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Impulse
aus der Abtei
In geprägten Zeiten (Fastenzeit, Osterzeit, Advents- und Weihnachtszeit) bieten wir Ihnen auf dieser Seite geistliche Impulse an, die Bezug nehmen auf die Liturgie des Tages.
In der Advents- und Weihnachtszeit 2024/25 (1.12.2024-6.1.2025) möchten wir Ihnen Menschen der Hoffnung vorstellen, um uns auf das Heilige Jahr 2025 vorzubereiten, das Papst Franziskus unter das Leitwort „Pilger der Hoffnung“ gestellt hat.
Menschen der Hoffnung: die Sterndeuter (6.1.2025)
ImpulsBist Du schon einmal einem Stern gefolgt?
Einfach weggehen. Los. Alles hinter sich lassen. Und dem Stern folgen.
Aber so einfach ist das nicht.
Nach den Sternen navigieren kann man fast nur bei Nacht. Zwar eignet sich auch die Sonne, aber dann braucht es einen zweiten Anhaltspunkt. Nur in der Dunkelheit gehen die Sterne auf. Wer sich seinen Dunkelheiten stellt und es aushält, Nachtgedanken zu wagen, der findet auch seine Navigationspunkte.
Neblige Nächte eigenen sich schlecht zum Navigieren. Sterne sind nicht zu sehen oder eben nur verschwommen. Wer loswandert, ohne sich der Klarheit seines Weges, der Kraft seiner Schritte zu vergewissern, der kommt ins Schwanken und findet den Weg nicht. Los auf jedes Risiko verstellt den Weg. Beim Gehen „auf Sicht“ bleibt nichts Anderes als innezuhalten und sich langsam vorzutasten.
Navigation braucht Fixsterne, einen Standstern. Wandelsterne, die jeden Augenblick – wenn auch unbemerkt – den Standpunkt verschieben, eignen sich nicht für Navigationen. Es ist wichtig, Orientierung zu haben, Standpunkte, Menschen, die Halt geben. Auch wenn es sich paradox anfühlt: Um aufzubrechen, um den Weg zu beginnen, braucht es Festigkeit – Fixsterne.
Dann muss man den Horizont anpeilen. Sich der Weite des Herzens öffnen. Obwohl wir den Weg gerne als klare Richtung wissen wollen, müssen wir den Horizont anpeilen.
Der so angenommene Abstand vom Fixstern zum Horizont und die präzise Uhrzeit ermöglichen es, nach den Tabellen der Seekarten, den Standort zu bestimmen. Der ist Bedingung für beherztes Losziehen. Der erste Schritt braucht Selbststand. Das unterscheidet die gezielte Wanderung von einer ziellosen Flucht. Letztere ist das „Einfach nur weg“, ersteres ist der bewusste Aufbruch.
Dann wird nach dem Stern die Himmelsrichtung bestimmt, sozusagen das Kompasszifferblatt auf „Richtung Sehnsucht“ gedreht, und die zitternde Nadel des Herzensmagneten zeigt die Richtung.
Nach den Sternen wird erhobenen Hauptes navigiert.
Gegangen wird auf der Erde. Steine sind zu überspringen, Kurven des Weges sind einzukalkulieren. Der angepeilte Weg ist direkt und kurz, der echte Weg oft lang und mühselig.
Es braucht die Fähigkeit, sich selbst zu verzeihen und Irrwege zu erkennen und dann den Mut, von vorne zu beginnen: Stehenbleiben, einen Fixstern visieren, den Blick in die Weite wagen, die Richtung bestimmen und losgehen mit der Ahnung des Zieles im Herzen.
So ist Leben: Weg. Hoffnung. Stern. Horizont. Und mit der Geburt die Sehnsucht auf Nachhausekommen.
P. Abraham Fischer OSB
Menschen der Hoffnung: die „Trümmerfrauen“ (5.1.2025)
ImpulsBrecht in Jubel aus, ihr Trümmer Jerusalems. (Jes 52,9)
In diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein „Tag der Befreiung“, wie es vor 40 Jahren der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einer Rede betonte. Ein Tag der Befreiung für Deutschland und für die ganze Welt. Befreiung von einem Terrorregime. Der 8. Mai 1945 mahnt uns, darauf zu achten und uns dafür einzusetzen, dass so etwas nie wieder von unserem Land ausgeht – eine Mahnung, die aktueller und dringlicher denn je ist.
1945 lag Deutschland in Trümmern, nicht nur moralisch, sondern auch ganz wörtlich genommen. Trümmerberge, die Überreste der Bombennächte überall. Die Männer waren noch im Krieg oder in Gefangenschaft. Bis sie zurückkehrten – wenn überhaupt – sollte es noch dauern.
Es war die Stunde der Frauen. Die sog. „Trümmerfrauen“ zogen in vielen Städten Deutschlands aus, um die Straßen und Plätze von den Trümmern zu befreien, um aufzuräumen. Eine Knochenarbeit. Erst dann konnte aus den Trümmern Neues wachsen, der Wiederaufbau starten.
Die Trümmerfrauen der späten 1940er Jahre sind für mich Menschen der Hoffnung. Sie haben die Hoffnung auf einen Neuanfang nach der Katastrophe nicht aufgegeben und tatkräftig angepackt, um diese Hoffnung zu verwirklichen. Auch dank der Trümmerfrauen, dieser so engagierten, zupackenden Menschen konnte aus den Trümmern ein neues Land, ein demokratisches Land entstehen.
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: Elisabeth von Thüringen (4.1.2025)
ImpulsHoffnungsstern am Horizont. Die Sterndeuter folgen dem Stern und finden das Kind. Jesus, dieses neugeborene Kind, ist das Licht der Welt. Er wird zum Hoffnungsträger. Die Sterndeuter sehen den Stern und sind von großer Freude erfüllt. Sie spüren, etwas verändert sich. Dieses Kind wird die Welt verändern und prägen. Ist das so? Ja, Jesus wurde und ist für viele Menschen ein Hoffnungsstern, ein Wegweiser, ein Licht in der Dunkelheit. Und viele Menschen folgen Jesus seitdem nach und leben seine Botschaft der Liebe in ihrem Alltag – still und leise – und werden zu Hoffnungssternen.
Ungarns Stern an Thüringens Himmel, so nannte man auch die Landgräfin Elisabeth von Thüringen, eine Königstochter aus Ungarn. Jene Elisabeth mit dem Rosenwunder: „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht.“ Wie ein Stern erstrahlt Elisabeth in den Herzen der Ärmsten von Eisenach, wenn sie mit ihrem Brotkorb die Wartburg herabkommt. Wie ein Stern, der vom Himmel fällt, so muss die junge Landgräfin den Armen in ihrer Dunkelheit vorgekommen sein. Ein Stern, der ihnen in kalter Nacht Wärme bringt. Ein Stern, der ihre traurigen Herzen mit dem Licht der Hoffnung auf bessere Zeiten erfüllt. Elisabeth wird zum Stern der Nächstenliebe. Sie lebte die Worte aus dem Korintherbrief den Menschen vor: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor.; 12-13)
Im Spiegelglanz des Sternenlichtes wird Elisabeth zum heilenden Hoffnungsstern für die Kranken in Marburg. Elisabeths Glaube war ihre Sternstunde. Elisabeths Hoffnung war ihr Sternenstrahlen. Elisabeths Liebe war ihr Herzensstern. Sie wusste, wenn sie mit der Kraft der Nächstenliebe den Menschen die Botschaft des Glaubens Jesu vorlebt, dann beginnt in den Herzen der Menschen die Hoffnung auf Gottes Liebe aufzustrahlen. Denn: „Dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut. Dann wohnt er schon in unserer Welt.“ Ungarns Stern an Thüringens Himmel, auch heute brauchen wir solche Hoffnungsträgerinnen wie Elisabeth, die die Liebe des HERRN leben und für die Menschen dieser Zeit erlebbar machen. Wenige Worte sind von der hl. Elisabeth überliefert, aber einer ihre Sätze drückt all ihre Hoffnung ihres tiefen Glaubens und ihrer weiten Liebe aus. Vielleicht kann dieser Satz für uns im neuen Jahr 2025 zum Hoffnungswort werden:
„Seht, ich habe es euch doch gesagt. Wir sollen die Menschen froh machen!“
Br. Benedikt Müller OSB
Menschen der Hoffnung: Ruth (3.1.2025)
Impuls„Wohin du gehst, dahin gehe gehe auch ich, wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“
(Rut 1,1,16b)
Ruth.
Eine Frau voller Mut.
Mut zum Aufbruch.
Mut zu einer ungewissen Zukunft.
Ihre Schwiegermutter will sie nicht allein lassen.
Lebt als Fremde und Heidin in Betlehem.
Ganz am Rande.
Doch sie wird aktiv.
Sorgt für die Nahrung ihrer Schwiegermutter.
Und erfährt dabei selber Unterstützung und neues Leben.
Sie findet Aufnahme.
Sie findet neue Gemeinschaft und Ehe.
Sie gebiert ihren Sohn, schafft damit auch Zukunft für Noomi.
Menschen mit Mut und oft voller Verzweiflung
erleben wir auch heute in Flüchtlingen und Migranten.
Oft sind vor allem Kinder und Frauen die am meisten Leid-Tragenden.
Finden sie bei uns Aufnahme wie Rut?
Finden sie bei uns Menschen wie Boas, die sich für sie einsetzen?
Finden sie bei uns mit ihrer so verschiedenen Kultur Gemeinschaft und Zusammenhalt?
Das wonach sie sich so sehr sehnen?
Es bleibt die Frage an uns:
Bieten wir ihnen diese?
Sehen wir überhaupt die Not – und unsere Möglichkeiten?
„Wie habe ich verdient, dass du mich so sehr beachtest,
da ich doch eine Fremde bin,“
fragt Rut den Boas.
Er könnte antworten, wir könnten antworten
mit Worten aus dem Buch Levitikus:
„Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,34)
Motivation auch für uns zum Handeln?
Richtschnur bis hin zur Wahl am 23. Februar?
Und unsere eigene Motivation zum Aufbruch,
zum Wagnis,
zum Mut?
Unsere Motivation zur Beziehung,
zur Verlässlichkeit,
zum Bleiben?
Rut lässt uns fragen …
P. Guido Hügen OSB
Bild: Misereor-Hungertuch von 1990
Menschen der Hoffnung: Basilius und Gregor (2.1.2025)
ImpulsDie Kirche gedenkt heute der beiden Heiligen Basilius des Großen und Gregors von Nazianz. Sie werden nicht nur als Bischöfe und Kirchenlehrer verehrt, sondern auch wegen ihrer Freundschaft. Jeder Mensch braucht Freunde im Leben, auf die er sich verlassen kann. Wer einen Freund hat, der ist ein Mensch der Hoffnung, der kann anderen Hoffnung weitergeben.
Auch Jesus möchte unser Freund sein. Im Johannesevangelium spricht er es deutlich aus: „Ihr seid meine Freunde!“ Menschliche Freundschaften können ein Spiegelbild der Freundschaft mit Jesus sein.
Nehmen wir den Gedenktag der beiden Freunde Basilius und Gregor zum Anlass, auf unsere Freundschaften zu schauen. Vielleicht ist es mal wieder an der Zeit, einem lieben Menschen ein Freundschaftszeichen zu senden: eine Nachricht, ein Telefonat, ein kurzes Gebet, …
Denn Freundschaften brauchen Zeit und wollen gepflegt werden.
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: Alltägliche Hoffnungsmenschen (1.1.2025)
ImpulsAm Beginn dieses neuen Jahres möchte ich den Blick auf Menschen des Alltags richten, die uns vielleicht in diesem Jahr zu Hoffnungsmenschen werden können. Das sind in der Regel nicht die bekannten Stars aus Film und Fernsehen und auch nicht die offiziellen Heiligen der Kirche, sondern Menschen, die ihren Alltag treu leben und damit ein Hoffnungslicht in unserer Welt sind.
Die Krankenschwester, die Tag für Tag ihren Dienst für kranke und sterbende Menschen tut.
Der Busfahrer, der täglich Menschen sicher an ihr Ziel bringt und oft Anfeindungen ausgesetzt ist.
Die Nachbarin, die selbstverständlich das Paket für mich annimmt.
Jede und jeder von uns kennt wohl solche alltäglichen Hoffnungsmenschen, die das Leben reicher machen. Und auch ich bin eingeladen, für andere zu solch einem Hoffnungsmenschen zu werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein hoffnungsvolles neues Jahr 2025!
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: Simeon und Hanna (31.12.2024)
ImpulsIch muss zugeben, ich warte nicht gerne, egal ob im Wartezimmer beim Arzt, oder auf einem zügig kalten Bahnsteig im Nirgendwo.
Sicher, die Warte-Geschichte ergibt später eine gute Anekdote, aber ein tiefer Gewinn, der vielleicht im Warten stecken könnte, stellt sich bei mir nicht so richtig ein.
Ein Leben lang auf den entscheidenden Moment zu warten, wie es Hanna und Simeon getan haben, ist umso faszinierender für mich.
Die beiden alten Propheten, erleben in ihrer Begegnung mit Jesus, als seine Eltern mit ihm das erste Mal den Tempel besuchen, das Ziel ihres Lebens.
„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das Heil gesehen“. So stimmt Simeon daraufhin feierlich an.
Aber es ist ja nicht nur ihr Warten, das beindruckt, sondern auch, dass sie die Heilige Familie freundlich, freudig erwarten. Kein mürrischer strenger Blick vom Tempelpersonal, oder steinerne Angst, dass mit diesem Moment die alte Ordnung Vergangenheit sein wird. Sondern einfach nur Herzlichkeit. Sie haben es sicher damit Josef und Maria leichter gemacht, an so einem besonderen Tag für eine jüdische Familie.
Vielleicht liegt ein Sinn im Warten ja darin, um so freudiger das lang Erwartete zu begrüßen, wenn es dann endlich mal kommt.
In diesem Sinne einen guten Rutsch nach 2025!
Br. Balthasar Hartmann OSB
Menschen der Hoffnung: Dietrich Bonhoeffer (30.12.2024)
ImpulsWenn in den Weihnachtsansprachen und Predigten dieser Tage von der Hoffnung in aller Hoffnungslosigkeit die Rede ist, dann fällt mir dazu tatsächlich die Person Dietrich Bonhoeffers ein. Wie wenige andere verkörpert er für mich die Würde und Geradlinigkeit des Menschen. Ich kann diese Stärke nur in der christlichen Ausrichtung Dietrich Bonhoeffers begründet sehen. Es gibt eine Hoffnung über den Tod hinaus. Es gibt die Hoffnung des Neugeborenen, die Geschichten von Gewalt und Gegengewalt zu überschreiben. Es gibt die Hoffnung, dass alles an ein gutes Ende gelangen wird.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Menschen der Hoffnung: Joseph (29.12.2024)
ImpulsSchon seit meinen frühen Kindertagen wusste ich durch meine weltneugierige Beobachtung: Wenn man aus Holz etwas werken will, dann braucht man viel Werkzeug, sogar einen Bleistift. Mein Vater hatte in seiner Kellerwerkstatt in unserem Haus immer einen großen Bleistift liegen. Er zeichnete damit die Maße auf das Holz auf, zog Linien für das Aussägen, markierte Stellen auf dem Holz, wo geschraubt werden musste. Mein Vater hat viel gewerkt und uns Kindern großartige Weihnachtsgeschenke gebaut. Ob nun einen Bauernhof oder, wie ich mich erinnere, an Weihnachten sogar einen ganzen Kaufmannsladen. Und er hat mir für meine Krippenfiguren, die ich von meiner Großmutter bekam, den Stall von Bethlehem gebaut. Und da bin ich schon bei Joseph von Nazareth. Genau: Der Joseph aus der Weihnachtsgeschichte.
Welche Werkzeuge hatte er wohl in seiner Werkstatt? Keine Ahnung. Und überhaupt, wir wissen gar nicht viel über ihn. Still werkt er im Hintergrund der Geschichte rum. Was wir aber wissen: Er lässt die schwangere Maria nicht sitzen, obwohl er den Steg der Liebe hätte durchsägen können. Er nimmt das Kind, das nicht von ihm ist, an. Er hätte auch die Tür zunageln können. Obwohl vielleicht seine Ohren durch die Geräusche des Hämmerns gefüllt waren, hörte er auf die sanfte Stimme des Engels im Traum. Obwohl er auf einem Bau in Bethlehem sicher hätte gutes Geld verdienen können, riskierte er alles und flüchtet mit Maria und dem Kind vor der Todesgefahr durch König Herodes nach Ägypten. Obwohl er in Israel seine eigene Firma hätte haben können, lebte er nun als Flüchtling im Ausland. Und warum? Aus Liebe!
Somit ist der heilige Joseph ein Gerechter und ein aufrichtiger Kerl mit dem Herz am rechten Fleck. Vielleicht ist das ja auch typisch für einen Handwerker. Bleibt für mich noch die Frage: Hatte der heilige Joseph, wie mein Vater, auch einen Bleistift? Wenn nicht, irgendwas muss er aber zum Vorzeichnen gehabt haben. Was mag er gezeichnet haben? Den Weg von Nazareth nach Bethlehem? Hat er sich mit seinem Bleistift in die Steuerliste des Kaisers Augustus eingetragen? Hat er mit dem Bleistift Spielzeug für den kleinen Jesus vorgezeichnet und dann in Ägypten gebaut?
Joseph hatte seine Werkzeuge sicherlich fest in der Hand. Und so konnten Maria und Jesus sich in seinen Händen geborgen, behütet und beschützt wissen. Joseph wird zum treuen Werkzeug Gottes und baute so an Gottes großem Plan mit. Werkzeug Gottes sein ist ein schönes Bild für Christsein. Wir alle sind dazu berufen, an Gottes Reich mitzubauen. Unser Werkzeug: Die Liebe. Möge der heilige Joseph uns ein Vorbild als Werkzeug der Liebe Gottes sein. Hl. Joseph – bitte für uns.
Br. Benedikt Müller OSB
Bild: StockSnap / Pixabay
Menschen der Hoffnung: Unschuldige Kinder (28.12.2024)
Impuls„ …und er sandte aus
und ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung
alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten,
genau der Zeit entsprechend,
die er von den Sterndeutern erfahren hatte.“
(Mt 2,16)
„Unschuldige Kinder“
ist dieser Tag überschrieben.
Mord
ist wohl treffender.
Ein König lässt Kinder ermorden,
um seine Macht und seinen Einfluss zu sichern.
Niemand neben ihm soll es geben.
Kinder sind bis heute
die unschuldigsten Opfer
von Krieg, Terror und Gewalt.
Ob absichtlich oder nicht –
sie müssen sterben,
damit andere ihre Macht sichern,
ihren Einfluss erweitern,
ihre Ideen und Ideologien durchsetzen,
…
…
Und wir?
Wie viele Kinder
sterben Jahr für Jahr,
hungern, leiden, sind krank,
damit wir unseren Wohlstand sichern,
unser Leben genießen?
P. Guido Hügen OSB
Menschen der Hoffnung: Johannes (27.12.2024)
ImpulsWas macht den Apostel Johannes, dem wir nach der frühkirchlichen Kirche das 4. Evangelium verdanken, zu einer Gestalt der Hoffnung?
Hat das mit seinem leidenschaftlichen Temperament zu tun? Schließlich wurden er und sein Bruder Jakobus „Donnersöhne“ genannt. Er neigte zu radikalen Lösungen: Als Jesus und seine Jünger in einem ungastlichen Dorf auf Ablehnung stießen, reagierte Johannes ziemlich rabiat: „Sollen wir ein vernichtendes Feuer von oben auf das Dorf herabfallen lassen?“ Ob er das tatsächlich ernsthaft wollte oder nur seinem Ärger Luft machen wollte, weiß ich nicht. Aber offensichtlich hatte er Jesus und seine Botschaft noch nicht richtig verstanden.
Aber wie auch immer, er wurde von Jesus mit auf den Berg genommen, auf dem dieser unfassbar ganz vom Licht erfüllt wurde. Er gehörte zu den drei Jüngern, die Jesus gebeten hatte, ihn nach dem Abendmahl in den Ölgarten zu begleiten und in seiner tiefsten Not, seinem inneren Ringen, wach und teilnahmevoll anwesend zu sein. Er gehörte zwar zum engeren Apostelkreis, aber war auch kein Überapostel. Und trotz seiner menschlichen Schwächen hat er die Hoffnung nicht aufgegeben. Diese war zeitweise nach dem Tod Jesu von der Angst und Traurigkeit überspült worden, konnte aber wieder aufgeweckt werden. Er schenkte der Botschaft Vertrauen, dass Jesus auferweckt worden war, und gehörte zu jenen, denen der Auferstandene erschienen ist. Er war Zeuge geworden und bezeugte die auferstandene Wahrheit. Er hat die Hoffnung nicht selbst erzeugt, sondern sich überzeugen lassen, dass der Gekreuzigte lebte.
Johannes ist eine Gestalt jener Hoffnung, die auch zuletzt nicht stirbt. Er hatte Jesus sein Vertrauen geschenkt, und das, was er an ihm wahrgenommen hatte, ging so tief in seine Seele ein, dass auch in der Stunde der Enttäuschung noch die verschüttete Bereitschaft lebte, seiner ursprünglichen Hoffnung treu zu bleiben und sie auferstehen zu lassen.
Die heutige Lesung aus dem 1. Johannesbrief macht deutlich, was das Fundament des christlichen Glaubens ist:
„Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit eigenen Augen gesehen und was unsere Hände angefasst haben vom Wort des Labens, das verkünden wir auch euch, damit ihr Gemeinschaft mit uns habt.“
P. Johannes Sauerwald OSB
Menschen der Hoffnung: Stephanus (26.12.2024)
ImpulsVielleicht kennen Sie das: Sie stehen an einem Strand und blicken auf die Weite des Horizontes, keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Das Auge findet keinen Halt. Alles scheint Weite zu sein. Der Himmel erhebt sich, das Meer erstreckt sich.
Genauso kann man auf einem Berggipfel fühlen. Der Blick schweift in die Weite und es scheint keine Grenzen zu geben. Ein Gefühl von Unbegrenztheit. Die Details unten im Tal lösen sich auf und wir fühlen uns fern der Welt in einer anderen Dimension. Das Leben erscheint offen und frei.
„Und er sah den Himmel offen.“
Das ist ein starkes Wort über den heutigen Heiligen. Bedenken wir aber auch den Zusammenhang, in den dieses Wort gestellt ist:
Stephanus ist einer der Diakone der jungen Kirche. Die Apostel erkennen, dass das Werk Jesu wächst und dass sie Aufgaben mit anderen Berufenen teilen müssen. Und so wählen sie Menschen aus, die das vermögen und „geistesgegenwärtig“ sind: „Voll Gnade und Kraft“ – wie es in der Apostelgeschichte heißt. Das Werk Jesu bekommt also eine Zukunft, denn die Zahl der Getauften wächst und daher vertrauen die Apostel ihre Sendung weiteren Gemeindemitgliedern an. Das sind den Bibeltexten zufolge übrigens Männer und Frauen. Daher ist es gut, dass die Kirche in heutiger Zeit immer wieder den Ruf zu hören bekommt, dass es Diakoninnen gegeben hat und auch heute wieder geben könnte.
Die frühen Christen haben – wie wir heute auch – um die Zukunft der Kirche gerungen und sie haben sich verändert und neuen Situationen angepasst. Dabei ging es darum, wie man die Menschen erreichen kann und wie die Botschaft auf fruchtbare Herzensböden fallen kann. Mit der Aussendung geistesbegabter Menschen oder wie wir das heute nennen – mit der Weihe der Diakonen und Diakoninnen – entwickelt das Christentum seine Wirkung über die Grenzen Palästinas hinaus.
Obwohl diese Fragen in der Kirche diskutiert werden, gehe ich davon aus, dass wir alle die Weihe von Frauen nicht mehr erleben werden. Aber muss uns das hindern, dass das System Kirche zur Entwicklung mehr als Generationen braucht?
Es bleibt eine Herausforderung, auf einem Berg in die Weite zu sehen und alle Details einmal zu vernachlässigen und nur die Weite und Größe, die Gnade und Freude des Gottesreiches zu sehen.
Stephanus war anscheinend jemand, der weiter blicken konnte. Er sah den Himmel offen. Was kann das bedeuten? Er blickte über die Beschränkungen der frühen Kirche hinaus und entwickelte das Christentum weiter. Nicht umsonst ist seine Geschichte und sogar sein Schicksal mit der des Saulus von Tarsos verknüpft. Der war zur Lebenszeit des Stephanus ein echter jüdischer Reaktionär, der neue Gedanken und andersdenkende Menschen verfolgte. Eines der Opfer seiner und anderer Eiferer der Gewalt war Stephanus.
Es hat wenig Zweck, über die Zustände um uns herum fortwährend nur zu klagen. Zielführender wäre es, wenn wir ändern, was wir selbst zu ändern vermögen. Stellen wir uns also die Frage, wo wir eng und ängstlich reagieren, wo wir Neues nicht sehen können oder wollen, wo wir anstehende Veränderungen verdrängen oder gar andere anfeinden, die genau das zulassen. Als endliche und sterbliche Menschen haben wir schnell die Tendenz, Veränderungen zu meiden, weil wir uns zu Recht nach Sicherheit und Geborgenheit sehnen. Aber manchmal kommt der Augenblick, in dem uns klar werden kann, dass es schmerzhafter ist, in der Knospe zu bleiben als das Blühen zu wagen.
Das scheint ja das Umfeld des Stephanus gegen ihn am meisten aufgebracht zu haben, dass er anstehende Veränderungen erkannte und es auch wagte, sie zu äußern und zu leben. Er ist ein visionärer Mensch, der nicht im Klein-Klein der Wirklichkeit und des Alltags aufgeht, sondern er ist einer, der den Himmel offen sieht. In unserer Sprache scheint er ein Optimist zu sein, einer, der auf das Gute sieht und aus diesem Blick der Liebe auch das Endliche bewältigen und annehmen kann.
Für Stephanus wird diese Haltung ernst und auch in der letzten Herausforderung bleibt er sich treu: Im Tode blickt er durch die Schmerzen der schrecklichen Hinrichtung hindurch und sieht, was er immer gesehen hat: Der Himmel ist offen und wir sind dort erwartet. Wenn er für seine Feinde betet, dann zitiert er nicht nur die Worte Jesu am Kreuz, sondern er macht ernst mit seiner Lebenshaltung.
Darin kann der heilige Diakon uns und auch unserer derzeit so endlichen Kirche ein Vorbild sein. Er öffnet sich auch inmitten aller Vergänglichkeit dem Ewigen. Er ist nicht etwa ein blauäugiger Optimist, den man verlachen könnte. Er macht ernst mit seiner Haltung. Die Juden, die das Alte bewahren wollten, die die Steine auf ihn warfen, sie sind vergessen. Der Heilige ist noch heute Erzähler und Zeuge des Himmels.
P. Abraham Fischer OSB
Menschen der Hoffnung: Jesus (25.12.2024)
Impuls„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So steht es in der Präambel unseres Grundgesetzes. Der Diakon und Künstler Ralf Knoblauch hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Satz von der unantastbaren Würde jedes Menschen gleich welcher Herkunft, Religion, sexueller Orientierung im Bewusstsein einer Gesellschaft zu halten, die diesen Satz oft zu vergessen scheint. Mit seinen kleinen Königinnen und Königen macht er auf die königliche Würde jedes Menschen aufmerksam.
Weihnachten ist der tiefste Grund für diese Königswürde. Denn hier ist Gott selbst ein Mensch geworden. Er hat unsere so schwache, gefährdete, zerbrechliche Natur angenommen, um uns zu erlösen, zu retten. Genau das bedeutet der Name Jesus: Gott rettet. Gott rettet – und er stellt unsere unantastbare Königswürde wieder her, gerade da, wo sie mit Füßen getreten wird. Das ist die Hoffnungsbotschaft von Weihnachten. Wir sind Königinnen und Könige, ganz egal, was andere behaupten.
Ich wünsche Ihnen an diesem Weihnachtsfest, dass Sie sich immer neu Ihrer königlichen Würde bewusst werden – und dass wir uns sanft daran erinnern mögen, wenn wir im Getriebe des Alltags selbst nicht mehr daran glauben können.
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: die Hirten (24.12.2024)
ImpulsIn dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
(aus Lk 2,1-14)
Vor einigen Tagen konnte man im Bayerischen Rundfunk einen Beitrag sehen, wie ein Kamerateam eine Hirtin dabei begleitet, wie sie ihre Schafherde im Münchner Umland in das Winterquartier treibt. Stolz erzählt sie, dass sie sich keinen anderen Beruf vorstellen könnte und ihre Familie schon viele Generationen Schäfer seien.
Die Welt, durch die sie ihre Herde trieb, war bezeichnend. Es ging durch sonntäglich leere Gewerbegebiete an einem McDonald‘s vorbei, über Autobahnbrücken, bis zum Zielort bei Fröttmaning, wo einst ihre Familie im gleichnamigen Dorf einen Hof hatte. Doch von diesem Dorf steht nur noch eine kleine Kirche. Der Rest musste im letzten Jahrhundert einer immer grösser werdenden Mülldeponie weichen. Mittlerweile ist auch die Deponie wieder verschwunden, alles ist vorbildlich renaturiert. Fröttmaning kennt heute jeder in München als Haltestation der U6, und auch jeder Fußballfan. Denn ein paar Kilometer hinter der kleinen Dorfkirche ragt eine“ neue Kirche“ wie ein großes Luftkissen aus der Landschaft hervor, die „Allianz Arena“.
Hirten gehören zu einem der ältesten Berufe der Menschheit, und auf wundersame Weise hat es dieser Beruf in die Moderne geschafft.
Hirten erzählen uns davon, wie wir Menschen einst als Nomaden umherzogen und dann langsam sesshaft wurden.
Die Geschichte von Kain und Abel berichtet eigentlich davon, welche Konflikte zwischen nicht sesshaften Menschen (Hirten) und sesshaften Menschen (Ackerbau) damals entstanden. Die einen legen ein Feld an, auf dem etwas sprießt und wachsen soll. Und Ziegen oder Schafe entscheiden sich natürlich auf ihrer Suche nach Futter für die die neue leckere Überraschung, wenn es sonst immer nur trockenes Gras gibt.
So war Streit vorprogrammiert und fand sogar einen prominenten Platz in der Heiligen Schrift.
König David war ein Hirte, Moses arbeitet als Hirte, als ihm Gott im brennenden Dornbusch erschien, Jesus ist bekannt als der gute Hirte.
Wir verstehen heute immer noch viele der manchmal archaischen Bilder der Bibel, vieles ist vertraut, und dennoch können wir dabei auch immer wieder Neues, Überraschendes entdecken.
So frage ich mich z.B., ob der Evangelist Lukas ein wenig dabei schmunzelte, als er das Weihnachtsevangelium schrieb. Denn er hat darin einen politischen Witz versteckt. Es ist bezeichnend, dass der Engel Hirten erscheint. Aber eben echten Hirten, deren Ruf nicht der beste war. Die frohe Botschaft wird nicht Kaiser Augustus verkündet, der sich selbst gerne als Hirten der römischen Völker sah. Der Engel hat den „großen Hirten“ bewusst übergangen und landet bei einer kümmerlichen Schar auf dem nächtlichen Feld.
Und hier sind wir auch schon bei der Kehrseite der Medaille. Der Hirte ist ein großes archetypisches Bild, aber der gesellschaftliche Stand von Hirten selbst war nie sonderlich gut, und hinter dem romantischen Bild liegt ein Beruf, der harte Arbeit ist.
Auch unsere Hirtin berichtet davon, wie ihre Arbeit nicht in eine 35-Stunden-Woche passt. Aber aus ihrem Gesicht spricht dabei eine Zufriedenheit, und es ist beruhigend zu sehen, wie sie ihre Herde durch alle Unwägbarkeiten unserer Zeit sicher geleitet. Ein wenig scheint es fast so, dass immer noch ein kleiner Glanz von dem „Fürchtet euch nicht“, das ihre Vorgänger damals in der Heiligen Nacht hörten, bei ihr zu sehen ist.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Bilder der Hoffnung: O IMMANUEL (23.12.2024)
ImpulsO Immanuel,
unser König und Lehrer,
du Hoffnung und Heiland der Völker:
o komm, eile und schaffe uns Hilfe,
du unser Herr und unser Gott!
Aus der O-Antiphon „O Immanuel“ möchte ich den Vers „Komm, eile und schaffe uns Hilfe, du unser Herr und unser Gott“ hervorholen. Ist doch durch die Tragödie beim Weihnachtsmarkt in Magdeburg oft nur noch ein Schrei nach Hilfe möglich. Komm, eile und schaffe uns Hilfe, Gott, der uns im Psalm 23 zusagt: „Und muss ich auch wandern in finsterer Schlucht… du bist ja bei mir.“
Vieles verstehe ich nicht. Viele Fragen bleiben offen. Viel Leid muss ertragen werden, obwohl es manchmal unerträglich wirkt. Auch wenn ich Gott nicht verstehe, so glaube ich an seine Gegenwart trotz aller Gewalt in der Welt. Das gibt meinem Leben Hoffnung – in der Erwartung auf das Kind in der Krippe, das am Kreuz stirbt und dennoch aufersteht.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Bilder der Hoffnung: O KÖNIG DER VÖLKER (22.12.2024)
ImpulsO König der Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht,
Schlussstein, der den Bau zusammenhält:
o komm und errette den Menschen,
den du aus Erde gebildet!
Die heutige O-Antiphon ist zutiefst verbunden mit unserer Gemeinschaft von Königsmünster. Unsere Kirche wie auch unser Kloster sind Christus, dem König geweiht. Er übt sein Königtum jedoch ganz anders aus als die Könige und Herrscher dieser Welt.
Ein Leitsatz vieler Herrscher lautet „Divide et impera! – Teile und herrsche!“ Also: Schaffe in deinem Reich möglichst viele Untergruppen mit gegensätzlichen Interessen. Und schau dabei zu, wie sie ihre Interessen gegeneinander ausspielen. So kannst du in Ruhe herrschen.
Ganz anders Jesus Christus. Er ist der „Schlussstein, der den Bau zusammenhält“. Zusammenhalt, nicht Spaltung ist seine Maxime. Die Vielfalt nicht gegeneinander ausspielen, sondern das Beste von jedem Menschen zum Aufbau des Ganzen nehmen. Solche Versöhner brauchen wir heute dringender denn je.
Ja, komm, du Friedenskönig, und rette den Menschen und die Welt!
P. Maurus Runge OSB
Bilder der Hoffnung: O MORGENSTERN (21.12.2024)
ImpulsMorgenstern
Dein Glanz rührt unser Warten an
Nährst Hoffnung auf Morgen
Vor-Bote des Neuen
Aber Du gehst unter, wenn das Licht erscheint
Einsam stehend in Dunkelheit
lässt Nachtlichter – die Irrenden – zurück
Silberner Schein – Nacht verblasst
Doch Du gehst unter, wenn das Licht erscheint
Wandelnd zwischen den Zeiten
Dein Aufgang in den Herzen
Hoffnung inmitten der Nachtgedanken
Und Du gehst unter, wenn das Licht erscheint
Du leuchtest uns heimwärts
Treuer Begleiter auf die andere Seite
Du gehst hinüber, wenn das Licht erscheint
In uns verinnert sich Abglanz
Morgenstern – Licht des aufgehenden Lichtes
P. Abraham Fischer OSB
Bilder der Hoffnung: O SCHLÜSSEL DAVIDS (20.12.2024)
ImpulsO Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel – du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und niemand vermag zu öffnen: Komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes. (O-Antiphon vom 20.12.)
Ich bin ein Nachtmensch und sitze oft abends noch lange am Schreibtisch. Da ist es schon einige Male passiert, dass durch das offene Fenster eine leise Stimme zu hören ist oder das Handy klingelt: „Du, Guido, ich habe meine Schlüssel vergessen. Kannst du mich bitte reinlassen?“
Daran erinnert mich die O-Antiphon des heutigen Tages.
Wem kann ich Türen öffnen,
helfen, einen Eingang zu finden?
Wo fehlt mir denn der Schlüssel,
um bestimmte Türen zu öffnen?
Weiß ich um die Türen –
und weiß ich, wo der Schlüssel ist?
In der O-Antiphon sind Schlüssel und Zepter genannt,
Symbole der Macht.
Wenn ich sie nicht nur auf Gott und Jesus beziehe:
wo steckt bei uns die Macht,
anderen Türen verschlossen zu halten?
Wer hat die Macht, bestimmte Schlüssel zu haben
– nicht nur im Kloster?
Im Café PAN, mitten in Meschede,
sind sehr viele Schlüssel verteilt an Jugendliche, die sich dort treffen.
Wäre das nicht ein Beispiel für unsere Gemeinden, unsere Kirche?
Nicht nur im ganz realen Sinn.
Auch im übertragenen Sinn.
Vielleicht würden dann ja manche Kerker und Fesseln,
die wir heute (noch) erleben, sich lösen.
Könnte nicht Kirche neu lebendig werden,
gestaltet von Vielen?
Was ist denn, wenn wir ganz neu darauf vertrauen,
dass Gott uns die richtigen Schlüssel gibt.
Jedem.
P. Guido Hügen OSB
Bilder der Hoffnung: O WURZEL JESSE (19.12.2024)
Impuls„Heimat ist ein Raum aus Zeit“ lautet der Titel des letzten Films des in diesem Jahr viel zu früh verstorbenen Dokumentarfilmers Thomas Heise. Heise erzählt anhand von Briefen und Dokumenten die Geschichte seiner Familie, von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart. Und das in Bildern, die herausfordernd sind. Dabei entstand ein Wurzelgeflecht aus eigener Geschichte, die gleichzeitig auch unsere kollektive Geschichte ist. Heise war auch besonders ein Chronist davon, was passiert, wenn Menschen ihren Halt, ihre Wurzeln verlieren. In seinen Filmen aus den 1990er Jahren begleitete er Jugendliche in Ostdeutschland dabei, wie sie die Wende und das neu vereinte Deutschland erleben und danach ringen, ihre Identität zu finden. Was geschieht mit Menschen, wenn eine vertraute Welt verschwindet, und es schwer ist, sich in der neuen Welt zu verwurzeln? Viele glitten dabei in Gewalt oder Radikalismus ab. Und die Spuren dieser Erfahrungen sind ja bis heute besonders in den neuen Ländern sichtbar.
O Spross aus Isais Wurzel,
gesetzt zum Zeichen für die Völker –
vor dir verstummen die Herrscher der Erde,
dich flehen an die Völker:
o komm und errette uns,
erhebe dich, säume nicht länger!
Die O-Antiphon, die wir heute in der Vesper singen, erzählt uns davon, wie etwas staunenswert Neues aus einem Wurzelraum erwächst. Das vollkommene Gegenteil von einer Entwurzelung. Eine aufkeimende Hoffnung. In diesem Fall die Erfüllung der Prophezeiung der Ankunft des Messias. Das hat etwas Tröstendes, besonders in Zeiten von Unsicherheit und Wandel, denn der Schimmer einer friedvollen Welt sprießt genau aus der Unsicherheit hervor.
Diese O-Antiphon kann aber auch gleichzeitig Anlass dafür sein, uns einmal selbst zu fragen, wo wir uns genau verwurzeln und was uns dabei Heimat gibt, aber auch, wo wir unseren Halt verloren haben, unsere Wurzeln gekappt wurden und nichts mehr aufkeimen konnte.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Bilder der Hoffnung: O ADONAI (18.12.2024)
ImpulsO Adonai
Herr und Führer des Hauses Israel –
im flammenden Dornbusch bist du dem Mose erschienen
und hast ihm auf dem Berge das Gesetz gegeben:
O Komm, und befreie uns mit deinem starken Arme!
„Mein Gott nochmal,
glaub ja nicht, wir würden Dich darum bitten, mit deinem starken Arm dazwischenzuhauen. Das wäre ein Alptraum.
Du hast etwas ganz anderes zu bieten:
Du kannst mit Deiner Art, bei den Menschen zu sein, die Machtgier in uns zum Schweigen bringen, du kannst den Mose in der Wüste neugierig machen und so stark zum Staunen bringen, dass er sich in den Staub knieen muss. Du vertraust dem Volk Israel deinen unbegreiflichen Namen an, so dass es davon nicht loskommt, dich als den ‚Gott für uns‘ anzurufen, auch wenn manchmal im Chaos und der Leere nur ein Fünkchen Hoffnung übrig geblieben ist.
O Adonai, befreie uns von Hass und Großmannssucht, Angst und falschen Führern.“
„Tue ich doch. Ihr habt euch auf das Jesuskind in der Krippe eingelassen, das feiert ihr doch Weihnachten, nicht wahr!“
„Stimmt,“ sage ich ganz leise.
