kann eine Zukunft haben!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Karmittwoch
ImpulsBin ich es etwa, Herr?
Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwölf Jüngern zu Tisch. Und während sie aßen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern. Da waren sie sehr betroffen, und einer nach dem andern fragte ihn: Bin ich es etwa, Herr? (Mt 26,20-22)
„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“, so hieß es in einem Lied aus dem Jahre 1930, aus der Tonfilm-Operette „Die Drei von der Tankstelle“. Und ich kann das ohne weiteres auch so unterstreichen, denn mit einem Freund an der Seite ist das Glück doppelt so groß und die Abgründe des Lebens nur halb so tief. Einen Freund zu verraten gehört deshalb zu den schmerzlichsten Wunden, die Menschen einander zufügen können. Trotzdem kommt es in unserer Welt immer wieder dazu. Zum einen aus Angst, aus Neid, aus Wut, aus Enttäuschung, oder eben auch aus Liebe.
Wie oft ist schon über die Person des Judas gerätselt worden; immer wieder hat man nach seinen Motiven gefragt. Wie konnte er Jesus nur verraten? War er tatsächlich ein böser, hinterhältiger, geldgieriger Mensch? Oder war er nicht eher von der Liebe Jesu durch und durch ergriffen. Ganz besessen von der neu beginnenden Gottesherrschaft und enttäuscht, als alles viel zu langsam ging und sogar zu scheitern drohte?
Als die Jünger mit Jesus beim Mahl saßen verkündete Jesus, dass einer von ihnen ihn verraten und ausliefern wird – und sie alle reagierten nicht nur sehr betroffen, sondern fragten: „Bin ich es etwa?“
Ja, könnte es tatsächlich sein, dass ich es bin, Herr?
Im Leben ist es immer wieder so, dass wir gerade die Menschen verraten und verletzen, die unsere Freunde sind. Andere können wir gar nicht so sehr verletzen wie unsere Freunde, denn wer einen guten, einen wahren Freund hat, wer sich auf das Abenteuer der Freundschaft einlässt, der macht sich einfach verwundbar. Freundschaft ist eben eine Leidenschaft, die immer wieder auch Leiden schafft. Aber trotz allem, was da Judas tut, bleibt er in Jesu Augen sein Freund. Und vielleicht hat Jesu liebender Blick Judas deutlich gemacht, dass er ihm schon längst verziehen hat, wo andere Judas noch verurteilen.
Aber haben wir überhaupt ein Recht, über Judas den Stab zu brechen?
Haben wir das Recht ihn zu verurteilen?
Ich meine nicht, denn bevor wir das tun, sollten wir erst sehr aufmerksam auf unsere eigenen Gedanken, Worte und Werke achten. Denn nicht ein Fremder hat Jesus verraten, sondern ein Freund, ein guter Freund. Daher müssen auch wir uns in diesen Tagen fragen: Bin ich es etwa, Herr? Bin ich es, der dich verrät?
Ich wünsche uns einen nachdenklichen Tag!
Text und Bild: P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Kardienstag
ImpulsEs war aber Nacht…
Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, ging er sofort hinaus. Es war aber Nacht. (Joh 13,30)
Er konnte sie nicht vergessen, diese erste Nacht im Lager Auschwitz, die sein Leben zu einer einzigen langen Nacht gemacht hat. So beschreibt es der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel († 2016) auf erschütternde Weise in seinem autobiografischen Werk „Die Nacht“. Und er stellt darin die Frage, wie es sein konnte, dass intelligente, gut ausgebildete junge Männer aus gutem Hause sich so sehr vom Bösen verführen lassen konnten, dass der Tod jüdischer Männer, Frauen und Kinder sie einfach kalt gelassen hat.
Und diese Frage stellt sich für mich auch im Blick auf Judas, der seinen Freund Jesus verrät und dem Tod ausliefert. Als Judas den Kreis der Jünger verließ, war es Nacht. Und dies ist nicht nur als Zeitangabe zu verstehen, sondern steht für den Schrecken, das Böse, die Dunkelheit, die sich auch im Kreis der Jünger breitgemacht hat. Denn letztlich verraten auch die anderen Jünger Jesus und lassen ihn am Ende wenig von ihrer Freundschaft zu ihm spüren.
Leider liegen Begeisterung und Enttäuschung, Treue und Verrat oft so nahe beieinander. Immer wieder erleben wir das sehr schmerzlich auch in unserem eigenen Leben, in unseren Beziehungen und unseren Freundschaften. Auch da wird es immer wieder Nacht.
