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In der Liebe Christi für die Feinde beten.
(RB 4,72)

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
(Lk 23,34)

Eines der letzten sieben Worte Jesu am Kreuz
nach den Evangelien.

Ich mag mir nicht anmaßen, so über mein Gegenüber zu urteilen.

Aber die Konsequenz grundsätzlich,
auch für jemanden, der mir „gegenüber“ steht
zu beten,
ihn oder sie Gott anzuempfehlen,
Gott eine letzte Be-urteil-ung zu überlassen,
wäre das nicht ein großer Schritt im Zusammensein?

Gott ist die Liebe.
IHM darf ich den oder die andere gerne anvertrauen.

Auch wenn das so gar nicht leicht ist.

P. Guido Hügen OSB

von Abt Aloysius Althaus OSB

Das Kreuz auf Golgota ist erhöht. Vollbracht ist, was befohlen war. Der Verurteilte, der Geschundene, der Gestrafte hängt am Holz.

Er haucht seinen Geist aus: „Es ist vollbracht!“

Schwestern und Brüder,

die Passionserzählung des Evangelisten Johannes wiegt schwer.

Alle Gefühlslagen werden sichtbar, zu denen der Mensch fähig ist: Neid und Eifersucht, Verachtung und Spott, Mitleid und Trauer, Macht und Ohnmacht.

Am eindrücklichsten sind zwei Gegensätze: abgrundtiefer Hass und unzerstörbare Liebe.

Da ist zunächst der Hass, dieses innerste Gefühl, das wir alle kennen dürften. Bei den Menschen damals hat es sich aufgestaut. Vor allem die religiösen Führer sind im Innersten aufgebracht gegen jenen Mann aus Nazareth, dem die Massen nachlaufen und der eine Botschaft verkündet, die alles auf den Kopf stellt. Er predigt von der Freiheit der Kinder Gottes und überschreitet dabei alle Grenzen der Gesetze.  – Er wendet sich den Kranken zu und macht sie heil im Tiefsten ihrer Seele. – Er hält sich an keine Rangordnung und stellt die Hierarchie der Gelehrten infrage.

Die religiösen Führer des Volkes Israel sind voller Groll. Dieser Jesus schadet ihnen zutiefst. In ihnen wächst der Hass, ein Hass, in dem sich so vieles bündelt, was auch uns vertraut ist: Angst um die eigene Stellung und Machtversessenheit. – Wo immer Menschen von diesen Gefühlen regiert werden, da ist das Urteil über andere schnell gesprochen.

Für die Führer des Volkes ist es nicht schwer, das Volk für ihre eigenen Zwecke aufzuwiegeln. Jesus muss sterben. Er hat sie getäuscht, das verzeihen sie ihm nie. Und so sammeln sich am Ende alle negativen Gefühle der Hohenpriester und des Volkes in dem einen Ruf, der bis heute durch Mark und Bein geht:

„Ans Kreuz mit ihm!“

Schließlich gibt es noch den, der über Recht und Unrecht entscheiden könnte: Pilatus. Er könnte dem Hass der Menschen sein gerechtes Urteil entgegensetzen. Er könnte die Unschuld Jesu amtlich machen. Aber er weiß, dass der Hass der Meute dann ihm selbst gilt. Auch das dürften wir kennen: Wie viel Standhaftigkeit es braucht, um für das Recht einzustehen gegen den Hass der Menschen. Pilatus knickt ein. Und so nimmt der Kreuzweg seinen Lauf, weil keiner ihm Einhalt gebietet.

Rudolf Otto Wiemer schreibt:

Der den Wein austeilt, muss Essig trinken,
der die Hand nicht hebt zur Abwehr, wird geschlagen.
Der den Verlassenen sucht, wird verlassen,
der nicht schreien macht, schreit überlaut.
Der die Wunde heilt, wird durchbohrt,
der den Wurm rettet, wird zertreten.
Der nicht verfolgt, nicht verrät, wird ausgeliefert,
der nicht schuld ist, der Unschuldige wird gequält.
Der lebendig macht, wird geschlachtet,
der die Henker begnadet, stirbt gnadenlos.

Und Jesus? Er liebt!

Er liebt einfach weiter, egal, was geschieht.