„Einer von Euch hat das besonders gut in die Worte gefasst: ‚Das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen‘. Sucht mal nach, wo es steht.“
„Danke, aber es lesen reicht wohl nicht.“
„Ich bin ja auch noch da.“
P. Johannes Sauerwald OSB (frei nach Annette Jantzen)
Bilder der Hoffnung: Die O-Antiphonen – O WEISHEIT (17.12.2024)
ImpulsDie Advents- und Weihnachtszeiten meiner Kindertage haben mich sehr geprägt und sicherlich fürs Leben stark gemacht. Als Kind war das schönste an HEILIGABEND der geschmückte Tannenbaum. Mit leuchtenden Augen stand ich kleiner Bub davor und wir sangen Weihnachtslieder. Festlich sah alles aus. Mein treuherziger Papa hat den Baum immer geschmückt – jedes Jahr bis zu seinem Tode. Ebenso festlich erschien mir an diesem Abend die Krippe mit ihren Holzfiguren des bayrischen Herrgottsschnitzers. Gott sei Dank durfte ich in einem Elternhaus aufwachsen, in dem Bildung ein wesentliches Gut der Erziehung meiner Eltern war. Sie haben meine Geschwister und mich spielend gebildet, sodass wir unsere Talente entdecken und unsere Stärken entwickeln konnten. Und so war es nur logisch, dass das Christkind auch jedes Jahr wunderbare Bücher brachte. Oh, was habe ich sie geliebt, die Bücher der Kindheit: Von den ersten Bilderbüchern über „Pippi Langstrumpf“ und „Michel aus Lönneberga“ oder „Grimms Märchen“ und „Urmel aus dem Eis“ bis zu Büchern von Janosch und den „Drei???“. Viele von ihnen habe ich bei meinem Eintritt mit ins Kloster genommen. Aus den Büchern meiner Kindertage konnte ich, neben dem freien Spielen, all mein Wissen ziehen. Meine Phantasiewelt wurde ausgebildet. Meine Gefühle konnte ich auf Geschichten projizieren und habe oft gefühlvoll mit meinen Kinderbuchhelden mitgelitten. Ich erinnere mich, dass ich meine religiöse Bildung durch meine erste Kinderbibel von Anne de Vries erlernt habe. Was habe ich viel in dieser Bibel gelesen und mich in die Geschichten hineinversetzt, so dass sie in mir lebendig wurden. Diese Kinderbibel ist sicher ein Grundstein meines Glaubens. Ich habe mich in meiner Phantasie mit den Geschichten meiner Kinderbuchhelden auseinandergesetzt, denn ihre Geschichten erzählen Geschichten des Lebens. Mut-Mach-Geschichten, wie man stark für das Leben wird. Eine Hilfestellung, wie man den Weg ins Leben findet. Weisheit ist nicht die Ansammlung von möglichst viel Wissen, man kann sie sich nicht erarbeiten. Weisheit erlangt man, indem man sich mit Phantasie dem Leben aussetzt und sich auf das Leben einlässt. Bücher können zum Schlüssel zur Welt und zur kre-aktiv ausgebildeten Weisheit werden. In der Advents- und Weihnachtszeit wieder einmal die Bücher der Kindertage zu lesen ist nicht die schlechteste Idee, denn so kann das Vertrauen ins Leben seine Weisheit ins Leben entfalten.
Br. Benedikt Müller OSB
Menschen der Hoffnung: Dietrich Bonhoeffer (16.12.2024)
Impuls„Advent feiern heißt
warten können.“
Ein Wort von Dietrich Bonhoeffer,
der heute als Mensch der Hoffnung vor uns stehen soll.
Ein Mensch mit einer bewegten Geschichte.
Mit vielen, sehr unterschiedlichen Facetten.
Ein Mensch der Suche, der Versuchung und des Vertrauens.
Ein Mensch wie wir.
Viele der Worte, die wir von ihm kennen,
sind Worte, Texte aus seiner Gefangenschaft.
Er, der die Gegenwart Jesu
in der weltweiten Gemeinschaft der Christen immer wieder betonte
und sich deutlich gegen die Herrschaft der Nazis
und jede Herrschaft von Ungerechtigkeit und Gewalt stellte,
saß deshalb zwei Jahre in Haft.
Und wartete auf seine Hinrichtung.
Advent?
„Gott wird dem,
der ihn in seinem irdischen Glück findet und ihm dankt,
schon nicht an Stunden fehlen lassen,
in denen er daran erinnert wird,
dass alles Irdische nur etwas Vorläufiges ist
und dass es gut ist,
das Herz an die Ewigkeit zu gewöhnen.“
Entdecken wir Gott in unserem Alltag?
Den – oft kleinen – Reichtum, mit dem ER uns beschenkt?
Das Vertrauen, das wir in Seiner Gegenwart spüren dürfen?
Gewöhnen wir unser Herz an die Ewigkeit?
Aber:
„Mag sein, dass der jüngste Tag morgen anbricht
dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Welt aus der Hand legen.
Aber vorher nicht.“
P. Guido Hügen OSB
Menschen der Hoffnung: Zefanja (15.12.2024)
ImpulsAus der heutigen Lesung aus dem Propheten Zefanja (Zef 3,14-18) möchte ich einen Vers hervorheben: „Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir.“
Auch wenn mit dieser Textstelle das Volk Juda als Ganzes gemeint ist, darf ich diese Aussage durchaus auch auf mich als Person beziehen. Gott freut sich über mich und erneuert seine Liebe zu mir. Aus der Sicht Gottes ist ein jeder Mensch liebenswert und ein Geschöpf, über das es sich zu freuen lohnt. Wie das Volk Israel Fehler begangen und zur Umkehr gefunden hat, so ist auch mir dieser Weg immer offen gehalten. Ich kann jederzeit umkehren. Veränderung in meinem Leben ist jederzeit möglich. Das macht mir persönlich Hoffnung, gerade wenn ich glaube, auf der Stelle zu treten und mir nichts gelingt. Wenn ich an mir selbst verzweifle, darf ich mich hoffnungsvoll an Gott richten, der zu mir sagt: „Ich freue mich und juble über dich, und meine Liebe endet nicht.“
Br. Benjamin Altemeier OSB
Menschen der Hoffnung: Johannes vom Kreuz (14.12.2024)
ImpulsHoffnung, die ins Licht führt
Über Johannes vom Kreuz, Juan de la Cruz, den spanischen Karmeliten (1542-1591), ist schon vieles gesagt und geschrieben worden, etwa über sein Leben, sein Wirken als Reformator an der Seite von Teresa del Avila und über seine Gedichte. Er ist einer der ganz großen Kontemplativen in der katholischen Kirche, der die Erneuerung der Christen aus der eigenen Glaubenserfahrung anstrebte und vorlebte.
Aus seinem Leben hat mich besonders die neunmonatige Haft in einem Kloster in Toledo beschäftigt, eine Zeit, in der er als „Rebell“ von den eigenen Mitbrüdern unter menschenunwürdigen Verhältnissen festgesetzt wurde. Er hat darin die „Dunkle Nacht“ selbst erfahren. Mit dieser Formulierung hat er eine Form seelischer Einsamkeit beschrieben, in der die Beziehung zu Gott eine harte Probe mitmacht, weil man den Eindruck hat, als habe sich Gott dem Menschen entzogen, an ihm zu zweifeln beginnt und frustriert wird.
Weil er in der Stille die Beziehung zu Gott als kostbar empfunden hatte, sinnstiftend und erhellend, geht Johannes vom Kreuz trotzdem geduldig seinen Weg weiter, obwohl die Erfahrung der „Dunklen Nacht“ all dies in Frage stellte. Er erkennt, dass es im Glaubensleben nicht um Persönlichkeitserweiterung, um Sicherheitszuwachs oder Selbststeigerung geht, sondern darum, durch Loslösung von dem Bemühen, alles selber machen zu wollen, zu Gott zu gelangen. Er erlebt, dass der Ewige die Freundschaft der Menschen sucht und nach ihrer Antwort brennend verlangt.
Davon singen die Gedichte des Johannes vom Kreuz. Sie sind Poesie einer Hoffnung, die sich durch Ängste und Zweifel nicht verstören lässt. „Der Mensch gelangt mehr durch Nicht-Begreifen als durch Begreifen zu Gott“ (Aus: Lebendige Flamme der Liebe, 3,38). Der Advent ist eine dunkle Zeit. Sie lässt die Hoffnung wachsen, indem sie unabgelenkt nach dem wahren Licht Ausschau hält.
P. Johannes Sauerwald OSB
Menschen der Hoffnung: Odilia (13.12.2024)
ImpulsOdilia
blind geboren
empfängt bei ihrer Taufe
das Augenlicht
Licht für die Blinden
Hoffnungslicht
denen, die in Finsternis geboren sind
und im Schatten des Todes
Licht für die Blinden
so lautet das Motto der Missionsbenediktiner
die heilige Odilia ist ihre Schutzpatronin
Licht für die Blinden
Ein Licht um die blinden Flecken zu heilen
Ein Licht um die Schönheit des Anderen wahrzunehmen
Ein Licht um das Gute zu sehen
Ein Licht das Hoffnung bringt
Ein Hoffnungslicht
Heilige Odilia
Licht der Hoffnung
bitte für uns und unsere Welt
die so oft gefangen ist im Dunkel
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: Lucia (12.12.2024)
ImpulsIch erinnere mich jedes Jahr im Advent immer wieder an die Adventszeiten meiner Kindertage. Meine Mutter backte fleißig viele Sorten von Plätzchen, und die großen Eimer füllten sich mit dem leckeren Gebäck. Meine absoluten Lieblingsplätzchen waren das Spritzgebäck mit den bunten Streuseln. Die gut gefüllten Plätzchen-Eimer wurden aber leider im Keller sicher verwahrt. Doch jeden Adventssonntag gab es zum Kaffee reichlich selbstgebackenes Adventsgebäck. Eine Freude, die nach mehr verlangte. Montagabends waren meine Eltern „hobbysportbedingt“ nicht zu Hause. Eine super Gelegenheit. Aber der Aufbewahrungsort der Plätzchen stellte sich für mich als ein Problem heraus. Der Keller war ja schon immer eine unheimliche Herausforderung. Und im Advent erst recht, wenn man Plätzchen stibitzen wollte. Warum? Draußen wurde es im Advent früh dunkel, und unser Keller war dann noch dunkler als gedacht, so dachte ich. Und Licht extra anmachen war ja dumm, schließlich wollte man sich als Plätzchen-Räuber nicht verraten. Sicherlich kennen Sie das Gefühl, liebe Schwestern und Brüder, und sie wissen, wie das ist, wenn alles um einen herum ganz dunkel ist? So finster, dass man nicht einmal die eigene Hand vor Augen sehen kann? Im dunklen Keller oder nachts, wenn man im Dunkeln den Lichtschalter nicht gleich findet?
Jeder Mensch braucht ein Licht der Hoffnung. Dieser Meinung war auch die heilige Lucia. Sie lebte einst auf Sizilien. Im südlichen Italien scheint fast das ganze Jahr die Sonne, und die heilige Lucia wusste: Licht tut unserer Seele gut, und mehr noch, der Mensch braucht Licht zum Leben. Bekannt wurde Lucia dafür, dass sie den Ärmsten der Armen, die oft in dunklen Höhlen hausen mussten, ein Hoffnungslicht in deren Dunkelheit wurde. Lucia wickelte sich einen Kranz und setzte diesen mit ein paar Kerzen aufgesteckt auf ihren Kopf. So hatte sie ihre Hände frei, um Körbe mit Brot zu den Armen und Kranken zu tragen. Mit ihrem Lichtkranz trat sie in die Dunkelheit der Höhlen und brachte Hoffnung zu den Menschen und wurde bildlich-lebendig für ihre Nächsten zum Licht in der Dunkelheit. Lucia tat in dieser Situation, was auch Jesus getan hat, und erfüllte seine Worte: „Ihr seid das Licht der Welt. Ihr sollt euer Licht nicht unter einen Scheffel stellen.“ Lucia stellte ihr Leben in den Dienst der Nächstenliebe und Hoffnung. Lucia hat vielen Menschen geholfen. Sie wurde zur Hoffnungsträgerin für Menschen in Armut und Krankheit sowie für viele Menschen, die wegen ihres Glaubens an Christus verfolgt wurden. Ihr Lichterkranz wurde zum Hoffnungskranz. Lucia ist für mich ein adventliches Hoffnungslicht und Vorbild der Nächstenliebe, damit die Welt heller werden kann.
Br. Benedikt Müller OSB
Menschen der Hoffnung: Ruth Pfau (11.12.2024)
ImpulsNeue Wege wagen, indem man Brücken baut
Die Ordensschwester Ruth Pfau ( * 9.September 1929 in Leipzig; † 10. August 2017 in Karatschi) ist in ihrem Leben viele neue Wege gegangen. Als Medizinstudentin konvertierte sie zum katholischen Glauben und trat später in den Orden der „Gesellschaft der Töchter des Herzens Mariä“ ein. Das passte an sich sehr gut, denn in ihrem Leben ist sie auch oft spontan ihrem Herzen, ähnlich wie Maria, gefolgt, und ihr Lebensweg hat dann eine ganz neue Richtung genommen.
Als ihr Orden sie nach Indien aussandte, musste sie einen Zwangsstopp bei Mitschwestern in Pakistan einlegen, da das Visum für Indien auf sich warten ließ. Bei einem Krankenhausbesuch erlebte sie das Leid von Leprakranken, und sie beschoss gleich vor Ort zu bleiben und den Kranken dort zu helfen. Der Rest ist Geschichte.
Schwester Ruth bekämpfte ihr Leben lang die Lepra und Tuberkulose in Pakistan und schaffte es, dass die Krankheiten dort heute weitgehend besiegt sind. Sie wurde zu einer geschätzten und viel geehrten Person, und nach ihrem Tod bekam sie sogar ein Staatsbegräbnis, auch wenn sie das sicher so nie gewollt hätte. Denn sie blieb immer auf dem Boden, und ihre Arbeit mit Menschen war ihr das Wichtigste.
Dass Pakistan ein islamisch geprägtes Land ist und die Strukturen eher patriarchalisch sind, war für sie dabei kein Hindernis, denn sie ließ sich selbst nie von Vorurteilen leiten, sondern sah immer die Chancen und Möglichkeiten, die sich auftun, wenn man neue Wege geht und dabei eine Herzens-Brücke zwischen Religionen und Kulturen baut.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Menschen der Hoffnung: der gute Hirt (10.12.2024)
ImpulsGebet eines Schafes zum Guten Hirten
Lieber guter Hirt! In den Geschichten der Schafserinnerung bist Du ein großer Held, weil Du es gewagt hast, anders zu sein als die anderen Hirten. Die haben sich nicht viel um uns Schafe gekümmert, haben immer pünktlich Feierabend gemacht und wenn sich mal eins von uns verirrt hatte, musste es draußen bleiben. Schafen passiert es eben schon mal, dass sie die Zeit und den Weg vergessen und ihrem Eigensinn nachlaufen.
Einige meiner Schafsverwandten habe ich dann am anderen Tag nicht mehr wieder gesehen. Die Älteren sagen, dass sie ein wildes Tier erlegt hätte, andere meinen, die Schafe wären in einem großen Garten namens Paradies wiedergesehen worden, wo so viel Wiese und so leckere Kräuter wachsen, wie man sie hier auf den Weiden niemals finden kann. Das hättest Du auch immer erzählt.
Du – guter Hirt – hast immer nach uns gesucht. Du sollst sogar in eine dunkle Schlucht gegangen sein, wo es sehr unheimlich war, um ein verlorenes Schaf zu suchen. Und eine Geschichte gibt es, dass Du mit Deinem Wanderstock mit wilden Tieren gekämpft hättest, bis sie kleinlaut davongelaufen sind.
Schafe werden ja unterschätzt, dumm sind wir nämlich überhaupt nicht. Da handelt es sich um eine grobe Verwechslung: Wesen, die in der Lage sind, anderen zu vertrauen, sind alles andere als dumm. Sie zeigen, dass es nur im Miteinander geht. Und dass Wesen schlau sein sollen, wenn sie andere versklaven und nur an sich selbst denken, diese Menschenmeinung kann man als Mitglied einer Schafsherde nun wirklich nicht teilen.
Lieber guter Hirt, ich vertraue Dir die heutigen Hirten an. Dass sie für die Schafe da sein können. Wir werden ja in letzter Zeit immer weniger. Nicht dass die Hirten arbeitslos wären, aber sie bekümmern sich nur noch um die leeren Ställe und flicken Zäune, die niemand mehr braucht, weil die Wiesen wild wachsen, ohne von ordentlichen Schafen abgegrast zu werden. Die Hirten vergessen ihre Berufung. Lieber guter Hirt, schenke den Hirten von heute Hoffnung, dass es auch mit wenigen Schafen erfüllend sein kann, auf die Weide zu gehen. Unsere Herden sind überaltert und nur wenig hört man das übermütige Määhhen junger Lämmer. Das kann einen schon traurig machen. Auch die Hirten sind ziemlich ratlos. Sie lassen viele Fruchtbarkeitsanalysen machen, woran es liegen könnte, dass es keine Lämmer mehr gibt.
Du, guter Hirte, warst immer mit einer kleinen Herde unterwegs. 12 Schafe sagen die einen, 72 wäre es gewesen, meinen die anderen. Du hast daher alle gut gekannt und hast gewusst, was das einzelne Schaf für einen Charakter hatte und was es an Besonderem brauchte.
Naja – jetzt genug gebetet. Gleich geht es auf die Weide. Ich freue mich schon auf das frische Grün und das Herumstreichen im Gelände.
Mach‘s gut und denke bitte an die heutigen Hirten, die können es echt brauchen, dass da ein guter Hirte auch für sie da ist.
P. Abraham Fischer OSB
Menschen der Hoffnung: Maria (9.12.2024)
ImpulsMaria
Pilgerin der Hoffnung
mit einer Hoffnung unterwegs
mit Jesus, der Hoffnung der Menschen
Maria
Du Frau aus dem Volke
Nichts ist dir geblieben
auf dem Weg
mit dem, was du am Leib trägst
mit dem, den du im Leib trägst
Maria
Stern der Hoffnung
in deinem Glauben
deinem Vertrauen
deiner Hoffnung
bist du ein Stern der Hoffnung
für unsere Welt
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: Johannes der Täufer (8.12.2024)
ImpulsAusgerechnet Johannes soll eine Person der Hoffnung sein? Bei mir ist er unter der Rubrik „strenger Mahner“ abgespeichert. Ein Mann der Wüste und ein Mann, der sich von wildem Honig und Heuschrecken ernährt.
Und dann ist er aber auch derjenige, der uns auf das Lamm Gottes hinweist, das hinweg nimmt die Sünden der Welt. Johannes ist ein Hoffnungswegweiser. Er ist nicht selbst der Hoffnungsträger. Aber das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünden der Welt, Jesus Christus, lässt uns aufatmen. Wie oft erlebe ich Menschen, die von Schuld niedergedrückt sind. Die den aufrechten Gang wegen ihrer Unvollkommenheit und Schwäche und natürlich auch wegen der begangenen Fehler in ihrem Leben vergessen haben. Johannes weist uns auf Christus hin. Er nimmt die Schuld von unseren Schultern. Wir müssen uns nicht mehr schämen ob unserer Schuld. Sie ist vergeben.
Meine Hoffnung ist, dass unsere Kirche diese Dimension von Erlösung und Heil-Sein immer stärker in den Vordergrund stellt.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Bild: Johannes d. T. in der Wüste, Gemälde des Berner Nelkenmeisters, um 1490
Menschen der Hoffnung: Ambrosius (7.12.2024)
ImpulsAls Ambrosius von Mailand noch ungetauft am 7. Dezember 374 einstimmig zum Bischof von Mailand gewählt wurde, geschah das wohl deshalb, weil die Wähler in ihm eine überzeugende Hoffnungsgestalt sahen. Eigentlich war das kirchenrechtlich unmöglich. Aber die Situation in der Kirche brauchte Personen von Format. Die Kirche im römischen Reich drohte wegen unterschiedlicher Glaubensauffassungen auseinanderzubrechen. Von Ambrosius, dessen Geschick als Vermittler während seiner Zeit als höchster ziviler Verwaltungsbeamter der Stadt bekannt war, erwartete man, zwischen den verfeindeten christlichen Gruppen einen Ausgleich zu finden. Tatsächlich gelang es ihm, einen endgültigen Bruch zu verhindern, nicht zuletzt durch seine charismatischen Predigten, gehaltvollen Schriften und sein kirchenpolitisches Talent.
Wie sehr Ambrosius aus der Hoffnung lebte, offenbart sein Hymnus „Veni redemptor gentium“ – „Komm, du Erlöser der Völker“, im Gotteslob übersetzt mit „Komm, du Heiland aller Welt“ (Nr. 227), und bei Martin Luther „Nun komm, der Heiden Heiland.“
Veni – Komm
Nun komm doch endlich!
Es darf doch so nicht weitergehen!
Wir allein schaffen es nicht!
Wenn ich den Hymnus höre, fallen mir sofort diese Sätze ein.
Angesichts unserer Unsicherheit,
in den Ohren die Schreie nach Frieden.
Die Zeit drängt, wir brauchen Dich!
Nicht irgendwann, sondern nun.
Wir reden nicht darüber, sondern rufen ihn an, vielleicht mit anderen Worten und Bildern. Komm hinein in unsere Not, für die wir kaum Worte haben. Rette uns! Komm hinein auch in meine Welt und ihre Dunkelheiten.
P. Johannes Sauerwald OSB
Menschen der Hoffnung: Nikolaus (6.12.2024)
Impuls„Nikolaus komm in unser Haus,
pack die großen Taschen aus.“
Wer kennt sie nicht, die ersten Zeilen
des wohl bekanntesten Nikolausliedes.
Ist es das, was Nikolaus zu einem Menschen der Hoffnung macht?
Für viele ist es zumindest eine stille Hoffnung:
dass in der Nikolausnacht die Stiefel gefüllt werden,
dass am Nikolaustag der „Nikolaus“ kommt
und gute Gaben aus dem Sack oder den großen Taschen holt.
Ist es das schon?
Sicher kennen Sie auch einige der vielen der Legenden über den Hl. Nikolaus.
Z.B. die über sein „Kornwunder“:
In einer Zeit der Hungersnot kam ein Schiff mit Korn in den Hafen der Stadt.
Nikolaus gab den Seeleuten das Versprechen, es solle ihnen nicht ein Gramm fehlen,
wenn sie ein wenig von dem Korn gäben.
Oder die über den Seesturm:
Ein Schiff geriet in Seenot und nichts, was die Seeleute taten, half.
Da erschien Niklaus am Bug des Schiffes
und sagte ihnen zu, sie würden gerettet werden.
Oder die über die drei verarmten Jungfrauen,
deren Vater nichts hatte, um eine Aussteuer für die drei zu finanzieren.
Nikolaus half heimlich (und dann doch entdeckt)
mit goldenen Äpfeln.
Legenden.
Ja.
Oder doch Anregung und Ansporn für uns?
Wem mache ich Hoffnung – es muss ja nicht gleich ein Wunder sein.
Aber Mutmachen und Zuspruch geben – das hilft.
Wem kann ich Hoffnung machen mit den kleinen Gaben, die ich geben kann?
Wem mache ich Hoffnung, indem ich einfach da bin?
Weil ich zuhören kann?
Weil ich von meinen Erfahrungen erzähle?
Der Hl. Nikolaus macht mir da Mut!
P. Guido Hügen OSB
Menschen der Hoffnung: Anno (5.12.2024)
ImpulsHeute feiert die Kirche den Gedenktag des hl. Bischofs Anno. Er stammte aus schwäbischem Geschlecht, wurde in Bamberg ausgebildet und war dann als Propst in Goslar tätig. 1056 wurde er Erzbischof von Köln. Kirchenpolitisch trug er in seiner Zeit zur Beilegung des sog. Papstschismas bei – damals gab es neben dem Papst auch einen Gegenpapst – sodass er für viele die Hoffnung auf Versöhnung verkörperte. Am 4. Dezember 1075 starb er in Köln. In der ehemaligen Benediktinerabtei Siegburg wird sein Schrein heute verehrt.
Anno gilt als Stifter vieler Klöster. Im Jahr 1072 schickte er Mönche nach Grafschaft, um dort ein Kloster zu gründen. Als Benediktinerkloster bestand es bis 1803, als viele Klöster im Zuge der Säkularisierung aufgehoben wurden. Heute finden sich in Grafschaft das Mutterhaus der Borromäerinnen und ein großes Krankenhaus. Bis heute gedenken wir in Königsmünster täglich der verstorbenen Mönche des aufgehobenen Klosters, und im Altar unserer Krypta befindet sich der Reliquienschrein des alten Klosters. Wir stehen sozusagen auf den Schultern dieser Mönche.
Die Geschichte des Bischofs Anno zeigt mir, dass wir Teil einer langen Geschichte sind. Wir haben eine Vergangenheit, stehen auf den Schultern unserer Vorfahren, um so Schritte in die Zukunft gehen zu können. Das gibt Hoffnung, denn ich muss nicht alles in meiner beschränkten Lebenszeit allein schaffen, sondern darf weiterbauen an dem, was die Menschen vor mir getan haben. Und ich darf vertrauen, dass es nach mir Menschen gibt, die an meinem Werk weiterbauen. Und die größte Hoffnung ist die, dass Gott diese Welt – trotz allem, was gerade dagegen zu sprechen scheint – in seinen Händen hält.
P. Maurus Runge OSB
Menschen der Hoffnung: Barbara (4.12.2024)
ImpulsBarbara –
Benannt: „Wilde“
Wohl wild entschlossen,
im Garten Gottes
blühend.
Opfer des Vaterstolz:
Unglaubend umflutet
Tränkt er Erde
Mit ihrem Blut
Sie wird
Flamme – Rose
Sich vergießend
Gegründet in Glauben
Verwurzelt dem Geheimnis
Fenster himmelwärts
Standhafter Turm
In unsren Seelen
P. Abraham Fischer OSB
Menschen der Hoffnung: Franz Xaver (3.12.2024)
ImpulsEin Mensch der Hoffnung überschreitet Grenzen. Grenzen zu anderen Menschen, zu anderen Völkern und Kulturen. Franz Xaver, der 1506 in Spanien geboren wurde, war so ein Mensch. Er schloss sich dem gerade neu entstehenden Jesuitenorden um Ignatius von Loyola an und ging im wörtlichen Sinn bis an die Grenzen der Erde nach Indien, Sri Lanka und Japan, um den Menschen dort die Frohe Botschaft von Jesus zu verkünden. Er war, wie es im Ersten Petrusbrief heißt, „stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die ihn erfüllt“ (1 Petr 3,15). Viele Menschen ließen sich von der Hoffnung des Franz Xaver begeistern und wurden Christen. Am 3. Dezember 1552 starb Franz Xaver auf dem Weg nach China. Er ist in Goa in Indien begraben.
Grenzen überschreiten – das ist eine Aufgabe, vor die wir gerade als Christen immer wieder gestellt sind. Keine Grenzen zu schließen, wie es heute verstärkt diskutiert wird, sondern Grenzen zu öffnen und sich ganz auf den fremden Menschen einzulassen, ja vielleicht sogar von ihm zu lernen. Meine Erfahrung als Missionsprokurator, der oft in fremden Kulturen unterwegs ist, ist es, dass ich dabei viel lerne und unendlich bereichert werde.
Wo kann ich in dieser Adventszeit Grenzen überschreiten – zu mir, zu anderen, zu Gott?
P. Maurus Runge OSB
Bild: Andrea Pozzo um 1701: Franz Xaver tauft die indische Königin Neachile – Joachim Schäfer – Ökumenisches Heiligenlexikon
Menschen der Hoffnung: Jesaja (2.12.2024)
ImpulsMenschen der Hoffnung: Jesaja (2.12.2024)
Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. (aus Jes 2,1-5)
Ich bin ein Kind des kalten Krieges. Ich kenne die Aufnäher auf den Parkas mit dem Spruch „Schwertern zu Pflugscharen“ zu jener Zeit. Ich kenne noch das ständige Bedrohungsgefühl. Wie oft habe ich in dieser Zeit die Verheißungen des Jesaja gelesen, und sie haben mich getröstet. Nach vielen Jahren schien sich die Verheißung nach Frieden zu erfüllen. Wie ein Wunder öffneten sich die vielen Grenzen, und die Bedrohung nahm ab. Nun erleben wir wieder eine Zeit zahlloser Konflikte und Kriege. Die Hoffnung, dass sich die Prophezeiung des Jesaja erfüllen möge, darf dennoch nicht erlöschen. Die Hoffnung des Jesaja hat mich nie losgelassen. Auch jetzt nicht. Im Kleinen versuche ich abzurüsten. Mit meiner Sprache, im Umgang mit meinen Nächsten. Abzurüsten in der Sprache der Gewalt. Ich hoffe, dass auch dies Schritte zum Frieden sind.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Menschen der Hoffnung: Jeremia (1.12.2024)
ImpulsEine Reihe über „Menschen der Hoffnung“ mit dem Propheten Jeremia beginnen zu lassen, ist ein gewagtes Unterfangen. Denn Jeremia lebte in einer Zeit, die ganz und gar nicht von Hoffnung geprägt war. Seine Aufgabe war es, den Menschen seiner Zeit Umkehr und Buße zu predigen und ihnen als Prophet das drohende Strafgericht Gottes anzukündigen. Nach dem Glauben Israels trat das mit dem Babylonischen Exil im Jahr 587 v.Chr. auch ein.
Jeremia ist ein Prophet, der mit seinem Schicksal hadert. Von ihm sind ergreifende Klagelieder überliefert, in denen er mit Gott ringt. Denn die Menschen lehnen Jeremia ab, hören nicht auf ihn, verspotten und verfolgen ihn sogar. Jeremia ist am absoluten Tiefpunkt seiner Karriere angekommen.
Und aus dieser Tiefe heraus lässt er doch nicht von seinem Gott ab. Er hält an seinem Gott fest – gerade indem er ihm all sein Leid klagt, ja ihn anklagt. Und so klingt in seiner Verkündigung jenseits aller Unheilsprophetien doch auch eine Ahnung von zukünftigem Heil an, von Hoffnung inmitten der Verzweiflung. Die heutige Lesung am Beginn der Adventszeit spricht davon:
Siehe, Tage kommen – Spruch des Herrn –,
da erfülle ich das Heilswort,
das ich über das Haus Israel
und über das Haus Juda gesprochen habe.
In jenen Tagen und zu jener Zeit
werde ich für David einen gerechten Spross aufsprießen lassen.
Er wird Recht und Gerechtigkeit wirken im Land.
In jenen Tagen wird Juda gerettet werden,
Jerusalem kann in Sicherheit wohnen.
Man wird ihm den Namen geben:
Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.
(Jer 33,14-16)
Vielleicht kann uns die vor uns liegende Adventszeit eine Ahnung dieser Hoffnung vermitteln – gerade in den turbulenten Zeiten, in denen wir leben. Das ist mein Wunsch für Sie in diesen Tagen!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (7.1.2024)
ImpulsGedenke, wie kurz mein Leben ist,
wie vergänglich du alle Menschen geschaffen hast!
Ps 89,48 (gesamter Text: Ps 89, 20-53)
Endlich ist unser Leben.
Vergänglich.
Der Psalm 89, der uns heute in seinen Versen 20 bis 53 begleitet,
weist uns darauf hin, was diese Endlichkeit bedeutet.
Scheinbar ist er kein ermutigender Psalm in das neue Jahr hinein.
Er verweist auf Versagen und Abwendung von Gott.
Unser Leben ist auch Sünde und Schuld.
Es ist Abkehr von Gott
und Hinwendung zu dem, was uns scheinbar wichtiger ist.
Dem gegenüber steht der Bund Gottes.
ER will ihn nicht verlassen,
will zu ihm stehen,
will zu uns stehen.
Ich darf mich fragen lassen:
Wo aber habe ich mich IHM entgegen gestellt,
wo habe ich Seine Botschaft missachtet,
wo habe ich mich IHM entzogen?
Im Psalm rufen wir nach Seiner Gnade,
nach der Erfüllung Seiner Zusagen.
Erfüllen wir die unsrigen?
Dann ist es doch ein guter Psalm ins neue Jahr hinein,
einer, der uns Mut macht,
der uns auf- und herausfordert.
So dass wir dann bekennen können:
„Gelobt sei der Herr ewiglich!“
P. Guido Hügen OSB
Impuls an Epiphanie (6.1.2024)
ImpulsSie verließen sogleich die Synagoge und gingen zusammen mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen sogleich mit Jesus über sie und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie diente ihnen.
Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu sagen, dass sie wussten, wer er war.
In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, verkündete in ihren Synagogen und trieb die Dämonen aus. (Mk 1,29-39)
Kurz vor Ende des vergangenen Jahres ereignete sich ein kleines Weihnachtswunder.
Der Spiegel, der ja eher für kirchenkritische Berichterstattung bekannt ist, berichtet auf Spiegel Online sehr wohlwollend über ein Kirchenereignis. Das Ereignis war die Aussendung der Sternsinger am 28.12.
In den vergangenen Tagen und besonders heute sieht man ja wieder Jungen und Mädchen als heilige drei Könige von Haus zu Haus ziehen, um die Häuser und ihre Bewohner zu segnen.
Mit dieser Tradition sind wir schon mitten im heutigen Fest Epiphanie. Denn natürlich erinnern wir uns heute an die drei Weisen aus dem Morgenland, aber der heutige Tag symbolisiert auch den Weg der frohen Botschaft in die Welt unter uns Menschen.
Mit der scheinbar kleinen Geste der Sternsinger bringen sie somit das Weihnachtsgeheimnis in jedes Haus. Und das, was sie machen, ist alles andere als klein, denn es bedarf den vollen Einsatz und auch ein bisschen Mut, und es bewirkt oft mehr, als wir denken.
Vielleicht ist eine der mächtigsten Krankheiten unserer Zeit die Einsamkeit, und für manche Menschen ist z.B. der Besuch der Sternsinger einer der wenigen Besuche, die sie überhaupt bekommen. Aber nicht nur ältere Menschen leiden in unserer Gesellschaft an Einsamkeit, auch Jugendliche werden oft mit ihren Problemen alleine gelassen, Arbeits- oder Obdachlose werden sozial isoliert und ausgegrenzt, Flüchtlinge als „Bedrohung“ stigmatisiert.
Wir denken, dass wir immer alle unsere Probleme alleine lösen könnten, mit ein wenig Selbstoptimierung. Heilung geschieht aber viel leichter, wenn Menschen sich Menschen zuwenden und gemeinsam durch die Nacht gehen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls an Neujahr (1.1.2024)
ImpulsVon der Huld des HERRN will ich ewig singen, von Geschlecht zu Geschlecht mit meinem Mund deine Treue verkünden. Denn ich bekenne: Auf ewig ist Huld gegründet, im Himmel deine Treue gefestigt. Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Erwählten und David, meinem Knecht, geschworen: Auf ewig gebe ich deinem Haus festen Bestand und von Geschlecht zu Geschlecht gründe ich deinen Thron. Die Himmel preisen deine Wunder, HERR, und die Versammlung der Heiligen deine Treue. Denn wer im Gewölk gleicht dem HERRN, ist dem HERRN ähnlich unter den Söhnen der Götter? Gewaltig ist Gott im Rat der Heiligen, für alle rings um ihn her ist er groß und furchtbar. HERR, Gott der Heerscharen, wer ist wie du? Mächtig bist du, HERR, und von Treue umgeben. Du beherrschst den Aufruhr des Meeres; wenn seine Wogen toben – du glättest sie. Rahab hast du durchbohrt und zertreten, deine Feinde zerstreut mit starkem Arm. Dein ist der Himmel, dein auch die Erde; den Erdkreis und was ihn erfüllt hast du gegründet. Nord und Süd hast du geschaffen, Tabor und Hermon jauchzen bei deinem Namen. Dein Arm ist voll Heldenkraft, deine Hand ist stark, deine Rechte hoch erhoben. Recht und Gerechtigkeit sind die Stützen deines Thrones, Huld und Treue schreiten dir entgegen. Selig das Volk, das den Jubelruf kennt, HERR, sie gehen im Licht deines Angesichts. Sie freuen sich allezeit über deinen Namen und sie jubeln über deine Gerechtigkeit. Denn du bist ihre Schönheit und Stärke, du erhöhst unsre Kraft in deiner Güte. Ja, dem HERRN gehört unser Schild, dem Heiligen Israels unser König. (Psalm 89, 1-19)
Kriegsmächte
sind im Aufruhr.
Die Erde bebt,
Pflanzen sterben,
Tiere verenden.
Menschen hassen,
Leben zerstört
Am Boden.
Hochmut schlägt zurück
Gier beutet aus
Hilferufe verhallen
im Bombenwind
Ob er wohl aufsteht
zu retten?
Ob er seinen Schild
über uns hält?
Ob es ohne ihn
noch schlimmer wäre?
Das Neue bricht an
es ist nicht einfach da.
Wir hören
das Brechen
der Schale
das Bersten
des Panzers
und geben die Hoffnung auf die Blüte nicht auf
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 31. Dezember (31.12.2023)
ImpulsHalleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben in meinem Leben, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin. Der HERR ist König auf ewig, dein Gott, Zion, durch alle Geschlechter. Halleluja!
Vorhang auf für Gottes Held! Licht und Spot an! Und mit Freude in die Hände klatschen. Mit dem 146. Psalm leuchtet uns in diesen Weihnachtstagen gleich einem hellen Kerzenlicht am Christbaum ein jubilierender Psalm in die Herzen. Da loben, preisen und singen Herz und Seele aus vollster Kehle, man möchte fast vor lauter Freude mittanzen. Diese Freude drückt aus, worum es Gott mit uns und der Welt geht. Es geht um Gottes Schöpferkraft, um seine ewige Treue, Hilfe und Gerechtigkeit, Nahrung und Freiheit, Trost und Heilung, ganz speziell um Schutz für alle Fremden, und um große Liebe. Was für ein Psalm, mit dem wir ankämpfen können gegen Verzweiflung, Erschöpfung und Dunkelheit. Und da wird auch gesprochen von Dingen, von denen Maria in ihrem Magnificat singt. Gottes Held betritt an Weihnachten die Bühne der Welt. Jesus – Gottes Held, der für uns mit der Liebe das Leben erkämpft. Jesus – der Morgenstern, der uns einen Weg in die Zukunft weist. Jesus – Weg ins Leben, der uns zeigt, was es für eine gute Welt braucht. Jesus – der Sohn des Höchsten, der uns die Liebe Gottes erklärt und die Tore zu Gottes ewiger Nähe wieder aufschließt, wo sie verschlossen waren.
Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich in seinem höchsten Thron, der heut schleußt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.
Ja, der 146. Psalm zeigt uns, um was es an Weihnachten geht: Mit Gottes Held im Herzen hat eine Licht.Zeit begonnen und leuchtet durch die Zeit.Fenster in unserer oft dunklen Welt. Alltag. Der Zeit.Punkt hat sich an Weihnachten geändert. Die Licht.Quelle ist auf der Welt.Bühne erschienen. Eine Lichterzeit, in der die Hoffnung immer heller leuchtet. De Zeit, mit der das Leben neu beginnt. Was für eine tolle Verheißung für das neue Jahr.
Fröhlich soll mein Herze springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen. Hört, hört, wie mit vollen Chören alle Luft laute ruft: Christus ist geboren! Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer. Gott wird Mensch, dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbindt sich mit unserm Blute.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 30. Dezember (30.12.2023)
ImpulsEin Loblied Davids.
Ich will dich erheben, meinen Gott und König, ich will deinen Namen preisen auf immer und ewig.
Jeden Tag will ich dich preisen und deinen Namen loben auf immer und ewig.
Groß ist der HERR und hoch zu loben, unerforschlich ist seine Größe.
Geschlecht um Geschlecht rühme deine Werke, deine machtvollen Taten sollen sie künden.
Den herrlichen Glanz deiner Hoheit und deine Wundertaten will ich besingen.
Von der Macht deiner Furcht erregenden Taten sollen sie reden, von deinen Großtaten will ich erzählen.
Sie sollen die Erinnerung an deine große Güte wecken und über deine Gerechtigkeit jubeln.
Der HERR ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld.
Der HERR ist gut zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.
(Psalm 145,1-9)
Das Ende eines Jahres ist die Zeit der Jahresrückblicke. Politisch, gesellschaftlich, kirchlich, persönlich – überall wird uns präsentiert, was in diesem Jahr 2023 alles passiert ist.
Der 145. Psalm lädt mich zu einem besonderen Jahresrückblick ein: Gottes Großtaten „sollen die Erinnerung an seine große Güte wecken und über seine Gerechtigkeit jubeln.“ Das setzt einen anderen Fokus als die oft resignativ-melancholische Stimmung mancher Rückblicke. Ich bin eingeladen, auf „Gottes Großtaten“ zu schauen, auf das Gute, das er für mich persönlich getan hat. Ich bin eingeladen, auf Gottes Barmherzigkeit zu schauen: wo hat er sie mir ganz konkret erwiesen?
Und ich bin eingeladen, Gott zu preisen und vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken.
Was hat mir Hoffnung im vergangenen Jahr gegeben? Und mit welcher Hoffnung gehe ich ins neue Jahr?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 29. Dezember (29.12.2023)
ImpulsDamals lebte auch Hanna, eine Prophetin, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. (Lk 2,36-38)
Ich bin wirklich froh, dass es diese Bibelstelle gibt. Die Offenbarung des Messias ergeht auch an eine Frau. Hannah hat Anteil am prophetischem Wirken der Kirche. Vielleicht sollte uns dieser Abschnitt aus der Heiligen Schrift ermutigen, häufiger auf die Stimme von Frauen zu hören. Wie reich an unterschiedlichen Charismen könnte so die Kirche sein.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am 28. Dezember (28.12.2023)
ImpulsHerr, nun kann dein Diener in Frieden sterben, denn du hast deine Zusage erfüllt. Mit eigenen Augen habe ich das Heil gesehen, das du für alle Völker bereitet hast – ein Licht, das die Nationen erleuchtet, und der Ruhm deines Volkes Israel. (Lk 2,29-32, Neue Genfer Übersetzung)
Erfülltes Leben eines alten Mannes, der lange, lange in seinem Leben gewartet hat, ohne aufzugeben, auch wenn unsicher war, ob die Erfüllung seines tiefsten Wunsches tatsächlich Wirklichkeit werden würde. Simeon steht für die Sehnsucht des jüdischen Volkes nach der Ankunft des Friedensbringers, und auch für die der ganzen Menschheit nach dem Ende der Kriege, der Ängste und Schrecken, ja des Todes überhaupt. Auch wir können uns wiederfinden in dieser Gestalt, die Ausschau hält nach dem allesumspannenden Frieden, dem Shalom.
