Impuls am Mittwoch der Fünften Fastenwoche (29.3.2023)

Nicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden.
(RB 4,62)

Wann ist es so weit, dass ich heilig bin?

Kennst Du auch das Bedürfnis, herauszufinden, wie es um Dein Bemühen steht, ein guter Mensch oder gar Christ zu sein? Ertappst Du Dich manchmal bei der Frage, ob Dein Glaube Fortschritte macht oder eher oberflächlich bleibt? Dieses Bedürfnis, den spirituellen Puls zu fühlen, hat sehr viel zu tun mit einem selbstverliebten Blick in den Spiegel, der einem vielleicht offenbaren könnte, ob ich inzwischen der „Schönste im ganzen Land“ bin, etwa nach einer selbstlosen Tat. Spätestens dann ist klar: Ich nehme mich immer noch viel zu wichtig.

Entscheidend für eine realistische Selbstbeurteilung scheint mir nicht zu sein, was andere über mich denken, sondern z. B. ob ich unauffällige Dienste übernehmen kann, die mir zwar Mühe bereiten, aber keinen Imagegewinn einbringen. Wonach richte ich mein Verhalten aus?

Selbst wenn ein Mönch noch so oft an Gebetszeiten teilnimmt, kann es in seinem Innern ganz anders aussehen. Wer ich bin, wie es um mich steht, das verraten nicht so sehr meine Ideale und Vorsätze, mein Eindruck in der Öffentlichkeit, sondern eher unbewusste Gesten oder Verhaltensweisen, etwa wenn ich mich unbeobachtet fühle und keiner zuhört. Wie lange lausche ich meinen Worten nach, auch wenn sie vor langer Zeit gesprochen worden sind, und wie oft beschäftigt mich das Lob der anderen oder ihre Kritik?

Heilig sein heißt: nicht zu viel daran denken, sondern, wie der hl. Benedikt sagt, „es erst sein“, ohne etwas davon zu haben. Heiligkeit ist ein Geschenk der Gnade. Darum dankbar sein und nicht vergessen: „Wer meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle!“ (1 Kor 10,12)

P. Johannes Sauerwald OSB