Schlagwortarchiv für: Weihnachten

Herr, nun kann dein Diener in Frieden sterben, denn du hast deine Zusage erfüllt. Mit eigenen Augen habe ich das Heil gesehen, das du für alle Völker bereitet hast – ein Licht, das die Nationen erleuchtet, und der Ruhm deines Volkes Israel. (Lk 2,29-32, Neue Genfer Übersetzung)

Erfülltes Leben eines alten Mannes, der lange, lange in seinem Leben gewartet hat, ohne aufzugeben, auch wenn unsicher war, ob die Erfüllung seines tiefsten Wunsches tatsächlich Wirklichkeit werden würde. Simeon steht für die Sehnsucht des jüdischen Volkes nach der Ankunft des Friedensbringers, und auch für die der ganzen Menschheit nach dem Ende der Kriege, der Ängste und Schrecken, ja des Todes überhaupt. Auch wir können uns wiederfinden in dieser Gestalt, die Ausschau hält nach dem allesumspannenden Frieden, dem Shalom.

Simeon ist IHM begegnet, so berichtet das Lukasevangelium – in Jesus, dem Kleinkind, das Josef und Maria dankbar für die glückliche Geburt zum Tempel brachten. Weil er vom Heiligen Geist geführt wurde, durch Leere, Unruhe und Schatten hindurch, gingen ihm die Augen auf. Und er nahm es in den Arm.
– In der engen Verbindung zum göttlichen Geist warten
– unbeirrbar, unabgelenkt, ganz wach
– offen sein für die Hinweise auf die Zeichen der Gegenwart
– mit liebenden Augen erkennen, nicht bloß durch Hörensagen.

Sein Warten hat sich gelohnt.
Welche Macht doch der wartende Glaube hat,
der ein Leben lang nur das eine sucht!

P. Johannes Sauerwald OSB

Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach dem Kind; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige! Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land. (Mt 2,7-12)

„Als  sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt“.
Die Magier, die das göttliche Kind suchen, sind unsere Vorbilder in der Gottsuche. Jede Suchbewegung braucht einen Leitstern. Üben wir neu ein, unserer Sehnsucht zu vertrauen, dass Gott selbst uns auf unseren Wegen mit seinem Stern begleitet. Möge die Schwelle vom alten zum neuen Jahr stets vom göttlichen Stern begleitet sein. Diese Zusage, dass Gott mit uns ist, erfülle unsere Herzen mit großer Freude.

Br. Emmanuel Panchyrz OSB

Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Christus geboren werden solle. Sie antworteten ihm: in Betlehem in Judäa; denn so steht es geschrieben bei dem Propheten: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel. (Mt 2,1-6)

Über der Krippe liegt schon ein Schatten, der Schatten des Kreuzes. In der heutigen Lesung wird das angedeutet, wenn wir hören, dass König Herodes „und mit ihm ganz Jerusalem“ erschrecken darüber, dass ein neuer Stern aufgegangen ist, ein neuer König geboren. König Herodes erschrickt, weil er eine Gefahr für seine Macht sieht, einen potentiellen Konkurrenten, den es mit allen Mitteln auszuschalten gilt. Und dann auch noch in Betlehem, diesem Provinznest, dem verschlafenen Städtchen in Juda.

Weihnachten bringt alles durcheinander. Die Macht der Mächtigen kommt ins Wanken, weil sie sich von einem neugeborenen Kind erschrecken lassen. Die Sterndeuter hingegen lassen sich ein auf den unbekannten Stern. Sie kommen – nicht in böser Absicht, sondern voller Neugier und Staunen. Nicht das Erschrecken, sondern das Staunen wird die Welt retten – so wie ein Kind noch staunen kann über das viele Neue, das ihm begegnet.

