von P. Cosmas Hoffmann OSB
Ist Jesus auferstanden – oder ist er es nicht?
- Wer mit „Nein“ antwortet, für den scheint das Thema erledigt zu sein: Keine Auferstehung, kein Ostern!
- Wer mit „Ja“ antwortet, bekommt es gleich mit weiteren, noch drängenderen Fragen zu tun: Ist die Auferstehung Jesu nur ein historisches Ereignis, dessen wir jährlich freudig gedenken?
Oder ein Ereignis, das mein Leben begleitet und prägt?
Was bedeutet es für mich, dass Jesus auferstanden ist?
Die Frage nach der Auferstehung Jesu wird schnell existentiell, betrifft eine jede, einen jeden von uns persönlich, denn was genau die Jüngerinnen und Jünger Jesu nach dem Schock der Kreuzigung, die sie zum Abtauchen in Flucht oder Versteck führte, erfahren haben, wissen wir nicht. Tatsache aber ist, dass aus dem Sich-Verstecken Aufbruch wurde, aus Verzweiflung Hoffnung, aus Flucht Bekenntnis.
In den frühen Bekenntnisformeln und späteren Ostererzählungen finden sich verschiedene Bilder und Vorstellungen, um das Ereignis zu beschreiben, das die Jüngerinnen und Jünger Jesu von der Todesstarre zum Aufbruch ins Leben führte: Erscheinung, Wiederkunft, Auferweckung, Auferstehung, Neuschöpfung, Geistwirken.
Wir bleiben herausgefordert, die Leerstelle auszuhalten und Glauben zu wagen. Dabei können uns jene unterstützen, die, wie wir gerade im Evangelium gehört haben, ebenfalls mit einer Leerstelle konfrontiert worden sind, mit dem leeren Grab.
Während andere Jüngerinnen und Jünger auf Kreuzigung und Tod Jesu mit Lähmung oder Rückzug oder Flucht nach Galiläa reagieren, drängt es Maria von Magdala zum Grab Jesu.
Noch in der Dunkelheit vor Tagesanbruch geht sie zum Grab, wo sie sofort sieht, dass der Stein weggenommen ist. Schrecken, Empörung und Verzweiflung durchfahren sie und sogleich läuft sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagt: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben“ (Jo 20,2).
Die beiden Jünger eilen dann gemeinsam mit ihr zum Grab. Der andere Jünger ist schneller als Petrus, kommt als Erster ans Grab, beugt sich vor, sieht die Leinenbinden, geht jedoch nicht hinein, sondern lässt Simon Petrus den Vortritt.
Der geht hinein, sieht die Leinenbinden und das Schweißtuch, das auf dem Haupt Jesu gelegen hatte, zusammengebunden an einer besonderen Stelle.
Auch der andere Jünger geht hinein, sieht und glaubt. Während Petrus zuvor die Situation zur Kenntnis nimmt, blitzt beim Jünger, den Jesus liebte, der Glaube auf – Erkenntnis eines geliebten und liebenden Herzens? Allerdings ist es eher ein kurzes Aufblitzen des Glaubens, das letztlich ohne Folgen bleibt, denn beide Jünger kehren wieder nach Hause zurück. „Denn“, so heißt es, „sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse“ (Jo 20,9).
Maria aber bleibt zurück, harrt aus, will Abschied nehmen am Ort seiner letzten Gegenwart, am Ort, wo sich seine letzte Spur verliert. Sie hofft, diese Spur wieder zu finden, steht draußen vor dem Grab und weint.
In ihrer Trauer können ihr selbst die beiden Engelsgestalten, die sie beim Hineinbeugen in das Grab sieht, nicht weiterhelfen.
Vielmehr wendet sie sich zurück, will sich resigniert zurückziehen, in Trauer und Schmerz versinken. Doch im Umwenden sieht sie jemanden dastehen, den sie für den Gärtner hält, auch ihm klagt sie ihre Not, dass jemand den geliebten Verstorbenen weggebracht habe (vgl. 20,14f.).