In diesem heutigen Evangelium ist aber nicht nur von der Nacht die Rede, sondern wir hören da auch vom „Bissen Brot“, den Jesus reicht.
Nach damaligem Brauch nahm der Hausherr beim Essen mit einem Gast ein Stück Brot, tauchte es in verschiedene Soßen und reichte es dem Gast, der dann als Erster zu essen begann. Diese Geste war nicht nur ein Willkommensgruß, sondern auch ein Zeichen von Gemeinschaft. Und wenn Jesus Judas einen Bissen Brot reicht, dann ist das ein Zeichen seiner Liebe zu demjenigen, der ihm innerlich schon die Gemeinschaft aufgekündigt hat.
Dieser Bissen Brot hat die Kraft und besiegt unsere Nacht, wenn wir es zulassen. Ganz so, wie es in einem Lied heißt:
Dieses kleine Stück Brot in unsren Händen reicht aus für alle Menschen.
Dieser kleine Schluck Wein in unsren Bechern gibt Kraft für alle Menschen.
Jede Hoffnung, die lebt in unsren Herzen, ist Hoffnung für alle Menschen.
Du verwandelst das Brot in Jesu Leib.
Du verwandelst den Wein in Jesu Blut.
Du verwandelst den Tod in Auferstehn.
Verwandle du auch uns!
Ja, lassen wir uns in dieser Karwoche hineinnehmen in die Nacht Jesu und verwandeln, sodass wir mit ihm in der OsterNACHT auferstehn!
Ich wünsche uns eine tiefbewegende Woche!
Text und Bild: P. Cornelius Wanner OSB
Impuls am Karmontag
ImpulsDa nahm Maria ein Pfund echtes kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. (Joh 12,3)
Jesus ist in Bethanien bei seinen Freunden Lazarus, Martha und Maria zu Gast. Sie halten gemeinsam ein Mahl. Maria nimmt wertvolles Öl und salbt Jesus die Füße. Mit ihrem Haar trocknet sie die Füße ab. Ein Abwischen der Füße mit den Haaren macht bei einer Salbung keinen Sinn. Somit dürfen wir das Abwischen mit den Haaren symbolisch deuten. Die Haare Marias nehmen den Duft des Öls auf. Es entsteht eine Gemeinschaft des Duftes, des Wohlgeruchs zwischen Maria und Jesus. Am Beginn der Karwoche wird uns im heutigen Evangelium Maria als Vorbild der Hingabe vorgestellt. Wir sind eingeladen, es ihr in dieser Woche gleichzutun. In liebender Hingabe dürfen wir mit Jesus durch Leid und Leere zur Auferstehung gehen. Der Wohlgeruch erinnert uns an ein unzerstörbares Leben. Auch wir dürfen den Duft Jesu aufnehmen. Den Duft seiner Hingabe an uns, den Duft seiner Lebenspassion und den Duft der Auferstehung.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Palmsonntag
ImpulsDer Palmsonntag ist sozusagen das Tor zur Karwoche. Und was für ein Eingang wird uns in der Liturgie bereitet! Da hat wie in einer Vorschau all das seinen Platz, was im Lauf der Karwoche ausbuchstabiert wird. Ganz unterschiedliche Emotionen und Gefühle finden hier Raum.
Da ist zunächst der Einzug Jesu nach Jerusalem, der in den Kirchen szenisch nachgestellt wird – mancherorts sogar mit Esel. Auch wenn die Palmprozession in diesem Jahr wie die gesamte öffentliche Liturgie wegen der Coronakrise entfällt, so sind wir doch eingeladen, für uns „den Schauplatz zu bereiten“, uns in die biblische Szene, wie sie im Evangelium beschrieben wird, hineinzuversetzen. Es ist eine Szene der Freude und des Jubels. Jesus zieht als messianischer Friedenskönig auf einem Esel in die Stadt ein – nicht als martialischer Kriegsheld auf einem Schlachtross. Die Menschen breiten ihre Kleider auf den Straßen aus – ein ganz besonderer „roter Teppich“ – und singen Freudenlieder: „Hosianna dem Sohn Davids!“
Doch die Stimmung wandelt sich – in der Karwoche und auch schon in der Liturgie des Palmsonntags. Die Passion wird vorgelesen – ohne einleitende und abschließende Worte, ohne Predigt, schlicht und einfach die „Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christus“, in diesem Jahr in der Version, wie sie uns Matthäus überliefert. Die Worte der Passion – sie reichen völlig aus. Da braucht es keine Predigt mehr, eigentlich auch keinen Impuls. Im Hören der Passionsgeschichte Jesu hören wir vielleicht auch die vielen Passionsgeschichten der heutigen Welt, nicht zuletzt unsere eigene Passionsgeschichte.