Simeon ist IHM begegnet, so berichtet das Lukasevangelium – in Jesus, dem Kleinkind, das Josef und Maria dankbar für die glückliche Geburt zum Tempel brachten. Weil er vom Heiligen Geist geführt wurde, durch Leere, Unruhe und Schatten hindurch, gingen ihm die Augen auf. Und er nahm es in den Arm.
– In der engen Verbindung zum göttlichen Geist warten
– unbeirrbar, unabgelenkt, ganz wach
– offen sein für die Hinweise auf die Zeichen der Gegenwart
– mit liebenden Augen erkennen, nicht bloß durch Hörensagen.
Sein Warten hat sich gelohnt.
Welche Macht doch der wartende Glaube hat,
der ein Leben lang nur das eine sucht!
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am 27. Dezember (27.12.2023)
ImpulsDanach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach dem Kind; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige! Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land. (Mt 2,7-12)
„Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt“.
Die Magier, die das göttliche Kind suchen, sind unsere Vorbilder in der Gottsuche. Jede Suchbewegung braucht einen Leitstern. Üben wir neu ein, unserer Sehnsucht zu vertrauen, dass Gott selbst uns auf unseren Wegen mit seinem Stern begleitet. Möge die Schwelle vom alten zum neuen Jahr stets vom göttlichen Stern begleitet sein. Diese Zusage, dass Gott mit uns ist, erfülle unsere Herzen mit großer Freude.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Zweiten Weihnachtstag (26.12.2023)
ImpulsAls Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Christus geboren werden solle. Sie antworteten ihm: in Betlehem in Judäa; denn so steht es geschrieben bei dem Propheten: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel. (Mt 2,1-6)
Über der Krippe liegt schon ein Schatten, der Schatten des Kreuzes. In der heutigen Lesung wird das angedeutet, wenn wir hören, dass König Herodes „und mit ihm ganz Jerusalem“ erschrecken darüber, dass ein neuer Stern aufgegangen ist, ein neuer König geboren. König Herodes erschrickt, weil er eine Gefahr für seine Macht sieht, einen potentiellen Konkurrenten, den es mit allen Mitteln auszuschalten gilt. Und dann auch noch in Betlehem, diesem Provinznest, dem verschlafenen Städtchen in Juda.
Weihnachten bringt alles durcheinander. Die Macht der Mächtigen kommt ins Wanken, weil sie sich von einem neugeborenen Kind erschrecken lassen. Die Sterndeuter hingegen lassen sich ein auf den unbekannten Stern. Sie kommen – nicht in böser Absicht, sondern voller Neugier und Staunen. Nicht das Erschrecken, sondern das Staunen wird die Welt retten – so wie ein Kind noch staunen kann über das viele Neue, das ihm begegnet.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Ersten Weihnachtstag (25.12.2023)
ImpulsIn dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat! So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. (Lk 2,8-20)
Das Wunder beginnt
Nicht im Tempel
Auch nicht in einer Kirche.
Sondern
Auf freien Feld
Unter Sternen – in Nacht
Das Wunder beginnt
Aber nicht auf Befehl
Nicht in Predigt und Belehrung
Sondern
Im Lied vom Himmel her
In der Weite zitternder Hirtenherzen
Das Wunder beginnt
Nicht in einer Explosion
Nicht im Dröhnen
Sondern
Im zarten Säuseln des Windes
In Rührung der Seelen
Das Wunder
Ist wie ein Kind – unschuldig, bedürftig, nackt, arm
wenig göttlich, gar nicht allmächtig
streckt seine Hände in die Welt hinein aus
Das Wunder
Geschieht überall und immerwährend
Alles Leben der Welt wird geboren
Dem Gottesherzen entfließt es
umarmt die Welt
Das Wunder
allgegenwärtig – allliebend – allseiend
Gezeugt nicht geschaffen
Mensch aller Menschen
noch immer unter uns
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 24. Dezember (24.12.2023)
ImpulsEs begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. (Lk 2,1-7)
Ein seltsamer Tag heute.
Morgens noch 4. Advent.
Im Evangelium hören wir das,
was vor 9 Monaten war:
die Verkündung der Schwangerschaft Marias durch Gabriel.
In der Lesung aus dem 2. Buch Samuel
hören wir die Weissagung über den, der David nachfolgt.
Und ein paar Stunden später ist es schon Weihnachten.
Das Kind wird geboren, die Weissagung erfüllt.
Und das wars dann?
Verkürzte Adventszeit mit allem zusätzlichen Stress
– und plötzlich: umswitchen –Weihnachten …
So ist es manchmal im Leben.
Manches kommt schnell, manchmal zu schnell. Plötzlich.
Aber ist es nicht das, was wir im Advent begangen haben:
dass Gott ankommt, dass die Wiederkehr Jesu kommt?
Vielleicht ja ganz plötzlich. Wer weiß.
Bin ich bereit?
Und ja: erkenne ich die Ankunft Jesu?
Ein Text von Andrea Schwarz:
Meistens wird Gott ganz leise Mensch
die Engel singen nicht
die Könige gehen
vorbei die Hirten bleiben bei ihren Herden
meistens wird Gott ganz leise Mensch
von der Öffentlichkeit unbemerkt
von den Menschen nicht zur Kenntnis genommen
in einer kleinen Zweizimmerwohnung
in einem Asylantenwohnheim
in einem Krankenzimmer
in nächtlicher Verzweiflung
in der Stunde der Einsamkeit
in der Freude am Geliebten
meistens wird Gott ganz leise Mensch
wenn Menschen zu Menschen werden!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Samstag der Dritten Adventswoche (23.12.2023)
ImpulsMit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen / und einen Sohn gebären / und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, / das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar. Und er gab ihm den Namen Jesus. (Mt 1,18-25)
Heute Abend werden wir in der Vesper den 4. Advent begrüßen und traditionell einen Tag vor Heiligabend die siebte O-Antiphon singen.
O Immanuel,
unser König und Lehrer,
du Hoffnung und Heiland der Völker:
o komm, eile und schaffe uns Hilfe,
du unser Herr und unser Gott!
Dieser Text ist ja sozusagen eine prophetische Spiegelung unserer heutigen Bibelstelle aus dem Matthäus-Evangelium. Was sich einst wie ein Lichtschimmer am Horizont gezeigt hat, nur zu erahnen war, wird sich nun erfüllen. Jesus wird geboren werden. Diese Erfüllung erfahren wir heute auch in unserer Liturgie, die Zeit des Advents ist vollendet. Eine Hoffnung wird zur Wirklichkeit. Die Welt verändert sich.
Auch wir erleben solche Momente, die alles unerwartet auf den Kopf stellen. Wir scheinen zu wissen, was wir wollen, so wie einst Josef, und dann dreht sich doch alles. Eine Hoffnung, eine Ahnung steigt auf, eine Begegnung, und wir wissen gar nicht, woher auf einmal dieser neue Impuls kommt.
Etwas zeigt sich wie in einem Traum, steigt in uns auf und führt uns auf einen neuen Weg.
Zur Vollendung dieses Neuen kann es dann manchmal erst viel später kommen, und in diesem Moment verstehen wir dann, wohin uns dieser kleine Lichtschimmer, den wir einst fast nur erahnen konnten, am Ende geführt hat.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Freitag der Dritten Adventswoche (22.12.2023)
ImpulsIm sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel. (Lk 1,26-38)
Kaum eine biblische Stelle ist so in der Kunstgeschichte rezipiert worden. Maria in frommer Betrachtung meistens auf einem Betschemel, und der Engel tritt hinzu. Ein sanftes Zurückweichen ob der Ansprache des Engels wird sichtbar. Erschrecken allerdings sieht anders aus. Aufgerissene Augen, panische Gesichtszüge. Sonst bräuchte es die Zusage des Engels nicht: Fürchte Dich nicht. Sie alle kennen Situationen der Angst und des Erschreckens. Viele von uns haben Sorgen und Nöte. Diese greift Lukas auf. Ich muss nicht gleich in frommer Ergebung alles erdulden. Ich darf Angst und Not haben. Ich darf auch beim Engel des Herrn nachfragen. Ich darf Unverständnis zeigen. Erst danach darf die Zustimmung kommen.
Gottes Heil kommt in die Welt. Er bedient sich der Person Marias. Und diese Frau reagiert so, wie wir auch reagieren würden. Angst und Not. Nachfrage und dann Zustimmung. Gott wird Mensch, und er wird Mensch im Menschen Maria. Gott kommt heute in die Welt und bedient sich bei uns Menschen heute.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Adventswoche (21.12.2023)
ImpulsAber du, Betlehem-Efrata,
bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen,
der über Israel herrschen soll.
Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen.
Darum gibt er sie preis, bis zu der Zeit,
da die Gebärende geboren hat.
Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren zu den Söhnen Israels.
Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des HERRN,
in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.
Sie werden in Sicherheit wohnen; denn nun wird er groß sein
bis an die Grenzen der Erde.
Und er wird der Friede sein.
(Micha 5, 1-4a)
Wir geben die Hoffnung nicht auf.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir meinten, wenn der Messias kommt, wird alles von selbst besser. Und deshalb einfach so weitermachen könnten wie bisher.
Sondern weil wir daran festhalten, dass die Botschaft Jesu vom Reich Gottes, sein Verhalten angesichts der tödlichen Bedrohung und seine Auferstehung ein Lichtblick sind.
Durch ihn erkennen wir, dass Gott am Werk ist und er uns einen Weg zeigt, den Frieden zu finden. Keinen Frieden, der zustande kommt durch raffinierte Ideen, durch äußeren Druck oder geniale Methoden. Sondern aus Gottes Kraft in Jesu Worten und Taten. Durch „Friede sein“, wie es in V. 4a heißt.
Zu Weihnachten werden wir uns von neuem bewusst, dass wir empfangen, was wir selbst gern weiterschenken möchten: die allen Hass überbrückende Wohltat des Ja Gottes zu jedem von uns. Sie geht allem voraus, was uns zu tun aufgegeben ist. Sein Friede steckt an, versöhnt, befreit, lässt uns aufatmen, überwindet kleinliche Vorbehalte und reicht die Hand. Deshalb geben wir die Hoffnung nicht auf.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Adventswoche (20.12.2023)
ImpulsDas Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf. Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Midian. Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird das vollbringen.
(Jes 9,1-6)
Die heutige Lesung werden wir auch in diesem Jahr wieder in der Christmette der Weihnachtsnacht hören. Alles wie immer also? Die Worte vom Licht in der Finsternis, vom Joch, das zerbrochen wird, vom neu geborenen Kind, dem Friedensfürst. Die Realität aber sieht ganz anders aus: Menschen, die unter Krieg, Terror und Gewalt leiden, Herrscher, die ihre Völker unterdrücken – Dunkelheit statt Licht allenthalben.
Die alten Verheißungen können nur dann ihre Sprengkraft entfalten, wenn sie uns dazu antreiben, in ihrem Sinne die Wirklichkeit zu verändern. So zu leben, als seien die Verheißungen schon Wirklichkeit. Das zu tun, was ich kann, um die Welt zu einem besseren, friedlicheren Ort zu machen.
Vielleicht kann ich die letzten Tage vor dem Fest damit anfangen. Denn es ist nie zu spät, damit anzufangen, die Welt heller zu machen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Dienstag der Dritten Adventswoche (19.12.2023)
ImpulsDu, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.
(Sach 9,9-10)
Wie oft singen wir diese Verse in diesen Tagen.
„Tochter Zion …“
Leider
sind sie für uns kein Lobgesang.
Sondern flehentliche Bitte.
Sei du, Herr,
Friedenskönig und Gekreuzigter
ein Gerechter und ein Helfer,
gebiete und schaffe Du
Frieden allen Völkern,
ergreife du deine Herrschaft!
Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Krieg, Gewalt, Terror und Hass.
Von Gott keine Spur?
Vielleicht entdecken wir
Seine Spur ja in uns.
Und können ein klein wenig beitragen
zu Frieden und Gerechtigkeit,
können Hoffnung und Liebe säen.
Packen wir es an!
Machen wir uns mit dem Motto des
Friedenslichtes aus Betlehem,
das auch bei uns in der Marienkapelle brennt,
AUF DIE SUCHE NACH FRIEDEN!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der Dritten Adventswoche (18.12.2023)
ImpulsSo spricht der HERR Zebaoth: Es werden noch Völker kommen und Bürger vieler Städte, und die Bürger der einen Stadt werden zur andern gehen und sagen: Lasst uns gehen, den HERRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth; wir wollen mit euch gehen. So werden viele Völker und mächtige Nationen kommen, den HERRN Zebaoth in Jerusalem zu suchen und den HERRN anzuflehen.
(Sach 8,20-23)
Es ist irgendwie fast zum Verzweifeln, dass wir Menschen bis heute immer wieder das himmlische mit dem irdischen Jerusalem verwechseln.
Sicher, das irdische Jerusalem ist fundamental für drei Weltreligionen, ein großer Ort von Geschichte und Kultur, aber eben auch immer wieder Quelle von Zwietracht, Hass, Gewalt. Das liegt nicht alleine an diesem Ort, sondern ist eben etwas Menschliches, diese dunkle Seite von uns.
Das himmlische Jerusalem ist dagegen Vollkommenheit, Ort der Hoffnung für alle Menschen, Ursprung der Liebe, und kann daher nie die Quelle von Hass oder Gewalt sein.
Beide Orte verbindet, dass sie aber auch Sehnsuchtsorte für uns sind. Wir haben immer die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf eine Erfüllung. Wir Menschen machen uns immer wieder auf den Weg, eine neue Heimat zu suchen, einen besseren Ort, an dem wir vielleicht sicherer sind, weniger Not haben, unseren Kindern eine Zukunft geboten wird.
Ich denke bei einer solchen Heimatsuche an meine Großeltern, die Eltern meiner Mutter. Sie sind einst in den 1920er Jahren aus Pommern und aus Schlesien nach Berlin aufgebrochen, um dort ein besseres Leben zu suchen, und auf dieser Suche haben sie sich dann gegenseitig gefunden.
Das Bild oben ist eines der wenigen Fotos, das erhalten geblieben ist. Ein glücklicher Tag. Vielleicht ein Sonntag im Grünen. Mein Opa, wie immer, den Schalk ins Gesicht geschrieben, den Arm liebevoll um die Schulter meiner Oma gelegt. Beide strahlen.
Es ist eine Geschichte von Millionen. Vielleicht ein lichter Jerusalem-Moment.
„Zur Heimat erkor ich mir die Liebe“, schrieb einmal die jüdische Lyrikerin Mascha Kaléko in ihrem Gedicht „Die frühen Jahre“. Sie selbst fühlte sich ihr Leben an keinem Ort zuhause. Und dann erzählt gerade sie uns, wie leicht es doch sein kann, trotz aller Enttäuschungen oder geplatzter Träume den Weg nach Jerusalem zu finden.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dritten Adventssonntag (17.12.2023)
ImpulsDenn so spricht der HERR der Heerscharen: Wie ich plante, euch Böses zu tun, weil eure Väter mich erzürnten, spricht der HERR der Heerscharen, und es mich nicht reute, so habe ich umgekehrt in diesen Tagen geplant, Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht! Das sind die Dinge, die ihr tun sollt: Sagt untereinander die Wahrheit! Richtet in euren Stadttoren der Wahrheit gemäß und mit Urteilen, die dem Frieden dienen! Plant in eurem Herzen nichts Böses gegen euren Nächsten und liebt keine verlogenen Schwüre! Denn all das ist, was ich hasse – Spruch des HERRN. (Sach 8,14-17)
„Fürchtet euch nicht!“ Wie ein Grundton erscheint dieses Trostwort in den Büchern der Heiligen Schrift immer wieder – heute in der Kombination mit dem Plan Gottes, Gutes an seinem Volk zu tun. Eine wirkliche Freudenbotschaft, die wir an diesem Dritten Adventssonntag hören.
Der Dritte Adventssonntag ist geprägt von der Freude. GAUDETE (Freut euch) wird er genannt. Die Vorfreude auf das Fest der Menschwerdung steht dabei im Zentrum. Bei manchen Adventskränzen ist die Kerze dieses Sonntags deshalb etwas heller als die übrigen, und in der Liturgie wird das dunkle Violett der Messgewänder durch das leichtere, verspielte, hellere Rosa kurzzeitig abgelöst.
Aus dieser Freude über unsere Erlösung resultiert dann das Tun, wie es der Prophet Sacharja beschreibt: Die Wahrheit sagen, so urteilen, dass es der Wahrheit und dem Frieden dient, nichts Böses im Herzen gegen den Mitmenschen planen. Konkrete Forderungen, die sozusagen Konsequenzen dieser Grundhaltung der Freude sind. Keine moralischen Lasten, die mir aufgebürdet werden, sondern Elemente eines Lebens in der Freude der Erlösten.
Lassen wir diese Freude heute in unser Herz!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Adventswoche (16.12.2023)
ImpulsEs erging das Wort des HERRN der Heerscharen: So spricht der HERR der Heerscharen: Mit großem Eifer trete ich ein für Zion und mit großer Zornglut setze ich mich eifersüchtig für es ein. So spricht der HERR: Ich bin nach Zion zurückgekehrt und werde wieder in der Mitte Jerusalems wohnen. Dann wird Jerusalem Stadt der Treue heißen und der Berg des HERRN der Heerscharen Heiliger Berg. So spricht der HERR der Heerscharen: Greise und Greisinnen werden wieder auf den Plätzen Jerusalems sitzen; jeder hält wegen des hohen Alters seinen Stock in der Hand. Und die Plätze der Stadt werden voller Knaben und Mädchen sein, die auf ihren Plätzen spielen. So spricht der HERR der Heerscharen: Wenn das zu wunderbar ist in den Augen des Restes dieses Volkes in jenen Tagen, muss es dann auch in meinen Augen zu wunderbar sein? – Spruch des HERRN der Heerscharen. So spricht der HERR der Heerscharen: Seht, ich befreie mein Volk aus dem Land des Sonnenaufgangs und aus dem Land des Sonnenuntergangs. Ich werde sie heimbringen und sie werden in der Mitte Jerusalems wohnen. Sie werden mir Volk sein und ich werde ihnen Gott sein in Treue und in Gerechtigkeit. (Sach 8,1-8)
„Mit großem Eifer trete ich ein für Zion
und mit großer Zornglut setze ich mich eifersüchtig für es ein.“
So heißt es in der heutigen Tageslesung.
Kann das denn wahr sein?
Ein eifernder, zorniger, eifersüchtiger Gott?
Der „mit großer Zornglut“ handelt?
Reicht es nicht, wenn überall Menschen eifersüchtig und mit rasendem Zorn handeln?
Sehen wir nicht die Zerstörungen, die ein rasender Eifer auf der Welt anrichtet?
Und spricht nicht auch Benedikt in seiner Ordensregel von einem „bitteren Eifer, der von Gott trennt und in die Hölle führt“? (vgl. RB 72)
Der Zorn Gottes ist die andere Seite seiner Liebe.
Weil Gott sein Volk, uns, mich so liebt,
deshalb setzt er sich mit Eifer und Zornglut für sein Volk, uns, mich ein.
Das ist der „gute Eifer“, von dem Benedikt auch spricht, „der zum ewigen Leben führt“.
Leidenschaftslosigkeit ist für Gott keine Tugend, wie sie es für die Stoiker war.
Leidenschaft hält uns lebendig.
Und sie entspricht einem Gott, der sich leidenschaftlich, mit brennender Liebe für mich einsetzt.
Wagen wir es heute einmal, unsere Leidenschaften zuzulassen!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Adventswoche (15.12.2023)
ImpulsAuf, auf! Flieht aus dem Land des Nordens – Spruch des HERRN. Denn wie die vier Winde des Himmels habe ich euch zerstreut – Spruch des HERRN. Wehe, Zion, die du bei der Tochter Babel wohnst, rette dich! Denn so spricht der HERR der Heerscharen – um der Ehre willen hat er mich gesandt – gegen die Völker, die euch ausgeplündert haben: Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an. Ja, jetzt hole ich mit meiner Hand zum Schlag gegen sie aus, sodass sie eine Beute ihrer eigenen Knechte werden. Und ihr werdet erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich gesandt hat. Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in deiner Mitte – Spruch des HERRN. An jenem Tag werden sich viele Völker dem HERRN anschließen und sie werden mein Volk sein und ich werde in deiner Mitte wohnen. Dann wirst du erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich zu dir gesandt hat. Der HERR aber wird Juda in Besitz nehmen als seinen Anteil im Heiligen Land. Und er wird Jerusalem wieder auserwählen. Alle Welt schweige in der Gegenwart des HERRN. Denn er tritt hervor aus seiner heiligen Wohnung. (Sach 2,10-17)
„Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn.“ An diesem Satz aus der heutigen Tageslesung bleibe ich hängen. Nach der Rettung Israels aus dem Exil Babels, ein Tag, der für Israel wahrlich ein Tag des Jubels und der Freude war, wird Gott kommen und in der Mitte Jerusalems wohnen – auf dem Zionsberg, wo zur Zeit Sacharjas gerade der Tempel wiederaufgebaut wird.
Aber wenn Gott kommt, wenn er „aus seiner heiligen Wohnung hervortritt“, dann soll alle Welt schweigen in der Gegenwart des Herrn. Dann braucht es keine Worte mehr, dann dürfen wir uns schweigend an der Gegenwart Gottes erfreuen.
Der Advent ist eine oftmals sehr laute und geschäftige Zeit. Das Schweigen kommt in diesen Tagen manches Mal zu kurz. Vielleicht nehmen Sie sich heute im Getriebe des Alltags einmal bewusst einige Momente des Schweigens, um einfach nur da zu sein und zu hören, sich zu erfreuen an der Gegenwart Gottes. Dann nehmen wir vielleicht auch besser wahr, wenn er kommt, wenn er aus seiner heiligen Wohnung tritt und bei uns, bei mir einkehren will.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag der Zweiten Adventswoche (14.12.2023)
ImpulsDanach erhob ich meine Augen und sah: Siehe, da war ein Mann mit einer Messschnur in der Hand.
Ich fragte: Wohin gehst du? Er antwortete mir: Jerusalem auszumessen, um zu sehen, wie breit und wie lang es ist. Und siehe, da trat der Engel, der mit mir redete, hervor und ein anderer Engel trat auf, ihm entgegen.
Er sagte zu ihm: Lauf und sag dem jungen Mann dort: Jerusalem wird eine offene Stadt sein wegen der vielen Menschen und Tiere in seiner Mitte. Ich selbst – Spruch des HERRN – werde für Jerusalem ringsum eine Mauer von Feuer sein und zur Herrlichkeit werden in seiner Mitte. (Sacharja 2,5-9)
Es gibt Brände, die zerstören alles, was von ihnen erfasst wird: Waldbrände oder Hausbrände, die auf andere Gebäude überzugreifen drohen. Es gibt aber auch gezielt angelegte Feuer, die einen Schutzwall vor dem Übergreifen der Flammen bilden. Sie sollen bewirken, dass große Feuerlawinen, die auf Siedlungen oder Waldstücke zulaufen, dadurch gestoppt werden, dass ihnen die brennbare Nahrung entzogen wird, und erlöschen. Das sind schützende Feuer. Von ihnen ist im letzten Vers die Rede.
Alles Lebendige in dieser Stadt kann sich darauf verlassen, dass sich um die offene Stadt mit ihren Menschen und Tieren die schützende Macht Gottes wie eine Mauer aus Feuer legen wird. Darauf können alle vertrauen, die dort zu Hause sind, so versichert Sacharja. Gerade angesichts unsicherer Zeiten verstehen wir gut, wie wichtig ein solcher Schutz sein kann.
Was ängstigt mich so sehr, dass ich mich völlig schutzlos fühle, von Gefahren umzingelt; was bedrückt mich und entzieht mir die Lebensfreude? Die heutige Lesung möchte darauf aufmerksam machen, dass Du umfangen bist von einer Kraft, an die Du Dich jederzeit wenden kannst, wenn Deine Widerstandskräfte gegen böse Anfeindungen erlahmen, mögen sie von außen oder innen kommen.
„ Den Höchsten hast du zu deinem Schutz gemacht, dir begegnet kein Unheil!“
Psalm 91,9-10
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Adventswoche (13.12.2023)
ImpulsDer HERR antwortete dem Engel, der mit mir redete, in freundlichen Worten, Worten voll Trost. Da sagte mir der Engel, der mit mir redete: Verkünde: So spricht der HERR der Heerscharen: Mit großem Eifer trete ich für Jerusalem und Zion ein; aber ich bin voll glühendem Zorn gegen die Völker, die sich in falscher Sicherheit wiegen; als ich selbst nur ein wenig erzürnt war, halfen sie dem Unheil nach. Darum – so spricht der HERR: Voll Erbarmen wende ich mich Jerusalem wieder zu. Man wird mein Haus dort aufbauen – Spruch des HERRN der Heerscharen – und die Richtschnur über Jerusalem spannen. Weiter verkünde: So spricht der HERR der Heerscharen: Meine Städte werden wieder überfließen von Gütern. Der HERR wird Zion wieder trösten und er wird Jerusalem wieder auserwählen. (Sach 1,13-17)
In den Visionen das Propheten Sacharja sind mir beim Lesen zwei Sätze in Erinnerung geblieben. Der erste Satz lautet: „Der Herr antwortete dem Engel, der mit mir redete, in freundlichen Worten, Worten voll Trost.“ Und der zweite Satz: „Darum – so spricht der Herr: Voll Erbarmen wende ich mich Jerusalem wieder zu.“
Trost und Erbarmen sind Schlüsselworte Gottes an den Menschen. Bei allem Versagen und jeglicher Schuld sind das Erbarmen und der Trost Gottes den Menschen gewiss. Im Advent erwarten wir die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Die Liebe Gottes, sein Erbarmen und der Wunsch, den Menschen in Not und Leid Trost zu senden, sind so groß, dass Gott uns so nahe kommt, indem er Mensch wird.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Adventswoche (12.12.2023)
ImpulsIm zweiten Jahr des Darius erging im achten Monat das Wort des HERRN an den Propheten Sacharja, den Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos: Schwer hat der HERR euren Vätern gezürnt. Deshalb sag zu ihnen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt um zu mir – Spruch des HERRN der Heerscharen -, dann kehre ich um zu euch, spricht der HERR der Heerscharen. Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten verkündeten: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren heillosen Wegen und von euren heillosen Taten! Aber sie hörten nicht und schenkten mir kein Gehör – Spruch des HERRN. Wo sind nun eure Väter? Und die Propheten – leben sie ewig? Meine Worte und meine Gesetze, die ich meinen Knechten, den Propheten, gebot, haben sie sich nicht an euren Vätern erfüllt? Darauf kehrten sie um und sagten: Wie der HERR der Heerscharen geplant hatte, nach unseren Wegen und unseren Taten an uns zu handeln, so hat er an uns gehandelt. (Sach 1,1-6)
In der nächsten Woche lesen wir in unseren täglichen Adventslesungen Texte des Propheten Sacharja. Er ist um das Jahr 520 v. Chr. aufgetreten, zu einer Zeit, als das Volk Israel nach der großen Katastrophe des Babylonischen Exils in sein Land zurückkehren konnte. Das große Projekt, das Sacharja begleitet, ist der Wiederaufbau des zerstörten Tempels – für ihn ein Akt der Umkehr des Volkes Gott gegenüber.
„Kehrt um zu mir, dann kehre ich um zu euch!“ So legt es der Prophet Gott in den Mund. Umkehr ist ein wechselseitiges Geschehen. Nicht nur wir Menschen kehren um zu Gott – auch Gott kehrt um zum Menschen, er wendet sich uns wieder zu, macht einen neuen Anfang mit uns. So wie er einen neuen Anfang mit Israel nach dem Exil gemacht hat, so möchte er auch in diesem Advent mit uns neu beginnen.
Kehren wir heute neu um zu unserem Gott, denn er ist schon längst zu uns umgekehrt!
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Zweiten Adventswoche (11.12.2023)
ImpulsIch komme, um alle Völker und Zungen zu versammeln, dass sie kommen und meine Herrlichkeit sehen. Und ich will ein Zeichen unter ihnen aufrichten und einige von ihnen, die errettet sind, zu den Völkern senden, nach Tarsis, nach Pul und Lud, nach Meschech, Tubal und Jawan und zu den fernen Inseln, wo man nichts von mir gehört hat und die meine Herrlichkeit nicht gesehen haben; und sie sollen meine Herrlichkeit unter den Völkern verkündigen.
Jes 66,18b-19
Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel:
die Verheißung, dass Gott alle Menschen versammeln will.
„ … so sammle die Menschen
aller Völker und Sprachen, aller Schichten und Gruppen
zum Gastmahl der ewigen Versöhnung in der
neuen Welt deines immerwährenden Friedens
durch unseren Herrn Jesus Christus.“
So heißt es im Hochgebet um Versöhnung.
Wie schön wäre es, wenn das heute schon Wirklichkeit wäre.
Doch wir Menschen gönnen es uns scheinbar nicht,
machen uns das Leben schwer
– im alltäglichen Miteinander
und im Großen des Krieges.
„Mach deine Kirche zum Zeichen der Einheit
unter den Menschen und zum Werkzeug
deines Friedens.“
So beten wir im gleichen Hochgebet.
Doch schon hier gelingt es oft nicht.
Liegt es vielleicht auch daran,
dass wir gerne beim ersten Vers des heutigen Textes hängen bleiben
und nicht den zweiten lesen?!
Wir sollen uns nicht ausruhen und abwarten.
Wir sind gesandt!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Zweiten Adventssonntag (10.12.2023)
ImpulsDenn vergessen sind die früheren Nöte, sie sind vor meinen Augen verborgen. Ja, siehe, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn. Vielmehr jubelt und jauchzt ohne Ende über das, was ich erschaffe! Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zum Jauchzen und sein Volk zum Jubel. Ich werde über Jerusalem jubeln und frohlocken über mein Volk. Nicht mehr hört man dort lautes Weinen und Klagegeschrei. Es wird dort keinen Säugling mehr geben, der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, der seine Tage nicht erfüllt; wer als Hundertjähriger stirbt, gilt als junger Mann, und wer die hundert Jahre verfehlt, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und selbst darin wohnen, sie werden Weinberge pflanzen und selbst deren Früchte genießen. Sie werden nicht bauen, damit ein anderer wohnt, nicht pflanzen, damit ein anderer isst, sondern wie die Tage eines Baumes sind die Tage meines Volkes und das Werk ihrer Hände werden meine Auserwählten selber verbrauchen. Sie mühen sich nicht vergebens und gebären nicht für den schnellen Tod. Denn sie sind die Nachkommen der vom HERRN Gesegneten und ihre Sprösslinge sind mit ihnen. So wird es sein: Ehe sie rufen, antworte ich, während sie noch reden, höre ich. Wolf und Lamm weiden zusammen und der Löwe frisst Stroh wie das Rind, doch der Schlange Nahrung ist der Staub. Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der HERR. (Jes 65,16b-25)
In der heutigen Textstelle des Jesaja zum zweiten Advent hören wir die Verheißungen auf die Endzeit hin. Für mich ist es geradezu tröstlich, dass die Vollendung noch aussteht – die Verheißungen, dass Jubel herrsche, dass Friede sei, dass Arglosigkeit nicht vergeblich ist. Wolf und Lamm, Löwe und Rind stehen eigentlich für das Gegensätzliche in der Natur. In der Vollendung aber fällt alles Gegensätzliche ineinander. Und dann der so tröstliche Gedanke im Vers 17: Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Da klingen die Verse aus der Offenbarung an: Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. (Offb 21,1-2)
Diese Texte höre ich oft bei Beerdigungen. Sie sind Trostworte für die Vollendung eines jeden Menschen, der Gottes Geschöpf ist und bleibt.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Samstag der Ersten Adventswoche (9.12.2023)
ImpulsHättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen…
(Jes 63,19b – ganze Lesung: Jes 63,19b – 64,3)
Zerreiß doch den Himmel und komm doch endlich in diese Welt: So könnte vielleicht ein flehender Ruf heutiger Menschen lauten. Wenn wir auf das Leid so vieler Menschen schauen, sei es in der Ukraine, im Gaza-Streifen oder anderswo in der Welt, spüren wir in unserem Inneren ein drängendes Flehen zu Gott hin: Zerreiß den Himmel und komm, schreite ein. Ja, uns Heutige umgeben Ungerechtigkeit, Verzweiflung, Krieg, Leid und Schmerz in unserer Welt. Der flehende Ruf des Propheten Jesaja scheint aktueller denn je. Auch in diesem Advent harren wir, dass Gott zu uns kommt; dass er kommen möge mit seiner erlösenden und befreienden Botschaft.
Doch Gott wird als ein kleines und hilfloses Kind in diese Welt kommen.
Vielleicht gerade durch das zerbrechliche göttliche Kind, das unser Friedensfürst ist, erahnen wir die Einladung, dass es auch auf mich persönlich ankommt, hier und jetzt göttliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Friedens, der Gerechtigkeit und des Trostes zu sein.
Fangen wir doch heute an!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls an Maria Empfängnis (8.12.2023)
ImpulsBlick vom Himmel herab und sieh her von deiner heiligen, prachtvollen Wohnung! Wo ist dein leidenschaftlicher Eifer und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und dein Erbarmen – sie bleiben mir versagt! Du bist doch unser Vater! Abraham weiß nichts von uns, Israel kennt uns nicht. Du, HERR, bist unser Vater, Unser Erlöser von jeher ist dein Name. Warum lässt du uns, HERR, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbbesitz sind! Für eine kurze Zeit haben unsere Feinde dein heiliges Volk in Besitz genommen; dein Heiligtum haben sie zertreten. Wir sind geworden wie die, über die du nie geherrscht hast, über denen dein Name nie ausgerufen wurde. Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen. (Jes 63,15-19a)
Wo steckt Gott?
Das ist eine Frage, die uns Menschen immer wieder beschäftigt. Man kann das aus nüchterner geisteswissenschaftlicher Sicht betrachten und fragen: Wo ist die andere Welt? Und: wenn die Toten wirklich auferstehen: Wo sind sie? Unsere Lieben und die unendlich vielen, die vor uns auf dieser Erde gelebt haben? Gerade auf die letzte Frage können wir nicht mehr distanziert antworten, denn existentiell gefragt, formuliert sich die Frage wohl eher so:
Wo versteckt sich Gott? – Warum lässt er sich nur so schwer finden?
In dieser durch Not verschärften Fragestellung finden wir uns in der Ambivalenz aller Beziehungen wieder. Sie öffnen beide Beziehungsrichtungen: Wie schön und unterstützend ist es, wenn wir Menschen an unserer Seite haben dürfen, die uns unterstützen, die uns begleiten, die uns lieben. Und wie schmerzhaft wird es, wenn solche Menschen fehlen. Nagende Einsamkeitsgefühle, verzweifelte Schreie sind dann unsere Reaktion.
Mit der Gottesbeziehung ist es ebenso. Er fehlt uns. Wir suchen. Und dann machen wir Gott dem Menschen auf unsere Art und Weise gleich. Gott ist nicht mehr Gott, sondern nur noch eine Art „Supermensch“ – besser, schneller, stärker, größer – allmächtig im Menschensinn. Ein Unweg und ein Umweg.
Dabei müssen und können wir Gott nicht uns Menschen vergleichbar machen. Das gelingt nie. Wenn wir wirklich auf die Suche nach dem Anderen, nach dem Eigenen, nach dem wirklich Göttlichen gehen, ändert sich auch die Richtung unserer Frage:
Worin überall steckt Gott?
Die Antwort ist im Grunde einfach und so schwierig zugleich: Er ist überall – der Himmel ist längst zerrissen und Gott ist schon immer in der Welt. Nicht etwa Aufsehen erregend, nicht laut, nicht halbstark, nicht gewalttätig. Gott ist da, wie ein Kind da ist. Hier. Jetzt. Überall. Die andere Richtung ist göttlich: Er ist uns gleich geworden und genau darin offenbart er seine Gottheit. Er ist nicht Superheld-Supermensch, er ist supermenschlich, hat unsere Natur nicht nur angenommen, sondern auf geheimnisvolle Weise vertieft. Er ist einer von uns mitten unter uns. Hier. Jetzt. Überall.
Wir feiern das Marienfest: Gottes Tor unter den Menschen öffnet ihn ins Menschsein hinein.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Adventswoche (7.12.2023)
ImpulsAuf deine Mauern, Jerusalem, habe ich Wächter gestellt. Den ganzen Tag und die ganze Nacht, niemals sollen sie schweigen. Die ihr den HERRN erinnert, gönnt euch keine Ruhe! Lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem festigt und bis er es einsetzt als Ruhm auf Erden! Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Nie mehr gebe ich dein Korn deinen Feinden zu essen. Nie mehr trinken Fremde deinen Wein, um den du dich so gemüht hast. Die das Korn ernten, sollen es auch essen und den HERRN preisen. Die den Wein lesen, sollen ihn auch trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums. Zieht ein, zieht ein durch die Tore, bahnt dem Volk einen Weg! Bahnt, ja bahnt die Straße und räumt die Steine beiseite! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! Siehe, der HERR hat es bekannt gemacht bis ans Ende der Erde. Sagt der Tochter Zion: Siehe, deine Rettung kommt. Siehe, sein Lohn ist mit ihm und sein Ertrag geht vor ihm her! Dann wird man sie nennen Heiliges Volk, Erlöste des HERRN. Und du wirst genannt werden: Begehrte, nicht mehr verlassene Stadt. (Jes 62,6-12)
Wollte ich diese Lesung so verstehen, dass sie den endgültigen Wiederaufbau der Stadt Jerusalem ankündigt, dann hätte sie nichts zu sagen. Jerusalem ist im Laufe der Geschichte schon mehrmals zerstört worden. Sie ist vergänglich wie alle Städte dieser Welt.
Sie steht vielmehr für die gottgewollte Zivilisation der Menschen als einer Gemeinschaft, in der alle Verhältnisse von Gerechtigkeit und dauerhaftem Frieden geprägt sind. Der Prophet sagt: das ist kein Traum, keine Utopie, auch wenn es uns hier auf Erden nicht glückt, dieses Reich der endgültigen, freien Wirklichkeit mit eigener Kraft aufzubauen. Sie existiert in uns als heiße Sehnsucht nach einem erfüllten Leben im echten Miteinander. Das lässt uns keine Ruhe.
Also versuche ich, in dem Text aus dem Buch Jesaja Ansatzpunkte herauszufinden, die mir helfen, meine vom Glauben genährte Sehnsucht zu stärken, dass durch die Ankunft Jesu Christi auch die friedvolle Einheit aller Menschen aufgebaut und verwirklicht wird
Z.B. könnte ein solcher Ansatzpunkt sein:
Gott an die großen Visionen erinnern, die er mir und vielen anderen eingepflanzt hat. Nicht weil er ein schlechtes Gedächtnis hätte, sondern damit er merkt, dass wir ihn ernst nehmen und seinen Versprechen trauen. Nur durch unsere Bereitschaft dazu, auch das uns Mögliche beizusteuern, im täglichen Umgang, in der verlässlichen Beziehung zueinander, im Ertragen der Schrullen usw., und das in enger Verbindung zum gegenwärtigen Christus, werden wir schon jetzt zu Bürgern der Neuen Stadt, die da heißen wird: Begehrte, nicht mehr verlassene Stadt.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Ersten Adventswoche (6.12.2023)
ImpulsKleider machen Leute – ein Impuls zu Jes 61,10-11
Ein bekanntes Sprichwort lautet: „Kleider machen Leute“. Das Sprichwort bezieht sich darauf, dass wir durch unsere Kleidung etwas ausdrücken wollen: Wer wir sind oder wer wir gerne sein möchten. Woher wir kommen oder was wir vertreten. Offenbar ist die passende Kleidung gar nicht so unwichtig. Bei Mitarbeitern in Banken oder in Wirtschaftsbetrieben wird Wert darauf gelegt, dass diese sich ordentlich kleiden. Polizisten oder Bahnbedienstete müssen in ihrer Dienstzeit eine Uniform tragen. Ärzte tragen weiße Kittel und Mönche den Habit. Wird ein Fest gefeiert, ziehen sich die meisten von uns auch dementsprechend an. Beim Sport tragen wir moderne und effektive Sportwäsche, und so spielen in unserer Freizeit Kleider auch eine wichtige Rolle. Manche Feste haben sogar traditionelle Festtagskleider. Und die Messgewänder in der Kirche entsprechen der jeweiligen liturgischen Farbe. Kleider sagen viel über uns.
Und die Gewänder des Heils? Denn Kleider spielen auch im Abschnitt unseres Bibeltextes aus dem Buch Jesaja eine wichtige Rolle. Sie sind Bilder für das, was Gott dem Boten seiner frohen Nachricht schenkt. Angesichts dieses Geschenkes will sich der Verfasser „von Herzen freuen über den Herrn und in Jubel ausbrechen über seinen Gott.“ Den Grund seiner Freude erfahren wir auch: „Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.”
Es geht also um Freude. Freude vielleicht wie bei einer Hochzeit, wo die Menschen sich festlich gekleidet haben. Der Advent ist eine Zeit, in der wir neue Kleider anziehen dürfen. Kleider, um sich den Zwängen des Lebens mit seinen Verpflichtungen zu entziehen. Die Gewänder des Heils und der Mantel der Gerechtigkeit sind für mich starke Bilder der Liebe. Diese Liebe darf ich wie festliche Kleidung anziehen. Advent heißt auch, dass ich in meinem Kleiderschrank des Lebens Platz für Gottes Mantel der heilenden Liebe machen darf – für Christus! Denn in der Taufe habe ich ihn als ein neues Gewand angezogen. Advent heißt auch, dass ich den vollen Kleiderschrank meines Lebens einen kleinen Spalt öffnen darf, dass Christus den Mantel seines Lichtes über mich ausbreiten kann. Advent heißt aber auch, den Faden der Liebe Gottes aktiv aufzunehmen und an dieser Kleidung mit zu weben und zu nähen, um in der Barmherzigkeit Gottes dem Nächsten und mir selbst gegenüber zu handeln.
