Impuls am 22. Dezember (22.12.2022)

Große Anrufung

O König aller Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht;
Schlussstein, der alles zusammenhält:
O komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet. (O-Antiphon vom 22. Dezember)

Angenommen, es stimmte tatsächlich,
dass die Menschen, die Völker und Staaten sich nichts sehnlichster wünschten als den gottgesandten demütigen Jesus zum König zu haben –  dann wäre endgültig Friede auf dieser Erde.
Mir ist natürlich klar, dass sich die meisten Menschen kaum vorstellen könnten, Jesus von Nazareth zum König haben zu wollen. Das ist unrealistisch.

Aber angenommen, es gibt irgendwo im Menschen die Erwartung und Sehnsucht nach einer Gestalt, die das bleibend Gute verkörpert, sich nicht korrumpieren lässt von Machtgier und Größenwahn, sondern allen Geschöpfen dieser Welt Recht verschafft, die im Einklang mit dem göttlichen Ursprung und der kosmischen Harmonie ist und  wie ein Schlussstein alles zusammenhält. Und es läge allein an unsrer Blindheit, den König aller Völker zu übersehen.
Angenommen, er wäre schon unterwegs zu uns. Wir bräuchten ihn nur zu erwarten.

Im Advent fragen wir uns, welche Sehnsucht in uns steckt. Wonach strecken wir uns aus?
Wo wollen wir hin? Welcher Wunsch lässt uns nicht los?

Die O-Antiphon ist eine große Anrufung: mit allen, die sie singen oder beten, rufen wir aus:
Komm, Du alles zusammenhaltende Kraft,
lass es geschehen, dass Du auch in diesem Jahr von neuem zur Welt kommst,
hinein in verschüttete Bunker,
hinein in unser Inneres, in unsere Sehnsucht und Erwartung.
Komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet.

P. Johannes Sauerwald OSB