P. Maurus Runge OSB

Ankommen durch das Leid

Wie ein Fremdkörper scheint das Fest des heiligen Stephanus inmitten der weihnachtlichen Feierlichkeit aufzurütteln. Und doch hält die Kirche an diesem Termin fest, wissend um die Bedeutung des darin aufscheinenden Geheimnisses. Es ist der Gedenktag einer schrecklichen gewalttätigen Ermordung, kirchengeschichtlich die erste überlieferte nach der Hinrichtung Jesu.

Das ist der Ernstfall christlichen Lebens. An ihm bewährt sich die Antwort des Glaubens an die den Tod überwindende Macht der Auferstehung Christi. Alle Steine der Menschenverachtung und alle Steine der Grausamkeiten gegen Menschen fragen uns nämlich, wie weit uns Weihnachten wirklich trägt.

Gerade weil Kriege und Folter, Geiselnahme und Vergeltung gestern an Weihnachten keine Pause machten, müssen wir uns wie Kain seinerzeit fragen lassen: Wo ist Dein Bruder Abel?

Mit der Stephanusgeschichte bricht Ostern in die Weihnachtszeit ein. Nicht umsonst hören wir die Worte, die Jesus am Kreuz in letzter Todesnot rief: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!

Stephanus zeigt, dass Weihnachten trägt, er vergewissert uns, dass das Geheimnis der heiligen Nacht Hoffnung für die reale Welt schenkt. Diese besteht darin, dass allen, auch den schwersten Sündern Vergebung angeboten wird. Der Tod des Stephanus macht deutlich, dass Menschen über sich hinauswachsen und dass auch in der Vernichtung noch ein Funke von Heil möglich sein kann.

Stephanus zeigt uns das Modell der Vergebung schlechthin: Nicht wir Menschen sind es, die richten und urteilen, sondern er betet noch im Tod für seine Verfolger. So erfüllt er das Gebot der Feindesliebe. Im Ernstfall des Glaubens, in der Verfolgung und in der Dunkelheit an Gott festhalten und das ganze Vertrauen auf ihn setzen, das ist die Mahnung seines Todes.

Es ist der Zusammenhang von Herkunft und Zukunft, der am hoffnungsvollen Sterben des Stephanus aufscheint. Stephanus wird in der Zeit höchster Not die Verheißung eines offenen Himmels zuteil, aus der Kraft des Höchsten ist er bereit, das Letzte – selbst sein Leben – hinzugeben. Als die Steine auf ihn treffen, betet er. Die Vision vergewissert ihm seine Herkunft und bestärkt die Hoffnung für die Zukunft.

P. Abraham Fischer OSB

Gott kommt auf der Erde an

„Weihnachten zwischen Skepsis und Sehnsucht“. So lautet der Untertitel eines kleinen Büchleins des Freiburger Theologen Magnus Striet, in dem er versucht, die Weihnachtsbotschaft für suchende und vor allem zweifelnde Menschen heute neu auszubuchstabieren.

„Zwischen Skepsis und Sehnsucht“. In diesem Jahr treffen diese Worte ganz besonders mein Empfinden. Skepsis angesichts einer Welt, wo so vieles im Argen liegt, wo Menschen in Krieg, Terror und Gewalt verstrickt sind, wo Gesellschaft sich spaltet und Meinungsverschiedenheiten sich zu oft in Gewalt entladen, wo auch in der Kirche Menschen sich über die Lösungen aus den vielfältigen, auch hausgemachten Krisen entfremden. Kann man angesichts all dessen noch Weihnachten feiern?

Und doch spüre ich auch eine Sehnsucht in mir, die trotz, vielleicht auch wegen aller Skepsis größer wird: die Sehnsucht, dass doch etwas dran sei an dieser unglaublichen Botschaft, dass Gott selbst Mensch wird, als Mensch sich gemein macht mit den Zuständen auf dieser Erde. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt, die gerade an Weihnachten aufkommt, wenn wir uns an die Weihnachtstage unserer Kindheit erinnern. Die Sehnsucht, dass vielleicht noch nicht alles verloren ist in unserer Welt, in unserer Kirche, in meinem Leben.