Der heilige Nikolaus, dessen Gedenktag wir heute feiern, war in seinem Tun und Handeln ganz vom Mantel des Heiles in der Nachfolge Christi umwoben. Nikolaus schöpfte aus den Taschen seiner Kleidung immer wieder Liebe und Barmherzigkeit für seine Nächsten. Er war ganz und gar mit Christus bekleidet. Nikolaus motiviert uns, die Adventszeit zu nutzen, um die Kleidung zu wechseln – legen wir den alten Mantel der Zwänge ab und ziehen die Kleidung der Freiheit im Zeichen der Liebe Gottes an. Kleider machen Leute – Gott Menschen!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Adventswoche (5.12.2023)
ImpulsDer Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat.
Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen,
die zerbrochenen Herzen zu verbinden,
zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit,
den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen;
zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und
einen Tag der Rache unsres Gottes,
zu trösten alle Trauernden,
zu schaffen den Trauernden zu Zion,
dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer,
schöne Kleider statt eines betrübten Geistes gegeben werden,
dass sie genannt werden »Bäume der Gerechtigkeit«, »Pflanzung des Herrn«, ihm zum Preise.
Jes 61,1-3
Christus, der Gesalbte.
Der Gesandte in unsere Welt.
Der Verkünder einer frohen, freimachenden Botschaft.
Der Friedensbringer.
Christen, die Gesalbte in Taufe und Firmung.
Gesandt in den Alltag unseres Lebens.
Um Seine frohe, freimachende Botschaft weiter zu sagen.
Um Frieden zu leben und weiter zu geben.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der Ersten Adventswoche (4.12.2023)
ImpulsBlühendes Hoffnungslicht strahlt auf – ein Impuls zu Jes 60,19-22
Es ist dunkel. „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker“. Viele Orte des Leids und der Enttäuschung können wir heute nennen, das Dunkel in der Welt und das Dunkel in unserem Leben. Die Dunkelheit im Leben. Im Dunkeln sitzen. Eine Erfahrung, die auch die heilige Barbara, deren Gedenktag wir heute feiern, machen musste. Barbara, eine junge Frau, eingesperrt in der tiefen Dunkelheit des Verlieses im Turm. Eingesperrt vom eigenen Vater, weil sie Christus durch die Taufe nachfolgt. Und doch wird ein blühender Zweig zum Hoffnungslicht für die junge Frau in der Dunkelheit des Turmes. Barbara weiß darum, dass die Dunkelheit nicht das letzte Wort hat.
„Die Sonne soll nicht mehr dein Licht sein am Tage, und der Glanz des Mondes soll dir nicht mehr leuchten, sondern der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Glanz sein. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen …und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“
Barbara spürt in ihrer Herzenstiefe, dass ihr ewiges Licht kommt – Christus selbst! Und das gilt auch für uns: Jesus erhellt unsere Existenz. Er erleuchtet unsere lichtvollen Tage, auch die unabsehbar finsteren Tage im Angesicht von Tod und Leid. Gott kommt mit seinem Liebeslicht des Lebens zu uns. Blühende Zweige mitten im Winter werden zum Hoffnungslicht. Sie ermutigen wie ein Licht in der Dunkelheit. Sie stärken den Glauben. Sie entfachen die Liebe. Sie wecken die Hoffnung. Das ist es, was Advent bedeutet.
Ja, und die Kerzen, die wir im Advent anzünden, sind ein schöner Hinweis auf das zu erwartende Licht. Die Kerzen weisen auf den kommenden Christus: Für ihn ist kein Leben zu dunkel. Licht geht von Jesus aus: Wärme, Freude, Liebe, Orientierung, Leben. Das spürte auch Barbara, als sich auf dem Weg in das Verlies des Turmes ein Kirschzweig in ihrem Kleid verfing. Sie stellte ihn in ihrer Zelle in einen Krug mit Wasser. Knospen trieben hervor. Eines Tages sprangen sie auf. Zarte weiße Blüten sprossen im Winter. Vielleicht dachte Barbara in diesem Moment: „Du schienst wie tot, aber aus totem Holz ist neues Leben entsprungen. Ich glaube, so wird es auch mit mir sein. Wenn sie mich töten, dann wird mein Tod das Tor zum Leben im Licht des HERRN.“ So können Barbara und der blühende Kirschzweig für uns zum Hoffnungslicht in Zeiten der Dunkelheit werden, weil das blühende Licht der Welt in unser Leben kommt. Für immer – für ewig.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Ersten Adventssonntag (3.12.2023)
ImpulsWer darf hinaufziehn zum Berg des HERRN,
wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?
Der unschuldige Hände hat und ein reines Herz,
der seine Seele nicht an Nichtiges hängt und keinen trügerischen Eid geschworen hat.
Er wird Segen empfangen vom HERRN
und Gerechtigkeit vom Gott seines Heils.
Psalm 24, 3-5 (Textstelle insgesamt: Ps 24,1-10)
Die Bedingungen sind klar für die, die hinaufziehen wollen zum Haus Gottes.
Und der Lohn auch: Segen und Gerechtigkeit.
Ein guter Einstieg in den Advent.
Einmal wieder zur Be-Sinn-ung kommen.
Auf mich selbst schauen.
Auf das, was mein Leben prägt,
woran ich mich orientiere.
Das Evangelium im Gottesdienst des 1. Advent
spricht eine klare Sprache:
„Seid wachsam!“ (Mk 13,33-37)
Seid wachsam, seid achtsam
auf Euch selber.
Und auf die Menschen neben euch.
Auf die Natur, unsere Schöpfung.
Nur dann kommen wir hin zu Gott, kommt ER selber uns entgegen.
ER, der „König der Herrlichkeit“!
Der immer schon auf dem Weg zu uns ist.
P. Guido Hügen OSB
Impuls am 2. Dezember (2.12.2023)
ImpulsSteh auf, werde licht, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des HERRN geht strahlend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der HERR auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Nationen wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. (Jes 60,1-3)
Es sind die uralten Worte des Jesaja, die buchstäblich gegen die Resignation anrufen. Die Verheißung des Lichtvollen, obwohl doch die Finsternis die Erde bedeckt und Dunkelheit die Völker. Jesaja erinnert uns daran, dass unser Glaube an die Zukunft des Menschen glaubt. Dabei geht es nicht darum, sich die Gegenwart schön zu reden, aber auch nicht an ihr zu verzweifeln. Es herrscht Krieg in Europa. Aber ohne den Glauben an Frieden gewinnt das Dunkel. Stehen wir also auf. Richten wir uns nicht ein in ein bequemes Untergangsszenario.
Wer glaubt, glaubt an die Zukunft.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am 1.12.2023
ImpulsRedlichkeit wird vermisst, wer das Böse meidet, wird ausgeraubt. Das hat der HERR gesehen und es war böse in seinen Augen, denn es gibt kein Recht. Er sah, dass niemand da war, und war entsetzt, dass niemand einschritt. Da half ihm sein eigener Arm, seine eigene Gerechtigkeit war seine Stütze. Er legte die Gerechtigkeit an wie einen Panzer und setzte den Helm des Heils auf. Er legte die Kleider der Vergeltung an und umhüllte sich mit leidenschaftlichem Eifer wie mit einem Mantel. Gemäß den Taten zahlt er heim; Zorn seinen Gegnern, Vergeltung seinen Feinden, bis zu den Inseln vergilt er und zahlt heim. Dann fürchtet man im Westen den Namen des HERRN und im Osten seine Herrlichkeit. Denn er kommt wie ein reißender Strom, den der Sturm des HERRN treibt. Doch für Zion kommt der Erlöser und für alle in Jakob, die umkehren von ihrem Vergehen – Spruch des HERRN.
Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließe, spricht der HERR: Mein Geist, der auf dir ruht, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen nicht weichen aus deinem Mund, aus dem Mund deiner Nachkommen und aus dem Mund der Nachkommen deiner Nachkommen, spricht der HERR, von jetzt an und auf ewig. (Jes 59,15-21)
Wer meint, dass der ursprüngliche Advent Gottes etwas Harmloses und Entspannendes ist, der wird in der heutigen Lesung eines Besseren belehrt. Gott kommt – aber durch das Gericht hindurch. Gott kommt – um Gerechtigkeit zu schaffen. Gott kommt – und ruft die Menschen zur Umkehr auf.
Wenn wir in unsere Welt heute schauen, dann können wir das Bild eines Gottes, der leidenschaftlich für Gerechtigkeit kämpft, vielleicht besser nachvollziehen. Zu oft geht es ungerecht in dieser Welt zu. Zu oft bleibt Gerechtigkeit ein hohes Wort, das von den Zuständen in unserer kleinen und großen Welt nicht eingeholt wird.
Die Worte des Propheten Jesaja erinnern mich daran, dass der Advent auch etwas mit einer persönlichen Umkehr zu tun hat. Im Lichterglanz dieser Tage kann das leicht vergessen werden – aber der Advent hat vor allem mit einer brennenden Sehnsucht nach Gerechtigkeit zu tun.
Wo kann ich in der vor mir liegenden Adventszeit Gerechtigkeit wiederherstellen – da, wo es auf mich ankommt?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Ostersonntag (9.4.2023)
ImpulsUnd an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln.
(RB 4,74)
Mit dem letzten Werkzeug der geistlichen Kunst gibt Benedikt den Grundton des gesamten Kapitels vor. Es hat sich ja eine Fülle von Werkzeugen und Anweisungen angesammelt, die alle zu befolgen sind. Das kann schnell überfordern. Im schlimmsten Fall könnte man an den vielen Weisungen, hinter denen wir zwangsläufig immer zurückbleiben werden, verzweifeln und die Flinte ins Korn werfen. „Das ist nichts für mich, ich schaffe das eh nicht.“
Benedikt betont mit dem letzten Werkzeug: Mach weiter. Bleib auf dem Weg. Verzweifele nicht an Gottes Barmherzigkeit. Er macht immer wieder einen neuen Anfang mit dir. Egal wie wenig du bisher verstanden hast, gib nicht auf.
Dass dieses letzte Werkzeug mit dem Osterfest zusammenfällt, halte ich für eine wunderbare Fügung. Denn genau darum geht es an Ostern. Gott macht einen neuen Anfang mit uns. Er ruft uns zu: Verzweifele nicht an meiner Barmherzigkeit! Gib nicht auf! Mach weiter! Oder, wie es Roger Schutz einmal sagte: Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast, und sei es noch so wenig – lebe es!
P. Maurus Runge OSB
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Osterfest!
Impuls am Karsamstag (8.4.2023)
ImpulsNach einem Streit noch vor Sonnenuntergang zum Frieden zurückkehren.
(RB 4,73)
Was geschah am Karsamstag?
Was war, als Jesus tot war?
„Er selbst, Gott, hatte es durchlitten mit seinem Sohn. Ihn hatte die Angst geschüttelt, ihn hatten die Schmerzen gequält, er hatte mit dem Gekreuzigten nach Luft gerungen und geschrieen. Am eigenen Leib hatte er erfahren, was es heißt, einsam zu sein. (…)
Der Kampf war ausgestanden, und er hatte gewonnen. Ja, Gott hatte sich durchgesetzt. Anders als die Versucher es ihm nahelegten. Der Streit, der Zwiespalt, der Hass war besiegt. (…) So machte sich Gott daran, das Neue zu schaffen. (…)
‚Das soll die Keimzelle der neuen Wirklichkeit werden: Ich werde bei ihnen sein und sie werden bei mir sein. Ich kenne sie jetzt und sie werden mich sehen, wie ich bin. Die Liebe meines Sohnes wird uns verbinden.‘“
Worte aus dem (lesenswerten!) Büchlein von Hans Frör „Ich will von Gott erzählen wie von einem Menschen, den ich liebe“.
Sind diese Worte, sind Tod, Neuschöpfung und Auferstehung Jesu nicht Grund genug,
dass auch wir Frieden schließen?
Noch vor Sonnenuntergang – damit wir gut schlafen.
Vor allem aber vor dem neuen Sonnenaufgang der Liebe …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Karfreitag (7.4.2023)
ImpulsIn der Liebe Christi für die Feinde beten.
(RB 4,72)
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
(Lk 23,34)
Eines der letzten sieben Worte Jesu am Kreuz
nach den Evangelien.
Ich mag mir nicht anmaßen, so über mein Gegenüber zu urteilen.
Aber die Konsequenz grundsätzlich,
auch für jemanden, der mir „gegenüber“ steht
zu beten,
ihn oder sie Gott anzuempfehlen,
Gott eine letzte Be-urteil-ung zu überlassen,
wäre das nicht ein großer Schritt im Zusammensein?
Gott ist die Liebe.
IHM darf ich den oder die andere gerne anvertrauen.
Auch wenn das so gar nicht leicht ist.
P. Guido Hügen OSB
Impuls an Gründonnerstag (6.4.2023)
ImpulsDie Älteren ehren,
die Jüngeren lieben.
(RB 4,70-71)
Die Werkzeuge 70 und 71 der geistlichen Kunst (4. Kapitel der Benediktsregel) lauten: „Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben“. Das Wort »Ehre« bezeichnet im biblischen Kontext das Ansehen bzw. die Bedeutung Gottes oder eines Menschen. Umgekehrt heißt »jemanden ehren«, ihn so zu behandeln, wie es diesem Ansehen entspricht. Und seinem Ansehen entspricht es eben, dass der andere wie ich selber nach dem Abbild Gottes als Mensch geschaffen wurde. Im Alltag ist es oft schwer, jemanden Nächstes zu „ehren“ oder ihn gar zu lieben. Wir reden uns selber oft heraus und übernehmen keine Verantwortung, denn wir sind ja selbst immer unschuldige Lämmer. Oft haben wir Vorurteile gegenüber dem Nächsten, sind misstrauisch und schieben die Schuld gerne anderen zu. Egal ob älter oder jünger – das ist der Kreislauf der zwischenmenschlichen Verirrungen und Verwirrungen. Gar nicht so einfach. Stimmt: Die Achtsamkeit gegenüber den Nächsten ist eine Übung für das ganze Leben. Oft brauchen wir eine Motivation, um uns in etwas Bestimmtes einzuüben. Jesus selbst gibt uns eine Motivationshilfe mit an die Hand. „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen ebenso.“ Wer wollte nicht als junger Mensch geliebt und angenommen sein? Wer will nicht im Alter geehrt sein? Neben diesem Motivationsspruch, den wir auch die goldene Regel nennen, schenkt uns Jesus aber auch selbst ein Beispiel für eine Haltung, den Nächsten zu ehren und zu lieben. Diese Haltung kommt am heutigen Gründonnerstag zutage: die Fußwaschung. Jesus wäscht den Jüngern die Füße und ehrt dadurch seine Nächsten in ihrer Würde als Kinder Gottes. Möge die Fußwaschung uns ein Beispiel sein auf dem Weg der Barmherzigkeit uns selbst und allen Schwestern und Brüdern gegenüber.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der Karwoche (5.4.2023)
ImpulsÜberheblichkeit fliehen.
(RB 4,69)
Hier nennt Benedikt ein Grundübel. Er meint den Stolz, das Gegenteil von Demut, nach Auffassung der Wüstenväter eines der acht klassischen Laster. Er rät, vor ihr die Flucht zu ergreifen, denn sie ist in seinen Augen eine lebensgefährliche Bedrohung, die alles zunichtemachen kann. Sie besteht in dem Drang, mehr zu scheinen als man ist. Man stößt andere Menschen ab, verachtet sie, verliert ihr Vertrauen und hat keinen echten Kontakt zu Gott. Sie ist auch deshalb so fatal, weil der Überhebliche in ihr gefangen ist und so schnell nicht mehr von ihr loskommt.
Was steckt hinter der Überheblichkeit?
– Entweder die Angst, nicht genug zu bieten zu haben, der Wunsch, Eindruck zu schinden, um die eigene Schwäche zu übertünchen.
– Oder sich mit anderen zu vergleichen und dabei von seinen eigenen Leistungen und Vorzügen so fasziniert zu sein, dass man darin einen Grund sieht, auf andere herabzusehen.
Es gibt genügend abschreckende Beispiele aus der Geschichte, an denen deutlich wird, dass gerade Erfolg, Reichtum, Machtfülle und hohes Ansehen zur Überheblichkeit verführen können. Wer an die Spitze gelangt, muss besonders auf der Hut sein. Deshalb ist es Benedikt von Nursia ein großes Anliegen, dass der Abt als väterlicher Leiter der Gemeinschaft nicht selbstherrlich alles alleine entscheidet, sondern in allen wichtigen Angelegenheiten seine Mitbrüder zu Rate zieht, sich besonders um die Schwachen müht und auf die Bedürfnisse der einzelnen Rücksicht nimmt.
Wie können wir der Überheblichkeit entgehen?
Im Sinne Benedikts würde ich sagen: durch einen ausgeglichenen Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen. Keinem hat Gott alles gegeben und keinem nichts. Mit unseren Gaben können wir einander dienen, um sie so zum Nutzen aller zu machen; und wo wir nicht mehr weiter können, uns von anderen helfen zu lassen, wie es in einem Tagesgebet im Messbuch heißt. Das heißt: Wer die Beziehung zu den Nächsten sucht, lernt sie zu achten und sie zuerst mit ihren Anliegen zum Zuge kommen zu lassen. Ich finde, allein schon die Frage „Wie geht es Dir?“ kann alles andere als eine höfliche Floskel gemeint sein, wenn ich die Zeit aufbringe, der Antwort auch zuzuhören. Aber leider wissen wir ja oft schon vorher, wie es den anderen geht. Wer aber sich erkundigt, bleibt nicht an sich selber hängen.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Dienstag der Karwoche (4.4.2023)
ImpulsDen Streit nicht lieben.
(RB 4,68)
Wer wollte dem nicht zustimmen? Wer möchte schon als streitlustig gelten? Der heilige Benedikt mahnt seine Brüder immer wieder, nicht zu murren. Murren oder streiten ist für ihn eher etwas Grundloses und Grundsätzliches. Es bringt eine in der Person begründete Unzufriedenheit zum Ausdruck.
Davon unabhängig muss ich aber manchmal streiten. Wenn es um Ungerechtigkeit oder Lieblosigkeit geht, muss ich um der Sache willen streiten. Das ist für mich ein Kriterium der Unterscheidung: Was will ich erreichen? Wenn ich für etwas streite, dann ist es ein Akt der Fürsorge für den Nächsten. Wenn ich aber nur meine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringe, dann liegt die Gefahr nahe, dass ich ein Ventil für meine Situation suche.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Montag der Karwoche (3.4.2023)
ImpulsNicht aus Neid handeln.
(RB 4,67)
Im Kontext der gesamten Benediktsregel wird deutlich, dass die innere Motivation einer Handlung für Benedikt sehr wichtig ist. Es kommt ihm gar nicht so sehr darauf an, dass seine Mönche nach außen alles richtig machen. Viel wichtiger ist ihm die Frage: Warum tue ich das jetzt – oder tue es nicht? Was treibt mich dabei an – was triggert mich? Was ist meine tiefste Motivation?
Wir müssen heute zugeben: Das ist ein höchst psychologischer Vorgang, der auch für uns heute sehr wichtig ist. Um uns selbst immer besser kennenzulernen, uns durchaus auch zu korrigieren – um zu mehr Leben zu kommen. Dies ist und bleibt der Angelpunkt jeglicher spiritueller Wege im Christentum!
Was treibt mich also an – über ein gesundes Maß zu arbeiten? Was treibt mich an, mich immer wieder über die Maßen vollzustopfen? Was treibt mich an, mich als etwas Besseres anzusehen?… Was treibt mich an?
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Palmsonntag (2.4.2023)
ImpulsNicht eifersüchtig sein.
(RB 4,66)
Wenn ich diese Weisung aus der Benediktsregel lese, dann habe ich an diesem besonderen Tag, dem Palmsonntag am Beginn der Karwoche, direkt die Bilder vom Einzug Jesu in Jerusalem im Kopf. Wie er, so erzählt es das Matthäusevangelium (Mt 21,1-11), auf dem Rücken einer Eselin in die Stadt hinein reitet und die Menschen ihre Kleider und Zweige von den Bäumen als Zeichen der Ehrerbietung auf seinen Weg legen. Diese Schilderung entspricht natürlich den Bildern aus der alttestamentlichen Prophetie und betont die Sanftmütigkeit Jesu, der ganz anders als ein triumphaler König auftritt und dennoch genau deswegen von den Menschen umjubelt und willkommen geheißen wird. Dennoch wird er für die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes zur Gefahr: Und ich bin mir sicher, dass auch Eifersucht hier eine Rolle gespielt haben dürfte.
In unserem persönlichen Gefühlsleben kommt es immer wieder zu Situationen, in denen wir Eifersucht empfinden und spüren. Neid ist eng mit dieser Emotion verbunden und beide zusammen können ein toxisches Gemisch werden, das uns selbst emotional völlig aus dem Gleichgewicht bringt und sich auch auf unsere Mitmenschen unangenehm auswirken kann, wenn es uns nicht gelingt, unsere Gefühle angemessen zu regulieren. Zwei Fragen scheinen mir in solchen Situationen hilfreich und weiterführend: Was empfinde ich am Anderen als so bedrohlich, dass in mir das Gefühl der Eifersucht aufkommt, und ist das bei einer ehrlichen und selbstkritischen Überprüfung meiner Gefühle auch wirklich berechtigt und begründet? Meistens überspielen Eifersüchteleien die Angst, dass eine uns wichtige Beziehung oder Bezogenheit durch jemand gestört oder beeinträchtigt werden könnte. Lässt sich diese Beziehung auch unabhängig von dem „Störfaktor“ stärken, sodass die Angst vor ihrer Bedrohung nicht mehr so stark sein muss?
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Samstag der Fünften Fastenwoche (1.4.2023)
ImpulsNiemanden hassen.
(RB 4,65)
Heute befinden wir uns am Tor zur Karwoche, denn morgen ist Palmsonntag.
Das heutige Werkzeug ist in Bezug auf das, was jetzt kommen wird, wie ein Konzentrat. Niemanden zu hassen bündelt so vieles, ist eine so starke Kraftquelle.
Wie wäre wohl die Karwoche einst verlaufen, wenn niemand den anderen gehasst hätte?
Wir wissen es alle, es ist nur ein „schöner Traum“.
Denken wir uns doch einmal selbst in diese Woche: bei wem oder wo wäre unser Hass aufgeflammt?
Es ist nicht leicht, den eigenen Hass hinter sich zu lassen. Hass ist zerstörerisch, und das ist verführerisch. Er kann gegen andere zerstörend wirken, gibt uns Macht, aber er wirkt vor allem zerstörend gegen uns selbst. Geben wir dem eigenen Hass Nahrung, entflammen wir ein Feuer, das uns selbst verbrennt.
Trotz aller Wut, aller Schrecken, aller Grausamkeit gibt es aber immer einen Weg, neu zu beginnen, den Hass hinter sich zu lassen. Wir können Brücken zerstören, oder wir können sie bauen. Wir haben es immer selbst in der Hand.
Der Wüstenvater Evagrius Ponticus hat es einst schön auf den Punkt gebracht:
Es ist unmöglich, dass du alle deine Brüder in gleicher Weise liebst. Aber du kannst mit allen im Frieden des Herzens leben, frei von der Erinnerung an Unrecht und frei von Hass.
Wer niemanden mehr hasst, wird frei sein. Was für ein schönes Versprechen am Vorabend zur Passion.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Freitag der Fünften Fastenwoche (31.3.2023)
ImpulsDie Keuschheit lieben.
(RB 4,64)
Natur ist Keuschheit
Wir können
von Bäumen und Blumen
von Tieren und Insekten
von allem Leben auf dieser Erde
Lernen!
Sich nicht aufdrängen
Nicht über andere reden
Dasein
Keine Bewertung
Keine Kosten-Nutzen-Rechnung
Kein Nachtragen Nachfragen Nachhängen
Immer Hier und Jetzt
Niemals allein
Vereint mit allem
Ohne Absicht
Ohne Vorbehalt
Ohne Urteil…
Unendlich fruchtbar!
Der Zukunft zugetan
Fülle ohne Angst
Leben aus der Quelle
Dann wären wir keusch
Und
Im Grunde
Wie Gott
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Donnerstag der Fünften Fastenwoche (30.3.2023)
ImpulsGottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen.
(RB 4,63)
Das 4. Kapitel seiner Mönchsregel nennt der hl. Benedikt „Werkzeuge der geistlichen Kunst“. Für mich klingt da eine kre-aktive Lebenshaltung bzw. eine positive Lebenseinstellung mit, die durch die drei schöpferischen Worte „Werkzeug – Geistlich – Kunst“ unterstrichen wird. Alle drei Worte rufen in mir wach, dass ich kreativ und aktiv sein darf. Was nützt mir aber ein Werkzeug, wenn ich damit nicht handwerklich tätig bin und etwas erstelle? Was nützt mein geistliches Denken, wenn ich damit nicht den Klang der Lebensphilosophien erweitere oder ergänze und sie auch lebe? Und meine Kunst bleibt leer, wenn ich nicht immer wieder bildnerisch mit den Schöpfungskräften die Welt zum Guten umgestalte.
Benedikts Bild der Werkstatt fasziniert. Das klösterliche Leben einüben in einer Werkstatt – kre-aktiv für den Alltag zu werden. Und so verstehe ich auch das heutige Werkzeug der geistlichen Kunst „Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen“. Es ist die ganzheitliche Ansprache, nicht nur Gottes Wort zu lesen und zu überdenken, sondern mein alltägliches Handeln von Gottes Weisungen inspirieren zu lassen, das heißt Gottes Weisungen aktiv zu leben! Gottes Wort in die Tat umsetzen. Gottes Willen geschehen lassen. Das ist gar nicht so einfach. Nicht umsonst vergleicht der hl. Benedikt das Kloster mit einer Schule. In der Schule lerne ich, bilde ich mich und übe mich ein. Gottes Weisungen zu verinnerlichen und zu leben ist ein lebenslanger Lernprozess der täglichen Übungen. Der Ort für den Mönch ist das Kloster mit seiner Werkstatt, wo die Werkzeuge für die Kunst des geistlichen Lebens benutzt werden sollen. Gut, dass es Zeiten im Kirchenjahr gibt wie die Fastenzeit, die wir als Übungsstunden nutzen können, um die Kunst des geistlichen Lebens leben zu lernen.
Und außerhalb des Klosters? Da gibt es zu diesem Werkzeug eine wunderbare Übung:
Als Christen sind wir in tiefem Vertrauen mit Gott verbunden. Christsein heißt in Freundschaft mit Jesus zu leben. Vielleicht ist der Heilige Geist so etwas wie ein unsichtbares Freundschaftsbändchen zwischen Gott und mir. Dieses Freundschaftsbändchen wurde bei der Taufe geknüpft. Manche Christ*innen tragen ein besonderes Freundschaftsband, auf dem eine Buchstabenkombination WWJD aufgedruckt ist: „Was würde Jesus tun?“ (WWJD = What would Jesus do?) Es soll sie daran erinnern, sich diese Frage im Alltag immer wieder zu stellen bei den großen und kleinen Entscheidungen des Lebens. Was würde Jesus tun? Was tue ich, damit Gottes Wille in der Welt geschehe?
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Mittwoch der Fünften Fastenwoche (29.3.2023)
ImpulsNicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden.
(RB 4,62)
Wann ist es so weit, dass ich heilig bin?
Kennst Du auch das Bedürfnis, herauszufinden, wie es um Dein Bemühen steht, ein guter Mensch oder gar Christ zu sein? Ertappst Du Dich manchmal bei der Frage, ob Dein Glaube Fortschritte macht oder eher oberflächlich bleibt? Dieses Bedürfnis, den spirituellen Puls zu fühlen, hat sehr viel zu tun mit einem selbstverliebten Blick in den Spiegel, der einem vielleicht offenbaren könnte, ob ich inzwischen der „Schönste im ganzen Land“ bin, etwa nach einer selbstlosen Tat. Spätestens dann ist klar: Ich nehme mich immer noch viel zu wichtig.
Entscheidend für eine realistische Selbstbeurteilung scheint mir nicht zu sein, was andere über mich denken, sondern z. B. ob ich unauffällige Dienste übernehmen kann, die mir zwar Mühe bereiten, aber keinen Imagegewinn einbringen. Wonach richte ich mein Verhalten aus?
Selbst wenn ein Mönch noch so oft an Gebetszeiten teilnimmt, kann es in seinem Innern ganz anders aussehen. Wer ich bin, wie es um mich steht, das verraten nicht so sehr meine Ideale und Vorsätze, mein Eindruck in der Öffentlichkeit, sondern eher unbewusste Gesten oder Verhaltensweisen, etwa wenn ich mich unbeobachtet fühle und keiner zuhört. Wie lange lausche ich meinen Worten nach, auch wenn sie vor langer Zeit gesprochen worden sind, und wie oft beschäftigt mich das Lob der anderen oder ihre Kritik?
Heilig sein heißt: nicht zu viel daran denken, sondern, wie der hl. Benedikt sagt, „es erst sein“, ohne etwas davon zu haben. Heiligkeit ist ein Geschenk der Gnade. Darum dankbar sein und nicht vergessen: „Wer meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle!“ (1 Kor 10,12)
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Dienstag der Fünften Fastenwoche (28.3.2023)
ImpulsDen Weisungen des Abtes in allem gehorchen, auch wenn er selbst, was ferne sei, anders handelt; man denke an die Weisung des Herrn: „Was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht.“
(RB 4,61)
„Was ferne sei…:“ Wenn in der Benediktsregel diese Formulierung gebraucht wird, dann weiß man eigentlich direkt, dass es um ein Thema von großer Wichtigkeit geht und dass dieses in Wahrheit recht häufig Konfliktstoff in einer Klostergemeinschaft bietet. So wird hier der Gehorsam dem Abt gegenüber eingefordert im Wissen darum, dass Gehorsam in dieser Situation eine wahre Herausforderung ist. Hält sich der Abt doch selbst nicht an das, wozu ihn seine Vorbildfunktion eigentlich verpflichtet. Indem mit einer Stelle aus dem Matthäusevangelium (Mt 23,3) eine Weisung Jesu zu diesem Dilemma zitiert wird, wird zu einer differenzierten Wahrnehmung der eigenen Verantwortung aufgefordert: Gültiger Maßstab für das eigene Handeln bleiben die Heilige Schrift, die Benediktsregel und das eigene Gewissen. Schlechtes und unvorbildliches Verhalten des Abtes oder auch anderer Brüder dienen nicht der Begründung eigenen Fehlverhaltens.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Montag der Fünften Fastenwoche (27.3.2023)
ImpulsDen Eigenwillen hassen.
(RB 4,60)
„Das ist doch wieder typisch katholisch. Den eigenen Willen zu hassen, das ist doch nicht gesund. Zu lange hat man Menschen in unserer Kirche mit solchen unmenschlichen Forderungen gebrochen. In so einer Kirche kann ich unmöglich bleiben.“ So ähnlich werden Sie vielleicht gedacht haben, als Sie das heutige Werkzeug aus der Benediktsregel gelesen haben. Und ich kann Sie gut verstehen. Wäre es tatsächlich so, wie ich es in der fiktiven Rede am Anfang beschrieben habe – ich möchte auch nicht in so einer Kirche sein und bleiben.
Das, was hier mit Eigenwille übersetzt wird – im lateinischen Original heißt es „propria voluntas“ – meint aber gar nicht den eigenen Willen, den freien Willen des Menschen. An dem ist nämlich nichts Böses, denn Gott hat uns schließlich als freie Menschen erschaffen. Und auch den Entschluss, ins Kloster einzutreten, habe ich aus freiem Willen getroffen – sonst wären meine Gelübde kirchenrechtlich auch gar nicht gültig. Benedikt betont diesen freien Willen des Menschen am Anfang seiner Regel sehr deutlich: „Wer ist der Mensch, der das Leben will und gute Tage zu sehen wünscht?“ (RB Prol. 15) Und einen Vers später sagt er: „Wenn du das hörst und antwortest: Ich…“ Die Grundentscheidung meines Lebens treffe ich aus freiem Willen, und auch im Kloster höre ich nicht auf, „Ich“ zu sagen – eine Klostergemeinschaft besteht aus sehr unterschiedlichen Individuen.
Was Benedikt mit dem neuen Wort „Eigenwillen“ bezeichnet und so verteufelt, sind eher die kleinen Begehrlichkeiten meines Egos, die mich nach und nach daran hindern, meiner Grundentscheidung zum Leben zu folgen. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: das Streben nach Macht, Karrieresucht, Gewinnstreben, Neid, Eifersucht, … Es geht also beim heutigen Werkzeug nicht darum, mein Ich und meine Freiheit aufzugeben, es geht darum, dass all die kleinen Begehrlichkeiten des Lebens mich nicht von dem wegführen, wofür ich mich einmal in Freiheit entschieden habe: dem zu folgen, der mich zum Leben führen will.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Fünften Fastensonntag (26.3.2023)
ImpulsDie Begierden des Fleisches nicht befriedigen.
(RB 4,59)
Schnell ist man mit diesem Wort Benedikts auf einer falschen Fährte. Alles Fleisch, sprich der eigene Körper ist schlecht. Das Christentum ist eben leibfeindlich!
Schaut man auf die Grundlagen beim Apostel Paulus, die auch für Benedikt wegweisend sind, sieht die Sache etwas anders aus und ist viel weiter zu sehen.
Paulus schreibt im Galaterbrief:
„Offenbar aber sind die Werke des Fleisches, welche sind: Hurerei, Unreinigkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Neid, Totschlag, Trunkenheit, Gelage und dergleichen, von denen ich euch vorhersage, gleichwie ich auch vorhergesagt habe, dass, die solches tun, das Reich Gottes nicht ererben werden. Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit; wider solche gibt es kein Gesetz.“
Die “ Werke des Fleisches “ – sie tun dem Menschen eigentlich nicht gut und führen vom Leben weg. Die „Werke des Geistes “ wollen dagegen zu einem mehr an Leben führen:
Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit, …
Es gilt immer wieder im Alltag, „die Geister “ zu unterscheiden – was führt mich zu einem wirklichen Mehr an Leben, und was macht mein Leben im Tiefsten eigentlich kleiner? Das meint bei Paulus und somit auch in der Benediktsregel die Unterscheidung zwischen den Werken des Fleisches und denen des Geistes.
Fangen wir also an, für diese Dynamik in uns wachsam und ehrlich zu sein. Dann kann es Ostern werden – dann siegt das Leben.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Samstag der Vierten Fastenwoche (25.3.2023)
ImpulsUnd sich von allem Bösen künftig bessern.
(RB 4,58)
Das heutige Werkzeug ist eng mit dem von gestern verknüpft. Gestern ging es um das Bekenntnis meiner Schuld, dem Gedenken daran, dass ich Fehler mache und nicht perfekt bin. Heute geht es um das, was im Sakrament der Versöhnung Reue und Wiedergutmachung genannt wird. Das ist eigentlich nur folgerichtig: Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann strebe ich danach, es beim nächsten Mal besser zu machen. Das ist schon in ganz profanen Zusammenhängen so, z.B. im Arbeitsleben, wie viel mehr im geistlichen Leben. Wir Menschen ticken so. Wir streben danach, besser zu werden. Schließlich sind wir zur Vollkommenheit berufen.
Schlimm wird es, wenn daraus ein Zwang entsteht, der unfrei macht. Das hat in der Vergangenheit immer wieder zu unglückseligen Formen der Spiritualität geführt. Und das kann leicht zu geistlichem Missbrauch führen.
Bei der „Besserung vom Bösen“ geht es nicht um den Zwang zur Perfektion. Es geht darum, immer mehr das Bild von mir auszuprägen, das Gott sich von jedem einzelnen Menschen gemacht hat. Es geht um die Ermöglichung meines Menschseins.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Vierten Fastenwoche (24.3.2023)
ImpulsSeine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen.
(RB 4,57)
Man kann heute kaum jemandem den Rat geben, sich auf diese Anweisung des hl. Benedikt aufs Geratewohl einzulassen. Vor allem müssen sich Menschen mit schwachem Selbstvertrauen davor hüten. Bloß nicht in den Drang verfallen, sich dauernd vergangener Sünden zu bezichtigen! Ich selbst praktiziere diese Art eines ausführlichen täglichen Sündenbekenntnisses nicht. Zwar sprechen wir im Konvent mehrmals täglich im Vaterunser die Bitte: „Und vergib uns unsre Schuld“, wir sagen auch zu Beginn der Komplet, dem Gebet zum Tagesabschluss, im Schuldbekenntnis, ganz allgemein, dass wir „gesündigt haben in Gedanken, Worten und Werken“, aber dabei weinen wir nicht, nur kommt vielleicht gelegentlich ein stummer Seufzer hoch, wenn einem einfällt, heute etwas verbockt zu haben.
Aber ich möchte doch versuchen, trotz meines Widerstrebens gegen eine deprimierende Frömmigkeit herauszufinden, was in Benedikts Anweisung an heilsamer, lebenskluger Absicht enthalten sein könnte.
Als erstes fällt mir auf: Hier ist vom Gebet die Rede.
Gebet ist kein Monolog, in dem Betende einfach drauf los reden, sondern ein Zwiegespräch, in dem der Mensch sein Herz einem hörenden Gott vertrauensvoll öffnet. Gott wird hier nicht als strafende Instanz angesprochen, der man haarklein alle seine Sünden ängstlich aufzählen muss, sondern als ein väterliches Gegenüber, das durch seine unbedingte Bereitschaft zum Zuhören einen Raum auftut, in dem all das zum Ausdruck gebracht werden darf, was die betende Person im Inneren bewegt, auch wenn es ihr peinlich ist.
Und dann: Gott ist die Quelle des Friedens.
Er will die Versöhnung. Seine Nähe hilft Spannungen im eigenen Leben zu überwinden. Von ihr geht die Kraft aus, die nötig ist, um seine ungelösten Konflikte anzunehmen und zu überwinden. Das ermutigt, sich ihm anzuvertrauen und nicht verheilte Wunden hinzuhalten. Wer echte Vergebung gefunden hat, lernt die versöhnende Wirklichkeit Gottes kennen und atmet auf.
Schließlich: Es ist sinnvoll, sich der eigenen Hinfälligkeit bewusst zu sein.
Das verhindert, sich etwas vorzumachen. Einen realistischen Blick auf die eigenen Grenzen zu bekommen ist doch ein erstrebenswertes Ziel! Warum sich also nicht hin und wieder aus versöhntem Herzen heraus an eigene Sünden erinnern? Ohne dabei die persönlichen Möglichkeiten zu übersehen.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Vierten Fastenwoche (23.3.2023)
ImpulsSich oft zum Beten niederwerfen.
(RB 4,56)
Das Gebet des Christen ist Ausdruck der liebenden Beziehungsqualität zu Gott hin. So verstanden gleicht das Gebet einer Pflege der Liebe zu dem, dem sich der Mensch verdankt. Das „ oft“ meint im Kontext der Regel nicht eine Anzahl von Gebeten, sondern will auf das „immerwährende Gebet“, gleich unserem Atem, hinweisen. Immerwährendes Gebet ist eine Sicht auf ein Leben in Gottes Gegenwart. Das „ niederwerfen“ darf auch als ein Ausdruck einer Hingabe an Gott verstanden werden. Der Mensch in seiner gesamten Existenz richtet sich immer wieder neu auf diese Liebe hin aus.
Charles de Foucauld hat es einmal so in einem Gebet ausgedrückt:
„.. weil ich Dich liebe und weil diese Liebe mich treibt, mich dir hinzugeben, mich in deine Hände zu legen, ohne Maß, mit einem grenzenlosen Vertrauen, denn Du bist mein VATER“.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Vierten Fastenwoche (22.3.2023)
ImpulsHeilige Lesungen gerne hören.
(RB 4,55)
Heilige Lesungen: Gott – Welt – Mensch
Wenn ich sie doch lesen könnte
die geheiligte Welt
Wenn ich ihn doch lesen könnte
den ebenbildlichen Menschen
Wenn ich ihn doch lesen könnte
den menschgewordenen Gott
Die Buchstaben der Schöpfung zeigen das All
Die Buchstaben des Menschen verkünden das Leben
Die Buchstaben Gottes offenbaren die Liebe
Wenn ich sie doch lesen könnte, diese wahrhaft heiligen Schriften
Oder lesen sie sich in Wirklichkeit selber vor?
ICH
Muss nichts tun
Muss nichts denken
Muss nichts verrichten
Lasse sie einfallen
in den Seelenraum – bis auf den Goldgrund sinken sie
Öffne die Herzensresonanz
Neige das Ohr
und fühle im Innersten:
schon immer bin ich im großen Verstehen
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Fest des hl. Benedikt (21.3.2023)
ImpulsHäufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben.
(RB 4,54)
Schon öfter habe ich das Kloster Eberbach im Rheingau besucht. Hier wurde der berühmte Klosterkrimi „Der Name der Rose“ von Umberto Eco verfilmt. Der ehemalige Schlafsaal der Eberbacher Mönche diente im Film als Kulisse für die Schreibstube des Klosters – mit der berühmten kleinen Tür zur Bibliothek. Und hier spielt auch, wie ich finde, eine sehr gruselige Gesprächsszene zwischen William von Baskerville und dem alten Bibliothekar Jorge über das Lachen, die nicht gerade von der gewaltfreien Kommunikation à la Marshall Rosenberg gekennzeichnet ist, sondern einen eher aggressiven Unterton hat. Es wird heftig darüber gestritten, ob Jesus gelacht habe. Die Evangelien berichten nichts vom Lachen Jesu – vom Weinen dagegen schon. Mitunter ein Grund, dass viele Menschen die Kirche für unlustig halten. Für viele ist die Kirche eine ernste alte Dame ohne Humor, Trübsinn verbreitend, und dann weiß sie auch noch alles besser, aber bekommt ihre aktuellen Anliegen nicht geregelt, so dass anderen das Lachen im Halse stecken bleibt.
