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Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen.
(RB 4,63)

Das 4. Kapitel seiner Mönchsregel nennt der hl. Benedikt „Werkzeuge der geistlichen Kunst“. Für mich klingt da eine kre-aktive Lebenshaltung bzw. eine positive Lebenseinstellung mit, die durch die drei schöpferischen Worte „Werkzeug – Geistlich – Kunst“ unterstrichen wird. Alle drei Worte rufen in mir wach, dass ich kreativ und aktiv sein darf. Was nützt mir aber ein Werkzeug, wenn ich damit nicht handwerklich tätig bin und etwas erstelle? Was nützt mein geistliches Denken, wenn ich damit nicht den Klang der Lebensphilosophien erweitere oder ergänze und sie auch lebe? Und meine Kunst bleibt leer, wenn ich nicht immer wieder bildnerisch mit den Schöpfungskräften die Welt zum Guten umgestalte.

Benedikts Bild der Werkstatt fasziniert. Das klösterliche Leben einüben in einer Werkstatt – kre-aktiv für den Alltag zu werden. Und so verstehe ich auch das heutige Werkzeug der geistlichen Kunst „Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen“.  Es ist die ganzheitliche Ansprache, nicht nur Gottes Wort zu lesen und zu überdenken, sondern mein alltägliches Handeln von Gottes Weisungen inspirieren zu lassen, das heißt Gottes Weisungen aktiv zu leben! Gottes Wort in die Tat umsetzen. Gottes Willen geschehen lassen. Das ist gar nicht so einfach. Nicht umsonst vergleicht der hl. Benedikt das Kloster mit einer Schule. In der Schule lerne ich, bilde ich mich und übe mich ein. Gottes Weisungen zu verinnerlichen und zu leben ist ein lebenslanger Lernprozess der täglichen Übungen. Der Ort für den Mönch ist das Kloster mit seiner Werkstatt, wo die Werkzeuge für die Kunst des geistlichen Lebens benutzt werden sollen. Gut, dass es Zeiten im Kirchenjahr gibt wie die Fastenzeit, die wir als Übungsstunden nutzen können, um die Kunst des geistlichen Lebens leben zu lernen.

Und außerhalb des Klosters? Da gibt es zu diesem Werkzeug eine wunderbare Übung:

Als Christen sind wir in tiefem Vertrauen mit Gott verbunden. Christsein heißt in Freundschaft mit Jesus zu leben. Vielleicht ist der Heilige Geist so etwas wie ein unsichtbares Freundschaftsbändchen zwischen Gott und mir. Dieses Freundschaftsbändchen wurde bei der Taufe geknüpft. Manche  Christ*innen tragen ein besonderes Freundschaftsband, auf dem eine Buchstabenkombination WWJD aufgedruckt ist: „Was würde Jesus tun?“ (WWJD = What would Jesus do?) Es soll sie daran erinnern, sich diese Frage im Alltag immer wieder zu stellen bei den großen und kleinen Entscheidungen des Lebens. Was würde Jesus tun? Was tue ich, damit Gottes Wille in der Welt geschehe?

Br. Benedikt Müller OSB

Nicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden.
(RB 4,62)

Wann ist es so weit, dass ich heilig bin?

Kennst Du auch das Bedürfnis, herauszufinden, wie es um Dein Bemühen steht, ein guter Mensch oder gar Christ zu sein? Ertappst Du Dich manchmal bei der Frage, ob Dein Glaube Fortschritte macht oder eher oberflächlich bleibt? Dieses Bedürfnis, den spirituellen Puls zu fühlen, hat sehr viel zu tun mit einem selbstverliebten Blick in den Spiegel, der einem vielleicht offenbaren könnte, ob ich inzwischen der „Schönste im ganzen Land“ bin, etwa nach einer selbstlosen Tat. Spätestens dann ist klar: Ich nehme mich immer noch viel zu wichtig.

Entscheidend für eine realistische Selbstbeurteilung scheint mir nicht zu sein, was andere über mich denken, sondern z. B. ob ich unauffällige Dienste übernehmen kann, die mir zwar Mühe bereiten, aber keinen Imagegewinn einbringen. Wonach richte ich mein Verhalten aus?

