„Gott ist da – auch in deinem Leben!“
„Megatrend Mobilität!“ – so titulierte ein Zukunftsinstitut im letzten Jahr seine Werbekampagne. Wer es heute zu etwas bringen will, der muss mobil, ja flexibel auf allen Ebenen sein. „Immer offen für Neues!“ so könnte man unser Lebensgefühl auf den Punkt bringen. Dahinter verbirgt sich eine große Chance: noch nie konnten wir innerhalb kürzester Zeit so viele Informationen zu einem Thema bekommen. Noch nie konnten wir so schnell Kontakt zu einem anderen Menschen herstellen – egal wann und wo wir uns befinden. Noch nie konnten wir so schnell von A nach B gelangen. Noch nie hatten wir auf allen Lebensgebieten so viele Wahlmöglichkeiten: Partnerwahl, Berufswahl, Produktwahl,…. Überall können und müssen wir wählen!
Eine große Chance – und zugleich eine (fast zu)große Herausforderung für die meisten von uns.
Zeitsprung: Wir befinden uns im Jahr 560, fast 1500 Jahre vor unserer Zeit. Es ist eine Zeit größter Mobilität – die Zeit der Völkerwanderung. Alles in der damaligen Welt ist in Bewegung. Ganze Völker machen sich auf den Weg und verlassen ihre bisherigen Grenzen. Es kommt zu einem gewaltigen Austausch von Menschen und Kulturen – ungeahnte Horizonte eröffnen sich. Auch damals – eine große Chance und gleichzeitig eine große Herausforderung. Denn wenn alles fließt, alles sich bewegt – auch in meinem Leben – an was kann ich mich denn da noch halten? Was gibt mir Sicherheit, Stabilität?
Genau diese Sehnsucht greift Benedikt von Nursia auf, als er in dieser Zeit ein Kloster gründet und seine Mönchsregel schreibt. Und so wird auch eines der Mönchsgelübde, das diese Mönche ablegen, das der „stabilitas“ – der Stabilität, innerlich wie äußerlich. Sie bleiben eine Leben lang als Mönch an diesem Ort, in diesem Kloster. (Ganz im Gegensatz zu den vielen anschließenden Ordensgründungen wie z.B. Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner… die immer wieder in ein anderes Kloster ihres Ordens versetzt werden!) Aber auch innerlich: sie bleiben bei all den neuen Gedanken, Philosophien und Religionen in aller Offenheit – Gottsucher.
In all der Dynamik und Bewegung seiner Zeit, in aller Mobilität setzt Benedikt einen Ort der Stabilität. Vielleicht weil er selbst zutiefst erlebt hat, dass wir Menschen bei aller Offenheit, aller Bewegung immer auch einen solchen Ort der Verlässlichkeit brauchen. Einen Ort, der mir Ruhe in aller Unruhe meines Lebens vermittelt. Einen Ort der sich nicht ständig innerlich wie äußerlich verändert und der mir deshalb so etwas wie Sicherheit vermittelt.
Zeitsprung: Wir befinden uns wieder im Jahr 2018. Noch immer gibt es Mönche, die dieses Ideal des Benedikt von Nursia zu leben versuchen – so wir in der Abtei Königsmünster. In all den Umbrüchen, in all den vielen schnellen Veränderungen unserer Zeit ein Ort der Verlässlichkeit zu sein. Für Menschen, die sich in all der (notwendigen) Dynamik ihres Lebens nach einem Ort der Stabilität sehnen, da zu sein. Denn nur, wenn ich einen solchen Ort habe, der mir eine innere Festigkeit und Sicherheit gibt, kann ich all dem „Neuen“, manchmal auch „Befremdlichen“, ja dem „Fremden“ offen und sogar neugierig begegnen.
Gerade in den letzten Jahren, in denen die Schnelligkeit und Mobilität immer größer zu werden scheint, ist auch die Sehnsucht nach solchen Orten immer größer geworden. Das haben wir Mönche immer wieder in den vielen Gesprächen mit Menschen, die als Gäste zu uns auf den Klosterberg kommen, herausgehört und wahrgenommen. Und wir haben uns erinnert, dass benediktinische Klöster im Laufe der Geschichte dies auch immer sein wollten. Orte der Verlässlichkeit, der Stabilität, an denen ich mich fest machen kann, die mir Heimat schenken wollen und dir mir so auch den Mut machen, offen und neugierig mit den neuen Herausforderungen meines Lebens und unserer Welt umzugehen.
Und dies war nicht nur für die Mönche so gedacht. Immer hat es in der Geschichte der Klöster auch einen größeren Kreis von Menschen gegeben, die sich in ihrem ganz alltäglichen Leben, in ihrem ganz „normalen“ Christein solch einem Kloster zugehörig fühlten. Traditionell werden sie Oblaten genannt.
Und so gibt es seit zwei Jahren auch in der Abtei Königsmünster wieder eine Oblatengemeinschaft. Vierzehn Frauen und Männer, zwischen 31 und 81 Jahren, evangelischer wie katholischer Konfession sind es, die sich auf den Weg gemacht haben und die in all dem Auf und Ab ihres Lebens für sich auf dem Klosterberg in Meschede solch einen spirituellen Ort gefunden haben, an dem sie immer wieder andocken können. Immer wieder kommen sie während des Jahres als Gast oder auch in der Gruppe der Oblaten zu uns, um „aufzutanken“ und um neue Impulse für ihr Leben als Christ in unserer Zeit zu bekommen. Dazu werden sie von den Mönchen in der Gruppe als auch in Einzelgesprächen begleitet. Aber auch der Austausch in der Gruppe wird von vielen als hilfreich erlebt – gerade in einer Zeit, in der der Glaube und das eigene Christsein eher ein Tabuthema sind. So ist bei den Treffen immer wieder ganz viel Interesse füreinander zu spüren: „Wie lebst du denn deinen Glauben im Alltag?“ Aber auch: „Welche Hilfen und Impulse kann mir denn diese alte Mönchsregel des Benedikt von Nursia oder auch die Hl. Schrift für mein Leben geben?“
Ich nehme am Ende unserer Treffen mit den Oblaten immer wieder ein Gefühl der Sicherheit wahr, wenn ich sage: „Und wenn in der Zeit bis zu unserem nächsten Treffen etwas ist und ihr reden wollt. Meldet euch: Wir sind da!“
Das wollte Benedikt in der Zeit der Völkerwanderung vor über 1500 Jahren mit seiner Klostergründung sein: ein Ort der Stabilität und Verlässlichkeit, an dem ich mich mit meinen Fragen nach Sinn und Leben, ja nach Gott, aufgehoben weiß.
Und das wollen auch wir heute als Benediktinerkloster sein: für unsere Oblatengemeinschaft, für die vielen Menschen und Gäste die zu uns kommen: ein Ort, an dem etwas vom Namen Gottes aufleuchtet, den er dem Moses im Dornbusch offenbart hat: „Ich bin der Ich-bin-da!“
Kontakt
P. Jonas Wiemann OSB
Abtei Königsmünster
Klosterberg 11
59872 Meschede
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