Er ließ sich auch nicht von Anfeindung, Verleumdung, Unverständnis und Todesdrohung davon abbringen. Er antwortete der Unmenschlichkeit mit Liebe, in der Mitgefühl, Verstehen und Vergebung zum Tragen kommen.

Was er immer gelebt hat, das verrät er auch im Sterben nicht. Er lässt sich nicht hinreißen, Gewalt mit Gegengewalt zu vergelten, nicht einmal in der Stunde größter Schmach und Verletzung. Jesus schlägt nicht zurück, auch nicht mit Worten. Er lässt das Unrecht an sich geschehen, das Menschen in ihrem bodenlosen Hass ihm antun.

Sein Weg der Passion war ein Weg der Liebe.
Wie groß ist so eine Liebe!
Wie groß ist der Mensch, der so lieben kann!

Doch diese Erkenntnis ruft oft noch mehr Hass hervor. Aus unserem Sprachgebrauch kennen wir den Ausspruch: Dafür dass ich sie liebe, hassen sie mich.

Wir Menschen wollen oft nicht, dass jemand den Kreislauf des Hasses durchbricht. Wir rechnen mit Gegenwehr und fühlen uns entlarvt, wenn sie nicht eintritt. Wir spüren: Die eigentlich Ohnmächtigen sind wir, weil wir nichts haben als unsere Gewalt.

So war es auch damals. Die Menschen erleben eindrücklich, dass Hass nie siegen kann. Sie können Jesus töten, aber seine Liebe töten, das können sie nicht! Die Liebe wird bleiben, sie wird leben.

Schwestern und Brüder,

schauen wir auf zum Kreuz. Im gemarterten Mann am Kreuz dürfen wir den sehen, der liebt: der seine Peiniger liebt bis zum Schluss; der das aufgehetzte Volk in seine Liebe einschließt und ihm vergibt; der seine Freunde liebt, die ihn verraten oder einfach feige weggelaufen sind. Und Jesus liebt uns. Trotz unserer Hartherzigkeit, mit der wir einander verletzen, trotz unserer Schuld, wenn wir einander Gewalt antun, trotz unserer Missgunst, dem Neid und dem Machtstreben, durch die wir die Lebensmöglichkeiten anderer zerstören. Wir alle sind eingeschlossen in die Liebe Jesu am Kreuz, die uns verwandeln und heilen und erlösen möchte.

Schauen wir auf zum Kreuz, auf die unzerstörbare Liebe unseres Gottes. Sie will uns Mut machen, selbst immer mehr zu Liebenden zu werden. Vergeben, statt aufzurechnen. Freizulassen, statt festzunageln. Gnädig zu sein, statt zu verurteilen. Geduld zu haben, statt kurzen Prozess zu machen.

Schauen wir auf zum Kreuz. Schauen wir auf den Gekreuzigten, er selbst ist unsere Hoffnung, dass Hass und Tod eines Tages vergehen, dass die Liebe aber bleibt.

Lassen wir uns von Jesus mitnehmen auf den Weg der Liebe. Lassen wir immer wieder die Liebe auferstehen zum Leben. Amen.

Und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! (aus Lk 23,32-49)