Wenn ich in diesem Jahr die Passion höre, verbinde ich mit den vielen Menschen, die am Coronavirus erkrankt sind und die schon daran gestorben sind.
Ich verbinde mich mit den vielen Menschen, die helfen, den stillen Helden in den Krankenhäusern, Pflegeheimen und in all den anderen „systemrelevanten“ Berufen. Aber welcher Mensch ist eigentlich nicht systemrelevant? Wir alle sind doch wichtig fürs System, keiner darf verlorengehen.
Ich verbinde mich aber auch mit den vielen anderen leidenden Menschen, die über die Coronakrise schnell in Vergessenheit zu geraten drohen, besonders mit den Menschen an den Außengrenzen Europas.
Ich verbinde mich mit den vielen Menschen, die einsam sind, die sich nach menschlichem Kontakt und nach Berührung sehnen, die sich danach sehnen, dass jemand sie in den Arm nimmt.
In all diesen menschlichen Passionsgeschichten kommt mir Jesus entgegen, macht er sich bemerkbar.
Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne eine berührende Heilige Woche!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 5. Fastensonntag
ImpulsIch versetze euch wieder auf euren Ackerboden. (Ez 37,14)
Ein wirklich seltsamer Satz aus einem noch seltsameren Text! Es empfiehlt sich ihn ganz zu lesen: Er steht in der Auferweckungsvision des alttestamentlichen Propheten Ezechiel. Der Seher hat Knochen vor sich. Und beschreibt schrittweise, wie sie wieder das bilden, was sie mal waren: Körper! Er lässt den Wind ihnen Atem geben – bring sie zurück ins Leben. Das, was da geschieht, ist Auferstehung der Toten. Wir sprechen im Glaubensbekenntnis „Und ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Ist das gemeint? Wir werden irgendwie unsanft wieder zusammen gekleistert und dann auch noch auf den Ackerboden gesetzt? Ackerboden, das steht doch für Arbeit. Die Hacke vor mir. Da die Schaufel. Und zurück in die brutale Welt des Alltags geworfen werden, wird hier als Auferstehung geschildert. Irgendwie – bei allem gebotenen Respekt – keine Verheißung, bei der ich vor Freude aufjubeln würde: Nichts von himmlischen Chören hier, die die Auferweckten erwarten. Nichts von einem Festmahl, das kein Ende findet. Zwar kommen die Auferweckten in das gelobte Land Israel. Aber es wird „Ackerboden“ genannt!
Ezechiel spricht in die Zeit der babylonischen Gefangenschaft hinein zur Gemeinde der Exilierten. Damals war es eine frohe Botschaft, die sagen wollte: „Wir sind nicht ewig fern der Heimat“.
Ein genauerer Blick auf das Wort Ackerboden: Im Hebräischen steht adamat. Man hört hier schon den Namen des ersten Menschen aus der Genesis. Aber dieser Name heißt nichts anderes als Mensch. Ackerboden, das woraus er gemacht wurde, ist das, wo man wirklich Mensch sein kann. Keine Lebensferne, sondern ganz Boden-ständig im wortwörtlichen Sinn. Auferstehung – wie wir auch im heutigen Evangelium hören – wird uns nicht der Realität entreißen, vielmehr werden wir auf eine tiefere Weise mit ihr verbunden. Es ist nicht die himmlische Auferstehung, die Maria erwartet (Joh 11,24), sondern das echte Leben, das an des Hier und Jetzt gebunden ist.