Der arme Jorge ist sicherlich starrköpfig geworden. Und vielleicht deutet er die Dinge nicht richtig, weil die Weite des Herzens fehlt. Wer weiß es schon? Wir wissen aber, dass das Evangelium wirklich keinen Spaß versteht, wenn es auf Kosten anderer, vor allem der Schwächeren geht. Wenn man also den Nächsten auslacht und bloßstellt oder kleinlacht. Das hat mit einem gesellschaftlichen Hintergrund aus der Zeit der Entstehung des Evangeliums zu tun. In der römischen Antike hat man die Menschen wegen ihrer Schwächen oder Handicaps ausgelacht und damit vor aller Welt bloßgestellt. Für Jesus ist das Verlachtwerden ein Signal des Unglaubens gegen die schöpferische Liebe Gottes zu jedem Menschen, der nach dem Abbild des Allmächtigen geschaffen wurde – eine Form der Ablehnung und der Verhöhnung des Nächsten. Der heilige Benedikt nimmt diesen Faden auf, wenn er in seiner Mönchsregel schreibt: „Häufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben.“ (RB 4,54). Es geht dem Mann vom Monte Cassino nicht um den fröhlichen, gesunden Humor, sondern um das abfällige Lachen über die Schwächen des Nächsten. Das kann nämlich zum Gift für das Klima in der klösterlichen Gemeinschaft werden. Nicht nur im klösterlichen Alltag lauert oft das Fettnäpfchen des Verlachens, sondern in jeder Lebensgemeinschaft und Gesellschaft. Die Fastenzeit ist wie ein Blick in den Spiegel, in dem wir unser eigenes Lachen wahrnehmen können. Ist es echt und voller Liebe? Oder steckt Missgunst und Verachtung dahinter?
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Montag der Vierten Fastenwoche (20.3.2023)
ImpulsLeere oder zum Gelächter reizende Worte meiden.
(RB 4,53)
Wenn man diese Aufforderung liest, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass Mönche und Nonnen humorlose und griesgrämige Spaßverderber wären, wenn sie diese Weisung ernstnehmen wollen. Auch kommt mir direkt die Kritik an der Glaubwürdigkeit der christlichen Erlösungshoffnung von Friedrich Nietzsche in den Sinn, der sich über Christen beklagt, die trotz ihrer Hoffnung einen so unerlösten Eindruck machen, dass sie leider wenig überzeugend wirken. Dabei geht es hier aber gar nicht um Humor und um ein fröhliches, beherztes Lachen. In der Bergpredigt ist das Lachen sogar Kennzeichen der Erlösten: „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen“ (Lk 6,21). Kritisiert wird hier albernes Gekichere oder das respektlose Verlachen anderer. Lachen kann etwas unmittelbar Befreiendes und Gemeinschaftsstiftendes haben, solange nicht andere ausgelacht und dadurch bloßgestellt werden. Und was generell im Leben gilt, gilt natürlich auch für das Leben in einer Klostergemeinschaft: So manches meistert man entweder mit einer gewissen Leichtigkeit und mit Humor… oder überhaupt nicht. 😉
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Vierten Fastensonntag (19.3.2023)
ImpulsDas viele Reden nicht lieben.
(RB 4,52)
Beim heutigen Werkzeug ist es spannend, dass es nicht einfach heißt: Das Schweigen lieben.
Es wäre doch eine klare fromme Ansage, die auch schön in jeden Kalender passt.
Aber anscheinend war es wohl so, dass die Mönche ganz gerne viel geredet haben, und Benedikt weist genau darauf nicht ganz unironisch hin und spielt dabei mit den Worten. Man hört fast die kleine Pause nach dem Wort reden, um dann die Pointe zu setzen.
Er kannte sich und seine Brüder sehr gut, und man darf dabei auch nicht vergessen, dass wir uns im heutigen Italien befinden, dort wo Kommunikation nochmal eine ganz andere Bedeutung hatte und hat.
Allgemein wird im Kloster gerne viel geredet, was vielleicht manche sehr oder vielleicht auch gar nicht überrascht. Menschen sind soziale Wesen, und Reden, Austausch hilft uns dabei.
Kommunikation an sich ist wichtig, und es geht sicher nicht darum, etwas totzuschweigen, wenn das zu viele Reden hier kritisiert wird. Vielmehr ist es eher wichtig, einfach das richtige Maß zu finden. Es kann sehr guttun, mal einige Zeit zu schweigen, oder nur das Nötigste zu reden. Gerade zu vieles Reden kann auch gerne im Tratsch enden oder verletzend sein und Zwietracht säen. So etwas kommt natürlich in keinem Kloster vor, was ja genau dieses Werkzeug beweist 🙂
Werden wir still, hören wir genauer hin, zerreden wir nicht alles – dann kann etwas wachsen.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Samstag der Dritten Fastenwoche (18.3.2023)
ImpulsSeinen Mund vor bösem und verkehrtem Reden hüten.
(RB 4,51)
Das Einzige, was sie mir nicht nehmen können, ist die Art und Weise, wie ich auf das reagiere, was sie mir antun. Die letzte Freiheit besteht darin, die Einstellung unter bestimmten Umständen zu wählen. (Victor Frankl)
Ich verstehe dieses Zitat von Victor Frankl so, dass ich die Wahl habe, auch nach emotionalen Verletzungen meinen Mund vor bösem und verkehrtem Reden zu hüten. Diese Freiheit macht für mich auch die Würde des Menschen aus. Wie oft habe ich bei mir selbst erlebt, dass ich mich als besonders begabt empfinde, wenn ich auf eine Kritik genauso schnell eine entsprechende Antwort geben kann. Nur gehen dann die wechselseitigen Verletzungen weiter. Der heilige Benedikt ermahnt uns, dass wir dem Schweigen einen wichtigen Wert einräumen. Er weiß darum, dass es wichtig ist, einen Raum der Reflektion zu haben. In dieser Zeit kann sich die Aufgewühltheit der Emotionen legen. Ich spüre, dass unsere Gesellschaft häufig auf Geschwindigkeit in den Reaktionen setzt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich Zeit lassen. Nutzen Sie den Raum der Freiheit und lassen Sie sich nicht zu schnell zu bösem und verkehrtem Reden reizen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Freitag der Dritten Fastenwoche (17.3.2023)
ImpulsBöse Gedanken, die sich in unser Herz einschleichen,
sofort an Christus zerschmettern und dem geistlichen Vater eröffnen.
(RB 4,50)
Was Benedikt hier sagt, hat er dem Sinn nach von den Wüstenvätern übernommen.
Das belegt eine kurze Geschichte:
Ein Mönch geht zum Altvater Poimen und beklagt sich über die Unmenge an Gedanken, die ihn nicht nur ablenken, sondern auch vom guten Weg abbringen wollen. Da nimmt ihn Poimen mit nach draußen, sagt, er solle sein Gewand nehmen und den Wind anhalten. Der aber erwidert: „Den Wind anhalten, das kann ich nicht.“ „Ja“, gibt ihm darauf der weise Alte zurück, „da hast Du recht, deine Aufgabe ist es, den Gedanken zu widerstehen.“ (AP 602)
Die Mönche der Frühzeit des christlichen Mönchtums hatten sehr bald bei ihrem Bemühen um inneren Frieden gemerkt, dass sie gegenüber störenden Gedanken machtlos waren. Wir selbst haben mit diesem Problem zu tun, wenn wir still werden, beten oder meditieren wollen. Es ist so, als gäbe es irgendwo im Inneren eine Maschine, die ständig Gedankenwinde ins Bewusstsein bläst. Wir können sie nicht mit einem Knopfdruck abstellen. Sie sind einfach da, das ist ganz normal.
Aber, so meint Poimen, wir können entscheiden, ob wir ihnen einräumen, sich bei uns breit zu machen. Bevor das geschieht, haben wir die kurze Chance, sie zu identifizieren und dann die Tür wieder zu schließen. Dann bin ich wieder frei, um mich der göttlichen Nähe, meinem Gast, zuzuwenden. Mit dieser Entscheidung begebe mich in jenes Magnetfeld, das die Kraft hat, mich freundlich anzuziehen und die Gedanken hinter mir zu lassen, ohne mich über die Störung zu ärgern. Wenn es ganz arg wird mit dem Gedankenwind, kann ich darüber mit einer Person sprechen, die sich in solchen Dingen auskennt und mein Vertrauen hat.
Augen und Ohren, seid wachsam!
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Fastenwoche (16.3.2023)
ImpulsDas eigene Tun und Lassen jederzeit überwachen.
Fest überzeugt sein, dass Gott überall auf uns schaut.
(RB 4,48-49)
Leider sind solche Verse, wie wir sie in den heutigen „Werkzeugen der geistlichen Kunst“ lesen, oft so verstanden worden, dass sie Menschen krank gemacht haben. „Ein Auge gibt’s, das alles sieht, auch wenn’s in tiefster Nacht geschieht“ – mit solch einem Satz ist unzähligen Kindern Angst vor einem Polizistengott gemacht worden, der auch kleinste Verfehlungen bestraft.
Ich verstehe diese beiden Werkzeuge eher in einem anderen Sinn: dass Gott auf mich schaut mit einem liebevollen, freimachenden Blick. Ein Blick, der mir etwas zutraut, der mir zutraut, etwas aus meinem Leben zu machen. Ein Blick, der auch dann noch mit liebevoller Geduld auf mir ruht, wenn ich mich verrannt habe. Unter so einem achtsamen Blick kann ich selbst achtsam werden auf das, was ich tue – und auf das, was ich unterlasse, z.B. einem Mitmenschen den liebevollen Blick Gottes zu verweigern. Oft sehen wir leider mehr die Fehler beim anderen als das Potential, was in jedem Menschen steckt.
Vielleicht können mich diese beiden Werkzeuge heute einmal dazu anregen, den liebevollen, geduldigen Blick Gottes einzuüben – auf mich selbst und auf meine Mitmenschen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Fastenwoche (15.3.2023)
ImpulsDen unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben.
(RB 4,47)
Als ich diesen Vers aus der Regel Benedikts
noch vor meinem Klostereintritt zum ersten Mal las,
war meine spontane Reaktion:
Auf keinen Fall!
Das kann doch nur düster und depressiv machen,
das Grau ins Leben bringen
und mich gebückt durch meine Tage laufen lassen.
Der Blick auf diese Worte änderte sich nach einem schweren Verkehrsunfall.
Mir war nichts geschehen
– aber der Mensch am anderen Ende der Notrufsäule
(Handys gab es damals noch nicht)
sagte nur: „Und sie leben noch??“
Ja, ich lebte noch.
Und ich lebe noch!
Und weiß seitdem was es heißt,
den unberechenbaren Tod täglich vor Augen zu haben:
täglich das Leben zu genießen,
die vielen Begegnungen und Erfahrungen,
das Frohe und auch das Schwere.
Wer weiß, ob das morgen noch geht …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Dienstag der Dritten Fastenwoche (14.3.2023)
ImpulsDas ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehnen.
(RB 4,46)
Oh wenn Du doch…
Gott spricht:
Zerbrechlicher, sterblicher Mensch: Oh wenn Du doch…
das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehntest,
dann würdest Du
…mein Bild in Deiner Seele ahne
…spüren, wie ich Dich gebildet und gewoben im Schoß Deiner Mutter
…nach Deinem Bruder – nach Deiner Schwester fragen
die Angst um Dich selbst vergessen
lieben, was ich liebe
und schon jetzt und immer ewig leben!
Zerbrechliche, sterbliche Kirche: Oh wenn Du doch…
das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehntest,
dann würdest Du
…erinnern, wie Du in der Dunkelheit von Golgatha aus meinem Herzen hervorgingst
…da sein, wo ich bin – bei den Armen, den Kranken, den Flüchtenden, den Gefangenen
…die Vision vom Himmel erfahrbar machen
die Angst um Dich selbst vergessen
verkünden, was ich verkünde
und schon jetzt und immer ewig leben!
Zerbrechliche, sterbliche Welt: Oh wenn Du doch…
das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehntest,
dann würdest Du
…meinen Geist in Deinem Herzen atmen lassen
…meine Liebe wie die Blumen blühen und sprießen lassen
…dem Leben in all seiner Vielfalt und Fruchtbarkeit unbegrenzten Raum öffnen
die Angst um Dich selbst vergessen
ersehnen, was ich ersehne
und schon jetzt und immer ewig leben!
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Montag der Dritten Fastenwoche (13.3.2023)
ImpulsDen Tag des Gerichtes fürchten.
Vor der Hölle erschrecken.
(RB 4,44-45)
In den heutigen Werkzeugen verstecken sich einige Missverständnisse.
Denn in Bezug auf das Leben wird hier nicht vom Gericht am Ende unseres Lebens gesprochen oder mit der Hölle gedroht, sondern die Werkzeuge beziehen sich auf den Jüngsten Tag, den Tag des Gerichts. Der Moment, wenn die Welt endet, das Gericht über alle Schöpfung zusammenkommt, und der Antichrist sichtbar werden wird.
Das sind alles gewaltige und schwer zu fassende Bilder, die aber im Grunde erzählen, dass wir alle ein Teil der Ewigkeit sind. Wir sind Teil der Schöpfung und somit auch immer Teil davon, was mit der Schöpfung geschehen wird.
Die Schöpfung sollte als Ganzes bewahrt und auch als Ganzes erlöst werden. In dieser Verantwortung steht jeder von uns.
Vielleicht macht uns manches hier Angst, wenn wir es hören.
Aber Furcht muss nicht unbedingt etwas mit Angst zu tun haben, denn wir können auch ganz einfach ehrfürchtig sein und z. B. vor dem Angesicht Gottes ehrfürchtig staunen.
Erschrecken selbst hat etwas Dynamisches an sich und kann auch heilsam sein. Besonders dann, wenn wir vor der Hölle in uns selbst erschrecken.
Wir Menschen sind ja eigentlich die größten Erfinder von Höllen, tun Menschen und Tieren schreckliches Leid an und entschuldigen dies am Ende dann auch noch mit unserer eigenen Selbstgerechtigkeit.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dritten Fastensonntag (12.3.2023)
ImpulsSieht man Gutes bei sich, es Gott zuschreiben, nicht sich selbst.
Das Böse aber immer als eigenes Werk erkennen, sich selbst zuschreiben.
(RB 4,42-43)
Was passiert mit mir, wenn ich diese zwei Verse der Benediktsregel, die zunächst einfach nur Widerstand hervorrufen, ernst nehme?
Zunächst einmal: Gott ist für Benedikt der absolut Gute und kann deshalb auch nur etwas Gutes im Menschen bewirken. Das finde ich erst einmal tröstlich! Gott wirkt Gutes in und mit mir. In dem Guten, was ich tue und bewirke (und da gibt es im Leben eines jeden Menschen sehr viel!! Leider nehmen wir das in der Regel nicht wahr!) wirkt Gottes Kraft, sein Hl. Geist in mir.
Aber: es gibt auch die Dynamik zum „Bösen“, Destruktiven in mir und in der Welt. Das ist all das, was eigentlich und im letzten Leben verhindert. Ausgelöst durch wen oder was? Wir wissen es nicht… Aber, so Benedikt: Es kommt nicht von Gott! Denn der ist voll und ganz Leben, Liebe, Licht…
Was wir tun können als Menschen? Uns immer mehr dieser Dynamik des Lebens zu öffnen. Und das, was mich im tiefsten davon wegzieht – lassen. Mit Gottes Hilfe.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Fastenwoche (11.3.2023)
ImpulsSeine Hoffnung Gott anvertrauen.
(RB 4,41)
Zusage und Überforderung zu gleich.
Kann ich meine Hoffnung,
alles was ich ersehne erwarte,
ganz Gott anvertrauen?
Auf ihn, der „ein Gott ist,
der mich sieht“?
(nach der ök. Jahreslosung 2023, vgl. Gen 16,13)
Aber soll ich nicht lieber doch
ein wenig und mehr dazu beitragen,
dass meine Hoffnungen Wirklichkeit werden?
Ja, die Hände in den Schoß legen gilt nicht
mit der Ausrede: „Gott macht das schon!“
Aber: Gott vertrauen, das darf ich!
Kann ich es auch?
Wage ich es?
„Siehe, ich habe deinen Namen in meine Hand geschrieben, ich habe Dich immer vor Augen.“
(Jes. 49,16)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Fastenwoche (10.3.2023)
ImpulsNicht murren.
Nicht verleumden.
(RB 4,39-40)
Nach dem Evangelium zu leben ist eine sehr praktische Angelegenheit. Heute nennt Benedikt in seiner langen Instrumentenliste zwei Werkzeuge, von denen sehr viel für das Gelingen des menschlichen Zusammenlebens abhängt: „Nicht murren. Nicht verleumden.“
Wir wissen alle, dass das Rummosern und Nörgeln in einer Gruppe, einem Team, einem Kollegium eine starke Belastung sein kann, weil es die Atmosphäre vergiftet und ein gutes Zusammenarbeiten blockiert. Es taucht dort überall auf, wo Menschen sind. Wen wundert’s, dass es auch im Kloster vorkommt. Von daher schärft Benedikt an mehreren Stellen den Kampf gegen das Laster des Murrens ein und greift ein Thema auf, das schon zu Zeiten des Mose existierte: Musste sich doch Gott immer wieder gegen die Unzufriedenheit in seinem Volk richten, und auch die Propheten beschönigten dieses Übel nicht. Man muss es also durchaus ernst nehmen. Es richtet heutzutage genug Unheil in den sozialen Medien an. Dieser Gefahr gilt es, bewusst und entschieden Widerstand zu leisten.
Ähnliches trifft auch für das „nicht verleumden“ zu. Wo Menschen sich nicht abfällig über andere äußern und Schwachstellen nicht rumposaunen, bleibt die Luft klar und rein. Dort schauen sich die Menschen offen in die Augen und können sich frei zeigen, so wie sie sind.
Wie entgehen wir der Versuchung zu beiden Fehlhaltungen?
Am ehesten, wenn wir uns nicht nur für unser eigenes Wohlergehen interessieren, sondern
– die anderen in unserer nächsten Umgebung im Bick behalten,
– z. B. mal nachfrage „Wie geht es dir?“,
– oder einfach ein Stück des Weges mit ihnen zusammengehe (wörtlich zu nehmen!).
Hier noch ein guter Rat von Johannes XXIII., den er als Vorsatz für sich selbst in seinem Tagebuch notiert hat: „Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an mich oder meine Wünsche anpassen.“ Wohlgemerkt: nur für heute – das ist schon viel! Das ist praktisch.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Donnerstag der Zweiten Fastenwoche (9.3.2023)
ImpulsNicht stolz sein. Nicht trunksüchtig, nicht gefräßig, nicht schlafsüchtig, nicht faul sein.
(RB 4, 34-38)
Es geht nicht um die Erfüllung meiner Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Schlafen, Erholung, Anerkennung.
Aber was ist, wenn sich bei all dem die „Sucht“ mit einschleicht? Oft unbemerkt, immer mehr, mein Leben lang. Dann wird klar, dass es mir nicht um diese Grundbedürfnisse geht, sondern dass sich über das Suchtverhalten meine Sehn-sucht meldet.
Gibt es neben den Grundbedürfnissen (Essen, Trinken, Schlafen, Erholung, Anerkennung) des Menschen nicht auch eine Grundsehnsucht in ihm? Nach Annahme, Liebe, Verständnis, Nähe, …? Und wie erfüllt sich die in meinem Leben?
Nur wenn ich diese Sehnsucht zulasse, anschaue, bruchstückhaft erfülle, stillt sich mein Hunger, mein Durst, …
Der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er bedürftig ist. Ein Leben lang. Unstillbar.
Aber – wie gehe ich damit um?
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Fastenwoche (8.3.2023)
ImpulsDie uns verfluchen, nicht auch verfluchen, sondern – mehr noch – sie segnen.
Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen.
(RB 4,32-33)
In diesen Versen wird die Bergpredigt aufgenommen. Sie gehört zu den Grundaussagen des Christentums. Hier wird der Ernst der Nachfolge Jesu deutlich. Es wird von mir Bewusstseinsarbeit gefordert. Gegen Gefühle wie Wut, Rachewünsche oder Kränkungen kann ich nichts ausrichten. Gefühle kommen, wie sie wollen. Aber ich kann mit diesen Gefühlen umgehen. Ich muss das Gefühl nicht ins Wort fassen, und ich muss das Wort nicht zur Tat werden lassen. Ich kann den Kreislauf der Gewalt durchbrechen. Wenn mir jemand Böses tut, dann kommen die Gefühle von Wut, Rache und Kränkung unweigerlich. Trotzdem kann ich mein Gegenüber segnen, auch dann, wenn mir nicht danach ist.
Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen: Das nimmt mich mit in die Passion Jesu. Die für mich erkannte Wahrheit ist nicht beliebig. Für diese Wahrheit stehe ich ein und nehme auch Nachteile in Kauf. Das wird mir nicht immer gelingen, aber es darf als Leitstern für mein Leben gelten.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Fastenwoche (7.3.2023)
ImpulsNicht Böses mit Bösem vergelten.
Nicht Unrecht tun, vielmehr erlittenes geduldig ertragen.
Die Feinde lieben.
(RB 4,29-31)
Mir ist aufgefallen, wie schnell wir einen Schlusspunkt setzen, wenn uns jemand Unrecht tut, uns alles andere als wohlgesonnen ist und sich uns gegenüber feindselig verhält. In einem solchen Fall schalte ich irgendwann auf Selbstverteidigung um, wehre mich und sehe im anderen nur einen Gegner.
Auf der anderen Seite habe ich auch erlebt, dass es Menschen gibt, die ruhig bleiben und nicht auf einer aggressiven Ebene antworten. Ich wünschte mir, ich wäre in der Lage, mich nicht zum automatischen Reflex verleiten zu lassen und nur auf Abwehr umzustellen.
Jemand hat mir einmal geraten: Versuch von Deiner Mitte heraus zu reagieren. Sonst machst Du schnell einen Fehler, wirst selbst emotional und überziehst den Ton.
Was hilft, mich an Jesu kluge Weisung zu halten, ist ein Spruch des koreanischen Mönchs Shiva Ryu: „Setze keinen Punkt an die Stelle, an die Gott ein Komma gesetzt hat.“ Setze also keinen Schlusspunkt im gestörten menschlichen Miteinander, Gott sieht mehr, als du denkst. Gib nicht auf.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Montag der Zweiten Fastenwoche (6.3.2023)
ImpulsNicht schwören, um nicht falsch zu schwören. Die Wahrheit mit Herz und Mund bekennen.
(RB 4,27-28)
Die Warnung vor dem Schwören bezieht sich an dieser Stelle auf den Schwur im Verhör während der Zeit der Christenverfolgung. Beim Kaiser zu schwören hätte bedeutet, ihn in seiner vermeintlich göttlichen Würde anzuerkennen: Für Christen war das natürlich ein moralisches Dilemma, denn das Einstehen für ihre Überzeugung und das Bekenntnis ihres Glaubens mit Herz und Mund hatte dementsprechend das Martyrium zur Folge. Aufgewachsen in einem Land, in dem es Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit gibt, wird mir aber gerade im Blick auf andere Länder deutlich, was für hohe Güter das sind. Würde ich mich trauen, für meine Überzeugungen und für meinen Glauben einzustehen, auch wenn dies nicht nur Unverständnis, sondern wirklich ein Risiko für mein Leben oder für das Leben meiner Brüder und meiner Familie bedeuten würde?
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Zweiten Fastensonntag (5.3.2023)
ImpulsRegel Benedikts 4,26
Von der Liebe nicht lassen.
… nicht? Nein! Niemals….
Die Liebe wirken lassen!
Der Liebe Raum lassen!
Wirklich: …nicht lassen?
Aber wie das denn?
Meine Selbstsucht unter-lassen
Meine Dunkelheit lassen
Meine Verwundungen los-lassen
Meine Geschichte sein-lassen
Die Bewertungen bleiben-lassen
Das Schuldkonto er-lassen
Leben veran-lassen
Mich belassen, weil ich bin, wie ich bin?
Trotzdem: Die Liebe machen lassen!
Liebe hinter-lassen
An der Liebe nie Zweifel lassen!
In mir
Durch mich
Mit ihm
In ihm
Für die Welt
Dem Menschen
Gott ist die Liebe.
p. abraham fischer osb
Impuls am Samstag der Ersten Fastenwoche (4.3.2023)
ImpulsNicht unaufrichtig Frieden schließen. (RB 4,25)
Das heutige Werkzeug hat gleich mehrere Komponenten.
Erst einmal dreht sich alles um die Unaufrichtigkeit in einer Gemeinschaft oder auch in einer Beziehung, und die Folgen daraus.
Es kann nicht wirklich gelingen, zu einem Frieden zu kommen, wenn eine Partei unlautere Absichten hat oder nur der eigene Vorteil im Mittelpunkt steht. Der Wille zum Frieden beider Seiten muss der Kern allen Handelns sein. Nur aufrichtiges Annähern führt zu einem Friedensschluss.
Die Folgen einer Unaufrichtigkeit können fatal sein, wie uns ja auch oft die Weltgeschichte schon gelehrt hat. Und auch in der Legendensammlung der „Dialoge“, die vom Leben des heiligen Benedikt handelt, gibt es anschauliche Geschichten, in welchen Benedikt von unaufrichtigen Mitbrüdern sogar nach dem Leben getrachtet wird.
Falscher Friede hat nichts mit wirklichem Frieden zu tun, auch wenn sich alle dabei anlächeln und ein „gutes Gefühl“ haben.
Eine weitere Komponente des Werkzeugs dreht sich um die Beziehung zu uns selbst: Sind wir aufrichtig mit uns, und nehmen wir uns auch so an, wie wir sind? Wie machen wir Frieden mit uns?
Nur wenn wir versuchen, uns ganzheitlich zu sehen, kann auch Veränderung gelingen. Und nur wenn wir mit uns ehrlich sind, erkennen wir auch, wo unsere Grenzen (dabei) sind.
Hier kommt nun die dritte Komponente des Werkzeugs ins Spiel: unsere Aufrichtigkeit in der Beziehung zu Gott.
Wie erwarten wir Gott, wenn er uns in seinem unendlichen Frieden entgegeneilt? Und wie werden wir sein, wenn dieser Frieden uns dann ganz einfach aufrichtet?
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Freitag der Ersten Fastenwoche (3.3.2023)
ImpulsDen Zorn nicht zur Tat werden lassen.
Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben.
Keine Arglist im Herzen tragen.
(RB 4,22-24)
Wer kennt das nicht: Oft fängt es beim Frühstück am Morgen an, da ärgert man sich über seinen Nächsten, weil vielleicht gerade die Butter vor den eigenen Augen geleert wurde. So eine Frechheit. Jetzt hat man keine Butter mehr. Sowas Blödes, wer will schon in den Vorratsraum gehen. Schließlich will man frühstücken. Die Zeit ist eh knapp. Das war doch extra, nur um mich zu ärgern. Wut schafft Ärger, und beide bringen Zorn in unser Herz. Und das alles am Morgen während der so kostbaren Frühstückszeit! Ja, in solchen Situationen kann dann ein Vulkan der Gefühle ausbrechen. Man fängt wie ein kleines Kind an zu toben, ob nun erst innerlich oder dann gar äußerlich. Ärger, Zorn und Frust gehören zum Alltag und können diesen dann ganz schön versauen. Schlimmer, die Rachsucht sucht uns heim: Na warte, wenn es wieder Butter gibt, dann zeig ich es dir aber…
In seinen Werkzeugen der geistlichen Kunst warnt der heilige Benedikt seine Mönche vor diesem Tsunami der Gefühle, indem er rät: „Den Zorn nicht zur Tat werden lassen. Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben. Keine Arglist im Herzen tragen.“ Hier greift der Mann vom Monte Cassino den roten Faden der Bergpredigt und ihrer Friedenslehre auf. Die Keime des Zorns sollen wir nicht in unseren Herzen sprießen lassen, denn dann wächst dort das Unkraut der Rachsucht wild heran. Unser Herz wird zum Nährboden eines Wutreaktors. Es brodelt und dampft in uns, bis es zischt und explodiert. Diese Gefühlslage macht uns innerlich unglücklich und hindert uns daran, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, denn es kommt wie ein Bumerang zurück.
Die Fastenzeit kann uns hier eine Werkstunde sein. Nutzen wir diese Zeit und üben uns in Gelassenheit ein. Wenn wir uns ärgern und Wut im Herzen spüren, dann stellen wir doch unsere innere Ampel auf Rot und bleiben einen Moment stehen und atmen durch. Vielleicht hilft es uns in dieser Situation, einen Spaziergang zu machen oder beim Sport uns auszutoben. Um die Nerven zu beruhigen, hilft jede Art der Bewegung. Eine andere Möglichkeit: Den Geist fliegen lassen, indem wir einen ruhigen Raum aufsuchen, vielleicht eine Kerze anzünden. In der Stille die Augen schließen und dem Geist Freiraum schenken. „Die Enge meines Herzens mach weit.“ Vielfach hilft auch Musik, um negative Emotionen zu lösen. Oder wir können die aufgestaute Wut einfach wegtanzen. Die Fastenzeit will uns Raum schenken, damit wir uns kre-aktiv in der Gelassenheit einüben. Dann löst sich die Enge unseres Herzens und es kann sich weiten. Das ist gut für die Nächstenliebe, aber auch für die Liebe zu uns selbst. Denn Frieden entsteht zunächst in meinem Herzen, dann kann ich auch friedvoll mit meinen Nächsten umgehen und der Zorn wird nicht zum Gewitter der Arglist im Herzen, das mit Pfeilen um sich schießt, sondern zum Klang des liebenden Herz.Rhythmus.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Fastenwoche (2.3.2023)
ImpulsSich dem Treiben der Welt fremdmachen.
Nichts der Liebe zu Christus vorziehen.
(RB 4,20-21)
Diese beiden Werkzeuge erschließen sich für mich nur in ihrem Zusammenhang aufeinander. „Sich dem Treiben der Welt fremdmachen“ – das ist kein Selbstzweck. Askese übe ich nicht um der Askese willen, sondern weil da etwas ist, das die Mühe lohnt, das um vieles kostbarer ist als das „Treiben der Welt“. Und das ist eben die „Liebe zu Christus“, der wir nichts vorziehen sollen. In der Vorlage Benedikts geht dieser Satz noch weiter: „Der Liebe zu Christus nichts vorziehen, weil auch er uns nichts vorgezogen hat.“ Das macht noch einmal den Geschenkcharakter der Liebe Christi aus, der vorgängig zu unserer menschlichen Antwort darauf ist.
Noch etwas erscheint mir wichtig. Es heißt nicht, dass wir uns von der Welt als solcher fernhalten sollen. Sondern nur vom „Treiben der Welt“. Im Lateinischen steht hier „saeculi actibus“, von weltlichen Akten bzw. Handlungen. Es geht also nicht um eine Weltflucht an sich, sondern um ein Fremdmachen von dem, was dem übergeordneten Ziel der Liebe Christi schadet, was mich davon abbringt. In diesem Sinne könnte es heute eine gute Übung sein, mich zu fragen, was mich von dieser Liebe abhält, was ich alles in meinem alltäglichen Leben der Liebe Christi vorziehe.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Mittwoch der Ersten Fastenwoche (1.3.2023)
ImpulsTote begraben.
Bedrängten zu Hilfe kommen.
Trauernde trösten.
(RB 4,17-19)
Unsere Übung in der Zeit auf Ostern hin wird konkret, wenn wir trauernde Menschen trösten. Zu unserem Menschsein gehört es auch, dass wir alle des Trostes bedürfen. Trost hat viel mit menschlicher Präsenz und Mitgefühl zu tun. Der Maßstab Jesu wird konkret: „ Was darf ich dir tun?“. Wenn wir Leid, Schmerz und Verlust auszuhalten haben, dann sind Menschen für uns ein Segen, die mit uns mitfühlen. Tragend werden dann die Aussagen: „ Ich bin für Dich jetzt da“ oder „ Ich versuche dich zu verstehen und ich fühle mit dir in deinem Schmerz“. Bedenken wir, dass das schlichte Halten des Trauernden lindernd wirkt. Diese Solidarität hat Jesus stets gelebt. Zumal wir an einen Gott glauben dürfen, der selbst Schmerz kennt.
Jesus Christus ist solidarisch und mitfühlend in unseren schmerzlichen Etappen des Lebens, da er selbst die dunkelsten Abstiege durchschritten hat. Diese mitfühlende Kompetenz Gottes hat einen österlichen Schimmer, wenn wir dann bewusst an Ostern singen werden: „Christ will unser Trost sein, Kyrieleis“.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Fastenwoche (28.02.2023)
ImpulsArme bewirten.
Nackte bekleiden.
Kranke besuchen.
(RB 4,14-16)
In diesen drei „Werkzeugen“ der geistlichen Kunst gibt die Benediktsregel klare Hilfen, wie Nächstenliebe konkret wird. Die Fastenzeit lädt uns Christen ein, Gott neu zu begegnen. Der Dienst an den Armen, den Nackten und den Kranken ist nicht nur eine helfend menschliche und solidarische Tat, sondern Gottesdienst. In den Armen, den Nackten und den Kranken begegnen wir Christus selbst. Christus ist immer, besonders an den menschlichen Rändern, präsent. Der Dienst an den Armen und Kranken ist eine Nagelprobe, ob wir mit unserer Nachfolge ernst machen. Die Regel Benedikts will als klare Parallele zum Matthäusevangelium (Mt 25) verstanden werden. Der Dienst an den Armen und Kranken ist Dienst an Christus.
Unser Wort sei Tat!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Montag der Ersten Fastenwoche (27.02.2023)
ImpulsSich Genüssen nicht hingeben. Das Fasten lieben. (RB 4,12-13)
Was kann ich genießen?
Und: Kann ich überhaupt noch genießen?
Ist es dazu nicht notwendig, auch einmal Dinge zu lassen – „zu fasten“? Mich nicht mit allem Möglichen zuzustopfen… Um so meine tiefsten Sehnsüchte noch wahrzunehmen, auszuhalten…
Und wie sieht es mit meiner Fähigkeit aus, mich ganz hinzugeben? Einer Sache, einem Menschen, Gott…? Kann ich mich loslassen – oder ist die Angst zu groß, mich zu verlieren?
Oder gebe ich mich nur „Genüssen“ hin, um nicht zum Eigentlichen zu kommen?
Auch mit diesen beiden Werkzeugen will uns Benedikt in die Tiefe, auf den Grund unseres Lebens führen. Und auch hier letztlich die Frage: Worauf baue ich?
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Ersten Fastensonntag (26.02.2023)
ImpulsSich selbst verleugnen, um Christus zu folgen. Den Leib in Zucht nehmen. (RB 4,10-11)
Spätestens seit der Initiative „Out in Church“ bekomme ich bei dem geistlichen Werkzeug der Selbstverleugnung ein ungutes Gefühl. Machte diese Initiative doch gerade auf schmerzliche und beschämende Weise bewusst, wie der Druck, die eigene Identität oder sexuelle Orientierung nach außen hin (und zum Teil auch innerlich) immer wieder verleugnen zu müssen, Menschen krank und unglücklich macht.
Auch in der Rezeptionsgeschichte der Benediktsregel wurde noch im letzten Jahrhundert die Forderung nach Selbstverleugnung als wirksames Instrument geistlicher Macht genutzt, um Menschen klein zu halten, und als fromm klingende Ausrede, um Menschen gerade nicht in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung mit ihren Talenten und Begabungen zu fördern.
Das Wort der Selbstverleugnung geht auf die Aufrufe Jesu zur Nachfolge zurück (vgl. Mt 16,24 oder auch Lk 9,23): „…, um Christus zu folgen.“ Liest man diese Bibelstellen im Kontext, dann geht es Jesus um die Bereitschaft des Einzelnen, sich selbst mit Haut und Haar, also einfach ganz in die Nachfolge zu stellen.
Mit einer inneren Bereitschaft, die auch das Aushalten von Unverständnis und Ablehnung bei anderen bis hin zur Verfolgung nicht scheut.
Den Leib in Zucht zu nehmen ist in der Benediktsregel eine Form, wie sich die Nachfolge konkretisieren soll. Die Nachfolge Christi mit der eigenen, ganzen Person und mit jeder Faser meines Menschseins scheint mir hier der entscheidende Schlüssel zu sein: Denn wenn ich das ernst nehme, dann geht es natürlich nicht in erster Linie um mich, sondern um die Hinordnung auf Christus. So macht die Selbstverleugnung vielleicht Sinn.
Wirkliche Nachfolge ereignet sich aber vor allem aus einer freien Entscheidung heraus. Und die „Freiheit eines Christenmenschen“ macht eben auch aus, dass er sich selbst als Mensch mit all seinen guten und schlechten Seiten, seinen Talenten und Schwächen annehmen und lieben darf (und natürlich auch einschließlich seiner sexuellen Identität oder Orientierung), eben weil er sich als Mensch mit all seinen guten und schlechten Seiten, seinen Talenten und Schwächen, eben mit Haut und Haar in seinem Menschsein als von Gott angenommen und geliebt wissen darf.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Samstag nach Aschermittwoch (25.02.2023)
ImpulsUnd keinem anderen antun,
was man nicht selbst erleiden möchte.
RB 4,9
Die „Goldene Regel“, die Benedikt bei den Werkzeugen der geistlichen Kunst einfügt, findet sich in fast allen Religionen und Kulturen, über die Jahrtausende hinweg. Und es ist ja auch die einfachste Formel, die ein gutes und friedliches Zusammenleben ermöglicht.
Die positive Wendung, die auch Jesus verkündet, ist vielleicht noch herausfordernder: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12) Ich gönne auch dem Anderen das, was ich ersehne, erwarte. Ich öffne mich für sie, achte ihre Eigenheiten und Bedürfnisse – wie meine. So wird aus Leben Begegnung.
Für die Juden und uns Christen hat diese „Goldene Regel“ einen besonderen Hintergrund: Als Ebenbilder Gottes, als seine Kinder, dürfen und müssen wir einander achten. Ja, auch die, die mir vielleicht nicht so liegen.
Und: Gottes eigenes Handeln an uns soll auch unser Handeln am Nächsten begründen: „„Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,34)
Warum gelingt uns das alles so oft nicht?
Es könnte doch so leicht sein …
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Freitag nach Aschermittwoch (24.02.2023)
ImpulsRB 4 (Die Werkzeuge der geistlichen Kunst), V. 8
Alle Menschen ehren.
Die ersten Werkzeuge der geistlichen Kunst sind von den sog. Zehn Geboten inspiriert, dem Grundgesetz des jüdisch-christlichen Lebens. Interessant ist, dass Benedikt das vierte Gebot – „Vater und Mutter ehren“ – ausweitet auf „Alle Menschen ehren“. Das Gebot wird sozusagen universalisiert. Nicht mehr nur die Eltern, die eigenen Verwandten sollen geehrt werden, sondern alle Menschen. Die Begründung dazu findet sich im Gebot der Nächstenliebe, das uns am Anfang des Kapitels begegnet ist. Martin Buber übersetzt dieses Gebot folgendermaßen: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“ Das gemeinsame Menschsein ist die Basis für das Gebot, alle Menschen zu ehren.
Wohlgemerkt: es heißt, dass wir alle Menschen ehren sollen. Nicht lieben, denn das wäre wohl eine hoffnungslose Überforderung. Ich kann nicht allen Menschen in affektiver Liebe zugetan sein, auch denen, die es nicht gut mit mir meinen oder die mir unsympathisch sind. Ich kann aber versuchen, ihnen in Ehrfurcht zu begegnen, wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass sie Menschen sind wie ich, dass wir verbunden sind durch das Band des Menschseins.
Heute ist der erste Jahrestag des Ukrainekrieges. Vielleicht kann uns dieses „Werkzeug“ eine Anleitung geben, wie Menschen in Frieden miteinander leben können. Indem sie sich als Kinder der einen Menschheitsfamilie begreifen und einander die Ehre erweisen, die auch Gott dem Menschen erwiesen ist – indem Er selbst Mensch geworden ist. Vielleicht ist dieser Grundsatz gerade für die Zeit nach dem Krieg wichtig, wenn es zu Verhandlungen kommt und Menschen, die einander bis aufs Blut bekämpft haben, wieder zusammenleben müssen. Für heute bleibt uns nur, inständig um Frieden zu beten.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag nach Aschermittwoch (23.02.2023)
ImpulsRB 4 (Die Werkzeuge der geistlichen Kunst), V. 3-7
Du sollst nicht töten; nicht die Ehe brechen; nicht stehlen; nicht begehren; nicht falsch aussagen.
Was sollen solche Anforderungen für Mönche bedeuten? Es erklärt sich ja eigentlich von selbst, dass wir nicht töten, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen usw.
Das 4. Kapitel der Benediktsregel ist auch eine Taufkatechese. Der Täufling bekam die wichtigsten christlichen Regeln auf diese Weise mitgeteilt. In der Osternacht feiern wir auch unsere ganz persönliche Tauferneuerung. Wir erinnern und erneuern unser Taufversprechen. In der Vorbereitung auf Ostern hin ist es hilfreich, sich mit den elementaren Fragen, was die Nachfolge Jesu für mich bedeutet, auseinanderzusetzen. Worte können verletzen und sogar töten; Treue muss ich auch in schwierigen Zeiten üben und nicht vorschnell aufgeben; mit dem, was ich habe, darf ich zufrieden sein. Ich bin eingeladen, Achtung vor dem Anderen, meinem Gegenüber zu haben und zu leben. Das sind in der Umkehrung Handlungsanweisungen, die ich mir immer wieder in Erinnerung rufen darf.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls an Aschermittwoch (22.02.2023)
ImpulsRB 4 (Die Werkzeuge der geistlichen Kunst), V. 1-2
Zuerst: Den Herrn, Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Dann: Den Nächsten lieben wie sich selbst.