Wir haben gestern am Gründonnerstag unsere Kirche leergeräumt. Alle Kerzen, alles Schmückende ist weg. Der Tabernakel ist leer, und das ewige Licht erloschen. Es ist seltsam, heute am Karfreitag kann man in der Abteikirche eine Weite erleben, die ganz weit von dem scheint, was wir heute in der Sterbestunde Jesu erfahren und erleben. Der Vorhang ist zerrissen, und wir blicken auf einen Raum, der durch seine Leere Dinge sichtbar macht, die andern Tags verborgen bleiben.
Als der Jesuit Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan dem Buddhistischen Weg des Zen begegnete und er begann, sich intensiv mit der Zen Meditation auseinanderzusetzen, da begegnete er einem Zen Meister, der ihn durch seine große Ruhe und Gelassenheit tief beeindruckte. Er wusste, dass der Zen Mönch im Zweiten Weltkrieg Schreckliches erlebt hatte und dass er in dieser Zeit mehrmals fast verhungert wäre. Trotz alledem war er nicht verbittert.
Lassalle fragte ihn eines Tages, wie es denn komme, dass er so in sich ruhe, und dass er gegen niemanden einen Groll hege? Der Meister erzählte ihm, dass er genau in der Zeit, als er so Schreckliches erleben musste, eines Tages in sich einen Raum fand, in dem vollkommener Frieden war. Dieser Ort war kein Fluchtraum oder ein Raum der inneren Immigration. Er berichtete Lassalle, dass sich, in dem Moment, da er den Raum gefunden hatte, alles um sich wandelte. All der Schrecken war auf einmal für ihn unwesentlich geworden.
Man kann besonders an einem Tag wie heute so eine Geschichte gut falsch verstehen. All das Leid, der Schmerz, der Menschen zugefügt wird, ist erst einmal wesentlich. Grausamkeit und Leid sind Realitäten in unserer Welt, und sie gehen uns alle an. Auch die Passion erzählt ja heute dies.
Doch gleichzeitig sind eben alle Lebewesen, auch immer viel mehr als nur ihre Existenz.
Wir sind nicht nur statisch, sondern immer auch im Wandel.
Wir haben es ja gerade in der  Fastenzeit erlebt, durch die wir gegangen sind.
Und wir werden diese Wandlung in unserem Sterben erleben. Es werden dann Dinge sichtbar werden, es werden sich Räume öffnen, die sonst verborgen bleiben.

Wir erfahren es heute, und wir werden es an Ostern erleben.

Br. Balthasar Hartmann OSB

von P. Johannes Sauerwald OSB

 

Liebe Brüder hier in der Abteikirche,
liebe Schwestern und Brüder, die Sie vom Bildschirm aus mit uns die Karfreitagsliturgie feiern!

An diesem Karfreitag strahlt zwar draußen die Sonne, doch unsere Feier wird überschattet von Vorsichtsmaßnahmen, die mit der Covid-19 Pandemie zusammenhängen. Es ist sehr schade, dass Sie, die Kirchengemeinden und wir Mönche hier, dieses für unseren Glauben zentrale Fest nicht gemeinsam im Kirchenraum begehen können, so wie wir es gewohnt sind, und das gilt auch für Ostern, den Tag der Auferstehung. Das beeinträchtigt sehr wohl das unmittelbare Erleben.

Was bleibt dann von dem Kern eines starken Glaubensereignisses an diesem hohen Feiertag noch übrig, wenn wir in einer zugesperrten Kirche zusammenkommen und die anderen nur über das Internet dabei sein können?

Anders gefragt:  Was steht jetzt in dieser Stunde im Mittelpunkt der Karfreitagsliturgie? Es ist das Gedenken an Christi heilsames Leiden und Sterben und an seine Auferstehung. Gerade jetzt angesichts der bedrohlichen Lage sind wir darauf angewiesen, nach dem tragenden Grund unseres Glaubens und unserer Hoffnung zu fragen. Jesus sichert seinen Jüngern zu: „Wo zwei oder drei in meinen Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Über die Zeiten hinweg kommt er zu uns, wir sind nicht passive Zuschauer, sondern werden in seine Gegenwart hineingeholt. Wir schauen auf ihn und werden so Zeugen all dessen, was mit ihm geschehen ist.

Denn soeben haben wir die Leidensgeschichte nach dem Johannesevangelium gehört, und wieder einmal läuft dann das dramatische Geschehen der letzten beiden Tage Jesu von Nazareth vor unserem inneren Auge ab. Es geht dabei um mehr als eine Erzählung des beklagenswerten Todes eines großen Menschen, der vor zwei Jahrtausenden zu Unrecht verurteilt und hingerichtet worden ist. Wir schauen auf den Durchbohrten, betrachten seinen letzten Weg, und versuchen zu verstehen, was sein letzter Gang für uns bedeutet. Wir schauen auch auf die beteiligten Personen: welche Rolle haben jene gespielt, die in die Passionsgeschichte verwickelt sind? Seine Mutter, seine Jüngerinnen und Jünger, seine Feinde und Gegner, die Mächtigen wie Pilatus und König Herodes, und die Vertreter des jüdischen Volkes, dann die namenlosen Randfiguren, die Soldaten und alle jene, die auch noch zufällig mit in diese Geschichte hineingeraten, etwa Simon aus Zyrene und die beiden Verbrecher, die links und rechts neben dem Unschuldigen am Kreuz aufgehängt werden.