Und das bedeutet im Umkehrschluss auch: Wir werden nicht unserer Verantwortung entrissen. Kein frommes, verklärtes und abwesendes Jubilieren, kein verzücktes das Haupt Neigen, das sich in unsere Kirchen zu oft eingeschlichen hat, kein bloßes Emporschauen (vgl. Apg 1,11a) gibt es in der Erlösung, sondern nur blanke, entblößte Realität, wo wir uns in allem wieder erkennen, weil wir eben nichts anderes sind – darum dieses Wortspiel. Die Midrasch im Talmud (bT Sanhedrin 98a) bringt es gut auf den Punkt: Der Messias, der Erlösung bringt, sitzt vor den Toren Roms und verbindet die Wunden der Menschen – ein Gleicher unter Gleichen – ganz angekommen in der Realität. Er ist sich seiner Verantwortung bewusst und tut, was verantwortlich und geboten ist. Ist es nicht auch ein Anspruch an uns, „heute, wenn ihr seine Stimme hört“(Ps 95,7)?
Text aus dem Traktat Sanhedrin 98a des babylonischen Talmud:
„Rabbi Jehošua ben Levi traf einst Elijahu am Eingange der Höhle des Rabbi Šim’on ben Jochaj stehen; da sprach er zu ihm: Werde ich in die zukünftige Welt kommen? Dieser erwiderte: Wenn es diesem Herrn gefällig sein wird. […] Hierauf fragte er ihn weiter: Wann wird der Messias kommen? Dieser erwiderte: Geh, frag ihn selbst. – Wo befindet er sich? – Am Tore von Rom – Woran erkennt man ihn? – Er sitzt zwischen den mit Krankheiten behafteten Armen; alle übrigen binden ihre Wunden mit einem Male auf und verbinden sie wieder, er aber bindet sie einzeln auf und verbindet sie, denn er denkt: vielleicht werde ich verlangt, so soll keine Verzögerung entstehen. Hierauf ging er zu ihm hin und spricht zu ihm: Friede mit dir, Herr und Meister! Dieser erwiderte: Friede mit dir, Sohn Levis! Er fragte: Wann kommt der Meister? Dieser erwiderte: Heute. Darauf kehrte er zu Elijahu zurück, der ihn fragte: Was sagte er dir? Er erwiderte Friede mit dir, Sohn Levis! Da sprach dieser: Er hat dir und deinem Vater die zukünftige Welt verheißen. Jener entgegnete: Er hat mich belogen, denn er sagte mir, er werde heute kommen, und er kam nicht. Dieser erwiderte: Er hat es wie folgt gemeint: wenn ihr heute auf seine Stimme hören werdet.(Ps 95,7)“
Br. Symeon Müller OSB
Impuls zum Vierten Fastensonntag
ImpulsDas heutige Sonntagsevangelium (Joh 9,1-41) erzählt von einem Kind, das von Geburt an blind ist und von Jesus geheilt wird.
Vielleicht sagen wir schnell: „Ich brauche zwar eine Brille – aber blind bin ich Gott sei Dank nicht! Was hat das also mit mir zu tun?“ Erinnern wir uns, wie es zur Auswahl dieser Evangelien an den Sonntagen der Fastenzeit kam. In ihnen wurden die Taufbewerber, die in der Osternacht getauft wurden, in den Glauben eingeführt. Und ein Aspekt des Glaubens war: „Ich kann wieder neu sehen, werde von meiner „Blindheit“ geheilt!“ Deshalb findet sich bis heute in der Taufliturgie der Effata-Ritus – die Öffnung der Sinne. Mein Glaube und Christ-sein will, das wird hier sehr deutlich, zu einem sinn-vollen Leben führen.
Aber noch einmal zurück. Wieso muss ich denn neu sehen lernen, von welcher Blindheit soll ich denn geheilt werden? Seien wir ehrlich. Mein Sehen, meine Wahrnehmung der Wirklichkeit, ist sehr selektiv, sehr von meinen Erwartungen abhängig. Es gibt Tage, da sehe ich alles wie durch eine Sonnenbrille: dunkel, hoffnungslos, depressiv, … Und an anderen Tagen habe ich scheinbar meine rosarote Brille auf: alles wirkt auf mich freundlich, Mut machend, …
Die Wirklichkeit bleibt dieselbe, aber es macht einen großen Unterschied, wie ich auf sie blicke. Und das ist manchmal wie neu Sehen lernen.
Die Dichterin Hilde Domin hat es für mich in einem kurzen Gedicht auf den Punkt gebracht:
Es knospt
Unter den Blättern
Das nennen sie Herbst
Sehe ich im Herbst nur das langsame Sterben der Natur – verwelkte, abgefallene Blätter? Oder sehe ich schon die kleinen Wunder des neuen Lebens?
