Impuls an Maria Empfängnis (8.12.2023)

Blick vom Himmel herab und sieh her von deiner heiligen, prachtvollen Wohnung! Wo ist dein leidenschaftlicher Eifer und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und dein Erbarmen – sie bleiben mir versagt! Du bist doch unser Vater! Abraham weiß nichts von uns, Israel kennt uns nicht. Du, HERR, bist unser Vater, Unser Erlöser von jeher ist dein Name. Warum lässt du uns, HERR, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbbesitz sind! Für eine kurze Zeit haben unsere Feinde dein heiliges Volk in Besitz genommen; dein Heiligtum haben sie zertreten. Wir sind geworden wie die, über die du nie geherrscht hast, über denen dein Name nie ausgerufen wurde. Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen. (Jes 63,15-19a)

 

Wo steckt Gott?

Das ist eine Frage, die uns Menschen immer wieder beschäftigt. Man kann das aus nüchterner geisteswissenschaftlicher Sicht betrachten und fragen: Wo ist die andere Welt? Und: wenn die Toten wirklich auferstehen: Wo sind sie? Unsere Lieben und die unendlich vielen, die vor uns auf dieser Erde gelebt haben? Gerade auf die letzte Frage können wir nicht mehr distanziert antworten, denn existentiell gefragt, formuliert sich die Frage wohl eher so:

Wo versteckt sich Gott? – Warum lässt er sich nur so schwer finden?

In dieser durch Not verschärften Fragestellung finden wir uns in der Ambivalenz aller Beziehungen wieder. Sie öffnen beide Beziehungsrichtungen: Wie schön und unterstützend ist es, wenn wir Menschen an unserer Seite haben dürfen, die uns unterstützen, die uns begleiten, die uns lieben. Und wie schmerzhaft wird es, wenn solche Menschen fehlen. Nagende Einsamkeitsgefühle, verzweifelte Schreie sind dann unsere Reaktion.

Mit der Gottesbeziehung ist es ebenso. Er fehlt uns. Wir suchen. Und dann machen wir Gott dem Menschen auf unsere Art und Weise gleich. Gott ist nicht mehr Gott, sondern nur noch eine Art „Supermensch“ – besser, schneller, stärker, größer – allmächtig im Menschensinn. Ein Unweg und ein Umweg.

Dabei müssen und können wir Gott nicht uns Menschen vergleichbar machen. Das gelingt nie. Wenn wir wirklich auf die Suche nach dem Anderen, nach dem Eigenen, nach dem wirklich Göttlichen gehen, ändert sich auch die Richtung unserer Frage:

Worin überall steckt Gott?

Die Antwort ist im Grunde einfach und so schwierig zugleich: Er ist überall – der Himmel ist längst zerrissen und Gott ist schon immer in der Welt. Nicht etwa Aufsehen erregend, nicht laut, nicht halbstark, nicht gewalttätig. Gott ist da, wie ein Kind da ist. Hier. Jetzt. Überall. Die andere Richtung ist göttlich: Er ist uns gleich geworden und genau darin offenbart er seine Gottheit. Er ist nicht Superheld-Supermensch, er ist supermenschlich, hat unsere Natur nicht nur angenommen, sondern auf geheimnisvolle Weise vertieft. Er ist einer von uns mitten unter uns. Hier. Jetzt. Überall.

Wir feiern das Marienfest: Gottes Tor unter den Menschen öffnet ihn ins Menschsein hinein.

P. Abraham Fischer OSB