Impuls am Montag der Dritten Adventswoche (18.12.2023)

So spricht der HERR Zebaoth: Es werden noch Völker kommen und Bürger vieler Städte, und die Bürger der einen Stadt werden zur andern gehen und sagen: Lasst uns gehen, den HERRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth; wir wollen mit euch gehen. So werden viele Völker und mächtige Nationen kommen, den HERRN Zebaoth in Jerusalem zu suchen und den HERRN anzuflehen.
(Sach 8,20-23)

Es ist irgendwie fast zum Verzweifeln, dass wir Menschen bis heute immer wieder das himmlische mit dem irdischen Jerusalem verwechseln.
Sicher, das irdische Jerusalem ist fundamental für drei Weltreligionen, ein großer Ort von Geschichte und Kultur, aber eben auch immer wieder Quelle von Zwietracht, Hass, Gewalt. Das liegt nicht alleine an diesem Ort, sondern ist eben etwas Menschliches, diese dunkle Seite von uns.
Das himmlische Jerusalem ist dagegen Vollkommenheit, Ort der Hoffnung für alle Menschen, Ursprung der Liebe, und kann daher nie die Quelle von Hass oder Gewalt sein.
Beide Orte verbindet, dass sie aber auch Sehnsuchtsorte für uns sind. Wir haben immer die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf eine Erfüllung. Wir Menschen machen uns immer wieder auf den Weg, eine neue Heimat zu suchen, einen besseren Ort, an dem wir vielleicht sicherer sind, weniger Not haben, unseren Kindern eine Zukunft geboten wird.
Ich denke bei einer solchen Heimatsuche an meine Großeltern, die Eltern meiner Mutter. Sie sind einst in den 1920er Jahren aus Pommern und aus Schlesien nach Berlin aufgebrochen, um dort ein besseres Leben zu suchen, und auf dieser Suche haben sie sich dann gegenseitig gefunden.
Das Bild oben ist eines der wenigen Fotos, das erhalten geblieben ist. Ein glücklicher Tag. Vielleicht ein Sonntag im Grünen. Mein Opa, wie immer, den Schalk ins Gesicht geschrieben, den Arm liebevoll um die Schulter meiner Oma gelegt. Beide strahlen.
Es ist eine Geschichte von Millionen. Vielleicht ein lichter Jerusalem-Moment.
„Zur Heimat erkor ich mir die Liebe“, schrieb einmal die jüdische Lyrikerin Mascha Kaléko in ihrem Gedicht „Die frühen Jahre“. Sie selbst fühlte sich ihr Leben an keinem Ort zuhause. Und dann erzählt gerade sie uns, wie leicht es doch sein kann, trotz aller Enttäuschungen oder geplatzter Träume den Weg nach Jerusalem zu finden.

Br. Balthasar Hartmann OSB