Auch in den Tagen der Corona-Krise ist dies für mich eine entscheidende Frage. Kann ich in und neben all dem Schrecklichen, was mir zu Recht auch Angst macht, auch die kleinen Hoffnungszeichen, die kleinen Zeichen des Lebens, und damit Gottes sehen? Im Lächeln meines Mitmenschen, in der Hilfsbereitschaft, die mir entgegen kommt? Aber auch in den Sonnenstrahlen, der Natur, die im Frühling erwacht?…
Der Glaube will meine Augen auch für diese Hoffnungszeichen öffnen und offen halten.
P. Jonas Wiemann OSB
Hochfest des hl. Josef
ImpulsJosef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. (Mt 1,19)
Das wäre Marias Ende gewesen – und mit diesem auch das Ende der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Hätte Josef einen Skandal um die mysteriöse Schwangerschaft seiner jungen Verlobten gemacht, dann hätte ihr wohl der Tod durch Steinigung gedroht. Und die Geschichte der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus wäre zu Ende, noch ehe sie richtig angefangen hätte. Zum Glück war Josef nicht so. Zum Glück war er nicht einer jener Selbstgerechten, die nur auf den Fehltritt eines anderen Menschen warten, um ihn gnadenlos ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Etwas, was nicht nur damals passiert ist, sondern im beschleunigten Medienzeitalter bis heute immer wieder.
Zum Glück war Josef ein echter „Zaddik“, ein wirklicher Gerechter. Zum Glück war er nicht auf einen Skandal aus, sondern wollte die Geschichte ohne viel Aufhebens aus der Welt schaffen, indem er einfach alle Verbindungen löst.
Doch die Geschichte geht noch weiter: zum Glück war Josef ein Träumer wie sein großer alttestamentlicher Namensvetter. Zum Glück war er einer, der sich an seine Träume erinnerte und darin einen Anruf Gottes sah. Zum Glück erkannte er in seinen Träumen die Stimme Gottes.
So konnte die Geschichte Gottes mit den Menschen weitergeschrieben werden. Das lohnt die Unterbrechung der Fastenzeit, um dieses stillen Mannes zu gedenken. Das lohnt seine Erwähnung in jeder Eucharistiefeier.
Das heutige Hochfest sagt mir: Die Geschichte Gottes mit den Menschen geht weiter. Auch wenn alles dagegen spricht. Auch wenn wir meinen, das Ende sei nah. Auch wenn heute oft der Skandal mehr Aufmerksamkeit zu bekommen scheint als das stille Mitgehen. Auch wenn Leid und Krankheit zu überwiegen scheinen. Ist das nicht eine Botschaft der Hoffnung – gerade heute?
P. Maurus Runge OSB
Dritter Fastensonntag
ImpulsAn den kommenden drei Fastensonntagen im Lesejahr A hören wir drei längere Episoden aus dem Johannesevangelium: die Begegnung Jesu mit der Samariterin, die Heilung des Blindgeborenen und die Auferweckung des Lazarus, die uns alle auf ihre je eigene Weise auf das Osterfest vorbereiten sollen. Gerade das heutige Evangelium, die Begegnung Jesu mit der Frau aus Samarien (Joh 4,5-42), gehört für mich zu den ergreifendsten biblischen Erzählungen.
Jesus kommt auf seinem Weg nach Jerusalem an einen Ort namens Sychar in Samarien – für einen frommen Juden der damaligen Zeit ist das quasi Feindesland. Juden und Samariter sind tief verfeindet, ein Konflikt, der religiöse Wurzeln hat und sich u.a. um den rechten Ort der Gottesverehrung dreht. Dort macht Jesus in der Mittagshitze an einem Brunnen Halt und trifft auf eine Frau, eine samaritische Frau, die am Brunnen Wasser schöpfen will. Erschöpft von der Reise spricht er die Frau an und bittet sie, ihm etwas zu trinken zu geben. Ein Tabubruch – „die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.“
Und nun entwickelt sich zwischen den beiden ein wunderbarer Dialog, der Schritt für Schritt in ein immer tieferes Erkennen des Anderen mündet. Von äußeren und inneren Quellen geht es zur Lebenssituation der Frau und schließlich zur Frage, wo und wie Gott anzubeten sei: „Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Als die Jünger Jesu zurückkehren, eilt die Frau in ihr Heimatdorf zurück und wird zur Missionarin, die anderen von dem erzählt, was sie erlebt hat.