Der Aschermittwoch beginnt mit einem besonderen Zeichen: dem Aschenkreuz. Das Aschenkreuz steht für Vergänglichkeit. Gleichzeitig ist dieses mahnende Zeichen ein Signal des inneren Aufwachens, einer klaren Bewusstwerdung und einer Mahnung, was wesentlich im Leben ist. Die Fastenzeit soll uns auf Ostern hin vorbereiten. Das Thema von Ostern ist Leben. Somit sind wir in diesen 40 Tagen eingeladen, inne zu halten und auf unser je eigenes Leben zu blicken. Der heilige Benedikt gibt uns zwei „Werkzeuge“ an die Hand, um über unser Leben zu reflektieren. Das Thema der Werkzeuge ist die Einheit von Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe. Zu Beginn der Fastenzeit darf sich jeder bewusst machen, dass er Gottes geliebtes Kind ist. Unsere Antwort auf die Erstinitiative Gottes ist die Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe. Wir dürfen uns fragen: Wie gestalte ich die liebende Beziehung zu meinem Gott? Wie gestalte ich aus der Gottesliebe heraus die Beziehung zu meinem Nächsten? Wie liebevoll gehe ich mit mir selber um?
Antworten auf diese Fragen, die eine Einheit bilden, wollen in dieser Fastenzeit in uns reifen.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Fastenimpulse
Abtei, ImpulsAuch in diesem Jahr soll es wieder in der Fastenzeit Impulse aus der Abtei geben. Der hl. Benedikt schreibt in seiner Regel, dass jeder Mönch in der Fastenzeit ein „Buch aus der Bibliothek“ (gemeint ist ein Buch aus dem Kanon der Hl. Schrift) erhalten soll, das er von vorne bis hinten lesen soll (vgl. RB 48,15). Von diesem Satz ausgehend möchten wir Ihnen in diesem Jahr ein Kapitel unserer Ordensregel näherbringen, und zwar das 4. Kapitel, das mit „Werkzeuge der geistlichen Kunst“ überschrieben ist. Hier finden sich viele kleine Weisungen und Werkzeuge, „Tools“, die helfen können, das alltägliche Leben in der Nachfolge Jesu gut zu leben.
Wir werden an jedem Tag der Fastenzeit den Impuls auf unserer Website einstellen. Sie können aber auch die täglichen Impulse von Aschermittwoch bis Ostern täglich als E-Mail-Newsletter empfangen.
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (8.1.2023)
ImpulsAngekommen und gesandt sein (Mt 3,13-17)
„Lass es nur zu!“
In der Taufe Jesu und in unserer je eigenen Taufe öffnet sich der Himmel über jedem Menschen. So spricht Gott zu uns Menschen: „Du, Mensch, bist mein ewig geliebtes Kind. Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn.“ Wenn wir diese Zusage in unserem Wesensgrund annehmen, diese Zusage in unserer innersten Herzenskammer strahlt, dann sind wir bei uns selbst und bei Gott angekommen. Gottes geliebte Tochter und Gottes geliebter Sohn zu sein bildet ein inneres Fundament, welches uns in unserem Leben zu tragen vermag. Unsere Resonanz darauf ist, durch unser Leben dieses immer wieder neu durchzubuchstabieren. Unser innerer Auftrag ist es, Zeuge dieser Grundbejahung durch Gott zu sein und es heute in dieser Welt fruchtbar zu übersetzen. Wir schauen dann tiefer auf jeden Menschen, da Gottes Bejahung jeden von uns bewohnt. Diese Grundannahme und Bejahung durch Gott gleicht einem Bundesschluss, der nie mehr aufgekündigt wird: Lass es nur zu!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls an Epiphanie (6.1.2023)
ImpulsAnkommen an der Krippe (Mt 2,1-12)
Mathematik ist eine Sprache, die eine besondere Welt zu beschreiben vermag. Sie kann aber auch Bilder für das Seelenleben eröffnen.
So fühlen wir Menschen uns manchmal so, wie die Mathematik einen „Strahl“ erklärt: es ist eine Linie, die an einem Punkt beginnt und sie streckt sich unbegrenzt aus. Definiert wird diese Linie allein durch 2 Punkte – mehr nicht. Sie geben die Position im Raum unverwechselbar an.
Wir sind unterwegs auf unserer Lebenslinie. Mitunter stellen wir uns die Frage, woher wir kommen. Mehr noch fragen wir aber, was das Ziel unseres Lebens sein könnte. Es ist die uralte Frage nach Herkunft und Zukunft.
Die Sterndeuter kennen diesen Zusammenhang aus einem größeren Kontext. Sie folgen einem Stern, einem Phänomen, das sie am Himmel beobachten. Der spiegelt sich in ihrer Seele wieder und die Bewegung beginnt. Ihre Deutung aus den tradierten Menschheitserfahrungen sagt, dass es ein Ziel geben muss, einen Fixpunkt auf den dahinfließenden Lebenslinien. Sie erwarten diesen Punkt als etwas ganz Großes, als Chance, als endgültigen Ankommen. Das ermutigt sie, die Reise intensiver zu beginnen, die Berge und Hürden zu überwinden, Gefahren zu meistern. Sie stellen sich der ständigen Herausforderung des Lebens: dem Warten, der Einseitigkeit, der frustrierten Langeweile.
Sie finden in der Tat einen ersten Anhalts-und Ausgangspunkt und wagen den Aufbruch. Als der Stern die Bewegung verliert und stillsteht, erwarten sie das große Ziel, die endgültige Ankunft, eine Heimat.
Sie finden aber wenig Endgültiges: ein Kind, eine Mutter, den Vater und das alles in erbärmlichen Umständen. Sie suchen einen Palast und finden einen Stall, sie schauen nach einem mächtigen König aus und erleben einen obdachlosen Asylanten. Sie sehnten sich nach Endgültigkeit und finden Vorübergang.
War der Weg vergeblich? Mit dem Bild aus der Mathematik würde ich sagen: Sie fanden den zweiten Koordinatenpunkt ihres Lebensweges. Er zeigt die Richtung eindeutig an. Ein so definierter Weg gibt mitunter mehr Halt, als das noch so großartige, aber immer menschengedachte Ziel.
Das Ziel unseres Lebens ist uns allen übrigens durchaus klar. Wir können es als Ende oder als Durchgang erwarten und haben es doch nie in der Hand. Den Weg dahin aber können wir suchen und ausrichten. Er fällt uns leichter, wenn wir zumindest eine Richtung verfolgen können.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 5. Januar (5.1.2023)
ImpulsAnkommen aus dem Tod in das Leben
„Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind; denn wir lieben die Schwestern und Brüder. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod.“
(1 Joh 3,11-21)
„Tod, wer bist du, Bruder – oder Feind?
Bist du, der uns vom Leben trennt – oder uns mit ihm vereint?“
Zeilen aus einem Lied von Siegfried Fietz.
Der Tod ist unausweichlich.
Nur die Frage nach Ort und Zeit und Umständen sind offen.
Und dann die Frage, die Fietz stellt:
Was ist denn der Tod für mich?
Macht er mir vor allem Angst, weil er mir auch das Letzte nimmt,
mich „nicht mehr mitspielen lässt?“ (Eckhard von Hirschhausen)
Oder ist er das Tor zu einem ganz anderen Leben,
ein Leben, auf das ich hoffen kann durch die Auferstehung Jesu?
Der Abschnitt aus dem 1. Johannesbrief
weitet diese Fragen aus – auf mein Leben heute!
Wenn wir glauben, „aus dem Tod in das Leben hinübergegangen“ zu sein:
merkt man mir das an?
Strahlt die Hoffnung in meinem Leben durch?
Ja, mehr noch:
prägt sie mein Denken und Handeln?
Das kann dann nur von Liebe geprägt sein!
„Wer nicht liebt, der bleibt im Tod.“
Also lasst uns leben – und lieben!
„Habt keine Angst vor dem Tod.
Und habt keine Angst vor dem Leben.“
(Wilhelm Willms)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am 4. Januar (4.1.2023)
ImpulsAnkommen in der Entscheidung zwischen Sünde und Gerechtigkeit
Meine Kinder, lasst euch von niemandem in die Irre führen! Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, wie er gerecht ist. Wer die Sünde tut, stammt vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an. Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören. Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt, und er kann nicht sündigen, weil er von Gott stammt.
(1 Joh 3,7-10)
Bei dem heutigen Thema fällt mir mein Namenspatron ein, wie er mit seinen Gefährten dem Stern gefolgt ist, wie sie das göttliche Kind gefunden haben und es anbeten.
Auf ihrem Rückweg entscheiden sie sich bewusst für einen anderen Weg, denn im Traum wurden sie von einem Engel gewarnt, und sie wissen, welche Gefahr von König Herodes ausgeht, und daher werden sie nicht nochmals Herodes besuchen.
Angekommen, etwas Unbegreifliches, Unerwartetes vorgefunden haben, und dann gleich einen anderen Weg gehen müssen, ganz im Vertrauen auf das Neue.
Das klingt auch ein ganz wenig irre, was die drei Weisen da machen, dabei scheint es aber ja gerade aus der persönlichen Verirrung zu führen. Unbegreiflich, einen König in einer Krippe vorzufinden, und unerhört, ganz besonders im gastfreundlichen Orient, die Einladung eines amtlichen Königs auszuschlagen. Was ist auf dieser Reise mit ihnen geschehen?
Was wird auf unserer Reise geschehen?
Ganz egal, wo wir gerade hin aufbrechen, oder wo wir uns wiederfinden, da ist immer ein Stern. Nicht fern in irgendeiner Galaxis, sondern ganz in uns. Er zeigt uns den Weg, lässt etwas wachsen, und lehrt uns, dass im Urgrund von uns Menschen nichts Böses ist.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am 3. Januar (3.1.2023)
ImpulsAnkommen als Kinder Gottes
Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. (1 Joh 3,1)
„In diesem Jahr schenken wir uns nichts.“ So sagen es viele Menschen, um auszudrücken, dass sie ihre Liebe und Zuneigung zueinander nicht von äußeren Geschenken, von materiellen Werten abhängig machen wollen. Und daran ist sicher auch viel Richtiges. Und es gibt auch den Fall, dass man mit vielen Geschenken etwas zu kompensieren versucht, z.B., einen Mangel an Zeit für die Kinder.
Nun erlebe ich es allerdings oft, dass Menschen, die den oben genannten Satz sagen, sich dann letztlich doch etwas schenken. Offenbar braucht die Liebe manchmal auch den äußeren Ausdruck.
Die Tradition, dass wir uns etwas schenken an Weihnachten, ist der äußere Ausdruck dessen, dass wir Beschenkte sind. Dass Gott uns an Weihnachten das große Geschenk seiner Liebe gemacht hat. Er hat uns seinen Sohn geschenkt – und uns dadurch zu Kindern Gottes gemacht. Er hat uns eine Würde geschenkt, die uns keiner mehr nehmen kann. Wenn wir uns das immer neu bewusst machen, dann macht es auch durchaus Sinn, dass wir uns gegenseitig etwas schenken – und unserer Liebe zueinander so einen Ausdruck zu geben versuchen…
Schauen Sie heute doch mal die Geschenke an, die Sie an Weihnachten bekommen haben, die Karten, die äußeren Zeichen. Und denken Sie dabei an den Menschen, der Ihnen das geschenkt hat. Spüren Sie die Liebe, die dahinterstehen mag. Und dann denken Sie an die Liebe, mit der Gott Sie liebt. Und füllen Sie sich langsam mit dieser Liebe an – mit jedem Atemzug…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am 2. Januar (2.1.2023)
ImpulsAnkommen in der Wahrheit
Für euch gilt: Was ihr von Anfang an gehört habt, soll in euch bleiben; wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, dann bleibt ihr im Sohn und im Vater.
(1 Joh 2,24-25)
Das Wort Wahrheit kann in der inneren Vorstellung und der Erwartung manchmal sehr groß werden und ist dann fast nicht zu begreifen. Dabei muss Wahrheit nicht immer ein großes, ideales Gebäude sein. Wahrheit kann auch sein, dass wir einfach einmal mit uns selbst ganz ehrlich sind und uns fragen, wie es uns gerade wirklich geht.
Sind wir erschöpft, oder können wir Bäume ausreißen? Jetzt am Anfang des neuen Jahres ist ein guter Zeitpunkt, einmal eine eigene Bestandsaufnahme zu machen und in die Innenschau zu gehen. Vielleicht unser System sogar zu resetten, wenn wir es für nötig halten.
„Ruhe ist für die Seele der Anfang der Reinigung“, sagt der Mönch und Kirchenvater Basilius, dessen Gedenken heute gefeiert wird. In der Ruhe finden wir zu uns, und können uns selbst auch nicht mehr so viel vormachen.
Die Natur zeigt uns gerade sehr viel in ihrer Kargheit. Die Tage werden wieder länger und etwas heller, aber die Natur selbst erreicht gerade ihren ruhigsten Punkt. Aber im Verborgenen sammelt sie Kraft, der Anfang ist gemacht, und das, was da kommen wird, können wir erahnen oder in der einen oder anderen Knospe schon sehen.
Der Jesuit und Meditationslehrer Franz Jalics hat einmal gesagt, die Natur ist unser größter Lehrmeister. Und er meinte damit ganz konkret eine Übung, die uns beim Stillwerden helfen kann. Es lohnt sich, einfach in die Natur zu gehen und das wahrzunehmen, was uns dort begegnet, es nicht gleich mit unserem Kopf zu hinterfragen. Ganz wie ein Kind in das sinnliche Erleben gehen. Diese Übung kann uns helfen, leicht runterzukommen, aber wir werden auch beschenkt, und es kann passieren, dass uns etwas tief innerlich trifft. Im Wahrnehmen erleben wir Wahrheit. Ganz leicht, tief aus einer gesammelten Kraft, und sie beschenkt uns ganz still.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls an Neujahr (1.1.2023)
ImpulsAnkommen im neuen Jahr – Ihr sollt ein Segen sein!
Der Herr segne und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. (4 Mose 6, 24-26)
Diesen Segen bekommen wir in der Lesung zugesprochen. Zunächst einmal kommt der Segen über uns von Gott her. Segnen heißt im lateinischen benedicere. Gutheißung. Wir Menschen sind von Gott Gutgeheißene. Nicht nur einige Menschen, sondern alle Menschen. Egal welcher Hautfarbe, welchen Alters, welchen Geschlechtes und auch welcher sexuellen Orientierung. Schon in der Schöpfungsgeschichte heißt es nach jedem Schöpfungstag: Und Gott sah, dass es gut war. Was also Gott gutgeheißen hat, dürfen wir nicht schlechtreden.
Wir sind von Gott gewollte Menschen. Sehe ich mich selber so? Heiße ich mich gut? Habe ich eine Freude an mir?
Und mein Nächster in Familie oder Freundeskreis? In Gemeinschaft oder am Arbeitsplatz? Gestehe ich dem Anderen zu, auch ein von Gott Gesegneter zu sein?
Mein Neujahrsvorsatz ist: Ich möchte mich selbst als von Gott Gesegneter sehen und diese Zusage für andere fruchtbar machen. Ich möchte zum Segen für die Menschen sein, denen ich in diesem Jahr begegnen werde. Dann kann wenigstens im Kleinen ein wenig Frieden werden, der uns im Segen zugesagt wird.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls an Silvester (31.12.2022)
ImpulsAnkommen und Abschied nehmen
Erfüllung und Verheißung gehören einander. Und bezüglich des Inhaltes sind sie sogar gleichgeboren. Und doch scheinen sie sich oft so weit von einander zu entfernen, nimmt man einmal die Zeiträume, die sich zwischen Erfüllung und Verheißung auftun. Je umfassender die Verheißung, desto älter wird sie. Oft müssen die Herzen vieler Generationen sie reifen lassen, bis sich Erfüllung schenkt. Doch darin sind die Seelen der Menschen in der Tiefe verbunden. Jene Urverheißung, dass es gut sei und gut werde und die Sehnsucht nach Erfüllung im Grunde des Menschseins. Erfüllung meint dann nicht Dingliches, wie das Ansammeln von Gütern, das Horten von Erfolg oder jenes Vermessen der Welt, das wir Wissen nennen. Erfüllung meint hier mehr, als das Wort sagen kann. Es ist die Sehnsucht und das Bestreben, innerlich und äußerlich eins zu werden, die Widerstreite auszusöhnen. Erfüllung ist dann Heimkehr der entfremdeten Seele, Hoffnung der wandernden Weltzeit. Sie bleibt kostbar und flüchtig. Eben nicht zu machen, nicht zu halten, unerzeugt klopft sie zu ihrer Zeit an.
Erfüllung stellt sich von woandersher ein und ihre Mitte ist im Grunde Gebet des Herzens. Darin kann Erfüllung gelungene Zukunft ebenso einfordern wie geheilte Vergangenheit. Ihr letzter Ursprung ist das Gott-Mensch-Verhältnis vor aller Zeit. Sie kommt aus jener Ewigkeit und leitet uns fort dorthin. Übergang von Verheißung zu Erfüllung ist Augenblick. Auf unseren Zeitlinien nur ein Punkt – in unseren Herzen und Erleben Riesenräume – öffnen sich im Augenblick, der uns in uns die Tiefe, die Weite und die Fülle der Ewigkeit aufblitzen lässt.
Betrachtung der Zeit von Andreas Gryphius
Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht,
die etwa möchten kommen;
der Augenblick ist mein,
und den nehm ich in Acht.
‚So ist der mein,
der Jahr und Ewigkeit gemacht.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am 30. Dezember (30.12.2022)
ImpulsAnkommen und in Frieden scheiden – Simeon und Hanna (Lk 2,22-40)
Die beiden alten Menschen Simeon und Hanna – sie haben als gläubige Juden ein Leben lang auf das Kommen des Messias gewartet. Und nun erkennen sie in Jesus Christus diesen Messias, den Retter, die Sehnsucht ihres langen Lebens. Diese Begegnung befriedet sie, und sie können gehen, weil sie ihr Lebensziel erreicht haben. „Nun lässt du, o Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen…“ – so betet Simeon. Diese Begebenheit, von der das Lukasevangelium berichtet, lässt zwei Fragen in mir wach werden:
Worauf warte ich noch in meinem Leben?
und
Was befriedet mich in der Tiefe meiner Seele?
Vielleicht kann diese Zeit zwischen den Jahren mir etwas Raum geben, dem auf die Spur zu kommen.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am 29. Dezember (29.12.2022)
ImpulsAnkommen mit guten Freunden
Als David aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonatans mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben. (1 Sam 18,1)
Eine der schönsten Freundschaftsgeschichten der Hl. Schrift ist die Erzählung der Freundschaft zwischen David und Jonatan, die im Ersten Buch Samuel (Kap. 18-20) erzählt wird. David und Jonatan könnten unterschiedlicher nicht sein – der eine der Emporkömmling, der mit seiner Steinschleuder den Kämpfer Goliat getötet hat, der andere der Sohn des Königs Saul, aus vornehmem Hause. „Das Herz Jonatans verband sich mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben“, so übersetzt Luther den Beginn dieser Freundschaft – einer Freundschaft, die sich bewährt in der Gefahr und selbst stärker ist als der Tod, wie die bewegende Totenklage Davids auf den im Kampf gefallenen Jonatan zum Ausdruck bringt.
Der Mensch ist das Wesen, das der Freundschaft fähig ist. Jeder, der einen guten Freund, eine gute Freundin hat, weiß, dass Freundschaft etwas ist, das wir nicht machen können, sondern das uns geschenkt wird. Wenn Sie einmal überlegen, wen Sie als wahren Freund bezeichnen würden, so werden Sie wohl nicht auf viele Menschen kommen. Freundschaft ist ein kostbares, seltenes Geschenk.
Die sog. Freundschaftsikone „Christus begegnet seinem Freund Menas“ zeigt uns Jesus Christus als Freund. Teresa von Avila beschreibt das Gebet als das Reden mit einem Freund. Ihm darf ich alles erzählen, was mich bewegt. Christus und Menas, die beiden Freunde, werden auf der Ikone als Ebenbürtige dargestellt. Sie schauen in die gleiche Richtung, dem Ziel entgegen. Jeder, der auf seinem Weg einen guten Freund neben sich hat, wird merken, dass der Weg viel leichter zu bewältigen ist. Gemeinsam kommen wir am Ziel an.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Fest der Unschuldigen Kinder (28.12.2022)
ImpulsAnkommen auf Umwegen
Ich muss zugeben, dass ich mich mit dem heutigen Fest der unschuldigen Kinder schwertue. Einerseits ist es ein sehr altes Fest, bekannt seit dem 6. Jahrhundert, andererseits ist der Kindermord von Bethlehem nicht historisch belegt, und wohl eine Fiktion aus antiken Tagen.
Hinzu kommt dann auch noch, dass wir ja mittlerweile wissen, dass der Schutz der Kinder in unserer Kirche oft eigentlich mehr Fassade war als wirkliches Herzensanliegen.
Beim Nachdenken über den heutigen Tag sehe ich die Bilder von Gräberfeldern aus Kanada vor mir, die in diesem Jahr durch die Medien gegangen sind. Gräber von indigenen Kindern, die in katholischen Kinderheimen ums Leben gekommen sind, weil man sich nicht wirklich fürsorglich um sie gekümmert hat, und die dann einfach anonym und heimlich verscharrt wurden. Nur ein Fall von vielen Missbräuchen, die alleine in diesem Jahr ans Licht gekommen sind.
Ein arabisches Sprichwort sagt: Die Wahrheit wird euch finden.
Und in dieser Weisheit steckt viel Wahrheit. Denn die Wahrheit ist nur dadurch ans Licht gekommen, weil die Betroffenen mutig und beharrlich waren. Oft hat das sehr lange gedauert, und ihr Leben hat viele schmerzliche, traumatische Wege genommen.
Aber den geraden Weg verlieren, Umwege gehen, abstürzen, nicht mehr können – kann zum Licht führen.
Scheinheiligkeit dagegen nie.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Fest des hl. Johannes (27.12.2022)
ImpulsAnkommen in der Liebe
Dies ist der Jünger, der all das bezeugt und aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. (Joh 21,24)
Der Evangelist Johannes wurde häufig mit dem Jünger identifiziert, den Jesus liebte: Dem obigen Zitat aus dem sogenannten Zweiten Schluss des Evangeliums geht nämlich unmittelbar voraus, dass Petrus sich umwendet und den Jünger sieht, den Jesus liebte und daraufhin den Herrn fragt: „Herr, was wird denn mit ihm?“ Neben der Frage, wer genau eigentlich der Verfasser des Johannesevangeliums ist, beschäftigte die Leser dieses Evangeliums auch immer schon die Frage, wer denn dieser Jünger sei, den Jesus liebte. Seine Anonymität, seine ehrenvolle Bezeichnung und seine Idealisierung – all das trägt zu der geheimnisvollen Aura bei, die diesen Jünger umgibt. Die Frage nach seiner Identität ist bis heute nicht verstummt, aber auch noch nicht beantwortet. Unabhängig davon berührt es mich aber immer wieder neu, dass auch Jesus tief empfundene Freundschaft kannte und dieser Jünger ihm offenbar viel bedeutete. Das Thema Freundschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Johannesevangelium: Gott, der die Welt so sehr liebt, dass er Mensch wird und seinen Sohn in die Welt sendet, um sie zu erlösen. Jesus, der sein Leben für seine Freunde hingibt, um sie zu retten und der schließlich zu seinen Jüngern sagt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15,15)
Freundschaft gehört sicher zu den wichtigsten und schönsten Erfahrungen im Leben und ist eine gute Gabe und ein Geschenk Gottes. Und sie ist ein Widerschein der tiefen Liebe und Freundschaft, die Gott zum Menschen hat und die so tief war, dass er dem Menschen ganz nahe kommen wollte: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14)
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Fest des hl. Stephanus (26.12.2022)
ImpulsAnkommen durch das Leid
Wie ein Fremdkörper scheint das Fest des heiligen Stephanus inmitten der weihnachtlichen Feierlichkeit aufzurütteln. Und doch hält die Kirche an diesem Termin fest, wissend um die Bedeutung des darin aufscheinenden Geheimnisses. Es ist der Gedenktag einer schrecklichen gewalttätigen Ermordung, kirchengeschichtlich die erste überlieferte nach der Hinrichtung Jesu.
Das ist der Ernstfall christlichen Lebens. An ihm bewährt sich die Antwort des Glaubens an die den Tod überwindende Macht der Auferstehung Christi. Alle Steine der Menschenverachtung und alle Steine der Grausamkeiten gegen Menschen fragen uns nämlich, wie weit uns Weihnachten wirklich trägt.
Gerade weil Kriege und Folter, Geiselnahme und Vergeltung gestern an Weihnachten keine Pause machten, müssen wir uns wie Kain seinerzeit fragen lassen: Wo ist Dein Bruder Abel?
Mit der Stephanusgeschichte bricht Ostern in die Weihnachtszeit ein. Nicht umsonst hören wir die Worte, die Jesus am Kreuz in letzter Todesnot rief: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!
Stephanus zeigt, dass Weihnachten trägt, er vergewissert uns, dass das Geheimnis der heiligen Nacht Hoffnung für die reale Welt schenkt. Diese besteht darin, dass allen, auch den schwersten Sündern Vergebung angeboten wird. Der Tod des Stephanus macht deutlich, dass Menschen über sich hinauswachsen und dass auch in der Vernichtung noch ein Funke von Heil möglich sein kann.
Stephanus zeigt uns das Modell der Vergebung schlechthin: Nicht wir Menschen sind es, die richten und urteilen, sondern er betet noch im Tod für seine Verfolger. So erfüllt er das Gebot der Feindesliebe. Im Ernstfall des Glaubens, in der Verfolgung und in der Dunkelheit an Gott festhalten und das ganze Vertrauen auf ihn setzen, das ist die Mahnung seines Todes.
Es ist der Zusammenhang von Herkunft und Zukunft, der am hoffnungsvollen Sterben des Stephanus aufscheint. Stephanus wird in der Zeit höchster Not die Verheißung eines offenen Himmels zuteil, aus der Kraft des Höchsten ist er bereit, das Letzte – selbst sein Leben – hinzugeben. Als die Steine auf ihn treffen, betet er. Die Vision vergewissert ihm seine Herkunft und bestärkt die Hoffnung für die Zukunft.
P. Abraham Fischer OSB
Impuls an Weihnachten (25.12.2022)
ImpulsGott kommt auf der Erde an
„Weihnachten zwischen Skepsis und Sehnsucht“. So lautet der Untertitel eines kleinen Büchleins des Freiburger Theologen Magnus Striet, in dem er versucht, die Weihnachtsbotschaft für suchende und vor allem zweifelnde Menschen heute neu auszubuchstabieren.
„Zwischen Skepsis und Sehnsucht“. In diesem Jahr treffen diese Worte ganz besonders mein Empfinden. Skepsis angesichts einer Welt, wo so vieles im Argen liegt, wo Menschen in Krieg, Terror und Gewalt verstrickt sind, wo Gesellschaft sich spaltet und Meinungsverschiedenheiten sich zu oft in Gewalt entladen, wo auch in der Kirche Menschen sich über die Lösungen aus den vielfältigen, auch hausgemachten Krisen entfremden. Kann man angesichts all dessen noch Weihnachten feiern?
Und doch spüre ich auch eine Sehnsucht in mir, die trotz, vielleicht auch wegen aller Skepsis größer wird: die Sehnsucht, dass doch etwas dran sei an dieser unglaublichen Botschaft, dass Gott selbst Mensch wird, als Mensch sich gemein macht mit den Zuständen auf dieser Erde. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt, die gerade an Weihnachten aufkommt, wenn wir uns an die Weihnachtstage unserer Kindheit erinnern. Die Sehnsucht, dass vielleicht noch nicht alles verloren ist in unserer Welt, in unserer Kirche, in meinem Leben.
„Gott kommt auf der Erde an“ – so ist dieser Impuls überschrieben. Nicht: Gott ist angekommen. Sondern: Gott kommt auf der Erde an. Er ist im Kommen. Er ist angekommen da, wo ich ihn empfange in den Menschen, die Hilfe brauchen. Er ist angekommen, wo ich Menschen ernst nehme in ihrer Würde und sie willkommen heiße. Er ist angekommen da, wo ein Licht die Dunkelheit erhellt.
Aber auch das gilt: Er ist noch nicht ganz angekommen, wo Menschen immer noch leiden. Er ist noch nicht angekommen, wo Menschen die Würde ihrer Mitmenschen mit Füßen treten. Er ist noch nicht angekommen, wo die Finsternis das Licht auslöscht. Er ist im Kommen, ja, und wir vertrauen, dass sein Kommen unaufhaltsam ist. Aber er ist noch nicht ganz da. So viel Ehrlichkeit schulden wir den Menschen, die im Dunkeln sind.
In dieser Spannung leben wir. Gerade heute an Weihnachten. Es liegt auch an mir, ob Gott auf der Erde, auf meiner persönlichen Erde schon angekommen ist oder ob er noch im Kommen ist.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, auch im Namen meiner Brüder, gesegnete Weihnachtstage mit der Erfahrung, dass Gott bei Ihnen ankommt und eingelassen wird.
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Heiligabend (24.12.2022)
ImpulsZwischen Aufbrechen und Ankommen
Es begab sich aber zu der Zeit lange vor unserer Zeit
Der Mann
Die Frau
Das Paar
Gemeinsam – Unterwegs
Aufbrechen und suchen und ringen und langsam vortasten
Wie alle, die in ihren Zeiten aufgebrochen sind
Wie alle auf dem Weg wünscht sich das Paar endlich anzukommen
Ein Kommen und Gehen
Ein Hoffen und Vertrauen
Ein Empfangen und Schenken
Ein Erlösen und Befreien
Weg – Wüste – Wirrnis
Übers Gebirg geht die schwangere Maria nicht zu Elisabeth
Ungewisse Wege gehen und keine vertraute Heimsuchung
Übers Gebirg geht die hochschwangere Maria mit Josef nach Bethlehem
Aufgebrochen schutzlos durch die dunkeln Nächte
Ein Weg voller Dornen durch die Todeswälder der Welt
Aufgebrochen hilflos gegenüber der Gefahr der Straße
Ein Weg voller Steine über die Schmerzenstäler der Welt
Ein Kommen und Gehen
Ein Hoffen und Vertrauen
Ein Empfangen und Schenken
Ein Erlösen und Befreien
Aufgebrochen im Glauben auf die Worte des Engels
Aufgebrochen in der Liebe, die Herzen öffnen kann
Aufgebrochen in der Hoffnung auf die Erlösung
Angekommen mit Glauben, der ein Weg zum Leben ist
Angekommen mit Liebe, die die Herzen weit werden lässt
Angekommen mit Hoffnung, die als Licht die Finsternis erhellt
Maria und Josef – Aufgebrochen im Gestern
Maria und Josef – Ankommen im Heute
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 23. Dezember (23.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Immanuel – Gott-mit-uns
O Immanuel, unser König und Lehrer,
du Hoffnung und Heiland der Völker:
o komm, eile und schaffe uns Hilfe,
du unser Herr und unser Gott!
(O-Antiphon vom 23. Dezember)
Die letzte O-Antiphon am 23. Dezember besingt den Gott mit uns. Die Sehnsucht der Propheten war es, dass Gott seinem Geschöpf absolut und konkret nahe kommt. An Weihnachten begehen wir, dass Gott Mensch wird. Für uns erfüllt sich das prophetische Zeichen in der Gottesgeburt. Unser Gott ist Beziehung. Dieser Gott will in einer steten Bezogenheitsqualität zum Menschen stehen. Näher konnte Gott uns nicht kommen, als selbst Mensch zu werden. Viele heutige Menschen quält die Erfahrung von Einsamkeit. Wir dürfen uns deshalb neu ins Bewusstsein führen, dass Gott immer um uns und in uns ankommen möchte. Unsere Existenz bekommt durch das Geheimnis des „Gott mit uns“ eine tiefe neue Dimension. Da wir immer somit mit Gott Verbundende sind und bleiben, sind wir letztlich nimmermehr in der Tiefe unseres Herzens einsam. Diese Dimension schafft Hoffnung auf Licht in Dunkelheit und birgt Heilungspotential in sich.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am 22. Dezember (22.12.2022)
ImpulsGroße Anrufung
O König aller Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht;
Schlussstein, der alles zusammenhält:
O komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet. (O-Antiphon vom 22. Dezember)
Angenommen, es stimmte tatsächlich,
dass die Menschen, die Völker und Staaten sich nichts sehnlichster wünschten als den gottgesandten demütigen Jesus zum König zu haben – dann wäre endgültig Friede auf dieser Erde.
Mir ist natürlich klar, dass sich die meisten Menschen kaum vorstellen könnten, Jesus von Nazareth zum König haben zu wollen. Das ist unrealistisch.
Aber angenommen, es gibt irgendwo im Menschen die Erwartung und Sehnsucht nach einer Gestalt, die das bleibend Gute verkörpert, sich nicht korrumpieren lässt von Machtgier und Größenwahn, sondern allen Geschöpfen dieser Welt Recht verschafft, die im Einklang mit dem göttlichen Ursprung und der kosmischen Harmonie ist und wie ein Schlussstein alles zusammenhält. Und es läge allein an unsrer Blindheit, den König aller Völker zu übersehen.
Angenommen, er wäre schon unterwegs zu uns. Wir bräuchten ihn nur zu erwarten.
Im Advent fragen wir uns, welche Sehnsucht in uns steckt. Wonach strecken wir uns aus?
Wo wollen wir hin? Welcher Wunsch lässt uns nicht los?
Die O-Antiphon ist eine große Anrufung: mit allen, die sie singen oder beten, rufen wir aus:
Komm, Du alles zusammenhaltende Kraft,
lass es geschehen, dass Du auch in diesem Jahr von neuem zur Welt kommst,
hinein in verschüttete Bunker,
hinein in unser Inneres, in unsere Sehnsucht und Erwartung.
Komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am 21. Dezember (21.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Morgenstern
O Morgenstern, Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne:
komm und erleuchte,
die da sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes. (O-Antiphon zum 21. Dezember)
Neben Sonne und Mond sind Morgenstern und Abendstern
wohl die bedeutsamsten Einzelobjekte am Himmel.
Der Morgenstern ist das hellste vor dem Sonnenaufgang
erscheinende Gestirn am Himmel.
Φωσφόρος, Lichtträger, nannten es die alten Griechen.
Mit ihm begann die Dämmerung, der neue Tag.
Wenn wir Christus als den Morgenstern anrufen,
meinen wir genau das für unser Leben:
mit IHM beginnt Neues, wird es Licht.
Ganz augenfällig im Geschehen von Weihnachten.
In einem Lied von Albert Frey heißt es:
Der wahre Morgenstern, er ist
Aufgegangen
Der Erlöser ist hier
Gott wird Mensch,
wird in Jesus zum Erlöser,
bringt Licht in unsere auch gerade wieder dunkle Zeit,
will Hoffnung machen:
Meine Seele singe
Denn die Nacht ist vorbei
Mach dich auf und bringe
Deinem Gott Lob und Preis
Alle Schöpfung juble
Wenn der Tag nun anbricht
Gottes Töchter und Söhne
Strahlen in seinem Licht
Doch das Lied weitet den Blick
an das Ende des irdischen Lebens Jesu.
Dort wird ER zum ganz neuen Morgenstern:
Ich weiß das Jesus lebt
Er ist auferstanden
Und er lebt auch in mir
Lebt auch in mir
Die Verheißung des Advents,
dass der Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne
erscheinen wird,
darf und soll auch uns erleuchten:
SEIN Leben ist längst in mir,
will auch mich hell machen
– auch für die Menschen um mich herum!
P. Guido Hügen OSB
Eine Version des Liedes mit der Women-For-Women-Projekt-Band finden Sie hier:
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Impuls am 20. Dezember (20.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Öffnen
O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel – du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und keine Macht vermag zu öffnen: o komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fessel des Todes! (O-Antiphon vom 20. Dezember)
Schlüssel, da fallen mir viele Geschichten aus meinen Kindertagen ein. Zum Beispiel „Das kleine Gespenst“ des wunderbaren Kinderbuchautors Otfried Preußler. Das kleine Gespenst lebt auf der Burg Eulenstein. Sein bester Freund ist ein Uhu namens Schuhu. Mit einem Schlüsselbund mit 13 Schlüsseln kann das kleine Gespenst durch einfaches Schütteln alles, was es will, ohne Berührung öffnen, egal ob Türen, Fenster oder Truhen. Toll! Wer möchte nicht so einen Schlüsselbund mit 13 Schlüsseln, mit denen man jederzeit öffnen und schließen kann! Und ob es doch so gut wäre? Und dann fällt mir noch das Märchen „Der goldene Schlüssel“ von den Brüdern Grimm ein. Advenstzeit ist auch Märchenzeit. Darum gönnen Sie sich doch heute mal dieses alte Märchen:
„Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, musste ein armer Junge hinausgehen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammengesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, sondern erst Feuer anmachen und sich ein bisschen wärmen. Da scharrte er den Schnee weg, und wie er so den Erdboden aufräumte, fand er einen kleinen goldenen Schlüssel. Nun glaubte er, wo der Schlüssel wäre, müsste auch das Schloss dazu sein, grub in der Erde und fand ein eisernes Kästchen. Wenn der Schlüssel nur passt, dachte er, es sind gewiss kostbare Sachen in dem Kästchen. Er suchte, aber es war kein Schlüsselloch da, endlich entdeckte er eins, aber so klein, dass man es kaum sehen konnte. Er probierte, und der Schlüssel passte glücklich. Da drehte er einmal herum, und nun müssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen, und den Deckel aufgemacht hat, dann werden wir erfahren, was für wunderbare Sachen in dem Kästchen lagen.“ (Jakob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen, Band 3)
In der Bibel ist die Rede vom „Schlüssel Davids“. Dieser wird mit Jesus gleichgesetzt. Er soll die verschlossenen Türen öffnen. Und so wird Jesus in der heutigen O-Antiphon mit „O Schlüssel Davids“ angerufen. Jesus – der Schlüssel zu unserem Leben. Er schließt die Tür des Lebens und der Liebe auf. Wenn wir in unserer Dunkelheit gefangen sitzen, dann will Jesus uns die Tür des Lichtes aufmachen. Wenn wir in unserer Traurigkeit nach Freude hungern, dann will Jesus uns die Tür des Brotes des Lebens aufsperren. Wenn wir in unserer alltäglichen Hektik fast verdursten, dann will Jesus uns die Tür mit dem Wasser des Lebens aufschließen. Wenn wir im Tal der Tränen gefangen sitzen, dann will Jesus uns die Tür der Barmherzigkeit öffnen. An Weihnachten selber öffnet Gott die uralten Pforten und Tore und Türen der Welt, damit der König der Ehre in unsere Herzen einziehe. Wenn wir den Herz.Schlüssel in unserem Herzen umdrehen und in unsere Herzen hören, dann erfahren wir was für ein wunderbarer Schatz in unserem Herzen ankommen will: Christus!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am 19. Dezember (19.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Wurzel
O Spross aus Isais Wurzel, gesetzt zum Zeichen für die Völker – vor dir verstummen die Herrscher der Erde, dich flehen an die Völker: o komm und errette uns, erhebe dich, säume nicht länger! (O-Antiphon vom 19.12.)
Diejenigen, die es schon einmal beim Zahnarzt erlebt haben, wissen es: eine Wurzelbehandlung kann ziemlich unangenehm sein. Sie geht richtig in die Tiefe, an die Wurzel, und bringt manchen Schmerz mit sich.
Derjenige, den wir in diesen Tagen erwarten, Jesus Christus, er geht an die Wurzeln unseres Lebens – und das ist nicht gerade angenehm. „Kehrt um!“ – so Jesu erstes öffentliches Wort. Und schon sein Vorläufer Johannes, von dem wir in diesen Tagen des Adventes immer wieder hören, will uns deutlich machen, dass es so nicht weitergeht. Dass wir nicht einfach so weitermachen können, als sei nichts passiert. Vielleicht hat diese Botschaft ja in diesem Jahr die Chance, uns wachzurütteln. Denn das dürfte uns doch allen klar sein: so geht es nicht weiter. Egal in welche Lebensbereiche wir schauen.
In solchen Lebenssituationen kann es gut sein, an die Wurzeln zu gehen. Was will ich denn eigentlich mit und in diesem Leben? Und als Gläubige: Wieso gibt es uns denn als christliche Gemeinschaft? Und: wieso folgen wir eigentlich nach 2000 Jahren immer noch diesem Jesus?
Gehen wir an die Wurzeln, damit wir das Alte, was gut war, retten können und damit auch Neues wachsen kann.
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Vierten Adventssonntag (18.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Adonai
O Adonai,
Herr und Führer des Hauses Israel –
im flammenden Dornbusch bist du dem Mose erschienen
und hast ihm auf dem Berg das Gesetz gegeben:
o komm und befreie uns
mit deinem starken Arm (O-Antiphon vom 18. Dezember)
Am heutigen Sonntag werden gleich zweimal Kerzen entzündet werden, einerseits zum vierten Advent, und heute Abend zu Beginn des jüdischen Chanukka-Festes.
Das jüdische Lichterfest, das von heute bis zum 26. Dezember gefeiert wird, erinnert an die Einweihung des Tempels von Jerusalem und an das Wunder des Tempelleuchters, der acht Tage lang ohne das nötige geweihte Öl brannte.
Mit „O Adonai“ werden wir dann heute Abend in der Vesper die zweite O-Antiphon anstimmen. Das staunende O geleitet uns jetzt täglich auf den Weg bis in die Heilige Nacht.
Adonai ist im Jüdischen die Umschreibung für den Namen Gottes. Der Name Gottes ist bei den Juden so heilig, dass man ihn aus Respekt und Ehrfurcht nicht aussprechen soll.
