O SCHLÜSSEL DAVIDS – Impuls zur O-Antiphon am 20. Dezember
O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel – du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und niemand vermag zu öffnen: Komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes. (O-Antiphon vom 20.12.)
In der heutigen Vesper-Antiphon besingen wir den Schlüssel und das Zepter Davids.
Christus selbst ist es, der öffnet und der schließt.
Und wir fordern Gott dazu auf, zu kommen und uns zu befreien: aus Kerker, Finsternis, Fesseln und Tod.
Was für Orte sind das, die Gott verschlossen hat und öffnen wird?
Der Garten Eden? Das Reich Gottes? Das neue Jerusalem?
Der Verfasser der Antiphon zieht auf diese Weise einen Bogen von der Genesis zur Apokalypse, also vom Anfang bis zum Ende der Bibel;
vom ersten bis zum letzten Tag; vom Ursprung bis zur zukünftigen Verheißung.
Dazwischen liegen Kerker, Finsternis, Fesseln und Tod.
Wir alle kennen das Dunkle, durch das wir in unserem Leben von Zeit zu Zeit gehen müssen.
Wir denken an die finsteren Kapitel der Geschichte Israels: Josef wird von seinen Brüdern in einen tiefen Brunnen geworfen; das Volk Jakobs in der Sklaverei in Ägypten; die 40-jährige Wüstenwanderung; Kriege um das verheißene Land; die Zerstörung des Tempels; das babylonische Exil.
Wir denken an den Brudermord Kains gleich zu Beginn nach der Verbannung aus Eden. An das Buch Ijob und an zahlreiche Psalmen, in denen wir uns der absoluten Dunkelheit ausgeliefert wiederfinden.
Wir erleben es auch heute: die Lasten des Alltags, schwere Schicksalsschläge, Ungerechtigkeit in der Welt – hinzukommend in diesem Jahr die Corona-Pandemie und ihre Folgen.
Manchmal bleiben wir sprachlos zurück, sehen einfach überhaupt kein Licht mehr:
„Du hast mir entfremdet Freunde und Gefährten; mein einziger Vertrauter ist nur noch die Finsternis.“ (Ps 88,19)
Schlüssel und Zepter: Symbole für Verwaltungsgewalt und Königsmacht.
Die Schlüsselvollmacht wird erstmals beim Propheten Jesaja erwähnt, wo dem Knecht Eljakim mit der Schlüsselübergabe das Amt des Palastvorstehers übertragen wird. (Jes 22,22)
Uns ist das Schlüsselmotiv spätestens durch die Jesusworte im Matthäusevangelium bekannt:
„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Kirche, und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was du binden wirst auf Erden, das wird gebunden sein im Himmel; und was du lösen wirst auf Erden, das wird gelöst sein im Himmel.“ (Mt 16,18f)
Doch kommen wir zum Bild des Zepters. Ist hier wirklich „nur“ die beherrschende Königsmacht gemeint?
„Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ (Ps 23,4)
Johannes schildert die Bevollmächtigung Petri anders als Matthäus: „Weide meine Schafe!“ (Joh 21,16f)
Der Hirtenstab als Königszepter? König David war Schafhirte!
Und Jesus schildert uns in seinem Gleichnis die Bemühung des Hirten, ein verirrtes Schaf wiederzufinden, der dafür sogar seine ganze Herde verlässt. (Mt 18,12-13)
So wird für mich die vermeintliche Königsallmacht enttarnt als treuhänderische Verwaltungspflicht.
Und das Zepter steht somit für den Dienst am Nächsten, und nicht für die privilegierte Ausübung von Macht.
Über das Bild des Schafhirten finden wir auch zum Schlüsselmotiv zurück, denn Jesus sagt:
„Ich bin die Tür zu den Schafen. Wer durch mich hineingeht, wird Heil erfahren; er wird hinein- und herausgehen und Weide finden.“ (Joh 10,7.9b)
Jesus ist Schlüssel, Tür und Hirte für seine Herden.
Nur durch ihn, mit ihm und in ihm finden wir aus unserem Kerker der Finsternis und werden wir befreit aus den Fesseln des Todes.
Br. Jonathan von Holst OSB