Selbst wenn ein Mönch noch so oft an Gebetszeiten teilnimmt, kann es in seinem Innern ganz anders aussehen. Wer ich bin, wie es um mich steht, das verraten nicht so sehr meine Ideale und Vorsätze, mein Eindruck in der Öffentlichkeit, sondern eher unbewusste Gesten oder Verhaltensweisen, etwa wenn ich mich unbeobachtet fühle und keiner zuhört. Wie lange lausche ich meinen Worten nach, auch wenn sie vor langer Zeit gesprochen worden sind, und wie oft beschäftigt mich das Lob der anderen oder ihre Kritik?

Heilig sein heißt: nicht zu viel daran denken, sondern, wie der hl. Benedikt sagt, „es erst sein“, ohne etwas davon zu haben. Heiligkeit ist ein Geschenk der Gnade. Darum dankbar sein und nicht vergessen: „Wer meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle!“ (1 Kor 10,12)

P. Johannes Sauerwald OSB

Den Weisungen des Abtes in allem gehorchen, auch wenn er selbst, was ferne sei, anders handelt; man denke an die Weisung des Herrn: „Was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht.“
(RB 4,61)

„Was ferne sei…:“ Wenn in der Benediktsregel diese Formulierung gebraucht wird, dann weiß man eigentlich direkt, dass es um ein Thema von großer Wichtigkeit geht und dass dieses in Wahrheit recht häufig Konfliktstoff in einer Klostergemeinschaft bietet. So wird hier der Gehorsam dem Abt gegenüber eingefordert im Wissen darum, dass Gehorsam in dieser Situation eine wahre Herausforderung ist. Hält sich der Abt doch selbst nicht an das, wozu ihn seine Vorbildfunktion eigentlich verpflichtet. Indem mit einer Stelle aus dem Matthäusevangelium (Mt 23,3) eine Weisung Jesu zu diesem Dilemma zitiert wird, wird zu einer differenzierten Wahrnehmung der eigenen Verantwortung aufgefordert: Gültiger Maßstab für das eigene Handeln bleiben die Heilige Schrift, die Benediktsregel und das eigene Gewissen. Schlechtes und unvorbildliches Verhalten des Abtes oder auch anderer Brüder dienen nicht der Begründung eigenen Fehlverhaltens.

P. Vincent Grunwald OSB

Den Eigenwillen hassen.
(RB 4,60)

„Das ist doch wieder typisch katholisch. Den eigenen Willen zu hassen, das ist doch nicht gesund. Zu lange hat man Menschen in unserer Kirche mit solchen unmenschlichen Forderungen gebrochen. In so einer Kirche kann ich unmöglich bleiben.“ So ähnlich werden Sie vielleicht gedacht haben, als Sie das heutige Werkzeug aus der Benediktsregel gelesen haben. Und ich kann Sie gut verstehen. Wäre es tatsächlich so, wie ich es in der fiktiven Rede am Anfang beschrieben habe – ich möchte auch nicht in so einer Kirche sein und bleiben.

Das, was hier mit Eigenwille übersetzt wird – im lateinischen Original heißt es „propria voluntas“ – meint aber gar nicht den eigenen Willen, den freien Willen des Menschen. An dem ist nämlich nichts Böses, denn Gott hat uns schließlich als freie Menschen erschaffen. Und auch den Entschluss, ins Kloster einzutreten, habe ich aus freiem Willen getroffen – sonst wären meine Gelübde kirchenrechtlich auch gar nicht gültig. Benedikt betont diesen freien Willen des Menschen am Anfang seiner Regel sehr deutlich: „Wer ist der Mensch, der das Leben will und gute Tage zu sehen wünscht?“ (RB Prol. 15) Und einen Vers später sagt er: „Wenn du das hörst und antwortest: Ich…“ Die Grundentscheidung meines Lebens treffe ich aus freiem Willen, und auch im Kloster höre ich nicht auf, „Ich“ zu sagen – eine Klostergemeinschaft besteht aus sehr unterschiedlichen Individuen.

