Impuls am Donnerstag der Ersten Adventswoche (7.12.2023)

Auf deine Mauern, Jerusalem, habe ich Wächter gestellt. Den ganzen Tag und die ganze Nacht, niemals sollen sie schweigen. Die ihr den HERRN erinnert, gönnt euch keine Ruhe! Lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem festigt und bis er es einsetzt als Ruhm auf Erden! Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Nie mehr gebe ich dein Korn deinen Feinden zu essen. Nie mehr trinken Fremde deinen Wein, um den du dich so gemüht hast.  Die das Korn ernten, sollen es auch essen und den HERRN preisen. Die den Wein lesen, sollen ihn auch trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums. Zieht ein, zieht ein durch die Tore, bahnt dem Volk einen Weg! Bahnt, ja bahnt die Straße und räumt die Steine beiseite! Richtet ein Zeichen auf für die Völker!  Siehe, der HERR hat es bekannt gemacht bis ans Ende der Erde. Sagt der Tochter Zion: Siehe, deine Rettung kommt. Siehe, sein Lohn ist mit ihm und sein Ertrag geht vor ihm her! Dann wird man sie nennen Heiliges Volk, Erlöste des HERRN. Und du wirst genannt werden: Begehrte, nicht mehr verlassene Stadt. (Jes 62,6-12)

Wollte ich diese Lesung so verstehen, dass sie den endgültigen Wiederaufbau der Stadt Jerusalem ankündigt, dann hätte sie nichts zu sagen. Jerusalem ist im Laufe der Geschichte schon mehrmals zerstört worden. Sie ist vergänglich wie alle Städte dieser Welt.
Sie steht vielmehr für die gottgewollte Zivilisation der Menschen als einer Gemeinschaft, in der alle Verhältnisse von Gerechtigkeit und dauerhaftem Frieden geprägt sind. Der Prophet sagt: das ist kein Traum, keine Utopie, auch wenn es uns hier auf Erden nicht glückt, dieses Reich der endgültigen, freien Wirklichkeit mit eigener Kraft aufzubauen. Sie existiert in uns als heiße Sehnsucht nach einem erfüllten Leben im echten Miteinander. Das lässt uns keine Ruhe.

Also versuche ich, in dem Text aus dem Buch Jesaja Ansatzpunkte herauszufinden, die mir helfen, meine vom Glauben genährte Sehnsucht zu stärken, dass durch die Ankunft Jesu Christi auch die friedvolle Einheit aller Menschen aufgebaut und verwirklicht wird

Z.B. könnte ein solcher Ansatzpunkt sein:
Gott an die großen Visionen erinnern, die er mir und vielen anderen eingepflanzt hat. Nicht weil er ein schlechtes Gedächtnis hätte, sondern damit er merkt, dass wir ihn ernst nehmen und seinen Versprechen trauen. Nur durch unsere Bereitschaft dazu, auch das uns Mögliche beizusteuern, im täglichen Umgang, in der verlässlichen Beziehung zueinander, im Ertragen der Schrullen usw., und das in enger Verbindung zum gegenwärtigen Christus, werden wir schon jetzt zu Bürgern der Neuen Stadt, die da heißen wird: Begehrte, nicht mehr verlassene Stadt.

P. Johannes Sauerwald OSB