„Gott kommt auf der Erde an“ – so ist dieser Impuls überschrieben. Nicht: Gott ist angekommen. Sondern: Gott kommt auf der Erde an. Er ist im Kommen. Er ist angekommen da, wo ich ihn empfange in den Menschen, die Hilfe brauchen. Er ist angekommen, wo ich Menschen ernst nehme in ihrer Würde und sie willkommen heiße. Er ist angekommen da, wo ein Licht die Dunkelheit erhellt.
Aber auch das gilt: Er ist noch nicht ganz angekommen, wo Menschen immer noch leiden. Er ist noch nicht angekommen, wo Menschen die Würde ihrer Mitmenschen mit Füßen treten. Er ist noch nicht angekommen, wo die Finsternis das Licht auslöscht. Er ist im Kommen, ja, und wir vertrauen, dass sein Kommen unaufhaltsam ist. Aber er ist noch nicht ganz da. So viel Ehrlichkeit schulden wir den Menschen, die im Dunkeln sind.

In dieser Spannung leben wir. Gerade heute an Weihnachten. Es liegt auch an mir, ob Gott auf der Erde, auf meiner persönlichen Erde schon angekommen ist oder ob er noch im Kommen ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, auch im Namen meiner Brüder, gesegnete Weihnachtstage mit der Erfahrung, dass Gott bei Ihnen ankommt und eingelassen wird.

P. Maurus Runge OSB

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut. (aus Joh 1,14-18)

In eindrucksvoller Weise beschreibt der Johannesprolog liedhaft die Menschwerdung Gottes. Er gipfelt in der Aussage: „Und das Wort ist Fleisch geworden“. Gott will nicht ein entfernter und unzugänglicher Gott bleiben. In der Menschwerdung Jesu kommt er uns ganz nah. Gott wird Mensch.

Gott will alles Menschliche und an diese Erde Gebundenes mit uns teilen. Gott hat eine Sehnsucht, uns ganz nahe zu kommen. Gott läuft seinem Ebenbild, dem Menschen,  gleichsam in Zuneigung nach. Und näher konnte er uns nicht kommen, als selbst Mensch zu werden. Menschliches und Göttliches ist seit der Menschwerdung Gottes unzerstörbar miteinander verbunden. Gott ist demnach nicht nur in einem Tempel präsent. Er will in jedem Menschen Wohnung nehmen. Dies wird besonders daran deutlich, dass Johannes für „wohnen“ im Urtext das Wort „zelten“ benutzt. Seit seiner Menschwerdung hat Gott keine an einen Ort gebundene Bleibe, sondern zeltet immer wieder in jedem Menschen. Werden wir in diesen Tagen der Jahreswende innerlich und besinnen wir uns, dass Gottes Herrlichkeit  im Menschen präsent ist. Das „Schauen“ ist ein kontemplativer innerer Akt des inneren Gebetes. Halten wir inne im Bewusstsein unserer Vergöttlichung, eingedenk der Einwohnung Gottes in uns, und gehen wir in einer kontemplativen Haltung in Resonanz.

Br. Emmanuel Panchyrz OSB

Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Joh 1,9-13)

Welch ermutigende Aussage! Da reflektiert der Prolog des Johannes-evangeliums die Geburt des Gottessohnes (des logos) aus Gott, und macht gleichzeitig eine wichtige Aussage über uns Menschen.

Nämlich: wir sind Kinder Gottes! Wir sind „nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren“! Mein Ursprung ist göttlich! Ich bin sozusagen ein himmlisches Menschenkind.

