Impuls am Fest des hl. Johannes (27.12.2022)
Ankommen in der Liebe
Dies ist der Jünger, der all das bezeugt und aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. (Joh 21,24)
Der Evangelist Johannes wurde häufig mit dem Jünger identifiziert, den Jesus liebte: Dem obigen Zitat aus dem sogenannten Zweiten Schluss des Evangeliums geht nämlich unmittelbar voraus, dass Petrus sich umwendet und den Jünger sieht, den Jesus liebte und daraufhin den Herrn fragt: „Herr, was wird denn mit ihm?“ Neben der Frage, wer genau eigentlich der Verfasser des Johannesevangeliums ist, beschäftigte die Leser dieses Evangeliums auch immer schon die Frage, wer denn dieser Jünger sei, den Jesus liebte. Seine Anonymität, seine ehrenvolle Bezeichnung und seine Idealisierung – all das trägt zu der geheimnisvollen Aura bei, die diesen Jünger umgibt. Die Frage nach seiner Identität ist bis heute nicht verstummt, aber auch noch nicht beantwortet. Unabhängig davon berührt es mich aber immer wieder neu, dass auch Jesus tief empfundene Freundschaft kannte und dieser Jünger ihm offenbar viel bedeutete. Das Thema Freundschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Johannesevangelium: Gott, der die Welt so sehr liebt, dass er Mensch wird und seinen Sohn in die Welt sendet, um sie zu erlösen. Jesus, der sein Leben für seine Freunde hingibt, um sie zu retten und der schließlich zu seinen Jüngern sagt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15,15)
Freundschaft gehört sicher zu den wichtigsten und schönsten Erfahrungen im Leben und ist eine gute Gabe und ein Geschenk Gottes. Und sie ist ein Widerschein der tiefen Liebe und Freundschaft, die Gott zum Menschen hat und die so tief war, dass er dem Menschen ganz nahe kommen wollte: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14)
P. Vincent Grunwald OSB