Impuls am Samstag nach Epiphanie (8.1.2022)
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh 3,16 – ganzer Text: Joh 3,1-21)
Besonders in den alten und klassischen Kirchenliedern zur Passionszeit begegnet sie uns: die Vorstellung, dass Jesus am Kreuz sterben musste, um unsere Schuld wieder gut zu machen. „Ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast“ heißt es da beispielsweise in dem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ und manche haben solche Passagen derart verinnerlicht, dass sie mit einem schweren Rucksack von religiös begründeten und häufig irrationalen Schuldgefühlen durch das Leben gehen. Damit soll an dieser Stelle nicht gesagt sein, dass Menschen nicht immer wieder Schuld auf sich laden und diese der Vergebung und Versöhnung untereinander bedarf. Aber musste Jesus sterben, um Gott mit seinem Tod eine angemessene Sühneleistung für die Sünde der verderbten Menschheit darzubringen?
Zumindest mit dem Johannesevangelium lässt sich dieses alte Deutungsmuster nicht aufrechterhalten. Der Tod Jesu am Kreuz ist die Konsequenz daraus, dass Jesus seine Botschaft bis zum Äußersten selbst lebt. So sehr liebt Gott diese Welt, dass er seinen Sohn in diese Welt sendet und diese Liebe wird im Sterben vollendet, weil die Botschaft der Gewaltlosigkeit und der unbedingten Liebe hier bis ins Letzte hinein gelebt wird. Es geht bei diesem Sterben am Kreuz dann eben nicht darum, eine beleidigte Gottheit mit einer entsprechenden Sühneleistung zu versöhnen. Und die Rechtfertigung des sündigen Menschen und seine Erlösung geschehen durch seinen Glauben daran: Der Glaube ist das „Von-oben-Geboren-werden“, von dem Jesus in seinem nächtlichen Gespräch mit Nikodemus spricht.
P. Vincent Grunwald OSB