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In unserem „Gruß“ stellt unser Bibliothekar, P. Johannes, regelmäßig Bücher unserer klösterlichen Tischlesung vor. Passend zum 60. Jahrestag der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils haben wir die Memoiren von Rembert Weakland, Abtprimas der Benediktiner in der unmittelbaren Nachkonzilszeit von 1967-77, vorgelesen. Seine Lebenserinnerungen sind vor kurzem in deutscher Übersetzung im Vier-Türme-Verlag erschienen und können in unserem Abteiladen bestellt werden:

Bei Tisch vorgelesen

Rembert Weakland: Leben zwischen Rissen. Erinnerungen eines Erzbischofs
Übersetzt von Heidi Rygh

Der frühere Abtprimas der Benediktiner von 1967-1977, Erzbischof von Milwaukee USA von 1977-2002, war eine „der profiliertesten Persönlichkeiten des nachkonziliaren Amerika“ (Biographia Benedictina). Er hat nach seinem Rücktritt als Erzbischof eine Biographie verfasst, die nach 13 Jahren in deutscher Übersetzung erschienen ist. Darin blickt er auf ein spannungsreiches Leben zurück. Er geht auch auf einen Skandal ein, der das Ende seiner kirchlichen Karriere bedeutete. Während seiner Kindheit in armen Verhältnissen einer Kleinstadt in Pennsylvania kam schon früh die musikalische Begabung zum Vorschein, die von seiner Mutter gefördert wurde. Im Jahre 1940 trat er in die von bayrischen Benediktinern gegründete Abtei St. Vincent ein. Dort lernte er den gregorianischen Choral kennen und lieben. Nach der Priesterweihe und Promotion in Musikwissenschaft wurde er 1963 zum Abt von St. Vincent und 4 Jahre später zum Abtprimas der weltweiten Benediktinerkonföderation gewählt. Was den Bericht über die 10-jährige Amtszeit (1967-1977) in Rom für uns heute so spannend macht, sind die Hintergrundinformationen über die damaligen Verhältnisse in der Kurie, Weaklands freundschaftliche Beziehung zu Papst Paul VI. und die Kämpfe um die Reform der Benediktinerklöster nach dem 2. Vatikanum. Ihm ging es vor allem darum, die benediktinischen Klöster zu besuchen und in ihrem Ringen um eine zeigemäße Erneuerung zu ermutigen. Als er dann zum Bischof von Milwaukee ernannt wurde, übernahm er eine schwierige Aufgabe. Die Beziehungen der US-amerikanischen Kirche zu Papst Johannes Paul II. und zu verschiedenen Kurienmitgliedern waren von Spannungen und Missverständnissen geprägt. Das zeigte sich z. B. vor allem bei Themen wie dem Verständnis der katholischen Sexualethik, Liturgiereform, Abtreibung, Betonung der kirchlichen Zentralgewalt in Rom, Homosexualität, Beteiligung von katholischen Laien am kirchlichen Leben. Dieses umfangreiche Buch liest sich zügig und macht nachdenklich. / js

Vier-Türme-Verlag Münsterschwarzach 2022
ISBN 978-3-7365-0425-7
638 Seiten, 36,00 EUR

Das II. Vatikanische Konzil, das vor 60 Jahren eröffnet worden ist, war das erste Konzil, auf dem die Kirche als Weltkirche präsent war. Und es hatte Auswirkungen nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Abt em. Siegfried Hertlein OSB, der von 1976 bis 2001 Abt der Abtei Ndanda in Tansania war, hat diese Auswirkungen miterlebt und mitgestaltet. P. Maurus hatte auf seiner Tansaniareise im August, die Gelegenheit, mit ihm darüber zu sprechen:

Auswirkungen des II. Vatikanischen Konzils auf die Kirche in Afrika am Beispiel der Abtei Ndanda