Diese Regel um das Geheimnis Gottes reicht bis in die frühesten Tage des Judentums zurück und ist doch erstaunlich auch ganz im Heute. Zeigt sie uns doch die unendliche Weite und die Unfassbarkeit Gottes.
Gott ist etwas, das unser Denken und unsere Vorstellungen sprengt.
Und was bleibt, wenn wir mit unseren Erwartungen und Vorstellungen nicht mehr weiterkommen?
Als Gott Moses im brennenden Dornbusch begegnet, antwortet Gott auf die Frage nach seinem Namen: „Ich bin, der ich immer bin. Sag ihnen einfach“: „ICH BIN.“
Ich wünsche ihnen einen gesegneten vierten Advent und ein fröhliches Chanukka.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am 17. Dezember (17.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Weisheit
O Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten – die Welt umspannst du von einem Ende zum andern, in Kraft und Milde ordnest du alles: o komm und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht! (O-Antiphon vom 17. Dezember)
In den letzten sieben Tagen vor Weihnachten singen wir in der Vesper die sog. O-Antiphonen, die Sehnsuchtsrufe Israels, die etwas von der drängenden Erwartung des Erlösers ins Wort bringen. Heute besingen wir die Weisheit, die in der jüdischen Tradition oft als „Frau Weisheit“ personifiziert ist. Man kann die Frau Weisheit auch die weibliche Seite Gottes nennen.
Aufbrechen zur Weisheit – in diesem Sinne ist dieser Aufbruch ganz wörtlich gemeint. Denn „Frau Weisheit“ erwartet uns in ihrem Haus und hat schon den Tisch für uns gedeckt. Mit Weisheit im biblischen Sinne ist nicht die Anhäufung von immer mehr Wissen gemeint, sondern eher eine Lebenshaltung. „Der Anfang der Weisheit ist Gottesfurcht“, so heißt es an einer anderen Stelle. Damit ist keine sklavische Angst vor Gott gemeint, sondern das Vertrauen, dass ich nicht alles aus mir selbst habe und machen muss, sondern auf jemanden vertrauen darf, der mich erwartet und es gut mit mir meint. Aus dieser Lebenshaltung heraus kann ich dann das tun, was ich tun kann, ohne mich und andere zu überanstrengen. „Engagierte Gelassenheit“, so nennt es der Autor Pierre Stutz.
Ich wünsche uns in diesen letzten adventlichen Tagen, dass wir den Aufbruch zu einer solchen weisheitlichen Lebenshaltung wagen, die in engagierter Gelassenheit ihre Wege geht. Solch eine Lebenshaltung können wir übrigens ganz gut von Kindern lernen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Dritten Adventswoche (16.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Gebet
So spricht der Herr: Wahrt das Recht, und sorgt für Gerechtigkeit; denn bald kommt von mir das Heil, meine Gerechtigkeit wird sich bald offenbaren. Wohl dem Mann, der so handelt, wohl dem Menschen, der daran festhält, den Sabbat zu halten und nie zu entweihen und seine Hand vor jeder bösen Tat zu bewahren.
Der Fremde, der sich dem Herrn angeschlossen hat, soll nicht sagen: Sicher wird der Herr mich ausschließen aus seinem Volk. Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben, um seine Knechte zu sein, alle, die den Sabbat halten und ihn nicht entweihen, die an meinem Bund festhalten, sie bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Bethaus mit Freude. Ihre Brandopfer und Schlachtopfer finden Gefallen auf meinem Altar, denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt. Spruch Gottes, des Herrn, der die verstoßenen Israeliten sammelt: Noch mehr, als ich schon von ihnen gesammelt habe, will ich dort versammeln. (Jes 56,1-3a.6-8)
Diese Textstelle hätte kein Integrationsminister besser formulieren können. Jeder, der sich an den Sabbat hält, soll dazugehören. Ob Fremder oder Einheimischer. Und selbst Eunuchen dürfen sich als dazugehörig verstehen. Das ist besonders. Denn eigentlich ist im Volk Israel das Eunuchenwesen verboten. Bei Jesaja geht es aber nicht darum, was uns trennt, sondern was uns eint. Es kommt auf die Perspektive an, die ich einnehme. Das einende Band ist hier der Einsatz für den Menschen und die Bereitschaft zum Gebet. Das ist doch für uns eine Einladung darüber nachzudenken, worauf wir schauen. Auf das uns Gemeinsame oder auf das uns Trennende. Für uns Mönche ist es die Erinnerung daran, dass wir gerade Fremde und Pilger zu uns einladen. Für uns als Kirche insgesamt, eher auf das zu schauen , was der Gläubige mitbringt und nicht so sehr darauf zu schauen, was ihm fehlt. Aufbrechen zum Gebet heißt für mich, die Hinwendung zu Gott, dem Schöpfer aller Menschen. Das ist ein so tiefer gemeinsamer Grund, den niemand vergessen sollte. Benennen wir uns doch als Schwestern und Brüder.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Adventswoche (15.12.2022)
ImpulsImpuls zu Jes 54,1-10
Unbedingt
Keine Angst! Ich halte zu euch.
Ihr habt Schlimmes durchgemacht: Jetzt fühlt ihr euch alleingelassen, nutzlos, unbrauchbar, verstoßen, enttäuscht, erniedrigt.
Aber das ist nicht das Ende.
„Mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir.“
Das gilt auch für die Juden von heute, unsere Geschwister.
Sie sind die ersten Empfänger dieser Zusage. Sie gilt ihnen durch die Zeiten hindurch.
Durch die ganze Geschichte hindurch mit all ihren dunklen Abgründen und Lichtzeiten.
„Fürchte dich nicht, du wirst nicht beschämt,
schäme dich nicht, du wirst nicht enttäuscht.“
Was auch immer Gott von Israel halten mag,
das ihn verlässt und wieder zu ihm findet –
er hält zu Israel:
„Mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir.“
Immer wieder, als wäre nichts gewesen.
Unfassbar.
Seine erste Liebe – Sein Volk – hält dank dieser Zusage an Ihm fest.
Fühlen auch wir uns als Christen, als Kirche
von der bedingungslosen Zusage „Meine Huld wird nie von dir weichen.“ angesprochen?
Geben wir ihr unter uns Raum?
Dass wir von Gott geliebt sind, trotz aller Enttäuschungen,
trotz der Schande, die der Kirche ins Gesicht geschrieben steht?
Strecken wir uns danach aus?
Er hat uns Seinen Sohn gesandt. Er kommt. Er ist schon da
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Dritten Adventswoche (14.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Gerechtigkeit (Jes 45,5a.7-8.18.21b-25)
Taut, ihr Himmel, von oben, / ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, / sie lasse Gerechtigkeit sprießen. / Ich, der HERR, erschaffe es. (Jes 45,8)
Gerechtigkeit ist eines der großen und zentralen Themen der alttestamentlichen Prophetenbücher. Und angesichts von so viel Leid und Ungerechtigkeit, die wir in der aktuellen Weltlage jeden Tag aufs Neue sehen und zum Teil auch am eigenen Leib erfahren, sind uns die Bilder des Propheten Jesaja leicht zugänglich. Vor allem angesichts der Klimakrise mit den Dürren und Überschwemmungen, die am meisten diejenigen treffen, die zum Klimawandel selbst am wenigsten beigetragen und verschuldet haben, gehen uns die der Natur entlehnten Metaphern besonders nahe: Gerechtigkeit als Regen, der die Erde sanft benetzt und das Heil, das wie ein zarter, verletzlicher Keim einer Pflanze aus dem Erdreich sprießt. Was kann ich persönlich dazu beitragen, dass in dieser Welt das Reich Gottes anbrechen kann und sei es nur in ganz kleinen, einfachen Schritten? Wo wünsche ich mir am meisten, dass etwas Verkrustetes in mir und meiner Seele aufbrechen möge?
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Hochfest der hl. Odilia (13.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Licht (Lk 11,33-36)
Wenn dein Auge gesund ist, dann ist dein ganzer Leib hell. Wenn es aber krank ist, dann ist auch dein Leib finster. (Lk 11,34)
Die hl. Odilia, deren Festtag wir heute als Missionsbenediktiner von St. Ottilien begehen, konnte diesen Satz aus dem Lukasevangelium wohl existentiell nachvollziehen. Denn sie ist blind geboren und hat der Legende nach bei ihrer Taufe das Augenlicht empfangen, hat also am eigenen Leib die Erfahrung von Licht und Dunkelheit gemacht. In übertragenem Sinn kann man sagen, dass Christus ihr zum Licht geworden ist.
Der Advent spielt mit der Symbolik von Licht und Dunkelheit. Woche für Woche wird das Licht des Adventskranzes heller. Diese Zeit lädt uns ein, immer mehr zum Licht aufzubrechen, das, was in uns dunkel ist, von Christi Licht erleuchten zu lassen – ein Licht, das nicht unbarmherzig blendend ist, sondern sanft wie eine Kerzenflamme in der Nacht.
Der heutige Festtag der hl. Odilia ist auch das Patronatsfest unserer Kongregation von St. Ottilien. Unser Auftrag ist es, den Menschen Christi Licht zu bringen – und dabei die Menschen nicht zu blenden, sondern Schritt für Schritt sie hinzuführen zu jenem milden Licht, auf das wir in diesem Advent zugehen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Dritten Adventswoche (12.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Segen (Num 24,2-7.15-17a)
Der Seher Bileam, er sieht als Zeichen des kommenden Messias einen Stern aufgehen. Vielleicht können uns die vielen Sterne, die wir in diesen Tagen als Adventsschmuck sehen, daran erinnern, dass es auch in meinem Leben, in unserer Welt etwas gibt und geben wird, das uns rettet. Wovon, woraus muss ich gerettet werden? Die Antworten darauf werden vielfältig sein, ganz persönlich… Alles darf ich diesem Gott, der mir an Weihnachten nahe kommen will, sagen. Und was sagt er mir? Er sagt mir ein gutes Wort (Segen = bene-dicere = etwas Gutes sagen). Ganz persönlich – nur für mich! „Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dritten Adventssonntag (11.12.2022)
ImpulsAufbrechen im Warten (Mt 11,2-11)
Es gibt eine Freude, die noch nicht hat, die noch nicht selber halten muss. Noch bleibt ihr die Geste des Klammerns oder des Festhaltens erspart, denn die Hände sind noch leer. Noch muss sie sich nicht anstrengen und nichts trübt sie, nicht einmal die Angst des Verlustes, denn die Vor-Freude ist arm und deshalb noch lauter und demütig. Das bedeutet für sie keine Anstrengung. Wohl muss sie sich mit dem Warten anfreunden, mit der Geduld und der Ausdauer, und auch die Ungewissheit ist ihr sicher verwandt. Angetrieben von der Sehnsucht des Herzens ist sie eine Lebenskraft aus dem Inneren des Menschen. Aufbrechen im Warten, wie der Sonnenaufgang am Morgen.
Vorfreude strahlt nicht, ist in diesem Sinn nichts Öffentliches. Auch vom Triumph lässt sie sich nicht verleiten. Sondern sie kann sich im Schatten der Dunkelheit, in den Gemächern der Türme und Visionen das Haus bauen. Vor-Freude ist eine adventliche Stimmung. Sie ist innerlich, aber doch auf etwas von außen her aufgerichtet. In der Hoffnung auf das Kommende ist sie selber Zu-Kunft. Das gibt ihr Halt und eine gewisse Wirklichkeit. Und dennoch ist die Vorfreude nicht im Gestus des Habens, in der Gebärde des Verteidigens zuhause, sondern sie bewahrt etwas von der empfangenden Offenheit, von Hoffnung, Glaube und von der treibenden Kraft der Liebe. Aufbrechen im Warten, wie der Same dem Licht entgegen.
Der Gott, der sich nach der Heimkehr seines Menschen sehnt, er ist ein Gott der Vorfreude. Seine Verheißungen sind darin Zu-Kunft, dass er zart auf uns zukommt. Und manchmal bereitet er uns den Weg und macht unsere Herzensstraßen eben, denn Empfangen ist keineswegs Ruhen, es ist ein Tun, im Grunde tätig und beweglich.
„Geht und berichtet…, was ihr hört und seht:
Blinde sehen wieder und Lahme gehen;
Aussätzige werden rein und Taube hören;
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Mt 11,4b-5)
P. Abraham Fischer OSB
Impuls am Samstag der Zweiten Adventswoche (10.12.2022)
ImpulsAufbrechen mit Elija (Sir 48,1-4.9-11)
In Jesus Sirach wird das Wirken des Elija mit dem Volk Israel erzählt. Eine für mich wichtige Schlüsselszene wird später in Sir 48,14 -15 beschrieben: „In seinem Leben hat er Wunder getan und im Tod waren seine Werke erstaunlich. Bei alledem bekehrte sich das Volk nicht und sie ließen nicht ab von ihren Sünden.“
Große adventliche Gestalten treten in der Geschichte Israels immer wieder auf. Und ich denke dann so oft: Warum hören die Menschen nicht auf die Propheten, sondern gehen ihren gewohnten Weg weiter?
Gewöhnung und Aufbruch stehen sich hier gegenüber. Lasse ich mich aufstören? Lasse ich mich auf Veränderungen ein? Oder möchte ich lieber im Gewohnten bleiben, auch wenn ich weiß, dass es mir nicht gut tut. „Nehmt Neuland unter den Pflug.“ Das bedeutet, dass die neuen Pfade anstrengend sind. Es gibt noch keine vorgefertigten Pfade. Aufbruch verändert aber auch meine Wahrnehmung. Ich sehe plötzlich Dinge, die ich vorher nicht wahrgenommen habe. Da entdecke ich im Mitbruder überraschenderweise plötzlich sympathische Züge. Da spüre ich im Sonnenuntergang die unendliche Weite der Schöpfung Gottes. Da erkenne ich im Kind das Staunen Gottes über seine Schöpfung.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Freitag der Zweiten Adventswoche (9.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Glück (Jes 48,17-19)
Was ist Glück?
Regalmeterweise gibt es Anleitungen zum Glücklichsein.
Manche Menschen scheinen das Glück gepachtet zu haben.
Andere sehnen sich so sehr danach …
Doch was ist Glück?
„Glück“ stammt vom mittelhochdeutschen „Gelücke“ – und meint: etwas gelingt, etwas geht gut aus.
Man kann Glück haben – ob beim Lotto oder in der Liebe.
Und man kann Glück empfinden – ganz persönlich, tief im Innern, vielleicht sogar da, wo andere es gar nicht vermuten.
Ist Glück auch Geschenk? Frei übersetzt heißt es bei Jesus Sirach: „Am Glück des Tages, das dir zusteht, geh nicht achtlos vorbei!“ (vgl. Sir 14,14)
Das Glück, den fröhlichen Tag, die Lust, wie sie verschiedene Bibelübersetzungen deuten – Geschenk an mich! Und meine „Sünde“ ist, achtlos daran vorüber gehen.
Tun wir das nicht viel zu oft?
Geht das „Glück des Tages“ nicht viel zu oft unter in der Betriebsamkeit, den Sorgen, den vielen Gedanken und Ablenkungen?
Vielleicht ist es ja eine gute Übung für den Advent: entdecke das Glück, die Lust, das Frohe des Tages in deinem Alltag. Lass dich beschenken, geh nicht achtlos daran vorbei.
Unser heutiger Bibeltext bringt ausdrücklich Gott ins Spiel: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich lehrt, was Nutzen bringt, und der dich auf den Weg führt, den du gehen sollst.“ (Jes 48,17)
Hören auf Gott – gerade im Lauten und Trubeligen auch der Adventszeit. Hören, was ER mir sagt – in mein Leben hinein. Hören, um meinen Weg zu finden. Mit IHM.
„Das Glück ist im Grunde nichts anderes als der mutige Wille, zu leben, indem man die Bedingungen des Lebens annimmt.“ (Maurice Barrès)
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Hochfest der Erwählung Mariens (8.12.2022)
ImpulsAufbrechen mit Maria – Lk 1,28-38 (Erwählung Mariens)
Wir brechen mit Maria auf.
Wir ziehen mit ihr los ins Ungewisse, ins Ungeschützte.
Was wusste sie denn schon, was auf sie zukommen würde, als sie ja sagte.
Das machte sie sprachlos.
Mein Gott noch mal, Du willst bei mir, bei uns sein – das ist unvorstellbar.
Wie soll das denn gehen?
Ist das nicht eine Zumutung?
Wir bauen wie sie auf den, der uns rief
auf die Zusicherung, dass Gott unwiderruflich zu uns hält,
wenn sein Sohn in uns empfangen wird, in uns wächst, geboren wird
in unser Leben eintritt und teilnehmen lässt an seiner Weite.
Seine Wahl fiel auf jeden von uns.
Wir sagen mit Maria Ja
zu seinem Ruf, uns auf den Weg zu machen
im Einsatz für die geschundene Schöpfung
im Kampf gegen Hass und Gewalt.
Sie ist unsere Gefährtin,
sie inspiriert uns, in allem demütig zu bleiben,
von uns selbst abzusehen und uns nicht so wichtig zu nehmen,
was auch immer kommen mag – que sera, sera… whatever will be, will be…
Sie braucht sich nicht zu fürchten.
Wir ziehen mit Maria los.
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Adventswoche (7.12.2022)
ImpulsHoffungs.Flug (Jes 40,25-31)
Der Prophet Jesaja schreibt: „Die aber auf den HERRN hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.“
Das Bild des Adlers ist nicht nur ein Bild des majestätischen Schwebens. Des Adlers Schwingen sind kraftvoll. Seine Schwingen wachsen ihm. Immer wieder neu. In der Zeit der Mauser verliert er seine Federn, die dann durch neue ersetzt werden. Feder für Feder. Das Besondere ist: Der Adler kann dennoch fliegen in diesen Zeiten der Veränderung an seinem Federkleid. Und im Flug wirkt er kraftvoll und königlich. Seine Kraft zum Fliegen, oder schöner ausgedrückt zum Schweben, reicht immer. Stark beflügelt! Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Prophet Jesaja das Bild des Adlers verwendet, denn Gott verleiht dem Adler feste Flügel, die ihn immer tragen. Wir können durch diese Worte des Propheten lernen, dass wir uns für unser Leben beflügeln lassen dürfen. Das Bild des Adlers will uns Hoffnung schenken.
Es gibt Zeiten in unserem Leben, da fühlen wir uns stark und sicher. Wir sind regelrecht beflügelt! Es gibt aber auch Zeiten, in denen wir uns gar nicht stark fühlen, wenn beispielsweise in unserem Leben etwas im Umbruch ist. Zeiten der Veränderung. In solchen Zeiten werden wir oft innerlich still. Vielleicht leuchtet in unserem Herzen die Hoffnung auf, dass Gott uns gerade dann Kraft und Antrieb schenkt und uns neue Flügel verleiht. Flügel, die mehr als Reservekanister sind, sondern die uns tragen und Freiheit schenken. Flügel, die uns auf dem Wind von Gottes Geist gleiten lassen. Gott schenkt uns Flügel der Hoffnung auf das Leben. Er möchte uns nicht schwach oder müde oder mutlos oder ausgebrannt und leer sehen. Manchmal schenkt er uns die Kraft ganz schnell, in dem Augenblick, in dem wir sie brauchen. Gott verändert uns, wenn wir in einer Haltung leben, in der wir auf ihn schauen. Wenn wir ihm vertrauen und auf ihn hoffen. Manchmal brauchen wir dafür viel Geduld und eine Wartezeit. Der Advent ist eine Zeit des Wartens und des Hoffens. Es lohnt sich in dieser Zeit innerlich zu werden und zu warten, dass die Flügel, die mir geschenkt werden, wachsen und stark werden. Dann kann ich an Weihnachten durch die Kraft des Kindes in der Krippe meine Schwingen ausbreiten und mich beflügelt durch Christus ins Leben aus meinen Dunkelheiten emporheben in das Licht Gottes. Ein Hoffungs.Flug der ewigen Liebe.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Adventswoche – Hl. Nikolaus (6.12.2022)
ImpulsAufbrechen zum Trösten (Jes 40,1-11)
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.
Eine Stimme sagt: Rufe! Und jemand sagt: Was soll ich rufen?
Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Siehe, da ist euer Gott.
Ein paar Verse aus dem Text, der am heutigen Tag zum „Aufbrechen zum Trösten“ steht (Jes 40,1-11). In der Einheitsübersetzung ist er überschrieben mit „Trostaufruf und Gottes königliches Kommen“. Trost dann, wenn Gott kommt – wenn Jesus „in Herrlichkeit“ wiederkommt?
„Des Herrn tröstendes Wort für sein Volk“ überschreibt die BasisBibel. Es ist das tröstende Wort Gottes durch den Propheten Jesaja an sein Volk, das im Exil lebt und daraus zurück kommen soll. Aber es kann auch Gottes tröstendes Wort an uns, sein Volk von heute sein.
Seid getröstet – in all eurem Leid,
in all den Katastrophen dieser Zeit,
in Krieg und Pandemie und Klimawandel.
Seid getröstet, weil ich bei euch bin.
Macht euch auf den Weg zu mir,
lasst neu wachsen, was verdorrt ist – auch in euch,
lasst meinen Atem in euch hinein.
Ihr dürft euch wieder freuen
– ich nehme euch in meine Arme.
Zu schön, um wahr zu sein?
Vermutlich schon, wenn nicht ein Wunder geschieht.
Oder doch auch tiefe Realität,
weil sie auch an uns hängt?
GLAUBE KANN BERGE VERSETZEN.
ABER RECHNE DAMIT,
DASS GOTT DIR EINE SCHAUFEL REICHT.
(www.barfuss-und-wild.de)
Vielleicht ist uns der hl. Nikolaus heute ein Vorbild.
Er hat angepackt, wo Not war.
Er hat in tatkräftigem Tun und im Gebet für Trost und Hilfe gesorgt.
Wir können es ihm gleichtun – nicht nur beim Füllen von Stiefeln und Tellern … 😉
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Montag der Zweiten Adventswoche (5.12.2022)
ImpulsAufbrechen in der Wüste (Jes 35,1-10)
Die Wüste soll jubeln…
Im 35. Kapitel des Buches Jesaja schildert der Prophet, dass sich die Wüste beim Kommen Gottes in ein fruchtbares und blühendes Land verwandeln wird. „Seht, euer Gott“ – die Wüste steht für ein Gebiet, das Gott noch nicht besucht hat, aber jetzt kommt Gott selbst in dieses Wüstenland.
Der Mensch ist blind, taub, lahm und stumm, wenn er noch nicht von Gott heimgesucht wird.
Da aber Gott zum Menschen und seiner Leblosigkeit kommt, wird der Mensch nun sehend, hörend, springend und sprechend. Gott ist der Grund der Veränderung und Verwandlung all unserer Starre und Verschlossenheit. Gott selbst wird Mensch, darauf bereiten wir uns im Advent vor, und er will somit unser Menschsein zur Freiheit und Lebendigkeit hin öffnen.
Was möchte im Advent 2022 neu in mir lebendig werden? Wie sollte meine verdorrte Seelenwüste neu zum neuen Leben hin aufgebrochen werden?
Dazu lade ich uns ein, dieses zu bedenken, denn Gottes Freude ist der lebendige Mensch.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Zweiten Adventssonntag (4.12.2022)
ImpulsAufbrechen zur Umkehr (Mt 3,1-12)
Als Kind fand ich die Gestalt des Johannes furchteinflößend. Was für eine Strenge, ja eine fast spürbare Unbarmherzigkeit! Eine asketische Gestalt, mit der ich, der ich mich als Kind und auch heute immer mal wieder verfehlte, schlecht zurechtkam.
Heute weiß ich, dass diese Strenge eine Reaktion auf die Veräußerlichung des Glaubens bei ihren damaligen Hauptvertretern ist. Dafür stehen die Pharisäer und die Sadduzäer. Veräußerlichung meint für mich, dass ich nicht zum Kern der Botschaft Gottes vordringe. Die Botschaft Gottes, die sagt, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Ein Geschöpf, das, wenn es sich nicht aus eigener Kraft helfen kann, eben aus der Würde der Gottesebenbildlichkeit die Unterstützung bekommt, die es braucht. Die Witwen und Waisen stehen dafür. Wenn Johannes uns auffordert, dass wir die Wege heben und gerade gestalten sollen, dann sind damit nicht die römischen Vermessungstechniker der Moral gemeint. Gemeint ist, dass wir den Weg bereiten für den Messias, der uns das Reich Gottes verkünden wird. Und der das Lamm Gottes ist, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Askese im Sinne des Johannes meint dann, der Liebe zu den Menschen immer mehr Raum zu geben, seien sie nun Fremde oder Freunde.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Samstag der Ersten Adventswoche – Hl. Franz Xaver (3.12.2022)
ImpulsAufbrechen zu allen Völkern (Mk 16,15-20)
Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! (Mk 16,15)
Die Kirche gedenkt heute des hl. Franz Xaver. Er war einer der ersten Jesuiten, der noch Ignatius von Loyola gekannt hat. Als Missionar der christlichen Botschaft wirkte er unermüdlich in Indien und Japan, hat also den Missionsauftrag Jesu, zu allen Völkern zu gehen und ihnen das Evangelium zu verkünden, wörtlich genommen. Bei dem Versuch, das Evangelium auch nach China zu bringen, starb er 1552.
In einem Brief an Ignatius schreibt Franz Xaver einmal: „Ich werde Ihnen niemals beschreiben können, was ich den Japanern verdanke; denn unser Herr gab mir um ihretwillen eine tiefe Einsicht in die Abgründe meines Innern.“ Das erinnert an einen Satz von Papst Paul VI. aus dem Schreiben „Evangelii nuntiandi“ von 1975, dass der Evangelisierung der Menschen in fremden Völkern die Selbstevangelisierung des Missionars vorausgehe. Dass ich also meine eigene Bedürftigkeit, meine Erlösungsbedürftigkeit kennen muss, bevor ich versuche, die Botschaft der Erlösung anderen zu verkünden. Das bewahrt mich vor einem Überheblichkeitsdenken, wie es leider oft in der Missionsgeschichte vorhanden war.
Die Erfahrung des hl. Franz Xaver spiegelt meine eigene Erfahrung wider, wenn ich als Missionsprokurator unsere Brüder in den jungen Kirchen besuche. An dem, was mir zunächst fremd erscheint, erkenne ich mein Eigenes. So verdanke ich gerade den Menschen in Afrika und Asien viel, ich bin zunächst ein Lernender und Hörender, bevor ich beginne, selbst die Botschaft von Gottes Liebe zu verkünden.
An dem, was mir fremd erscheint, erkenne ich mich selbst besser. Ich lade ein, in diesem Advent einmal darauf zu achten, was mir fremd, vielleicht sogar abstoßend erscheint. Und was mir Gott vielleicht gerade dadurch sagen möchte.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Freitag der Ersten Adventswoche (2.12.2022)
ImpulsAdvents.Hoffnung (Jes 29,17-24)
Alles wird besser, aber doch nicht mehr gut, oder? Der Prophet Jesaja spricht in eine hoffnungslose Zeit hinein. Seine Landsleute, die Israeliten, leiden unter schlimmen Zuständen: Tyrannei, Krieg, Unterdrückung, Unrecht, Not. Das gibt es auch heute noch in so vielen Gegenden dieser Welt: der Krieg in der Ukraine, die Situation im Iran, die Klimakatastrophe, die Energiekrise, Hungersnöte, Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit, Unterdrückung wegen der sexuellen Orientierung, … Und alle, die leiden unter den Tyrannen und Spöttern, unter dem Unheil und dem Unrecht, die hoffen darauf, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, dass die Tyrannen und Spötter ihre Macht verlieren und dass heilvolle und gerechte Verhältnisse einkehren. Bessere Zeiten eben.
In der Natur sieht es nicht anders aus. Grau, grau, grau – der ganze Spätherbst ist grau. Die Tage sind kurz, die Nächte lang. Kälte und Nebel und Nieselregen. Die Grünkraft wirkt fade. Wo ist die Sonne? Die Sonne ist hinter den Wolken und ihre Strahlen scheinen, wenn auch nicht hell und sonnig gelb, durch die grauen Winterwolken. Das Licht ist da. Das schenkt im Herzen Hoffnung auf schönere Zeiten.
Diese Hoffnung auf bessere Zeiten gibt Lebenskraft, denn Hoffnung vermag Menschen eine unglaubliche Energie zu verleihen. Wenn einer keine Hoffnung mehr hat, dann gibt er sich auf und sagt sich innerlich in seinem Herzen: „Es wird ja doch nicht mehr besser.“
Der Prophet Jesaja sieht die Lage anders: „Es wird alles besser werden. Es wird alles gut werden.“ Das ist für ihn eine Botschaft, die von Gott selber kommt. Es ist Gott selber, der die Dinge in die Hand nehmen wird. Den Libanon lässt er fruchtbar werden. Und Wälder sollen wachsen. Die Tauben hören die Worte des Buches Gottes. Die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen. Und die Traurigen und Unterdrückten werden wieder Freude haben. Ja, Gott selber zeigt sich dem Propheten Jesaja als Grund der Hoffnung. Gott selber zeigt sich uns an Weihnachten in Jesus Christus als Grund der ewigen Hoffnung. Der Advent ist nicht nur eine Zeit des Wartens, sondern auch eine Zeit der Hoffnung. Die vielen Kerzenlichter, die den dunklen Winter erhellen, leuchten für die Hoffnung. Entzünden wir in den Tagen des Advents Lichter der Hoffnung, die für alle Menschen dieser Welt leuchten!
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Donnerstag der Ersten Adventswoche (1.12.2022)
ImpulsKaum zu glauben
Jes 26,1-6
aufbrechen – ausziehen – alles hinter sich lassen
das ist das hoch angestimmte Lied der Spirituellen
sie singen es – und bleiben doch zu Hause
da ist es sicher
da weiß man, was man hat
der mehrstimmige Song tönt optimistisch
und verklingt wieder
machen wir erst mal weiter so wie gewohnt
doch die Unruhe bleibt
weil eine Stimme spricht
wir haben eine feste Stadt
du gewährst festem Sinn Frieden
wir haben sie schon einmal gehört
sie kommt ins Ohr zurück
wir summen sie leise mit
aber wir bleiben hier
geht doch nicht anders
da, die Stimme kommt näher
die Hoffnung wächst
sie erreicht uns hier
wenn wir uns
so schwerhörig wir auch sind
ihr entgegenstrecken
sie bricht uns auf
wie lange halten wir das noch aus
P. Johannes Sauerwald OSB
Impuls am Mittwoch der 1. Adventswoche – Fest des Hl. Andreas (30.11.2022)
ImpulsAufbrechen auf den Ruf Jesu hin (Mt 4,18-22) – Fest des hl. Andreas
„Kommt her, mir nach!“
So ruft es Jesus am See von Galiläa Simon Petrus und Andreas zu. Sofort lassen die beiden die Netze liegen und folgen Jesus. Aus den Fischern werden Menschenfischer.
Wir sind in der ersten Woche des Advents, und auch uns allen gilt in diesem Advent 2022 der Ruf Jesu: „Mir nach!“ Adventlich bedenken wir, dass Gottes grenzenlose Liebe uns entgegenkommt. Diese Liebe will im Menschensohn Jesus Christus konkret werden. Auch wir sind eingeladen, den Ruf Gottes neu zu hören: „Du, Menschenkind, folge mir nach“. Gott ruft Menschen in seine Gefolgschaft. Am Beispiel Jesu lernen die Jünger, was es existentiell bedeutet, diese Liebe zu leben und sie den Menschen erfahrbar zu machen. Die große adventliche Verheißung zu leben, hieße dann:
Ich höre den Ruf Gottes neu; Gott braucht mich.
Gottes Liebe gilt mir, indem Gott mir nahe kommt, da er selbst Mensch wird.
Ich verleihe meinem Leben eine tiefe Sinnperspektive, wenn ich diese Liebe bezeuge in all meinem Sein – hörend, glaubend und ablesbar in meinem Handeln.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Dienstag der Ersten Adventswoche (29.11.2022)
ImpulsAufbrechen zur neuen Schöpfung (Jes 11,1-10)
Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. (Jes 11,6-8)
Die Schöpfung ist bedroht. So kann es nicht weitergehen, wie es lange weitergegangen ist. Das werden wohl nur die uneinsichtigsten Leugner:innen des Klimawandels bestreiten. Wie drängend die Situation ist, das zeigen uns die spektakulären Aktionen der Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“. Auch wenn man über den Sinn so mancher Aktion sicherlich diskutieren mag, wird für mich hier ein Aufschrei der jungen Generation deutlich, die ja unmittelbar von den Folgen unseres Lebensstils betroffen ist. Es ist drängend. Es muss etwas getan werden, wenn es auch in dreißig Jahren noch weitergehen soll. Mir scheint, dass der Ruf nach drastischen Strafen und Präventivhaft, der aus einigen Ecken lautstark erschallt, oft nur ablenken soll vom eigenen Versagen.
Mitten hinein in diese so bedrängende Situation wird uns heute die Vision einer neuen Schöpfung vor Augen gestellt, in der ein wahrhaft paradiesischer, Mensch und Tier umfassender Friede (Shalom) verheißen wird. Ist das nur eine billige Vertröstung für spätere Zeiten? Aber wie kann es diese späteren Zeiten geben, wenn wir alles dafür tun, diese Zeit und Welt hier und heute auszulöschen?
„Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem heiligen Berg“ (Jes 11,9), so heißt es weiter. Es liegt an uns, an jedem einzelnen, mit der Vision einer neuen Schöpfung anzufangen. Es liegt an uns, auf den so drängenden Protestruf der „Letzten Generation“ nicht mit Strafen zu reagieren, sondern mit dem Überdenken – und vielleicht Ändern – des eigenen Lebensstils. Shalom ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Keiner kann sich dieser Aufgabe entziehen. So kann uns die adventliche Vision des Propheten zur Herausforderung werden, zu dieser neuen Schöpfung aufzubrechen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der 1. Adventswoche (28.11.2022)
ImpulsAufbrechen zum Gericht
An jenem Tag wird der Spross des HERRN zur Zierde und zur Herrlichkeit sein und die Frucht des Landes zum Stolz und zum Schmuck für die Entronnenen Israels.
Dann wird der Rest in Zion, und wer in Jerusalem noch übrig ist, heilig genannt werden, jeder, der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem.
Wenn der Herr den Kot der Töchter Zions abgewaschen und die Bluttaten Jerusalems aus ihrer Mitte durch den Sturm des Gerichts und den Sturm der Verwüstung weggespült hat,
dann erschafft der HERR über der ganzen Stätte des Berges Zion und über ihren Versammlungen eine Wolke bei Tag und Rauch und eine strahlende Feuerflamme bei Nacht. Denn über der ganzen Herrlichkeit ist eine Decke.
Und eine Hütte wird bei Tag Schatten spenden vor der Hitze und sie dient als Zuflucht und Versteck vor Unwetter und Regen. (Jes 4,2-6)
Beim Lesen dieser Verse aus dem Buch Jesaja habe ich in diesem Advent direkt konkrete Bilder aus den Nachrichten im Kopf, wenn ich die Worte „Bluttaten“ und „Verwüstung“ höre: Bilder des Krieges in der Ukraine, die uns seit März begleiten und die uns täglich bewusst machen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir in einem sicheren Land in Frieden leben können. Es ist eigenartig: prophetische Worte gerichtet an das Volk Israel, das über Jahrhunderte hinweg von den Assyrern und Babyloniern drangsaliert, bedroht und sogar ins Exil verschleppt wurde, kommen uns in diesem Advent ganz nahe und sind auf traurige Weise aktuell. Nahe kommt uns in diesen Worten aber auch die tiefe Sehnsucht und die Hoffnung auf Frieden, die sich mit der erwarteten Geburt des Messias verbindet: Israel setzt seine Hoffnung auf den Spross des Herrn, den Jesaja „Fürst des Friedens“ nennt (Jes 9,5). Der Advent in diesem Jahr ist anders…stiller, nachdenklicher und die Ängste und Sorgen über die Zukunft lassen sich nicht so leicht durch vorweihnachtlichen Konsum- und Lichterglanz ausblenden und überstrahlen. Mitten in diese leicht eingetrübte und gedämpfte Stimmung hinein leuchtet aber auch in diesem Jahr die kleine Kerzenflamme der ersten Adventskerze. Sie leuchtet gerade in diesem Advent als Zeichen unserer Hoffnung, dass Friede werden möge…
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Ersten Adventssonntag (27.11.2022)
ImpulsBereit sein zum Aufbruch (Mt 24,29-44)
Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Mt 24,44)
Das lange Evangelium an diesem ersten Adventssonntag spricht von einer Ankunft und von den Dingen, die unmittelbar vor dieser Ankunft geschehen. Es klingt in vielem düster, dunkel, apokalyptisch. Es richtet den Blick auf das Ende, auf den Zeitpunkt, „an dem der Menschensohn kommt“. Es wird eine Stunde sein, „in der ihr es nicht erwartet“. Da ist wenig von adventlicher Idylle zu spüren, von Glühweinduft und Zimtsternen.
Diese Ankunft, auf die wir uns in diesen adventlichen Tagen vorbereiten, hat mit einem Aufbruch unsererseits zu tun. Warten bedeutet nicht, die Hände in den Schoß zu legen und die Dinge einfach geschehen zu lassen – nach dem Motto „Wir können ja eh nichts ändern“.
Wir müssen bereit sein, bereit sein zum Aufbruch, bereit sein, alte, gewohnte Wege zu verlassen, uns auf-brechen zu lassen für Neues, manches Mal auch Überraschendes, „denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“.
So verstanden, kann der Advent zu einer Zeit der Überraschungen werden, zu einer Zeit, in der ich mich neu überraschen lasse von dem, was Gott mit mir vorhat.
Lassen wir uns in dieser Zeit neu von Gott überraschen!
P. Maurus Runge OSB
Fasten.Impulse
ImpulsDie diesjährigen Fasten.Impulse finden Sie auf unserer Jugendhomepage.
Impuls am Fest der Taufe des Herrn (9.1.2022)
ImpulsSingt dem HERRN ein neues Lied!
Singt dem HERRN, alle Länder der Erde!
Singt dem HERRN, preist seinen Namen!
(Ps 96,1)
Es ist ein einziger Lobgesang auf Gott, der Psalm 96. „Ein neues Lied für den König der Welt“ ist sein Titel nach der BasisBibel. Gott gebührt alle Herrlichkeit und Ehre, alles Lob und alle Anbetung. Denn durch ihn ist die Erde fest gegründet, er richtet nach Recht und Gerechtigkeit, alle sollen sich freuen über ihn.
Ist es nicht das, wonach wir uns gerade im Moment alle sehnen?
Endlich wieder Freude und Lobgesang,
endlich wieder ein gerechtes Zusammensein,
endlich wieder Verlässlichkeit und Freiheit. Liebe.
Ich bleibe an einem Halbvers hängen:
„Verkündet seine Hilfe von Tag zu Tag!“ (96,2 BasisBibel)
Seine Hilfe?
Spüre ich sie denn – geschweige denn Tag für Tag?
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!“ heißt es in der Einheitsübersetzung.
Die „Volxbibel“ wird direkter:
„Jeder soll es checken, jeder soll singen,
überall sollen Lieder für Gott erklingen.
Erzählt den Leuten dass er liebt und nicht disst,
lasst die Story raus, wie krass unser Gott denn überhaupt ist!
Erzählt die Wunder, die nur jemand bringen kann wie er,
weil die, die ihn nicht kennen, brauchen ihn schwer!“
Wo erlebe ich die Hilfe, die Gott ist,
wo erlebe ich die kleinen Wunder in meinem Alltag,
wo erlebe ich, dass etwas gut – heil – wird?!
„Du bist mein geliebter Sohn!“
– die Zusage an Jesus im Evangelium des heutigen Sonntags ist uns allen in der Taufe gegeben: „Du, meine geliebte Tochter, du, mein geliebter Sohn!“
Wenn ich das in meinem Leben spüre:
sage ich es weiter?!
P. Guido Hügen OSB
Impuls am Samstag nach Epiphanie (8.1.2022)
ImpulsDenn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh 3,16 – ganzer Text: Joh 3,1-21)
Besonders in den alten und klassischen Kirchenliedern zur Passionszeit begegnet sie uns: die Vorstellung, dass Jesus am Kreuz sterben musste, um unsere Schuld wieder gut zu machen. „Ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast“ heißt es da beispielsweise in dem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ und manche haben solche Passagen derart verinnerlicht, dass sie mit einem schweren Rucksack von religiös begründeten und häufig irrationalen Schuldgefühlen durch das Leben gehen. Damit soll an dieser Stelle nicht gesagt sein, dass Menschen nicht immer wieder Schuld auf sich laden und diese der Vergebung und Versöhnung untereinander bedarf. Aber musste Jesus sterben, um Gott mit seinem Tod eine angemessene Sühneleistung für die Sünde der verderbten Menschheit darzubringen?
Zumindest mit dem Johannesevangelium lässt sich dieses alte Deutungsmuster nicht aufrechterhalten. Der Tod Jesu am Kreuz ist die Konsequenz daraus, dass Jesus seine Botschaft bis zum Äußersten selbst lebt. So sehr liebt Gott diese Welt, dass er seinen Sohn in diese Welt sendet und diese Liebe wird im Sterben vollendet, weil die Botschaft der Gewaltlosigkeit und der unbedingten Liebe hier bis ins Letzte hinein gelebt wird. Es geht bei diesem Sterben am Kreuz dann eben nicht darum, eine beleidigte Gottheit mit einer entsprechenden Sühneleistung zu versöhnen. Und die Rechtfertigung des sündigen Menschen und seine Erlösung geschehen durch seinen Glauben daran: Der Glaube ist das „Von-oben-Geboren-werden“, von dem Jesus in seinem nächtlichen Gespräch mit Nikodemus spricht.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Freitag nach Epiphanie (7.1.2022)
ImpulsUnd das Passafest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus! Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht: »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.« Da antworteten nun die Juden und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte. Als er aber in Jerusalem war beim Passafest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war. (Joh 2,13-25)
„Macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!“
So übersetzt Martin Luther diesen Satz aus der Perikope der Tempelreinigung.