Diese Aussage des Johannes, sie kann unendliche Freiheit schenken. Wie oft verzweifeln wir daran, dass wir so sind, wie wir sind. Und schnell sind „Schuldige“ gefunden: meine Ursprungsfamilie, schlechte Gene von meinen Eltern, die schlechten Zeiten in die ich hineingeboren wurde, … Ja, all das hat seinen Einfluss auf meine Person gehabt und hat es bis heute. Das ist richtig. Aber – ich bin dadurch nicht absolut vorherbestimmt, hoffnungslos in der Falle meiner Geschichte. Denn: mein tiefster Personkern ist göttlichen Ursprungs. Und deshalb habe ich eine unantastbare Würde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ (vgl. Grundgesetz!) Und deshalb bin ich, komme was wolle, auch für Gott unendlich kostbar und wertvoll. Ich bin nicht nur das kleine Rädchen im Getriebe der Welt, was jederzeit ausgewechselt werden kann, und keiner merkt es. Ich bin als Jonas (und hier dürfen Sie Ihren Namen einsetzen!) unendlich kostbar, geliebt, angenommen – einfach so, ohne Vorleistung – weil ich bin!

Lassen wir diese Botschaft in dieser Weihnachtszeit in uns wachsen. Werden wir immer mehr zu königlichen Menschen und denken wir immer daran: wir sind aus Gott geboren!

P. Jonas Wiemann OSB

Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. (Johannes 1,6-8)

Bei der heutigen Stelle aus dem Johannes-Evangelium geht mein Blick noch einmal zurück in den Advent, in die Zeit, die so eng verwoben ist mit Johannes dem Täufer.
Der Adventskranz, er liegt bei vielen von uns schon längst auf dem Komposthaufen. Doch es ist wichtig, nicht den Weg zu vergessen, den man gegangen ist. Es ist wichtig, davon Zeugnis abzulegen. Die Wüste, sie verschwindet nicht dadurch, dass wir nicht mehr durch sie gehen müssen. Die Nacht, die wir erlebt haben, sie bleibt ein Teil von uns.
Wir haben den Rufer in der Wüste gehört, und wir haben das Zeugnis gehört, dass da einer kommen wird, der uns mit Feuer taufen wird.
Das kann einem schon mal ein wenig Angst machen. Doch Johannes ist im Mutterleib vor Freude gehüpft, als er Jesus gespürt hat. Und hat ein Engel nicht gerade verkündet: Fürchtet euch nicht?! Was wollen wir eigentlich jetzt noch mehr, und worauf warten wir noch?
Glaube ist keine Selbstoptimierung; wir müssen nach der Heiligen Nacht nicht heiliger werden als diese Nacht. Glaube heißt Vertrauen, heißt Liebe.
Johannes, Elisabeth und Zacharias – sie sind Zeugen davon.
Heute, zwischen den Jahren, wünsche ich uns allen den Mut, zu unseren Wüsten zu stehen. Denn wie soll denn dort etwas zu blühen beginnen, wenn wir gerade diese Orte dem Licht vorenthalten?

Br. Balthasar Hartmann OSB

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. (Joh 1,1-5)

Aus dem Prolog des Johannesevangeliums sticht für mich das Wort Anfang hervor. Ich selber neige zu linearem Denken. Alles hat irgendwann begonnen und endet auch irgendwann. Aber im Gegensatz dazu heißt es: Geboren vor aller Zeit. Anfang ist dann kein zeitlicher Begriff, sondern meint, dass etwas da ist – und das zu jeder Zeit. Die Erlösung durch das Wort zu den Menschen hin ist vor aller Zeit und nach jeglicher Zeit. Es ist für mich tröstlich zu wissen, dass alle Schöpfung jenseits von Raum und Zeit in der göttlichen Gegenwart geborgen und geliebt ist. Es ist für mich auch erlösend zu glauben, dass Ewigkeit nicht eine endlose Fortsetzung von Zeit bedeutet, sondern: in der permanenten Gegenwart der Liebe zu wohnen.

Br. Benjamin Altemeier OSB

von P. Erasmus Kulke OSB

Nun ist es endlich wieder soweit, liebe Schwestern und Brüder! Die Zeit des Advents, die Zeit des Wartens und der vielen Vor­bereitungen, die oft stressige, mit vielen Terminen vollge­packte Zeit ist vorbei: Die Heilige Nacht ist da. Weih-Nacht!