Erst als er sie mit ihrem Namen anspricht, wendet sie sich ihm wirklich zu, erkennt ihn und antwortet mit einem Wort vertrauter Anrede: Rabbuni, mein Herr.
Diesen Moment der Begegnung verdichtet Susanne Ruschmann in ihrem Gedicht „Wendezeit“:
Wendezeit
in der Wende
zwischen Schmerz und Trost
zwischen Trauer und Freude
zwischen Ende und Neubeginn
zwischen Nacht und Tag
GOTTES BEGEGNUNG
beim Namen gerufen werden
die Stimme des Anfangs hören
umgekehrt werden
von der Suche nach dem Toten
zur Begegnung mit dem Leben
neu ausgerichtet sein
weil das Zwischen
mit meinem Namen gefüllt ist
weil in der Wende
Gott begegnet.
Maria hat Jesus erkannt und will, wie das vertraute „Rabbuni“ zeigt, sich ihm ganz hinwenden, es so werden lassen wie früher. Doch einem solch rückgreifenden Zugriff entzieht sich der Auferstandene.
Maria von Magdala muss lernen, dass Jesu Gegenwart nach seinem Tod eine andere ist als vorher. Entsprechend weist Jesus auch ihren spontanen Impuls, ihn zu berühren, anzufassen, zu begreifen – die zutiefst menschliche Form der Vergewisserung von ‚Wirklichkeit‘ – recht deutlich, fast scharf zurück: „Halt mich nicht fest!“ oder wie es manche Exegeten zugespitzt formulieren: „Lass mich los!“.
Maria und mit ihr alle, die dem Auferstandenen nachfolgen, müssen lernen, dass es angesichts des leeren Grabes nicht darum geht, das Andenken eines Toten zu pflegen oder Vergangenes zu beschwören, sondern darum, ihn als Lebenden zu erfahren.
Eine realistische Beziehung zum Auferweckten
kann nur Beziehung in Entzogenheit sein, die zugleich eine neue Weise der Gemeinschaft eines dauerhaften Beieinander-Bleibens mit ihm ist. Diese neue Weise setzt aber voraus, die frühere Art der Beziehung, des menschlichen Umgangs miteinander loszulassen.
Und Maria Magdalena lässt los, wendet sich vom Grab ab und geht den Weg in die Verkündigung, zu der er sie gesandt hat. „In dieser Wende vollzieht sie selbst eine Auferstehung von der trauernd Suchenden zur Verkünderin der Osterbotschaft“ (Susanne Ruschmann, Maria von Magdala, Münster 2002, 164).
Maria Magdalena ist somit in der Ostererzählung des Johannesevangeliums nicht nur die Erste am Grab, die Erste, die dem Auferstandenen begegnet, sondern auch die Erste, die ihn bezeugt: „Ich habe den Herrn gesehen.“
So wie Maria Magdalena sollen auch wir, Jesus als dem Auferstandenen begegnen, auf ihn hören und ihn bezeugen.
Damit ist eine jede, ein jeder von uns gefragt.
Kehren wir also noch einmal zur Ausgangsfrage zurück: Ist Jesus auferstanden – oder ist er es nicht?
Der frühere Bamberger Generalvikar Alois Albrecht antwortet auf diese Frage:
„Wenn Dich einer fragt: glaubst Du an das leere Grab,
glaubst Du an das Ostern Jesu, seine Auferstehung
und sein Leben, dann sag nicht sofort Nein oder Ja.
Mach dir bewusst, dass ein Nein Dein Leben in die Enge treibt,
deren Schluss der Tod ist.
Und mach dir umgekehrt bewusst, dass Dein Ja Dein Leben in die Weite führt, deren Endpunkt Gott ist.
Vor wem willst Du stehen und wofür kannst Du leben?
Du kannst Dich für ein Nein entscheiden und zittern. –
Ich habe mich für ein Ja entschieden – und singe!“