An jedem einzelnen von ihnen wird deutlich, wie Menschen mit der Passion Jesu umgehen, wie sie darauf reagieren. Wir können an ihnen auf unsere eigenen Reaktionsweisen stoßen. Vielleicht gibt es jemanden unter ihnen, mit dem ich mich in irgendeiner Weise identifizieren kann?

Keine dieser Gestalten ist unwichtig, bedeutungslos. Nehmen wir nur die beiden Mitgekreuzigten. In den Evangelien werden sie Räuber, Verbrecher, Übeltäter genannt, wir sagen heute Kriminelle, vielleicht Terroristen. Es ist nicht von Belang, was sie verbrochen haben und warum sie rechtmäßig zum Tode verurteilt worden sind. Nur dass sie Jesus in der Stunde seines Sterbens räumlich am nächsten waren, sein Kreuz links und rechts flankierten, Jesus also in ihre Mitte kam. Das war natürlich kein Ehrenplatz. Ihn so zu positionieren hieß, ihn als Verbrecher einzustufen und verächtlich zu machen. Dorthin hat ihn seine Sendung, seine Berufung geführt, dort ist er gelandet mit seinem Einsatz für das Heil der Menschen. Nun erntet er Schimpf und Schande. Er wird zum Spielball seiner Gegner, zum Abscheu für die religiös Reinen mit ihren fixen Vorstellungen von Gott, die sie pflegen, um nicht wirklich an Gott glauben zu müssen. Auch die beiden Mitgekreuzigten reagieren auf diesen Menschen in ihrer Mitte, der allerdings aus ganz anderen Gründen als sie hingerichtet wird. Das Lukasevangelium lässt einen der zwei Kriminellen in die Verhöhnung der Schaulustigen um ihn herum einstimmen, der andere dagegen öffnet sich für die menschgewordene Liebe Gottes an seiner Seite und bittet um das ewige Leben. Es ist unbegreiflich, was da in dieser Begegnung passiert. Noch im Sterben wendet sich Jesus ihm zu, offenbart seine erbarmende Liebe zum Sünder, indem er ihm, allen Begleitumständen zum Trotz, verheißt, umgewandelt zu werden und bald im Paradies zu sein.

Diese Episode kennt das Johannesevangelium nicht, sondern erwähnt nur die Tatsache, dass Jesus zusammen mit zwei Verbrechern gekreuzigt worden ist. Das aber nicht der Vollständigkeit halber, quasi aus protokollarischen Gründen, sondern um ganz deutlich zu betonen, dass der Gekreuzigte in jene Zone gerät, wo menschliche Würde nicht mehr zählt. Diesen letzten Akt seines Lebens lässt Jesus nicht einfach stumpf und passiv über sich ergehen als sei er nur von äußeren Mächten aufgezwungen. Vielmehr lässt er sich unter die Verbrecher zählen, um in allem uns gleich zu sein, außer der Sünde. Er nimmt den letzten Platz bewusst an. Er nimmt ebenso die Folgen menschlichen Fehlverhaltens auf sich. Er erlebt an sich selbst, was es heißt, auf die unterste Stufe herabzufallen, ohne Solidarität schutzlos da zu stehen. Anscheinend gibt es keinen Unterschied zwischen ihm und den Sündern. Er ist es, der sich mit ihnen solidarisiert. Er nimmt an der Not ihrer Zweifel teil, an dem Gefühl, dass alles sinnlos zu sein scheint, wird im Ölberg von der Angst gepackt und muss durch das Dunkel der Gottesferne hindurch. “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Weil Jesu alles loslässt, erreicht Gottes Gnade den tiefsten Punkt des Menschlichen, dringt in den Abgrund menschlichen Dunkels vor, um es dort in Jesus selbst zu heilen und in göttliches Licht zu verwandeln.