Nicht alles in dieser Welt lässt sich mit der Logik des Kaufens und Verkaufens verstehen.
Es gibt Bereiche, die entziehen sich der Logik des Marktes.
Der Markt regelt eben nicht alles.
Der Tempel ist Haus Gottes, kein Kaufhaus.
Gott lässt sich nicht kaufen wie eine beliebige Ware.
Um die Gnade Gottes kann ich nicht feilschen.
Die Liebe Gottes ist umsonst.
Gott schenkt mir seine Liebe – umsonst.
Er wird für mich Mensch – gratis.
Ich muss mir zum Glück nicht alles selbst verdienen.
Ich darf mir seine Liebe schenken lassen.
Die Tempelreinigung steht ganz am Anfang des Weges Jesu im Johannesevangelium.
Gleich zu Beginn setzt Jesus einen Kontrapunkt zur gängigen Kaufhausmentalität.
Was für ein Frei-Raum, der uns da geschenkt wird!
P. Maurus Runge OSB
Impuls an Epiphanie (6.1.2022)
ImpulsDie Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12)
Jesu öffentliches Auftreten beginnt mit einem ersten Zeichen, indem er auf einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelt.
In der Bildsprache der heiligen Schrift steht das Bild einer Hochzeit für die „Vermählung“ Gottes mit jedem Menschen. So heißt es schon beim Propheten Jesaja: „Ja, wie der Jüngling sich vermählt mit der Jungfrau, so vermählt sich mit dir dein Erbauer; wie der Bräutigam sich freut an der Braut, so freut sich an dir dein Gott“ (Jes 62,5). In der Menschwerdung Gottes bildet Gott eine unzerstörbare Verbindung, ja eine Beziehungsqualität zwischen sich und dem Menschen. Wir Menschen sind mit Gott bis in Ewigkeit hin mit IHM Verbundene.
Der Wein steht als Bildwort für die grenzenlose Fülle, die Gott schenkt. In der Geburt des Jesuskindes macht sich Gott uns zum Geschenk. Seit der Geburt dieses göttlichen Kindes bricht eine neue Zeit der „Fülle“ an. Nun leben wir als mit Gott Vermählte und als Beschenkte, wobei uns Gott mit seiner Fülle der Liebe und Zärtlichkeit überschüttet.
Heute feiern wir das Fest der Epiphanie. Die drei Magier, die dem Stern folgten, knien vor dem göttlichen Kind nieder und beschenken es; sie beten es an.
Die drei Magier dürfen uns besonders heute Vorbilder sein, unserer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, dass wir mit Gott in einer ewigen Beziehung stehen. Gott erscheint, und eine neue Zeit des Heils bricht an. Unsere Antwort darauf: Beten wir das göttliche Kind an.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Zweiten Weihnachtswoche (5.1.2022)
ImpulsAm nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels. Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach! Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und des Petrus. Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh! Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen. Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das. (Joh 1,35-51)
Vor kurzem zeigte der Sender Arte den Dreiteiler „Das Seil“.
In der Serie geht es um ein Team von Wissenschaftlern in einer astronomischen Forschungsstation mitten im norwegischen Nirgendwo. Eines Tages entdeckt einer der Wissenschaftler im tiefen Wald ein Seil, das scheinbar kein Ende hat. Einige Forscher tun sich zusammen, und folgen dem Seil, um herauszufinden, was es damit auf sich hat. Und es beginnt für sie eine abenteuerliche Reise. Dem Zuschauer wird bei dieser Geschichte schnell klar, dass es sich bei dem Seil um eine Metapher handelt, eine pessimistische Metapher für die Weltreligionen. Je länger die Forscher dem Seil folgen, desto mehr wollen sie zu seinem Ende kommen, und wissen, was dort auf sie wartet, sie werden davon immer mehr besessen. Das Seil wird zur Obsession, die alles bestimmt und verteidigt werden muss, und es folgen daraus Gewalt, Misstrauen und Tod. Der scheinbare Halt führt zur Haltlosigkeit.
Tatsächlich habe ich mich nach dem Sehen der Serie ein wenig gefragt, ob meine Momente der Berufung nicht auch eigentlich nur ein Seil waren, welches ich auf einmal im Wald gefunden habe. Eine Illusion in einer haltlosen Zeit. Wir alle haben Momente der Berufung erfahren, und erfahren sie immer wieder. Doch ist dieser Ruf nur eine Illusion, die uns scheinbar Halt in der Wahrheit verspricht? Ganz klar kann man das sicher nicht mit Ja oder Nein beantworten. Doch klar ist, dass der Ruf in uns etwas bewegt hat und wir uns auf den Weg gemacht haben. Und wenn ich die heutige Berufungsgeschichte lese, dann bewegt sie mich immer wieder auf neue.
Können Sie sich an einen der Momente ihrer Berufung erinnern?
Ich erinnere mich, dass mich eines Tages plötzlich die Stille gerufen hat. Ganz langsam ist sie in mein Leben getreten. Das war außergewöhnlich, denn als Kind hatte ich vor der Stille Angst, und als junger Mensch sucht man Trubel und Spaß.
Einmal hatte ich ein besonderes Erlebnis mit Stille.
Nach dem Tod meines Vaters bin ich viel gewandert. Mich hatte es getröstet, einfach zu laufen und die Natur zu erleben. Bei einer dieser Wanderungen an einem warmen Märztag ging ich einen Weg entlang und von einem Schritt auf den anderen war alles auf einmal vollkommen still. Es war, wie wenn ich in eine Blase aus Stille getreten wäre. Kein Vogelgesang, kein anderes Geräusch, nur mein Herzschlag war zu hören.
So plötzlich wie sie gekommen war, war sie auch schon wieder vorbei. Wie ein scheues Tier.
Dieser Moment war für mich kein gefundenes Seil, da war kein Halt, keine Erklärung der Welt, keine Angst, da war nur Weite und Freiheit.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Dienstag der Zweiten Weihnachtswoche (4.1.2022)
ImpulsAm nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser. Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. (Joh 1,29-34)
„Man zeigt nicht mit dem Finger auf andere.“ Das hat mir meine Mutter früher oft gesagt, wenn ich genau das getan habe – im Bus, in der Straßenbahn, beim Spazierengehen im Park. Johannes der Täufer macht genau das. Viele Bilder zeigen ihn mit ausgestrecktem Zeigefinger, wie er von sich weg auf Jesus deutet. „Siehe, das ist Gottes Lamm!“ – „Dieser ist Gottes Sohn.“ Nicht ich bin wichtig, sondern Jesus. Ihm will ich den Weg bereiten, auf ihn hinweisen, damit andere zu ihm kommen und ihn finden.
Der Unterschied zwischen Johannes und mir ist wohl, dass ich auf andere gezeigt habe und manchmal auch heute noch zeige, wenn mir etwas, meist etwas Unangenehmes, an ihnen aufgefallen ist. Ich zeige auf sie, um sie sozusagen bloßzustellen. Johannes will Jesus nicht in diesem negativem Sinn bloßstellen, er möchte, dass andere ihn erst entdecken, auf ihn aufmerksam werden, ihm folgen.
Auf andere zeigen, nicht um sie bloßzustellen, sondern um sie groß zu machen. Auf andere hinweisen in diesem Sinne, meint dann: Ich sehe dich, weil Gott dich sieht. Du bist es wert, dass auch andere dich sehen und das Gute, das durch dich ausgeht. Vielleicht sollten wir mehr in die Schule von Johannes dem Täufer gehen.
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Zweiten Weihnachtswoche (3.1.2022)
ImpulsUnd dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten aus Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin’s nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann?, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: »Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat. Und sie waren abgesandt von den Pharisäern, und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet? Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse. Dies geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte. (Joh 1,19-28)
Johannes wird von den Pharisäern gefragt, wer er ist oder wer er auch nicht ist. Er ist nicht Elija und er sagt von sich auch, dass er nicht der Messias ist. Johannes weiß um seine Rolle in der Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen.
Ich finde, dass es oft nicht einfach ist zu sagen, wer ich bin. Aber es ist für mich beruhigend zu wissen, was ich nicht sein muss. Ich muss nicht der Messias sein. Wie viele Menschen glauben, die Welt retten zu müssen, und überfordern sich damit. Ich muss auch kein großer Prophet sein und die Wahrheit in allem wissen. Trotzdem ermuntert uns diese Textstelle zu ergründen, was denn meine Existenz auf dieser Erde zu bewirken hat. Welche Rolle in der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen möchte ich einnehmen?
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Zweiten Sonntag nach Weihnachten (2.1.2022)
ImpulsMein Herz ist bereit – Impuls zu Psalm 57
Der Advent war eine Zeit des Wartens. Der Advent war eine stille Zeit. Eine Zeit, um ein offenes und bereites Herz gegenüber Gott zu entwickeln, damit er an Weihnachten durch unsere Herzens-Tür in uns Wohnung nehmen kann. Als König David diesen Psalm schrieb, wurde er vom König Saul verfolgt und versteckte sich mitten in der Wüste in einer Höhle. Am Anfang des Psalms schreit David sein Leid und seine Angst heraus. Manchmal tut es gut, die Ängste des Lebens einfach aus der Dunkelheit der Seele zu rufen. Im zweiten Teil des Psalmes kommt sein Herz in Gott zur Ruhe. Mitten in der Wüste erwartet David Gottes Herrlichkeit. Mitten in der Nacht schenkt uns Gott an Weihnachten seine Herrlichkeit. Mitten in der Nacht hören wir den Liebesruf Gottes. Zweimal bekennt David: Mein Herz ist bereit, wach auf, meine Seele. Zweimal singt er wiederholend diese Worte. Wenn wir etwas wiederholen, dann prägt sich das besser ein. Dann macht dies etwas mit unserem Herzen.
Ich weiß nicht, ob Sie heute etwas bedrängt. Geht es Ihnen gut? Sind Sie gut ins NEUE JAHR gekommen? Oder sind sie von Krankheit, Alter oder Not gezeichnet? Was quält Ihr Herz? Was lässt Sie nicht zur Ruhe kommen? In solchen Situationen werde ich persönlich oft ganz still und in meiner Stille neige ich meines Herzens Ohr und schweige. Ich bereite mein Herz. Ich öffne Gott mein Herz. Mein Herz ist bereit! Wach auf, meine Seele!
Für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen: Ich will ganz bewusst jeden Morgen mein Herz öffnen und Gott darin einladen. Das ist ein guter und wichtiger erster Schritt in einen gelingenden Tag mit Gott.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls an Neujahr (1.1.2022)
Impuls2Schön ist es, dem Herrn zu danken
und deinen Namen, du Höchster, zu preisen.
3Gerne verkünde ich am Morgen deine Güte
und erzähle in den Nächten von deiner Treue –
4zum Klang der Bassleier mit zehn Saiten,
zum rhythmischen Spiel der Handleier.
5Ja, dein Tun, Herr, hat mich froh gemacht.
Ich will jubeln über die Werke deiner Hände.
6Wie großartig sind doch deine Werke, Herr.
(Psalm 92,2-6a nach der BasisBibel)
Wie wunderbar erklingen diese ersten Verse des Psalms 92 zum Beginn des neuen Jahres 2022! Noch liegt es wie unbeschriebene Seiten eines Buches vor uns. Und will gefüllt werden mit Leben – mit Erfahrungen und Begegnungen, mit Ideen und Taten, mit dem, was ich beitragen kann und mit anderen teile.
Schon das ist Grund genug, Dank zu sagen. Und gingen mir nicht gestern beim Blick auf das vergangene Jahr bei allen Schwierigkeiten, bei allem Traurigen, bei allem Schmerz auch Dinge durch den Kopf, für die ich „Danke!“ sagen möchte?! Mir fiel der folgende Text einmal wieder in die Hände – möge er uns Ansporn sein an diesem ersten Tag des Jahres:
Es scheint so selbstverständlich zu sein,
mit anderen zusammen zu sein,
so wie es normal ist, dass ein neuer Tag anfängt und
ich wach werde.
Es ist so selbstverständlich, anderen zu begegnen,
ihnen zuzulächeln oder ein Lächeln zu empfangen,
mit anderen zu reden und zu streiten,
etwas wieder gut zu machen, mich zu versöhnen,
gemeinsam Spaß zu haben und Abenteuer zu erleben,
das Schöne zu genießen und Schweres miteinander zu tragen.
Es ist so selbstverständlich,
dass uns selten in den Sinn kommt,
Dir, Gott, dafür „Danke!“ zu sagen.
Heute wollen wir es einmal tun.
Danke, guter Gott!
(Aus: Wegzeichen. Gebete für den Weg)
Seien Sie behütet und hoffnungsfroh im neuen Jahr!
„Der HERR ist gerecht! Er ist mein Fels.“ (Ps 92,16 () )
P. Guido Hügen OSB
Impuls an Silvester (31.12.2021)
ImpulsGott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken. Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht. (Ps 46,6)
Der 46. Psalm preist Gott als eine sichere Burg der Zuflucht, in der die Menschen Sicherheit und Geborgenheit finden, wenn unter ihnen der Boden unter den Füßen wegzubrechen droht. Mit dem Jahr 2021 geht nun ein Jahr zu Ende, das erneut von der Corona-Pandemie geprägt war und in dem Menschen oft die Erfahrung von tiefer Verunsicherung und Verzweiflung gemacht haben. Nicht nur die Bilder der Überschwemmungen während der Flut in den Sommermonaten kommen in mir hoch, wenn ich diesen Psalm nun am Ende dieses Jahres bete. Sondern auch viele andere persönliche Erdbeben und Schicksalsschläge, die Menschen in den unterschiedlichen Bereichen ihres Lebens machen mussten, werden mir sofort bewusst und ich kann sie nicht ausblenden.
Der 46. Psalm drückt für mich eine tiefe Zuversicht aus, dass Gott in all diesen Bedrohungen, dieser Not und Verzweiflung da ist. Allen Zweifeln zum Trotz ist dies zumindest meine tiefe Hoffnung: „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“, so hat es Dietrich Bonhoeffer inmitten einer der dunkelsten Zeiten der Geschichte geschrieben. Ich vertraue fest darauf und auch darauf, dass Gott in dem neuen Jahr 2022 mit uns gehen wird. Und dass er da sein wird, wenn am Neujahrstag ein neuer Morgen anbrechen wird und das Jahr noch ganz neu vor uns liegen wird. Ich wünsche Ihnen, dass Sie getrost und zuversichtlich und mit dem Segen Gottes in das neue Jahr 2022 gehen können!
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls am Donnerstag der Weihnachtsoktav (30.12.2021)
ImpulsUnd das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut. (aus Joh 1,14-18)
In eindrucksvoller Weise beschreibt der Johannesprolog liedhaft die Menschwerdung Gottes. Er gipfelt in der Aussage: „Und das Wort ist Fleisch geworden“. Gott will nicht ein entfernter und unzugänglicher Gott bleiben. In der Menschwerdung Jesu kommt er uns ganz nah. Gott wird Mensch.
Gott will alles Menschliche und an diese Erde Gebundenes mit uns teilen. Gott hat eine Sehnsucht, uns ganz nahe zu kommen. Gott läuft seinem Ebenbild, dem Menschen, gleichsam in Zuneigung nach. Und näher konnte er uns nicht kommen, als selbst Mensch zu werden. Menschliches und Göttliches ist seit der Menschwerdung Gottes unzerstörbar miteinander verbunden. Gott ist demnach nicht nur in einem Tempel präsent. Er will in jedem Menschen Wohnung nehmen. Dies wird besonders daran deutlich, dass Johannes für „wohnen“ im Urtext das Wort „zelten“ benutzt. Seit seiner Menschwerdung hat Gott keine an einen Ort gebundene Bleibe, sondern zeltet immer wieder in jedem Menschen. Werden wir in diesen Tagen der Jahreswende innerlich und besinnen wir uns, dass Gottes Herrlichkeit im Menschen präsent ist. Das „Schauen“ ist ein kontemplativer innerer Akt des inneren Gebetes. Halten wir inne im Bewusstsein unserer Vergöttlichung, eingedenk der Einwohnung Gottes in uns, und gehen wir in einer kontemplativen Haltung in Resonanz.
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Mittwoch der Weihnachtsoktav (29.12.2021)
ImpulsDas war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Joh 1,9-13)
Welch ermutigende Aussage! Da reflektiert der Prolog des Johannes-evangeliums die Geburt des Gottessohnes (des logos) aus Gott, und macht gleichzeitig eine wichtige Aussage über uns Menschen.
Nämlich: wir sind Kinder Gottes! Wir sind „nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren“! Mein Ursprung ist göttlich! Ich bin sozusagen ein himmlisches Menschenkind.
Diese Aussage des Johannes, sie kann unendliche Freiheit schenken. Wie oft verzweifeln wir daran, dass wir so sind, wie wir sind. Und schnell sind „Schuldige“ gefunden: meine Ursprungsfamilie, schlechte Gene von meinen Eltern, die schlechten Zeiten in die ich hineingeboren wurde, … Ja, all das hat seinen Einfluss auf meine Person gehabt und hat es bis heute. Das ist richtig. Aber – ich bin dadurch nicht absolut vorherbestimmt, hoffnungslos in der Falle meiner Geschichte. Denn: mein tiefster Personkern ist göttlichen Ursprungs. Und deshalb habe ich eine unantastbare Würde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ (vgl. Grundgesetz!) Und deshalb bin ich, komme was wolle, auch für Gott unendlich kostbar und wertvoll. Ich bin nicht nur das kleine Rädchen im Getriebe der Welt, was jederzeit ausgewechselt werden kann, und keiner merkt es. Ich bin als Jonas (und hier dürfen Sie Ihren Namen einsetzen!) unendlich kostbar, geliebt, angenommen – einfach so, ohne Vorleistung – weil ich bin!
Lassen wir diese Botschaft in dieser Weihnachtszeit in uns wachsen. Werden wir immer mehr zu königlichen Menschen und denken wir immer daran: wir sind aus Gott geboren!
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Dienstag der Weihnachtsoktav (28.12.2021)
ImpulsEin Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. (Johannes 1,6-8)
Bei der heutigen Stelle aus dem Johannes-Evangelium geht mein Blick noch einmal zurück in den Advent, in die Zeit, die so eng verwoben ist mit Johannes dem Täufer.
Der Adventskranz, er liegt bei vielen von uns schon längst auf dem Komposthaufen. Doch es ist wichtig, nicht den Weg zu vergessen, den man gegangen ist. Es ist wichtig, davon Zeugnis abzulegen. Die Wüste, sie verschwindet nicht dadurch, dass wir nicht mehr durch sie gehen müssen. Die Nacht, die wir erlebt haben, sie bleibt ein Teil von uns.
Wir haben den Rufer in der Wüste gehört, und wir haben das Zeugnis gehört, dass da einer kommen wird, der uns mit Feuer taufen wird.
Das kann einem schon mal ein wenig Angst machen. Doch Johannes ist im Mutterleib vor Freude gehüpft, als er Jesus gespürt hat. Und hat ein Engel nicht gerade verkündet: Fürchtet euch nicht?! Was wollen wir eigentlich jetzt noch mehr, und worauf warten wir noch?
Glaube ist keine Selbstoptimierung; wir müssen nach der Heiligen Nacht nicht heiliger werden als diese Nacht. Glaube heißt Vertrauen, heißt Liebe.
Johannes, Elisabeth und Zacharias – sie sind Zeugen davon.
Heute, zwischen den Jahren, wünsche ich uns allen den Mut, zu unseren Wüsten zu stehen. Denn wie soll denn dort etwas zu blühen beginnen, wenn wir gerade diese Orte dem Licht vorenthalten?
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Montag der Weihnachtsoktav (27.12.2021)
ImpulsIm Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. (Joh 1,1-5)
Aus dem Prolog des Johannesevangeliums sticht für mich das Wort Anfang hervor. Ich selber neige zu linearem Denken. Alles hat irgendwann begonnen und endet auch irgendwann. Aber im Gegensatz dazu heißt es: Geboren vor aller Zeit. Anfang ist dann kein zeitlicher Begriff, sondern meint, dass etwas da ist – und das zu jeder Zeit. Die Erlösung durch das Wort zu den Menschen hin ist vor aller Zeit und nach jeglicher Zeit. Es ist für mich tröstlich zu wissen, dass alle Schöpfung jenseits von Raum und Zeit in der göttlichen Gegenwart geborgen und geliebt ist. Es ist für mich auch erlösend zu glauben, dass Ewigkeit nicht eine endlose Fortsetzung von Zeit bedeutet, sondern: in der permanenten Gegenwart der Liebe zu wohnen.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Zweiten Weihnachtstag (26.12.2021)
Impuls-Impuls über Lk 2,29-32
Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast.
Die Worte des greisen Simeon haben für mich etwas ungemein Tröstliches. Er selbst spricht davon, dass er nun bald sterben kann und wird. Aber er ist zutiefst dankbar, weil seine Augen den Messias in Gestalt des kleinen Jungen im Tempel sehen durften. In Frieden scheiden und in Frieden loslassen können. Das ist etwas, das immer wieder neu eingeübt werden kann und soll. Das Gebet des Simeon hat im Stundengebet der Kirche seinen festen Platz: in der Komplet, dem Nachtgebet. Dankbar auf den Tag zurückblicken zu dürfen, aber dabei auch das Schwere und Schmerzvolle nicht ausblenden zu müssen, darum geht es. All das, was gewesen ist, noch einmal anzuschauen, um sich unter dem liebevollen Blick Gottes damit versöhnen zu können. Vielleicht kann diese Bibelstelle Sie gerade in der kommenden Zeit „zwischen den Jahren“ innerlich begleiten, sodass Sie noch einmal auf ihr persönliches Jahr 2021 zurückblicken und versöhnt und zuversichtlich damit abschließen können. Alles, was Sie in diesem Jahr an glücklichen Stunden erlebt haben, aber auch alles, was schwer und leidvoll gewesen ist, dürfen Sie im Zugehen auf den Jahreswechsel in Gottes Hand legen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Frieden auf das Vergangene zurückblicken und dann gut in das neue Jahr 2022 gehen können.
P. Vincent Grunwald OSB
Impuls an Weihnachten (25.12.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
in seiner Menschwerdung will Gott das Leben der Menschen verändern und sich heilend zuwenden. Möge Ihnen diese ZU-WENDUNG geschenkt werden.
Die Kirche betet mit Worten aus Psalm 2:
„Wohl allen, die auf ihn trauen!“
Übersetzt bedeutet dies: Suchen wir IHN, Jesus, das Kind von Betlehem, auf. Vertrauen wir IHM, weil ER das Leben in Fülle schenkt (Joh 10,10).
Vertrauen und Besonnenheit ist der beste Umgang mit den Krisen und Herausforderungen unseres Lebens.
Vielleicht kann ein erster Schritt für Sie sein, sich einzugestehen, dass es schwere Situationen gibt. Situationen, vor denen Sie mit gebundenen Händen und wie ohnmächtig stehen.
Mögen Worte von Paul Gerhardt unser aller Vertrauen stärken:
Ich lag in tiefster Todesnacht, Du wurdest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht, Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht‘,
wie schön sind Deine Strahlen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Bleiben Sie behütet!
Ihr
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls an Heiligabend (24.12.2021)
ImpulsLiebe Leserin, lieber Leser,
die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Maleachi führt uns hin zum weihnachtlichen Geheimnis.
„Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln.“ (Maleachi 3,20)
Die Sonne der Gerechtigkeit lässt Heil aufstrahlen.
Hoffnungen erfüllen sich.
Sehnsucht wird gestillt.
Freude breitet sich aus.
Nur noch wenige Stunden bis zum Beginn der Heiligen Nacht.
Schenken Sie sich einige Augenblicke der Stille, und sinnen Sie über diesen Schriftvers nach.
Wo benötige ich Heil und Heilung?
Wo würde mir ein Freude- und Hoffnungsschimmer gut tun?
Welche Sehnsucht trage ich in mir?
Mit Worten von Seraphim von Sarow wünsche ich Ihnen und Ihren Familien einen frohen 24. Dezember!
„Wer freut sich nicht beim Anblick der Sonne?
Weitaus größer ist die Freude, wenn man mit innerem Auge Christus,
die Sonne der Heiligkeit, erkennt“.
Bleiben Sie behütet!
+ Aloysius Althaus OSB
Impuls am Donnerstag der Vierten Adventswoche (23.12.2021)
ImpulsIhr redet hart gegen mich, spricht der HERR. Ihr aber sprecht: „Was reden wir gegen dich?“ (aus Maleachi 3,13-18)
Momentan hört man viel, dass in unserer Gesellschaft eine Spaltung drohen soll, und ein wenig frage ich mich dabei, ob wir denn nicht in vielem schon längst gespalten sind. Ob Ossi oder Wessi, Ausländer oder Inländer, arm oder reich, evangelisch oder katholisch oder gar keine Kirche, Bayern- oder 1860er-Fan, Martini geschüttelt oder gerührt. Überall gehen kleine oder große Risse und Mauern durch unsere Gesellschaft, glaubt jede Seite es am besten zu wissen, was gut und richtig ist, heißt die Devise Abgrenzung und Ausgrenzung.
In einer konfliktgeladenen Welt wünscht man dem anderen gerne das Schlechteste an den Hals. Alles natürlich ganz aus Nächstenliebe. Man wünscht sich einen Privatgott, der mit Macht kommt und die „Bösen“ mit einem Blitz vernichtet. Gott ist ganz sicher auf meiner, auf der allein richtigen Seite.
Ein Konsens scheint hier fast unmöglich.
Aber das Erstaunliche ist: Gott wird kommen, aber nicht mit Blitz und Donner. Er wird als kleines, verwundbares Baby kommen. Schutzlos, als Mensch.
Was für eine riesengroße Überraschung (oder Enttäuschung) für uns.
„Und auf einmal warst du da, und von da an war sowieso alles anders!“
Diesen Satz hört man oft, wenn ein Kind auf die Welt kommt und das Leben der Eltern über Nacht auf den Kopf stellt. Und wenn Dinge auf den Kopf gestellt werden, spielen von uns gezeichnete Grenzen auf einmal überhaupt keine Rolle mehr. Ganz neue Regeln werden nötig, und jeder muss über seinen eigenen Schatten springen.
Morgen, in der dunkelsten Nacht, wird es geboren werden, das göttliche Kind. Ein ganz gewöhnliches Kind wird kommen.
Und alles wird anders sein.
Gewidmet: Nico, Jenni, Luna, Luise, Katharina, Hazel, Rupert, Kajetan, Masha, Fee, Finn, Paul, Lara, Emma, und den so vielen, vielen anderen, die die Welt auf den Kopf gestellt haben.
Br. Balthasar Hartmann OSB
Impuls am Mittwoch der Vierten Adventswoche (22.12.2021)
ImpulsImpuls zu Mal 3,6-12
In der mönchischen Tradition gibt es den Begriff der Conversatio morum. Das kann man mit Umkehr übersetzen. Es gibt aber auch die Übersetzung: das Verhalten ändern. Da wird es dann konkret. Umkehr im biblischen Sinne, wie sie hier auch bei Maleachi beschrieben wird, geht immer mit konkreten Maßnahmen einher. Der Sinneswandel allein genügt nicht. Gott ruft uns auf, unser Verhalten zu ändern. Auch drei Tage vor Weihnachten. Jeder von uns ist dazu aufgerufen, sein Verhalten dort zu ändern, wo er sich selbst, dem Nächsten und auch Gott nicht gerecht wird.
Ein zweiter Aspekt bei Maleachi ist die Segensverheißung. Wenn wir umkehren und bereit sind zu schenken, was andere benötigen, dann werden wir selber keinen Mangel erleiden. Gott öffnet die Schleusen des Himmels für den, der schenkt.
Br. Benjamin Altemeier OSB
Impuls am Dienstag der Vierten Adventswoche (21.12.2021)
ImpulsSeht, ich sende meinen Boten; / er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel / der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. (Mal 3,1 – ganze Lesung: Mal 2,17-3,5)
Maleachi spricht von einem Boten, der dem HERRN vorausgeht. Die Tradition hat diese Worte auf Johannes den Täufer bezogen, der Jesus den Weg bereitete. Der Text aus dem Prophetenbuch Maleachi ist ein durch und durch adventlicher Text, in dem es um den Tag des HERRN, seine Wiederkehr in den Tempel geht. Und doch ist er ganz anders, als wir es mit adventlich-romantischen Gefühlen verbinden. Denn „wer erträgt den Tag, an dem er kommt“, so heißt es weiter. Und: „Er ist wie das Feuer des Schmelzers und wie die Lauge der Walker“ – beides alles andere als angenehme Dinge. Und der Herr wird Gerechtigkeit schaffen, vor allem für die Witwen und Waisen, also die ärmsten Menschen im Land – und gegen jene, die Gerechtigkeit mit Füßen treten und sie ausbeuten.
„Tauet, Himmel, den Gerechten, ihr Wolken, regnet ihn herab. Die Erde sprosse auf und bringe den Heiland hervor.“ So haben wir es am 4. Adventssonntag gesungen. Die ganze Natur wartet sehnsüchtig auf das Kommen Gottes, damit ER Gerechtigkeit bringt.
Worauf warte ich? Was habe ich zu erwarten? Was muss in mir gerichtet werden, damit Gerechtigkeit einziehen kann?
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Montag der Vierten Adventswoche (20.12.2021)
ImpulsImpuls zu Mal 1,1-14
Das alttestamentliche Buch des Propheten Maleachi – es beginnt für unsere Ohren ziemlich unverständlich. Da ist von Opfern die Rede. Tiere, die auf dem Altar Gott geopfert werden. Und von Gott, der die einen Opfer annimmt und die anderen ablehnt…
Vielleicht ist der Schlüssel zu all diesen Vorstellungen von einem Gott, dem man opfern muss, das hebräische Wort für Opfer – korbán. Und das heißt wortwörtlich übersetzt – näherkommen. Nach alttestamentlichen Vorstellungen komme ich durch ein Opfer mir selbst, meinem Nächsten oder auch Gott näher. Ich glaube, wir würden das Gemeinte heute eher mit dem Wort Liebe umschreiben. Also: Etwas, das ich tue, um mir selbst oder meinem Nächsten oder Gott näher zu kommen – das ist eine Liebestat. Denn ich tue es ja „freiwillig“ – weil mir der andere oder auch Gott etwas wert sind. Und nicht, weil ich es tun muss (aus welchem Grund auch immer).
Der Opfergedanke erinnert uns also daran, dass es um eine Beziehung geht: die zwischen Gott und Mensch. Und dass auch dieses Verhältnis das braucht, was wir heute „Beziehungsarbeit“ nennen. Ich investiere etwas in diese Beziehung, damit sie wachsen kann, damit sie gut wird und gut bleibt!
Und zwar nicht, weil ich oder „man“ das so tun muss, sondern weil ich es will! Aus Liebe! Weil mir der andere (Gott!) etwas wert ist…
Wie sieht meine Beziehungsarbeit mit Gott aus? Gerade jetzt – in den letzten Tagen vor Weihnachten? Finde ich noch Zeit und Raum, oder geht dies im allgemeinen Weihnachtsstress unter?
Machen wir uns wieder neu auf den Weg. Denn es gilt das, was am Anfang unseres Textes steht: „Ich habe euch lieb – spricht der Herr!“ (Maleachi 1,2)
P. Jonas Wiemann OSB
Impuls am Vierten Adventssonntag (19.12.2021)
ImpulsLeiter
Impuls zu Lk 1,46-55
Auf der Leiter des Lebens empor zu den Momenten des Glücks. Manchmal sind sie hart erarbeitet wie ein gutes Schulzeugnis oder das Gefühl, die Stufen der Leiter wieder hinunterzufallen. Auf den Boden der Tatsachen zu plumpsen. So erging es auch Maria – Miriam, einem jungen Mädchen aus Nazareth. Maria wird mit einer Nachricht konfrontiert, die ihr Leben auf einen Schlag ändert. Bei Maria war es die unerwartete Schwangerschaft. Danach ist nichts mehr wie vorher. Die Frage lautet, wie man nun seinen Weg auf der Lebensleiter weitergehen kann. Nach oben? Nach unten? Maria hat bei aller Ungewissheit JA dazu gesagt, das Kind zu bekommen. Gott ist damals, als die von den Propheten verheißene Fülle der Zeit angebrochen war, die Leiter vom Himmel herabgestiegen. Gott wurde in Jesus ein Mensch unter Menschen. Gott ist sein Schöpfungswerk hinabgestiegen. Gott ist die Himmelsleiter zu uns herabgestiegen. Denn er will auch in Freude und Glück, in Sorgen und Kummer, in Jugend und Alter, in Krankheit und Tod für uns als der ICH-BIN-DER da sein. Maria fiel nicht von der Leiter. Sie stimmt ihren großen Lobpreis für Gott an und steigt die Stufen empor. Ihr Lob verstummt bis heute nicht in den Mündern der Menschen.
Br. Benedikt Müller OSB
Impuls am Samstag der Dritten Adventswoche (18.12.2021)
ImpulsDann wird der Herr König sein über die ganze Erde. An jenem Tag wird der Herr einzig sein und sein Name einzig. Es wird sich verwandeln wie in eine Ebene das ganze Land… Man wird darin wohnen. Es wird nie mehr ein Bann vollzogen werden und Jerusalem wird in Sicherheit wohnen. (Sacharja 14,9-11 – ganze Lesung: 14,1-11)
Im 14. Kapitel zeichnet der Prophet endzeitliche Bilder über Jerusalem: Krieg, Plünderungen, Eroberungen, Schändung, Leid… sind die Kennzeichen. Doch Gott selbst wendet das Blatt. An „jenem Tag“ kommt Gott selbst Jerusalem zu Hilfe. Gott zieht in Jerusalem ein. Gott errichtet eine neue heilvolle Königsherrschaft.
Kennen wir heutige Menschen nicht auch unter und in uns unheilvolle Szenarien und Unsicherheiten?
Ist nicht gerade unsere jetzige Zeit von Labilität geprägt? Wir Menschen sehnen uns gerade jetzt nach umfassendem Heil und Sicherheit, angesichts der Bedrohungen einer Pandemie oder der Krisenherde dieser Welt. Mag nicht in diesem Advent der eine oder andere anstimmen mit den Worten der heutigen O-Antiphon „O komm, und befreie uns“?
Auch in diesem Advent 2021 will Gott in unserer Geschichte und in uns ankommen. Das Jerusalem des Propheten Sacharja dürfen wir selbst sein:
Sein Ankommen in uns will uns Stabilität, Sicherheit, inneren Frieden und Heil schenken. Trotz aller Bedrohungen ist Gott im Kommen. Möge es uns Zuversicht schenken!
Br. Emmanuel Panchyrz OSB
Impuls am Freitag der Dritten Adventswoche (17.12.2021)
Impuls9 An jenem Tag wird es sein, da werde ich danach trachten, alle Völker zu vernichten, die gegen Jerusalem anrücken. 10 Doch über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich einen Geist des Mitleids und des flehentlichen Bittens ausgießen. Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint. 11 An jenem Tag wird die Klage in Jerusalem so groß sein wie die Klage um Hadad-Rimmon in der Ebene von Megiddo. 12 Das Land wird trauern, jede Sippe für sich: die Sippe des Hauses David für sich und ihre Frauen für sich; die Sippe des Hauses Natan für sich und ihre Frauen für sich; 13 die Sippe des Hauses Levi für sich und ihre Frauen für sich; die Sippe des Schimi für sich und ihre Frauen für sich; 14 alle übrig gebliebenen Sippen, jede Sippe für sich und ihre Frauen für sich.
13,1 An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle entspringen gegen Sünde und Unreinheit. (Sach 12,9-13,1)
So viel Klage, so viel Trauer, so viele Tränen, die fließen. Das klingt so gar nicht adventlich-hoffnungsvoll. Und dann lese ich den letzten Satz der heutigen Lesung: An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle entspringen gegen Sünde und Unreinheit. Die vielen Tränen, die die Israeliten vergießen, sie werden zu einer Quelle „gegen Sünde und Unreinheit“, einer Quelle, aus der neues Leben entspringt.
Die christliche Tradition spricht von der reinigenden Kraft der Tränen. Und jeder, der schon einmal ernsthaft geweint hat – ohne Kosmetik und Schauspiel – der weiß um die Wahrheit dieses Satzes. Tränen können eine reinigende Kraft entfalten. Alles, was da ist, jeder Schmerz, jeder Fehler, jede persönliche Schuld, darf da sein. In den Tränen fließt das alles sozusagen aus mir heraus – und ich werde frei für einen neuen Aufbruch. Wenn das nicht hoffnungsvoll ist…
P. Maurus Runge OSB
Impuls am Donnerstag der Dritten Adventswoche (16.12.2021)
Impuls4 So spricht der HERR, mein Gott: Hüte die Schafe, die geschlachtet werden sollen! 5 Deren Käufer töten sie, ohne es zu büßen, und deren Verkäufer sagen: Gepriesen sei der HERR, denn ich bin reich geworden. Ihre Hirten aber haben kein Mitleid mit ihnen. 6 Wahrhaftig, ich habe kein Mitleid mehr mit den Bewohnern des Landes – Spruch des HERRN. Siehe, ich lasse jeden Menschen in die Hand seines Nächsten fallen und in die Hand seines Königs. Sie werden das Land zerschlagen, aber ich werde es nicht aus ihrer Hand retten. 7 Ich hütete die Schafe, die geschlachtet werden sollten, für die Schafhändler und ich nahm mir zwei Ruten. Die eine nannte ich Noam – Freundlichkeit -, die andere nannte ich Hobelim – Verbundenheit -. So hütete ich die Schafe. 8 Ich ließ die drei Hirten in einem einzigen Monat verschwinden. Dann verlor ich die Geduld mit ihnen und auch sie wurden meiner überdrüssig. 9 Ich sagte: Ich will euch nicht mehr hüten. Was im Sterben liegt, soll sterben; was sich verloren hat, sei verloren; und von den Übriggebliebenen soll einer des andern Fleisch fressen. 10 Dann nahm ich meine Rute Noam – Freundlichkeit – und hieb sie in Stücke, um meinen Bund zu zerbrechen, den ich mit allen Völkern geschlossen hatte. 11 So wurde er an diesem Tag zerbrochen. Da erkannten die Schafhändler, die mich beobachteten, dass dies ein Wort des HERRN war. 12 Ich sagte zu ihnen: Wenn es recht ist in euren Augen, so bringt mir meinen Lohn, wenn aber nicht, so lasst es! Da wogen sie mir meinen Lohn ab, dreißig Silberstücke. 13 Da sagte der HERR zu mir: Wirf ihn dem Schmelzer hin, den wertvollen Preis, den ich ihnen wert bin. Und ich nahm die dreißig Silberstücke und warf sie im Haus des HERRN dem Schmelzer hin. 14 Danach hieb ich meine zweite Rute, Hobelim – Verbundenheit -, in Stücke, um den brüderlichen Bund zwischen Juda und Israel zu zerbrechen. 15 Der HERR sagte zu mir: Nimm dir außerdem das Gerät eines törichten Hirten! 16 Denn siehe, ich lasse einen Hirten im Land auftreten: Das Vermisste sucht er nicht, dem Jungen geht er nicht nach, das Gebrochene heilt er nicht, das Erschöpfte versorgt er nicht. Stattdessen isst er das Fleisch der Masttiere und reißt ihnen die Klauen ab. 17 Wehe dem nichtsnutzigen Hirten, / der die Schafe im Stich lässt! Das Schwert über seinen Arm / und über sein rechtes Auge! Sein Arm soll völlig verdorren, / sein rechtes Auge soll gänzlich erblinden! (Sach 11,4-17)
„Hier, in diesem Kapitel, gebe ich auf. Denn ich bin nicht sicher, wovon der Prophet spricht.“
Worte von Martin Luther.
Wissen wir heute mehr?
Zahlreiche Regalmeter füllen Auslegungsversuche zum letzten Teil des Propheten Sacharja. Als Deutung in die Zukunft, als Aufnahme historischer Fakten – viele Annahmen gibt es.
Mir kommen eher Assoziationen.
„30 Silberlinge“ – die begegnen uns doch auch in der Passion Jesu.
Das Wort des Hirten kennen wir auch aus dem Mund Jesu,
der sich selbst als der gute Hirt bezeichnet.
Also so ein ganz anderer als der,
dem wir hier begegnen.
Und auf den wir auf Weihnachten hin wieder zugehen.
Der noch dazu geboren ist unter Hirten.
Wer schon einmal in Betlehem war,
ahnt um die Kargheit und Entbehrung dieser Geburt.
Nichts von fetten Schlachtschafen …
Eher wie das „Friedenslicht aus Betlehem“,
das uns in diesen Tagen ein kleines Licht bringt
und uns entflammen will.
Lassen wir uns darauf ein?
Feuer und Flamme …
Die anderen Assoziationen sind gegensätzlich.
„Das Schweigen der Hirten“
titelt der SPIEGEL.
Und bei „katholisch.de“ lese ich heute:
„Die Monstrosität verschlägt den Atem. Auch zwölf Jahre nach der Offenlegung von Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg wird das Grauen über die menschlichen Abgründe, die sich immer tiefer auftun, stetig größer. Pfarrer U., der derzeit in Köln vor Gericht steht, hat nicht nur seine Nichten zigfach sexuell missbraucht, sondern auch seine Pflegetochter und – als er vorübergehend im Jahr 2010/2011 beurlaubt war – ein elfjähriges Mädchen in Wuppertal. Danach stand er selbstverständlich wieder hinter dem Altar.“
Und:
„Nun nennen sich die Täter selbst gerne Hirten. Sie lassen sich als „Pastor“ anreden oder tragen den Hirtenstab.“
Ohne Kommentar.
Ich schäme mich.
P. Guido Hügen OSB