Impuls am Fest der Unschuldigen Kinder (28.12.2022)

Ankommen auf Umwegen


Ich muss zugeben, dass ich mich mit dem heutigen Fest der unschuldigen Kinder schwertue. Einerseits ist es ein sehr altes Fest, bekannt seit dem 6. Jahrhundert, andererseits ist der Kindermord von Bethlehem nicht historisch belegt, und wohl eine Fiktion aus antiken Tagen.

Hinzu kommt dann auch noch, dass wir ja mittlerweile wissen, dass der Schutz der Kinder in unserer Kirche oft eigentlich mehr Fassade war als wirkliches Herzensanliegen.
Beim Nachdenken über den heutigen Tag sehe ich die Bilder von Gräberfeldern aus Kanada vor mir, die in diesem Jahr durch die Medien gegangen sind. Gräber von indigenen Kindern, die in katholischen Kinderheimen ums Leben gekommen sind, weil man sich nicht wirklich fürsorglich um sie gekümmert hat, und die dann einfach anonym und heimlich verscharrt wurden. Nur ein Fall von vielen Missbräuchen, die  alleine in diesem Jahr ans Licht gekommen sind.
Ein arabisches Sprichwort sagt: Die Wahrheit wird euch finden.
Und in dieser Weisheit steckt viel Wahrheit. Denn die Wahrheit ist nur dadurch ans Licht gekommen, weil die Betroffenen mutig und beharrlich waren.  Oft hat das sehr lange gedauert, und ihr Leben hat viele schmerzliche, traumatische Wege genommen.

Aber den geraden Weg verlieren, Umwege gehen, abstürzen, nicht mehr können –  kann zum Licht führen.
Scheinheiligkeit dagegen nie.

Br. Balthasar Hartmann OSB