Die Sinnspitze dieser Erzählung ist für mich, dass es nicht die (männlichen) Jünger Jesu sind, die tagein, tagaus mit ihm zusammen sind, die ihn verstehen, sondern die fremde Frau. Zwar nicht auf Anhieb, aber Schritt für Schritt. Sie lässt sich auf Jesus ein, lässt sich von ihm berühren und kann so andere berühren. Am Ende führt sie die Menschen ihres Dorfes zu Jesus, wird zur Verkünderin seiner Botschaft.
Am Ende des Evangeliums steht ein Bekenntnis: „Er ist wirklich der Retter der Welt.“ Es kommt aus dem Munde der Samariter. Die Botschaft Jesu wird ausgeweitet von den Juden („Das Heil kommt von den Juden“) auf alle Menschen guten Willens.
Das Evangelium lädt mich ein, mich auf den Fremden einzulassen, vielleicht auch auf das Fremde in mir. Dann kann Begegnung geschehen. Auch in der Mittagshitze an Orten, wo ich es zunächst nicht erwarten würde. Dann kann die innere, oft verschüttete Quelle in mir wieder zu sprudeln beginnen.
Gestatten Sie mir eine Schlussbemerkung aus aktuellem Anlass: Begegnung geschieht an Orten, an denen ich es zunächst nicht erwarten würde. Ich habe das in den letzten Tagen ganz konkret erlebt. In Zeiten, wo Begegnung und Berührung physisch nicht ratsam ist, wo die Einschränkung von Sozialkontakten überlebenswichtig wird, ja wo selbst unsere Kirchen geschlossen sind und Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefeiert werden, da geschieht dennoch Begegnung. Die Sozialen Medien machen ihrem Namen alle Ehre – wenn man auf Spurensuche geht und sich auf diese auch reale Form der Begegnung einlässt. Denn auch hier handeln und agieren Menschen. Und es gibt nicht nur die Falschmeldungen, die Hetze und Panikmache. Nein, in den letzten Tagen erlebe ich eine große Solidarität. Menschen, die anbieten, für andere den Einkauf zu erledigen. Der Pianist Igor Levit, der jeden Abend auf Twitter öffentlich zugängliche Hauskonzerte gibt. Die Berliner Philharmoniker, die einen kostenlosen Zugang zu ihrem Onlineangebot an Konzerten anbieten. Es gibt sicher viele andere Beispiele. Gerade die Musik berührt viele Menschen. An den berührenden Kommentaren aus aller Welt wird das deutlich. Menschlichkeit kann sich durchsetzen – auch und gerade in diesen Zeiten. Die Quelle wird weitersprudeln.
Möge Gott Sie in dieser Woche segnen und Ihr Herz berühren! Bleiben Sie gesund!
P. Maurus Runge OSB
Zweiter Fastensonntag
ImpulsUnd Petrus antwortete und sagte: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn Du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. (Mt 17,4)
Dieser Impuls von Petrus ist für mich zutiefst nachvollziehbar. Diese fast traumhaft anmutende Erfahrung festhalten zu wollen, der Erscheinung Dauer zu verleihen und darin zu verweilen ist ein menschlicher Zug, wie wir ihn bei Petrus immer wieder finden und der ihn für mich exemplarisch für den Menschen an sich macht. Auch ich erlebe mich immer wieder in der Versuchung, festhalten zu wollen, stehenzubleiben, das auf mich Gekommene zu verteidigen, als sei es ein Besitz von mir. Wir Menschen stehen alle in der Spannung von Halten-Wollen und Loslassen-Müssen. Denn es ist immer Vorübergang.
Wenn Abraham nicht bereit gewesen wäre, seine Heimat zu verlassen, er wäre nicht zum Segen für die Völker geworden. Wenn Mose nicht dem Ruf Gottes am Dornbusch gefolgt wäre, sein versklavtes Volk aus Ägypten herauszuführen, sie wären der Freiheit nicht mächtig geworden. Elija aus Tischbe gehörte zu den Israeliten ohne Grundbesitz und war von daher ungebunden, aber auch er muss nach seiner Machtprobe am Berg Karmel nach Beerscheba flüchten und kann den scheinbaren Erfolg nicht halten. Wäre Elija unter dem Ginsterstrauch sitzen geblieben und gestorben, er hätte die Gottesschau am Horeb nicht erlebt. Wäre Jesus nicht vom Berg der Verklärung herabgestiegen und zum Berg Golgotha hinaufgestiegen, so wäre unsere Erlösung durch Jesu Leiden, Tod und Auferstehung nicht geschehen.