Wir feiern Weihnachten. Das Fest der Liebe, das Fest der Familie. Alles ist schön rausgeputzt. Die Tannenbäume sind aufgestellt und liebevoll dekoriert mit roten und goldenen Ku­geln, silbernem Lametta, bunten Lichtern und vielem mehr. Viele haben zuhause ihre Weihnachtskrippe mit wunderschö­nen, ja vielleicht sogar kostbaren Figuren aufgestellt. Das Festessen ist vorbereitet. Die ein oder andere Flasche mit köst­lichen Tropfen liegt kalt und wartet darauf, von uns entkorkt und genossen zu werden. Wir machen es uns gemütlich bei Kerzenschein, tauschen Geschenke aus und feiern im Kreis der Familie, im Kreis unserer Lieben. Und wir lassen uns anrühren von gefühlsbeladenen Liedern, die vom „trauten hochheiligen Paar“ und dem „holden Knaben im lockigen Haar“ singen. Idylle pur!

Das alles ist gut und schön! Aber das allein ist noch nicht Weihnachten. Weihnachten ist mehr! Bei aller Idylle über­sehen wir oft, dass das „erste Weihnachten“ alles andere als idyllisch, gemütlich oder gar behaglich war.

Da sind Maria und Josef aus Nazareth, einem damals völlig unbekannten und unbedeutenden kleinen Kaff am Rande der Welt. Sie sind notgedrungen auf dem Weg nach Bethlehem, einer Kleinstadt, dessen alter Glanz als Stadt Davids, des be­rühmten und großen Königs Israels, längst verblasst ist. Maria ist hochschwanger und leidet unten den Strapazen der Reise, dem langen Fußmarsch, vielleicht etwas erleichtert durch einen Esel. Als sie in Bethlehem ankommen, bleiben sie zu­nächst obdachlos und nehmen schließlich Zuflucht zu einem Stall. Und hier, in diesem Dreck bringt Maria ihr Kind zur Welt. Viele unserer heutigen Krippendarstellungen täuschen darüber hinweg, dass es im Stall von Bethlehem schmutzig war, dass es dort gestunken hat, dass die Krippe oder der Futtertrog, in dem Jesus gebettet wurde, kalt und hart war und dass die Windeln des „holden Knaben im lockigen Haar“ sicher nicht das einzige war, was im wörtlichen oder auch übertragenen Sinne „beschissen“ war.

Und was auch oft übersehen wird: Es war Nacht! Und diese stille Nacht, heilige Nacht war sicher nicht romantisch. Die Lesung aus dem Propheten Jesaja bringt hier die Stichworte „Finsternis“ und „Todesschatten“ und macht damit deutlich, wofür die Nacht auch steht, symbolisch. Und schon hier am Beginn des irdischen Weges Jesu scheint die Nacht an seinem Ende auf: die Nacht, in der er verraten wurde und in die Judas Iskariot hinausging. Ja, Krippe und Kreuz sind miteinander verbunden. Krippe und Kreuz sind aus dem gleichen Holz ge­schnitzt. So haben es schon die Kirchenväter gesehen. Diesen Gedanken greift auch ein Weihnachtslied von Jochen Klepper auf, das Eingang in das neue Gotteslob gefunden hat. Da heißt es:

Du Kind, zu dieser heilgen Zeit
gedenken wir auch an dein Leid,
das wir zu dieser späten Nacht
durch unsre Schuld auf dich gebracht.

Die Welt ist heut voll Freudenhall.
Du aber liegst im armen Stall.
Dein Urteilsspruch ist längst gefällt,
das Kreuz ist dir schon aufgestellt.