Das II. Vatikanische Konzil, das am 11. Oktober 1962 in Rom feierlich eröffnet wurde, war das erste Konzil, an dem die römisch-katholische Kirche zum ersten Mal als Weltkirche erfahrbar wurde. Bischöfe und Missionsobere aus der ganzen Welt kamen zusammen, um über grundlegende Fragen der Kirche zu beraten und zu guten Entscheidungen im Blick auf die Zukunft zu kommen. So hatte das II. Vatikanische Konzil nicht nur in Deutschland Auswirkungen, sondern auf der ganzen Welt – auch in den Gebieten, die den Missionsbenediktinern von St. Ottilien im heutigen Tansania anvertraut waren. Dort gab es die beiden großen Abteien Peramiho und Ndanda, die sog. Territorialabteien waren. Das bedeutet, dass der Abt dieser Gemeinschaften gleichzeitig Bischof über die Menschen in seinem „Territorium“ war. Peramiho und Ndanda bestanden damals ausschließlich aus deutschen und Schweizer Missionaren, an eine Aufnahme heimischer Kandidaten war noch nicht gedacht. Doch hatte sich in Liganga (heute: Hanga) einige Kilometer westlich von Peramiho schon eine Gemeinschaft afrikanischer Benediktiner gebildet, die versuchte, das benediktinische Mönchtum in die Kultur Afrikas zu inkulturieren. Gleichzeitig bildeten sich parallel zu den politischen Unabhängigkeitsbestrebungen in den Jahren nach dem Konzil die ersten Diözesen, die von einheimischen Bischöfen geleitet wurden. Damit war für die beiden großen Missionsabteien eine existentielle Frage verbunden, die das weitere Fortbestehen betraf: Werden wir als europäische Missionare noch gebraucht, oder sollen wir uns nicht zurückziehen und den Neuanfang einheimischen Kräften überlassen?

Einer, der diese Fragen hautnah erlebt und mitentschieden hat, ist Abt em. Siegfried Hertlein OSB, der von 1976 bis 2001 Abt von Ndanda war, der erste „einfache“ Abt ohne Bischofstitel. Heute lebt er mit über 90 Jahren geistig hellwach als ehrwürdiger „Mzee“ und Senior inmitten seiner Gemeinschaft und wird von den Mitbrüdern liebevoll „Baba Siegfried“ (Vater Siegfried) genannt. Er ist ursprünglich in die Abtei Münsterschwarzach eingetreten und hat nach seiner Profess 1956 und der Priesterweihe 1958 Missionswissenschaft bei P. Thomas Ohm OSB in Münster studiert und dieses Studium 1962 mit der Promotion abgeschlossen. Direkt im Anschluss wurde er im April 1962 als Missionar in die Abtei Ndanda ausgesandt, also ein halbes Jahr vor der Eröffnung des Konzils. Dort war er der Assistent von P. Alkuin Bundschuh und hat ihm beim Erstellen von Katechismen für die Grundschulen in Tansania geholfen. So kam er schon früh mit der Frage in Kontakt, wie der christliche Glaube an die junge afrikanische Generation auf eine Weise weitergegeben werden konnte, die für die Menschen dieses Kulturkreises verständlich ist. Im Zuge einer schweren Typhuserkrankung kehrte er 1966 nach Deutschland zurück und begann seine Habilitationsarbeit über das Thema: „Wege christlicher Verkündigung in den katholischen Missionsgebieten in Ostafrika in den letzten 100 Jahren“. Dazu kehrte er schon bald nach Tansania zurück, um ausgedehnte Feldstudien im ganzen Land zu betreiben. 1974 beendete er seine Habilitation und stand vor den Abschlussprüfungen, sodass ein Weg an einen missionstheologischen Lehrstuhl in Deutschland geebnet war. Doch dann geschah etwas, das seinem Leben eine unerwartete Wendung gab.