So bleibt es auch in unserem Leben, Ankommen und Weitergehen. Denn es ist auf Erden immer Vorübergang. Das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können, ist hier bei uns die Erinnerung.
Dreimal erfolgt in den Evangelien das Bekenntnis Gottes zu seinem geliebten Sohn. Zu Beginn in der Taufe Jesu, Heute bei der Verklärung Jesu, und dann bei Markus ganz am Ende durch den Soldaten, der bei der Kreuzigung spricht: „Dieser ist Gottes Sohn.“ Gott bezeugt Jesus immer wieder und durch sein gesamtes Wirken auf Erden hindurch bis zum Tod, also bis zum tiefsten Scheitern, als seinen geliebten Sohn.
Diese Zusage Gottes gilt auch uns. Auch wir sind geliebte Söhne und Töchter Gottes – beginnend in der Taufe und vollendet im Tod.
Das ist bei allem Loslassen-Müssen, bei allen Veränderungen auf unseren Wegen, wie beschwerlich sie auch sein mögen, das Bleibende. Wir sind und bleiben Gottes geliebte Kinder. Er geht unseren Weg mit. Er geht diesen Weg auch im Scheitern mit. Mose erreicht das Gelobte Land nicht zu seinen Lebzeiten, und Elija versteht seinen Gott nicht und möchte sterben. Und Jesu Botschaft der bedingungslosen Liebe scheitert zunächst am Kreuz.
Das heutige Evangelium ist Vorschau auf Ostern. Schon heute wird Jesus verwandelt, schon heute verbindet er durch die Gestalten von Mose und Elija Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander. Schon heute feiern wir die Auferstehung Jesu, und somit ist die Ewigkeit schon jetzt angebrochen. Das Reich Gottes, so unscheinbar es auch daherkommt, ist bereits angebrochen. Es befähigt uns, heute Kranke zu heilen, Gefangene zu befreien und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen. Die Kraft der Auferstehung, an der wir teilhaben, gibt uns die Kraft für das Leben heute.
Und er wurde vor ihnen verwandelt, sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. (Mt 17,2)
Gott strahlt in Jesus auf. Theophanie, Gotteserscheinung. Flüchtig und dennoch endgültig. Und wir dürfen Anteil daran haben, indem wir durch uns das Licht Gottes in diese Welt tragen. Transparent werden für das Licht Gottes. Wie der Mensch Mose die Theophanie am brennenden Dornbusch erlebt, wie der Mensch Elija die Theophanie an der Höhle am Berg Tabor erlebt. Aber bei Jesus kommt noch Entscheidendes hinzu. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sage: Steht auf und fürchtet euch nicht. (Mt 17,7)
In Jesus von Nazareth nimmt uns Gott an die Hand und sagt zu uns: Fürchtet euch nicht. Und er sagt dies im Wissen auf den Abstieg, auf das Kreuz zu.
Was also bleibt bei allem Loslassen-Müssen?
Die Zusage an uns: dass wir geliebte Söhne und Töchter Gottes sind, dass wir den Auftrag als Christen haben, das Licht Gottes in dieser Welt sichtbar werden zu lassen, dass uns Gott dabei aber an die Hand nimmt und uns sagt: Fürchte Dich nicht. Und die Zusage an uns, dass es bei allem Vorübergang ein Ankommen in der Vollendung gibt, eine Ewigkeit in unserer Auferstehung.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Erster Fastensonntag
ImpulsDas Evangelium zum heutigen Sonntag berichtet davon, dass selbst Jesus als Sohn Gottes in der Einsamkeit der Wüste in Versuchung geführt wurde. Versuchungen sind in der Fastenzeit ja immer so eine Sache. Für viele sind diese Wochen vor Ostern eine gute und überschaubare Zeit, um eine innere Kurskorrektur zu machen – ungute und eingefahrene Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen, mal etwas Neues auszuprobieren und ganz bewusst auf manches zu verzichten. Soweit so gut…
Aber wer kennt das nicht: Oft genug sind wir dann recht schnell „versucht“, in die alten Muster zurückzufallen und unzufrieden, weil wir es (vielleicht sogar schon im zweiten Anlauf nach den guten Neujahrsvorsätzen) mal wieder nicht so geschafft haben, wie wir es uns vorgenommen hatten.