Das tiefste Dunkel aber ist der Tod. Deshalb ist es die Überzeugung der Kirche, dass Jesus in das Reich des Todes herabgestiegen ist, wie es das Apostolische Glaubensbekenntnis formuliert. Gott hat keine Erlösung von oben herab verordnet oder einen Schalter umgelegt, sondern aus der Tiefe und von innen her den in sich verschlossenen Menschen an seinem tiefsten Punkt aufgesucht. Wie sehr es Jesus verlangt hat, den Menschen aus seiner selbstgewählten Quarantäne zu befreien, sehen wir am Kreuz. Auch die Ängste, in denen Menschen gefangen sind angesichts der eigenen Verfehlungen oder leidvoller Schicksalsschläge, können das göttliche Wirken nicht aufhalten.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir doch wirklich verstehen könnten, was uns in der Stunde der Krise und Angst entgegenkommt an göttlicher Langmut, an Milde, an lebensspendender Kraft! Wo uns doch nicht nur das Evangelium, sondern auch die Erfahrung vieler Menschen bezeugt, dass Gott ausgerechnet in der Stunde der Not den Abstand zu uns überwindet, und dort uns nahe kommt, wo wie es am wenigsten vermuten. Lasst uns daher das Kreuz verehren, auf den Durchbohrten schauen und uns aufschließen lassen für das österliche Leben.

Die Liturgie am Karfreitag gehört sicherlich zu den eindrücklichsten und ausdrucksstärksten im Kirchenjahr. Sie beginnt um 15.00 Uhr – zur Todesstunde Jesu – im Schweigen. Der Vorsteher der Liturgie liegt lang ausgestreckt auf dem Boden – in der Geste der prostratio. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das Schweigen oft die einzig angemessene Reaktion.

Nach diesem Moment des Schweigens wird im Wortgottesdienst versucht, das Unfassbare zu fassen mit Worten der biblischen Schriftsteller: im Leiden des Gottesknechtes, einer mysteriösen Gestalt des Jesajabuches (Jes 52,13-53,12), im Hebräerbrief, der von einem „mitfühlenden Hohenpriester“ spricht, der „durch Leiden Gehorsam gelernt hat“ (Hebr 4,14-16; 5,7-9), schließlich in der Passionsgeschichte nach Johannes, die den Tod Jesu als Erhöhung deutet (Joh 18,1-19,42).

In der anschließenden Kreuzverehrung wird das verhüllte Kreuz Jesu in die Kirche getragen und an drei Stationen enthüllt. Dazu wird der Liedvers gesungen: „Seht das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen. – Kommt, lasset uns anbeten.“ Jeder ist eingeladen, dem Leiden ins Gesicht zu schauen, aber in dem, der da hängt, auch mehr zu erkennen. Mit einer Kniebeuge (die Berührung bzw. der Kuss entfallen als Zeichen in Zeiten von Corona) wird das Kreuz verehrt.

In den „Großen Fürbitten“ wird unsere Welt ins Gebet genommen, unsere Welt, die gerade in diesen Tagen das Gebet so nötig hat: unsere Kirche, alle Glaubenden und Suchenden, alle, die fürs Gemeinwohl tätig sind. In diesem Jahr gibt es aus aktuellem Anlass eine besondere Fürbitte:

Lasst uns auch beten für alle Menschen,
die in diesen Wochen schwer erkrankt sind;
für alle, die in Angst leben und füreinander Sorge tragen;
für alle, die sich in Medizin und in Pflege um kranke Menschen kümmern;
für die Forschenden, die nach Schutz und Heilmitteln suchen,
und für alle, die Entscheidungen treffen müssen
und im Einsatz sind für die Gesellschaft,
aber auch für die vielen, die der Tod aus dem Leben gerissen hat.

Allmächtiger, ewiger Gott,
du bist uns Zuflucht und Stärke;
viele Generationen haben dich als mächtig erfahren,
als Helfer in allen Nöten.
Steh allen bei, die von dieser Krise betroffen sind,
und stärke in uns den Glauben,
dass du alle Menschen in deinen guten Händen hältst.
Die Verstorbenen aber nimm auf in dein Reich,
wo sie bei dir geborgen sind.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

 

 

Inkarnation

Zusammengedrückt
zwischen
dem Sand
der Stundenuhr,

eingeklemmt
in die pausenlos
rollenden Räder
des Großen Wagens,

festgekrustet
im Salz,
das zurückblieb
vom Tränenstrom
weinender Mütter,

das Wort.

Als es handgreiflich wurde,
tropfte es
als Blut zur Erde.

Br. Andreas Hentschel OSB