Anfang 1976 wurde Abtbischof Viktor Hälg von Ndanda während seines Heimaturlaubs von einem Auto erfasst und erlag seinen schweren Verletzungen. Am 5. Februar 1976 wurde P. Siegfried zu seinem Nachfolger als Abt gewählt und in einer bewusst einfach gehaltenen Feier in sein Amt eingeführt. Sein Wahlspruch entstammte dem Galaterbrief: „Einer trage des anderen Last!“ (Gal 6,2)

Abt Siegfried Hertlein OSB

Abt Siegfried wurde in einer Zeit zum Abt gewählt, in der es für die Gemeinschaft von Ndanda um die weitere Existenz ging. Die Frage im Zuge des II. Vatikanischen Konzils und der Gründung der afrikanischen Diözesen war: Werden die Missionare der Abtei noch gebraucht? Was kann ihre Aufgabe in der zukünftigen Ortskirche von Tansania sein? Eine Übernahme der Abtei Ndanda durch die afrikanischen Mönche von Hanga stand schon länger im Raum. Doch letztlich entschieden sich die Mönche von Hanga dagegen. Die Kultur und auch das Klima im trockenen Südosten waren zu verschieden vom Südwesten von Peramiho und Hanga. Es gab in dieser Zeit einige neue Gründungen der Gemeinschaft von Ndanda, die sich neue Missionsgebiete im Land suchte. So übernahmen die Missionare einige Pfarreien in der Diözese Mbulu im Norden des Landes – einer von ihnen war P. Magnus Lochbihler, der noch heute in der Pfarrei Gitting lebt und arbeitet. Diese Gründung trägt noch heute Früchte, da sich einige junge Männer aus diesem Gebiet der Gemeinschaft in Ndanda angeschlossen haben. Ein anderes Projekt war die Glaubensverkündigung unter den Massai in Handeni durch P. Odilo Hüppi und Sr. Karin Kraus, die dort Pionierarbeit leisteten. Auch in Sakharani, heute ein abhängiges Priorat von Ndanda, erschlossen sich neue Möglichkeiten der Verkündigung.

Abteikirche Ndanda

Doch die entscheidende Frage war noch nicht beantwortet: Soll die Abtei Ndanda weiterhin als Kloster fortbestehen? Und eng verbunden damit: Sollen einheimische afrikanische Kandidaten aufgenommen werden? Nach einem langen Entscheidungsprozess entschied sich die Gemeinschaft dafür, junge Afrikaner als Novizen aufzunehmen und sie von Anfang an in die Gemeinschaft zu integrieren. Ein eigenes Gebäude auf dem Gelände der Abtei, der sog. „Ursberg“, früher eine Landwirtschaftsschule, wurde als Noviziat eingerichtet und erfüllt bis heute diese Funktion. Am 1. Oktober 1989 wurden die ersten drei afrikanischen Postulanten aufgenommen, und 1995 konnte Br. Yohannes als erster Afrikaner seine feierliche Profess ablegen; heute ist er Subprior der Gemeinschaft. 2001 entschied sich Abt Siegfried, die Leitung der Gemeinschaft in jüngere Hände zu geben, und als sein Nachfolger wurde der damalige Novizenmeister, P. Dionys Lindenmaier, gewählt. 2015 hat sich der Kreis mit der Wahl des ersten afrikanischen Abtes, Placidus Mtunguja, geschlossen, und 2021 wählten die Mönche P. Christian Temu, der einige Jahre als Kongregationssekretär in St. Ottilien lebte und in seiner Person eine gute Verbindung zwischen Afrikanern und Europäern steht. All diese Entwicklungen hat Abt em. Siegfried initiiert und mitgestaltet.