Im Matthäusevangelium ist der „Diabolos“ derjenige, der immer alles durcheinanderwirft, der Urheber der Versuchung. In den theologischen Diskussionen wurde zuletzt über den Urheber oder den Grund der Versuchung gestritten. Um Missverständnissen vorzubeugen heißt die Formulierung einer entsprechenden Vaterunser-Bitte in den französischen Messtexten beispielsweise nun seit einiger Zeit: „Und führe uns in der Versuchung.“ Damit soll ernstgenommen werden, was über Gott und das Thema Versuchung im Jakobusbrief zu lesen ist: „Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott lässt sich nicht zum Bösen versuchen, er führt aber auch selbst niemanden in Versuchung.“ (Jak 1,13). Zwar glaube ich, dass auch unsere im deutschen gebrauchte Formulierung „Und führe uns nicht in Versuchung“ nicht bedeuten soll, dass Gott seine Freude daran hätte, uns auf die Probe zu stellen, indem er uns absichtlich in die moralische Zwickmühle bringt. Ich sehe es allerdings ganz einfach als eine alltägliche Erfahrung an, dass wir uns immer wieder mit unterschiedlichen Versuchungen auseinandersetzen müssen und uns immer wieder entscheiden müssen. Dass bei diesem Unterfangen niemand vor Fehlern und Misserfolgen gefeit ist, versteht sich von selbst…
Die im Evangelium genannten Versuchungen Jesu müssen auf unser Leben hin bezogen nicht als etwas verstanden werden, das von außen auf uns zukommt. Denn auch das ist eine alltägliche Erfahrung: Weder sind wir Menschen allmächtig, sodass wir uns unsere Lebensgrundlage und unser Brot herbeizaubern könnten – noch sind wir unverwundbar und unsterblich…
Sondern es sind eher unsere kleinen Eitelkeiten, unsere blinden Flecken und manchmal auch unsere Selbstüberschätzung, die in unserem Innern sind und die uns als Versuchungen das Leben ganz schön schwer machen können. Weil wir uns damit nur selbst im Weg stehen.
Es kann gut tun, in den kommenden Wochen einen ehrlichen Blick auf sich selbst einzuüben. Aber dabei auch liebevoll und verständnisvoll mit sich selbst zu sein. Und wenn Sie dann doch an einem guten Vorsatz gescheitert sein sollten, gilt: Lächeln, und morgen ist auch noch ein Tag… 🙂
Br. Vincent Grunwald OSB
Aschermittwoch
ImpulsBedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst. (Gen 3,19)
Die Scheune ist abgebrannt
jetzt
seh ich den Mond
(Mizuta Masahide)
Wenn heute am Aschermittwoch in vielen Gottesdiensten das Aschenkreuz den Gottesdienstbesuchern auf die Stirn oder den Kopf gezeichnet wird, dann hat dieser Moment etwas von einem Kennzeichnen. Auch wenn es uns nicht passt, oder angenehm ist, das Kreuz wird uns scheinbar regelrecht aufgedrückt.
Am Beginn eines neuen Weges steht das urchristlichste aller Symbole, und dieses wird uns auf die eigene Haut geschrieben.
Die Fastenzeit steht in ihrer Tradition für Buße und Umkehr, für das Freimachen von unserer Sünde. Sie erzählt auch vom Sündenfall des Menschen.
Buße und Umkehr, Sünde, das sind harte Worte, aber es steckt darin auch eine Verheißung. Indem wir loslassen, einen Schritt gehen, kann etwas ganz NEUES beginnen.
Die Asche erinnert uns an unsere eigene Vergänglichkeit, und diese Asche hat eine Lebensgeschichte.
Unsere Vergänglichkeit ist nichts fernes, kein Tag X in weiter Zukunft, sondern sie ist Gegenwart, und diese Gegenwart ist uns auf die Haut geschrieben, als unser eigenstes Memento Mori, unsere Lebensgeschichte.
Wenn die Erfahrung des Kreuzes in unserem Leben gegenwärtig wird, dann fühlen wir uns oft dem ausgeliefert. Jemand drückt uns eine Schicksalslast auf. Ob das aber wirklich so ist, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist nur, das Kreuz ist keine Strafe. Es ist eine Wegmarke. Denn dort wo das Kreuz ist, da ist Jesus Christus.
Wohin wir auch heute aufbrechen, es ist jetzt nicht mehr weit, Ostern erwartet uns.
Br. Balthasar Hartmann OSB