Impuls am 4. Fastensonntag (14.03.2021)

2 Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth! 3 Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. 4 Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.  (aus Psalm 84)

Vor einigen Wochen bin ich ganz früh am Morgen aufgewacht und hörte, wie ein Schwarm Kraniche über das Kloster zog. Über das Sauerland ziehen immer viele Zugvögel im Frühjahr und Herbst, auf der Reise zu ihren jeweiligen Quartieren.
Es war draußen noch vollkommen dunkel, und nur die eindrücklichen Rufe der Vögel waren zu hören.
Ich fand es beindruckend, mit welchem Vertrauen sie ihrem Ziel entgegenstrebten. Sicher, sie haben bestimmt so etwas wie einen inneren Kompass, um auch unter widrigen Bedingungen ihr Ziel zu finden. Aber die Vorstellung, aus der Dunkelheit dem Licht entgegenzufliegen, ohne überhaupt etwas von dem Licht zu sehen, gefiel mir.
Kraniche sind in vielen Kulturen Glücksboten, und auch wenn sie ja nicht direkt in unserem heutigen Psalm vorkommen, so sind sie doch, wie alle Zugvögel, ein Symbol für unsere Sehnsucht nach dem Licht des Lebens.  Auch Schwalben sind normalerweise nicht das ganze Jahr bei uns zuhause, sondern nur Sommergäste.
Das Spannende ist: Zugvögel sind Boten für das Leben, und sie streben dem Licht und der Wärme entgegen. Für eine Weile finden sie ein Haus, ein Nest, es gibt Nachwuchs, dann heißt es wieder aufzubrechen und an ein anderes Ziel zu gelangen. Sie sind immer wieder auf der Reise, und im Rhythmus der Jahreszeiten kehren sie eigentlich auch immer wieder um.
Umkehr kann also einfach auch Rhythmus bedeuten und etwas ganz Natürliches sein. Es muss nicht immer das Schwere in sich tragen, dass ich als Mensch ein armer Sünder bin und umkehren muss, um wieder auf den tugendhaften Weg zurück zu kommen.
Jeder zum Beispiel, der gerne bergwandert, weiß, dass er spätestens auf dem Gipfel wieder umkehren muss.
Unser eigener innerer Kompass kann uns helfen, wenn wir manchmal den Weg nicht sehen können. Unser Leib und unsere Seele sind gute Wegweiser. Oft ist da dieses Gefühl von Geborgenheit, dessen Ursprung wir aber nicht ergründen können. Vertrauen wir darauf, dass dieses Gefühl uns an einen guten Ort bringt.
Und auch unsere Sehnsucht ist ein guter Hinweisgeber. Ich finde, wir hören viel zu selten auf unsere Sehnsucht und haben oft nicht den Mut, ihr zu folgen.
Gerade aber sie lässt uns durch die Nacht fliegen.

Br. Balthasar Hartmann OSB