Anliegen des II. Vatikanischen Konzils, das vor 60 Jahren eröffnet wurde, finden sich schon in der Benediktsregel. P. Klaus-Ludger geht in seinem Beitrag dem Zusammenhang zwischen Konzil und dem Kapitel der Benediktsregel über den gemeinsamen Rat der Brüder nach:

Der Freiheit Gottes Raum verschaffen – zum inneren Zusammenhang zwischen dem „Ratskapitel“ der Benediktsregel und dem Zweiten Vatikanischen Konzil

P. Klaus-Ludger Söbbeler OSB

Das Zweite Vatikanische Konzil kam zusammen, um den Glauben ins Gespräch zu bringen mit den Themen und Fragen, die die Menschen bewegen. Diese Fragestellung und auch die Grundhaltung, in der das Konzil verlief, weisen eine erstaunliche Nähe zum dritten Kapitel der Benediktsregel – „Über den Rat der Brüder“ – auf:
Sooft etwas Wichtiges im Kloster zu behandeln ist, soll der Abt die ganze Gemeinschaft zusammenrufen und selbst darlegen, worum es geht. Er soll den Rat der Brüder anhören und dann mit sich selbst zu Rate gehen. Was er für zuträglicher hält, das tue er. Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist. Die Brüder sollen jedoch in aller Demut und Unterordnung ihren Rat geben. Sie sollen nicht anmaßend und hartnäckig ihre eigenen Ansichten verteidigen. Vielmehr liegt die Entscheidung im Ermessen des Abtes: Was er für heilsamer hält, darin sollen ihm alle gehorchen. Wie es jedoch den Jüngern zukommt, dem Meister zu gehorchen, muss er seinerseits alles vorausschauend und gerecht ordnen. (RB 3,1-6).

Eines der entscheidenden Themen des Konzils war die Frage nach der Freiheit des Menschen.
Denn kaum ein Wort hat in Geschichte und Gegenwart mehr Wirkung als das Wort „Freiheit“. Da wo Freiheit lockt, sind Menschen fasziniert, wo Freiheit in Gefahr gerät, herrscht Alarmzustand. Die Ansage, dass der Mensch „zur Freiheit berufen“ ist, ist eine der segensreichsten Spuren der biblischen Religionen – des Judentums und des Christentums – in der Weltgeschichte. Für das Volk Israel war die Erfahrung, dass Gott da ist, wo der Mensch frei ist von der Beherrschung durch Menschen der schlechthinnige Grundimpuls, – beginnend mit dem Auszug aus der Knechtschaft des Pharao in die Freiheit Gottes. Jesus hat diesen Grundimpuls seiner jüdischen Wurzeln verkörpert: Nicht einmal Kreuz und Tod setzen der Freiheit eine Grenze, weil die Grenze des Daseins in Raum und Zeit nicht das Ende, sondern der Übergang in die Vollendung ist.

Doch spätestens seit der Europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts hatte sich die Christenheit den Kampf um die Freiheit aus der Hand nehmen lassen, – weil sie zu sehr verstrickt war in den Kampf um die Macht: Statt zur Freiheit zu befähigen, hat man kirchlicherseits Freiheit zur Bedrohung erklärt, – vor der man die Menschen meinte schützen zu müssen. Christ zu sein reduzierte sich in der Erfahrung vieler auf ein System kaum verständlicher und mit äußerem Druck durchgesetzter Regulierungen. Das fatale Ergebnis sehen wir heute: Immer mehr Menschen halten Religion für etwas Überflüssiges oder sogar Schädliches. Die Kirchen ihrerseits sind so sehr damit beschäftigt, sich selbst am Laufen zu halten, dass sie kaum noch Kraft haben, ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen, – nämlich, den Menschen den Zugang zu einer im Gottvertrauen gründenden Freiheit zu ermöglichen. Die Kirche ist dazu da, für Gott den Platz zu schaffen, der seiner unendlichen Größe entspricht. Wo sie den Verengungen des Daseins nur eine weitere hinzufügt, stellt sie sich tatsächlich selbst infrage.