Warum, liebe Schwestern und Brüder, erzähle ich Ihnen all dieses Schwere und Negative? Sicher nicht, um Ihnen die Weihnachtsstimmung zu vermiesen. Ich glaube vielmehr, dass Weihnachten und seine Botschaft, wenn wir sie tiefer verste­hen und nicht an der romantischen und manchmal auch kit­schigen Oberfläche bleiben, uns wertvolle Impulse und Hilfen geben kann über Weihnachten hinaus, für unser ganz alltäg­liches Leben, für die restlichen 364 Tage des Jahres, insbe­sondere dann, wenn uns nicht nach Feiern zumute ist.

Unser Leben ist ja nicht immer so wie heute. Da gibt es nicht nur Feierstimmung und Idylle. Da gibt es doch auch all das Schwere, Dunkle und Beschissene. Da gibt es Dinge, die uns stinken. Da gibt es Dinge, die uns das Leben schwermachen. Da gibt es Enttäuschungen, Frust, Scheitern, Scham, Schuld, Mutlosigkeit, Resignation und nicht zuletzt die Corona-Pan­demie, mit allen Einschränkungen, Lasten und Leid, die sie mit sich bringt.

Natürlich kann ich das auch mal ausblenden, all meine Sorgen für einen Augenblick vergessen und einfach feiern. Aber danach hat mich der Alltag ganz schnell wieder.

Weihnachten will uns sagen: Du musst vor deiner Nacht, vor den Dunkelheiten deines Lebens nicht weglaufen. Du musst sie nicht verdrängen. Du kannst dich ihnen stellen, weil mitten in deine Nacht der hereingeboren wurde, der das „wahre Licht“ ist (Joh 1,9), das „Licht der Welt“ (Joh 8,12) und von dem unser Glaubensbekenntnis als „Licht vom Licht“ spricht. Er ist in unsere Nacht des Todesschattens gekommen, damit auch über uns ein helles Licht aufleuchtet. Ja, seit Gott Mensch geworden ist, ist keine Nacht mehr so finster, dass sie nicht den Keim und die Verheißung eines neuen Lichtes, eines kommenden Tages in sich birgt. Und deshalb kann jede Nacht heilige Nacht, Weihnacht werden, weil Gott in ihr wohnt. Mit der Geburt Jesu, mit dem Kind in der Krippe, beginnt das Werk unserer Erlösung, das sich am Kreuz, das aus demselben Holz geschnitzt ist, vollendet. Hier hat Jesus die Macht des Todes gebrochen, die Nacht des Todesschattens erleuchtet. Und so wurde das Kreuz, an dem Christus gestorben ist, zur Wiege neuen Lebens.

Von Weihnachten her strahlt uns ein neues Licht auf. Von Weihnachten her erscheint alles in einem neuen Licht. Weih­nachten will uns die Angst vor dem Dunkel dieser Welt, vor unserem eigenen Dunkel nehmen. Denn von nun an geht der Immanuel, der Gott mit uns, gemeinsam durch jede Nacht, und sei sie noch so finster.

Und deshalb können wir die Nacht loben und besingen: Stille Nacht. Heilige Nacht. Ja, auch mit diesem Lied, auch wenn es für einige zu gefühlsselig und zu wenig gehaltvoll ist. Vielleicht geht dieses Lied ja deshalb vielen so zu Herzen, weil sie dabei zumindest dunkel und unbewusst erahnen, auch wenn sie es nicht benennen können, dass sie hier mit dem Geheimnis ihrer eigenen Nacht mit inbegriffen sind und weil sie damit zugleich ihrer Sehnsucht oder auch ihrem Glauben Ausdruck verleihen, dass Christ, der Retter, wirklich da ist und sie von allem Dunkel erlöst. Und dann gewinnt dieses Lied an Tiefe und kann zu einem beeindruckenden und starken Zeugnis des eigenen Glaubens werden. Und wenn wir so die Botschaft von Weihnachten immer mehr verinnerlichen und davon unser Leben verändern lassen, dann können wir auch in der dunkelsten Nacht mit den Augen des Glaubens das strahlende göttliche Licht sehen und mit den Ohren den himmlischen Lobgesang der Engel hören: Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden, und auf Erden Friede den Menschen seines Wohlgefallens.