Impuls am Dritten Adventssonntag (11.12.2022)

Aufbrechen im Warten (Mt 11,2-11)

Es gibt eine Freude, die noch nicht hat, die noch nicht selber halten muss. Noch bleibt ihr die Geste des Klammerns oder des Festhaltens erspart, denn die Hände sind noch leer. Noch muss sie sich nicht anstrengen und nichts trübt sie, nicht einmal die Angst des Verlustes, denn die Vor-Freude ist arm und deshalb noch lauter und demütig. Das bedeutet für sie keine Anstrengung. Wohl muss sie sich mit dem Warten anfreunden, mit der Geduld und der Ausdauer, und auch die Ungewissheit ist ihr sicher verwandt. Angetrieben von der Sehnsucht des Herzens ist sie eine Le­benskraft aus dem Inneren des Menschen. Aufbrechen im Warten, wie der Sonnenaufgang am Morgen.

Vorfreude strahlt nicht, ist in diesem Sinn nichts Öffentliches. Auch vom Triumph lässt sie sich nicht verleiten. Sondern sie kann sich im Schatten der Dunkelheit, in den Gemächern der Türme und Visionen das Haus bauen. Vor-Freude ist eine adventliche Stimmung. Sie ist innerlich, aber doch auf etwas von außen her aufgerichtet. In der Hoffnung auf das Kommende ist sie selber Zu-Kunft. Das gibt ihr Halt und eine gewisse Wirklichkeit. Und dennoch ist die Vorfreude nicht im Gestus des Habens, in der Gebärde des Verteidigens zuhause, sondern sie bewahrt etwas von der empfangenden Offenheit, von Hoffnung, Glaube und von der treiben­den Kraft der Liebe. Aufbrechen im Warten, wie der Same dem Licht entgegen.

Der Gott, der sich nach der Heimkehr seines Menschen sehnt, er ist ein Gott der Vorfreude. Seine Verheißungen sind darin Zu-Kunft, dass er zart auf uns zukommt. Und manchmal bereitet er uns den Weg und macht un­sere Herzensstraßen eben, denn Empfangen ist keineswegs Ruhen, es ist ein Tun, im Grunde tätig und beweglich.

„Geht und berichtet…, was ihr hört und seht:
Blinde sehen wieder und Lahme gehen;
Aussätzige werden rein und Taube hören;
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Mt 11,4b-5)

P. Abraham Fischer OSB