Dabei ist aus Gottvertrauen gelebte Freiheit dasjenige, was die Welt in der vielfach verfahrenen Gegenwartssituation so dringend brauchen würde, – angesichts der allgegenwärtigen Bedrohungen der Freiheit und angesichts der missbräuchlichen Verwechselung von Freiheit entweder mit verantwortungsloser Beliebigkeit oder mit schrankenloser Selbstüberhöhung. Wie wichtig und zugleich wie gefährdet dieser Freiheitsauftrag der Kirche ist, wusste schon Paulus, als er an die Galater schrieb: „Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!“

Freiheit im biblischen Sinn hat zum Ziel, dass die Menschen unbelastet sind von allem, was nicht menschlich ist, damit sie die Menschen sein können, die sie eigentlich sind, – ohne all die unnötigen und zerstörerischen Zwänge, die sie sich selbst auferlegen oder von anderen aufgedrückt bekommen. „Gott schuf den Menschen als sein Abbild“ weiß die Schöpfungsgeschichte (Gen 1,27). „Ich nenne euch nicht mehr Knechte sondern Freunde“, sagt Jesus (Jo 15,15).
„Abbild Gottes“ ist ein Mensch da, wo er nicht von der Angst getrieben wird zu kurz zu kommen. „Freund Jesu“ ist ein Mensch da, wo in ihm das Vertrauen lebendig ist, dass er nicht leben muss, um zu sterben, sondern dass er sterben wird um zu leben.

Solche Freiheit entsteht weder durch am Schreibtisch konstruierte Freiheitstheorien noch durch aggressive Befreiungsschläge. Solche Freiheit wächst in Situationen, wie sie das dritte Kapitel der Benediktsregel aufzeigt:

Ein offenes, schwieriges oder gar strittiges Thema ehrlich beim Namen nennen:
„Sooft etwas Wichtiges im Kloster zu behandeln ist, soll der Abt die ganze Gemeinschaft zusammenrufen und selbst darlegen, worum es geht.“ 

Gründlich zuhören und das Gehörte bedenken, bis sich Schritt um Schritt Klarheit entwickelt. Die eigene Sicht so einbringen, dass sie durch sich selbst überzeugt und nicht indem eine Drohkulisse aufgebaut wird:
Der Abt soll den Rat der Brüder anhören und dann mit sich selbst zu Rate gehen. …Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist. … Die Brüder sollen jedoch in aller Demut und Unterordnung ihren Rat geben. Sie sollen nicht anmaßend und hartnäckig ihre eigenen Ansichten verteidigen. Vielmehr liegt die Entscheidung im Ermessen des Abtes: Was er für heilsamer hält, darin sollen ihm alle gehorchen.

Eine der Gott und den Menschen entsprechende Entscheidung treffen, die von allen akzeptiert wird:
Was der Abt für zuträglicher hält, das tue er. … Die Entscheidung liegt im Ermessen des Abtes: Was er für heilsamer hält, darin sollen ihm alle gehorchen. Wie es jedoch den Jüngern zukommt, dem Meister zu gehorchen, muss er seinerseits alles vorausschauend und gerecht ordnen.

Beratungen im Kongregationsrat der Missionsbenediktiner

Am 11. Oktober 1962, vor 60 Jahren, wurde in Rom das II. Vatikanische Konzil eröffnet. Es brachte viele Veränderungen auch in unserer Gemeinschaft mit sich. Anlässlich des Jahrestages der Konzilseröffnung möchten wir in einer kleinen Artikelserie an diese bewegten Zeiten in der Kirche erinnern, um aus dieser Erinnerung heraus Impulse für die Zukunft zu gewinnen. Wir beginnen mit einem Beitrag über die liturgischen Veränderungen in unserer Gemeinschaft von Königsmünster. Alle Artikel finden Sie auch im aktuellen „Gruß aus Königsmünster“:

