Impuls am Dienstag der Ersten Adventswoche (29.11.2022)

Aufbrechen zur neuen Schöpfung (Jes 11,1-10)

Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. (Jes 11,6-8)

Die Schöpfung ist bedroht. So kann es nicht weitergehen, wie es lange weitergegangen ist. Das werden wohl nur die uneinsichtigsten Leugner:innen des Klimawandels bestreiten. Wie drängend die Situation ist, das zeigen uns die spektakulären Aktionen der Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“. Auch wenn man über den Sinn so mancher Aktion sicherlich diskutieren mag, wird für mich hier ein Aufschrei der jungen Generation deutlich, die ja unmittelbar von den Folgen unseres Lebensstils betroffen ist. Es ist drängend. Es muss etwas getan werden, wenn es auch in dreißig Jahren noch weitergehen soll. Mir scheint, dass der Ruf nach drastischen Strafen und Präventivhaft, der aus einigen Ecken lautstark erschallt, oft nur ablenken soll vom eigenen Versagen.

Mitten hinein in diese so bedrängende Situation wird uns heute die Vision einer neuen Schöpfung vor Augen gestellt, in der ein wahrhaft paradiesischer, Mensch und Tier umfassender Friede (Shalom) verheißen wird. Ist das nur eine billige Vertröstung für spätere Zeiten? Aber wie kann es diese späteren Zeiten geben, wenn wir alles dafür tun, diese Zeit und Welt hier und heute auszulöschen?

„Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem heiligen Berg“ (Jes 11,9), so heißt es weiter. Es liegt an uns, an jedem einzelnen, mit der Vision einer neuen Schöpfung anzufangen. Es liegt an uns, auf den so drängenden Protestruf der „Letzten Generation“ nicht mit Strafen zu reagieren, sondern mit dem Überdenken – und vielleicht Ändern – des eigenen Lebensstils. Shalom ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Keiner kann sich dieser Aufgabe entziehen. So kann uns die adventliche Vision des Propheten zur Herausforderung werden, zu dieser neuen Schöpfung aufzubrechen.

P. Maurus Runge OSB