Predigt am 4. Fastensonntag (14.3.21)

von Br. Justus Niehaus OSB

Liebe Schwestern und Brüder,

Als ich vor zehn Jahren meine ersten Osterkerzen für den Klosterberg gemacht habe, hatte ich eine ganz besondere Karwoche. Auf den Osterkerzen für Kirche, Refektorium und Oase waren Auszüge aus dem Exsultet, also aus dem Gesang zum Lobpreis der Osterkerze in der Osternacht. Ich habe diese Texte aus Folie ausschneiden lassen, dann die Buchstaben aus der Folie entfernt, sie auf die Kerzen geklebt und nach der Bemalung die Folie wieder entfernt. Ich bekam also selbst am Karfreitag immer wieder die Texte aus der Osternacht, Texte des Lichts und der Auferstehung, zu lesen. Dies hat meinen Blick auf die Kartage verändert und ich habe verstanden, dass wir sie im Blick auf Ostern feiern sollen. Die Fastenzeit läuft nicht auf den Karfreitag, nicht auf Verrat, Verurteilung und Tod hin, sondern das Ziel ist Ostern. Es ist das Licht und die Auferstehung. Heute, am Bergfest der Fastenzeit wagen wir einen Ausblick auf Ostern. Wir machen uns klar was das Ziel unseres Weges ist. Das Licht leuchtet in vielen Gemeinden durch das Violett des Messgewandes und es wird rosa. Wie auch hier die Blumen vor mir.

Vor allem die Gesänge, die der gregorianische Choral für heute vorsieht, drücken die Vorfreunde auf das Ziel aus. Im Introitus dem Eingangsgesang heißt es: „Sei fröhlich Jerusalem! Und alle, die ihr sie liebt macht eine Versammlung. Freut euch in Fröhlichkeit, die ihr in Traurigkeit gewesen seid. Auf dass ihr jubelt und euch satt trinkt an den Brüsten eurer Tröstung.“

Laetare Jerusalem – in der Vertonung klingt das Ende des Oster-Hallelujas mit, das hier im Laetare unverkennbar vertont ist. Dies ist eines der bekanntesten Beispiele der Verknüpfungen innerhalb des gregorianischen Repertoires.
Wenn wir in dieser Fastenzeit uns aufmachen zu ihm, brauchen wir nicht zerknirscht vor Gott treten, nicht den Karfreitag vor Augen. Sondern uns freuen, dass wir auf dem Weg zu ihm sind. Das positive Ziel, Ostern, in den Blick nehmen.
Die Israeliten haben dieses Ziel immer mit dem Idealbild ihres Sehnsuchtsortes Jerusalem – was übersetzt Stadt des Friedens heißt – gleichgesetzt.
Der gregorianische Gesang zur Kommunion, die Communio, drückt in der Vertonung sehr schön die Sehnsucht nach Jerusalem aus –

Aber nicht nur musikalisch auch inhaltlich sind die Verse aus Psalm 122, die wir jede zweite Woche beten spannend. In unserer Übersetzung heißen sie:
„Jerusalem, als Stadt erbaut, die fest in sich gefügt ist. Dort ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, den Namen des Herrn zu preisen, wie es Gebot ist für Israel“
Die Lutherbibel übersetzt den ersten Vers:
„Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll“
Und in der Übersetzung des Münsterschwarzacher Choralbuches heißt es:
„Jerusalem, das gebaut ist als Stadt, in der sich vereinen, die verbunden sind mit ihr.“

Je nach Deutung des Hebräischen sind die Worte also entweder ein bautechnischer Begriff für die Kompaktheit der Stadt oder eine Bezeichnung für die in der Stadt als Gemeinschaft zusammenkommenden bzw. zusammenlebenden Menschen verstanden werden.
Wir sind also auf den Weg nach Jerusalem auf dem Weg in die Gesellschaft, die perfekt in sich gefügt ist. Was für ein tolles Bild. Eine Gesellschaft in der jeder seinen Platz hat. In der keine Risse und Lücken klaffen. Die nicht droht auseinander zu brechen und instabil zu werden. Ein Ort der Sicherheit, der Geborgenheit und der Gerechtigkeit. Wir kommen zum Licht. Wir kommen zu Christus.

Der Komponist streicht aus den Versen das Gebot für Israel und ändert „den Namen des Herrn zu preisen“ in „deinen Namen Herr zu preisen“. „Dort ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, deinen Namen, Herr, zu preisen“ Wobei das Deinen (tuo) eine besondere Akzentuierung erfährt. Er ändert die Perspektive und spricht Gott direkt an. Wir sind auf dem Weg zu Dir, Herr. Wir steigen hinauf zu Dir. Wir folgen dem Ruf den du durch König Kyrus ausgerufen hast: „Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört— der Herr, sein Gott, sei mit ihm —,der soll hinaufziehen.“

Und wie funktioniert dieser Weg? Christus sagt im Evangelium, wir sollen zum Licht streben, wir sollen die Wahrheit tun, dann kommen wir zum Licht, dann sind unsere Taten in Gott vollbracht, in Gott getan. Jeder von uns weiß genau, wann er zum Licht strebt und wann zur Finsternis. Jeder urteilt somit über sich selber und muss mit den Konsequenzen leben. Last uns also danach streben, ins Licht zu kommen. Aufzusteigen zu unserem Sehnsuchtsort an dem jeder seinen Platz hat, auch wenn der Aufstieg manchmal schwer fällt und es Rückschläge gibt. Zum Jerusalem in dem sich die Gemeinschaft fest in sich zusammenfügt und unterstützen wir uns auf diesem Weg, damit wir das Ziel erreichen.
Jetzt, in dieser Zeit.