Liturgie auf dem Weg – Königsmünster im Zeichen der Erneuerung

P. Maurus Runge OSB

Am 11. Oktober 1962 hielt Papst Johannes XXIII. in Rom eine viel beachtete Rede zur Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Drei Jahre zuvor hatte er es in der Benediktinerabtei St. Paul vor den Mauern vor den versammelten Kardinälen ausgerufen. Es sollte dem „aggiornamento“ der Kirche dienen, ihrer „Verheutigung“, ihrem Ankommen im 21. Jahrhundert. In seiner Eröffnungsrede wendete sich der Papst gegen „Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergang stünde.“ Und er nennt die Geschichte eine „Lehrmeisterin des Lebens“. In der konkreten Geschichte muss der Glaube so verkündet werden, dass die Menschen das Zeitlose der frohen Botschaft des Evangeliums verstehen können.

Die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils hatten Auswirkungen auf den Benediktinerorden, auf die Kongregation der Missionsbenediktiner von St. Ottilien und natürlich auch auf das junge Kloster Königsmünster. „Liturgie auf dem Wege“ – so ist ein zusammenfassender Artikel über die Veränderungen in unserer Gemeinschaft im Gefolge des Konzils überschrieben, der im Jahresbericht 1970 erschien. Der internationale Äbtekongress, der 1966 in Rom stattfand, befasste sich mit der neuen Situation, welche vor allem im Dekret über eine „zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens“ (Perfectae Caritatis) und in der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ grundgelegt wurde. Das Hauptanliegen war die Einführung der Muttersprache statt des Lateinischen im Stundengebet. Wie schwierig diese Diskussion war, zeigt ein Brief von Papst Paul VI., den alle Delegierten des Äbtekongresses bei der Ankunft in ihren Zimmern vorfanden. Darin forderte der Papst, dass die lateinische Sprache und der Gregorianische Choral beibehalten werden sollten. Abt Harduin Bießle, der damals unser Kloster beim Kongress vertrat, schreibt im Jahresbericht: „Wir können uns aber nicht vorstellen, dass der Heilige Vater auf dieser Forderung besteht, wenn er einsieht, dass wir Mönche in der Muttersprache andächtiger und lieber, aber auch zur größeren Erbauung der Gläubigen unser Offizium verrichten. Bei der Eucharistiefeier werden dagegen wohl noch viele gerne den Choral in Verbindung mit der lateinischen Sprache beibehalten.“ Diese Worte spiegeln die kontroversen Diskussionen, aber auch einen möglichen Kompromiss wider, der sich anbahnte.

Abt Harduin beim Äbtekongress 1966

Da die sog. „Confoederatio benedictina“ kein zentral geführter Orden ist, sondern aus rechtlich selbstständigen Gebilden besteht, konnte der Äbtekongress nur Empfehlungen aussprechen, die dann von den Gremien vor Ort in rechtlich bindende Beschlüsse umgesetzt werden mussten. Diese Aufgabe übernahm das 10. Generalkapitel der Benediktinerkongregation von St. Ottilien, das vom 10. bis 26. Oktober 1966 im Anschluss an den Äbtekongress stattfand – und zwei Jahre später wegen des enormen Diskussionsbedarfs fortgesetzt wurde. Unter dem Vorsitz des damaligen Erzabtes Suso Brechter kamen alle Oberen der zehn damals selbstständigen Klöster mit je einem Delegierten aus den Gemeinschaften in St. Ottilien zusammen. Das wichtigste Bestreben war die Eingliederung der Laienbrüder in die klösterliche Familie. Vor dem Konzil bestand die Klostergemeinschaft im Grunde aus zwei Konventen, den Priestern und Klerikern (Studenten auf dem Weg zum Priestertum) und den sog. Laienbrüdern, die in unserer Kongregation allerdings von Beginn an gerade in den Missionsgebieten einen hohen Stellenwert besaßen als diejenigen, die die ganze Infrastruktur aufgebaut haben. Die Laienbrüder legten keine feierliche Profess ab, hatten eine andere Kleidung als die Priester und ein kürzeres deutsches Stundengebet. Das Generalkapitel ebnete nun den Weg dafür, dass auch die Laienbrüder die feierlichen Gelübde ablegen konnten und als volle Mitglieder mit Stimmrecht zur Gemeinschaft gehörten.

Generalkapitel der Missionsbenediktiner 1966

All das galt es in den einzelnen Klöstern umzusetzen. Königsmünster gehörte dabei zu einer Gruppe von Klöstern, die die Konzelebration mehrerer Priester in der Eucharistie erproben sollten, bevor sie für die ganze Kirche erlaubt wurde. Die gerade 1964 eingeweihte Abteikirche hatte in vielem, was das Konzil theologisch beschloss, prophetischen Charakter. In Königsmünster wurde ein Ausschuss für liturgische Fragen ins Leben gerufen, der als Arbeitsteam Vorschläge für Reformen ausarbeitete, sammelte und prüfte. Zu gewissen Zeiten wurde die gesamte Gemeinschaft eingebunden – man kann sich vorstellen, dass es auf so einem wichtigen Feld für ein Benediktinerkloster, wie es die Liturgie ist, zu hitzigen Diskussionen gekommen ist. Alles Neue wurde dann zunächst ad experimentum, auf Probe eingeführt – so halten wir es übrigens noch heute. Der damalige Zeremoniar P. Gregor Mias, aber auch P. Michael Hermes und P. Clemens Brunnert erwarben sich große Verdienste für eine schnelle Umsetzung der Konzilsbeschlüsse in unserer Gemeinschaft. In unermüdlicher Arbeit wurden Texte gesucht, übersetzt, zusammengestellt, Melodien übertragen oder neu komponiert und alles wieder kritisch gesichtet, dann geschrieben, vervielfältigt, geheftet und im Stundengebet ausprobiert. All das ließ den kleinen Konvent von Königsmünster schnell an seine Grenzen kommen. So war die Freude groß, als in der Abtei Münsterschwarzach eine neue Ordnung des Stundengebetes erarbeitet wurde, der sich unsere Gemeinschaft in vielem anschließen konnte.

Liturgischer Ausschuss in Königsmünster

Am 9. März 1970 war es dann soweit: an diesem Tag erklang zum ersten Mal in Königsmünster ein gemeinsames deutsches Chorgebet. Brüder und Patres beteten als eine Gemeinschaft gemeinsam. Auch wurde eine neue Tagesordnung eingeführt, deren Qualität sich schon dadurch auszeichnete, dass sie unverändert bis vor wenigen Jahren beibehalten wurde.

Der Bericht von 1970 endet mit den Worten: „Wird es wohl jemals wieder eine „endgültige“, eine „fertige“ Liturgie geben? Die Kirche ist das Volk Gottes auf dem Weg. Sie muss sich stets neu orientieren. Das aber erhält sie lebendig und dynamisch. Unser Konvent hat sich mit der Kirche auf den Weg gemacht.“ Auf diesem Weg befinden wir uns auch heute noch. Wenn die Geschichte wirklich eine „Lehrmeisterin des Lebens“ ist, wie es Papst Johannes sagte, dann wird auch Liturgie in der Geschichte nie fertig sein. Sie wird sich organisch verändern, und nachfolgende Generationen werden vielleicht neue oder ganz andere Dimensionen (wieder)entdecken. Wichtig ist, dass eine Gemeinschaft über diese Prozesse im Gespräch bleibt und dass wirklich jeder mit seiner persönlichen Meinung sein darf und gehört wird. So wird man ohne Polarisierungen zu tragfähigen Lösungen kommen, so wie es unsere Vorfahren in den 1960er Jahren gemeinsam geschafft haben. Wäre dieses benediktinische Hören aufeinander und vor allem das Geltenlassen verschiedener Meinungen nicht ein wichtiger Bestandteil auch für die Diskussionen um kirchliche Reformen heute?

P. Michael Hermes bei der Gestaltung des deutschen Stundengebetes