Was Benedikt mit dem neuen Wort „Eigenwillen“ bezeichnet und so verteufelt, sind eher die kleinen Begehrlichkeiten meines Egos, die mich nach und nach daran hindern, meiner Grundentscheidung zum Leben zu folgen. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: das Streben nach Macht, Karrieresucht, Gewinnstreben, Neid, Eifersucht, … Es geht also beim heutigen Werkzeug nicht darum, mein Ich und meine Freiheit aufzugeben, es geht darum, dass all die kleinen Begehrlichkeiten des Lebens mich nicht von dem wegführen, wofür ich mich einmal in Freiheit entschieden habe: dem zu folgen, der mich zum Leben führen will.

P. Maurus Runge OSB

Die Begierden des Fleisches nicht befriedigen.
(RB 4,59)

Schnell ist man mit diesem Wort Benedikts auf einer falschen Fährte. Alles Fleisch, sprich der eigene Körper ist schlecht. Das Christentum ist eben leibfeindlich!

Schaut man auf die Grundlagen beim Apostel Paulus, die auch für Benedikt wegweisend sind, sieht die Sache etwas anders aus und ist viel weiter zu sehen.

Paulus schreibt im Galaterbrief:

„Offenbar aber sind die Werke des Fleisches, welche sind: Hurerei, Unreinigkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Neid, Totschlag, Trunkenheit, Gelage und dergleichen, von denen ich euch vorhersage, gleichwie ich auch vorhergesagt habe, dass, die solches tun, das Reich Gottes nicht ererben werden. Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit; wider solche gibt es kein Gesetz.“

Die “ Werke des Fleisches “ – sie tun dem Menschen eigentlich nicht gut und führen vom Leben weg. Die „Werke des Geistes “ wollen dagegen zu einem mehr an Leben führen:

Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit,  …

Es gilt immer wieder im Alltag, „die Geister “ zu unterscheiden  – was führt mich zu einem wirklichen Mehr an Leben, und was macht mein Leben im Tiefsten eigentlich kleiner? Das meint bei Paulus und somit auch in der Benediktsregel die Unterscheidung zwischen den Werken des Fleisches und denen des Geistes.

Fangen wir also an, für diese Dynamik in uns wachsam und ehrlich zu sein.  Dann kann es Ostern werden – dann siegt das Leben.

P. Jonas Wiemann OSB

Und sich von allem Bösen künftig bessern.
(RB 4,58)

Das heutige Werkzeug ist eng mit dem von gestern verknüpft. Gestern ging es um das Bekenntnis meiner Schuld, dem Gedenken daran, dass ich Fehler mache und nicht perfekt bin. Heute geht es um das, was im Sakrament der Versöhnung Reue und Wiedergutmachung genannt wird. Das ist eigentlich nur folgerichtig: Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann strebe ich danach, es beim nächsten Mal besser zu machen. Das ist schon in ganz profanen Zusammenhängen so, z.B. im Arbeitsleben, wie viel mehr im geistlichen Leben. Wir Menschen ticken so. Wir streben danach, besser zu werden. Schließlich sind wir zur Vollkommenheit berufen.
Schlimm wird es, wenn daraus ein Zwang entsteht, der unfrei macht. Das hat in der Vergangenheit immer wieder zu unglückseligen Formen der Spiritualität geführt. Und das kann leicht zu geistlichem Missbrauch führen.

Bei der „Besserung vom Bösen“ geht es nicht um den Zwang zur Perfektion. Es geht darum, immer mehr das Bild von mir auszuprägen, das Gott sich von jedem einzelnen Menschen gemacht hat. Es geht um die Ermöglichung meines Menschseins.

P. Maurus Runge OSB

Seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen.
(RB 4,57)

Man kann heute kaum jemandem den Rat geben, sich auf diese Anweisung des hl. Benedikt  aufs Geratewohl einzulassen. Vor allem müssen sich Menschen mit schwachem  Selbstvertrauen davor hüten. Bloß nicht in den Drang verfallen, sich dauernd vergangener Sünden zu bezichtigen! Ich selbst praktiziere diese Art eines ausführlichen täglichen Sündenbekenntnisses nicht. Zwar sprechen wir im Konvent mehrmals täglich im Vaterunser die Bitte: „Und vergib uns unsre Schuld“, wir sagen auch zu Beginn der Komplet, dem Gebet zum Tagesabschluss, im Schuldbekenntnis, ganz allgemein, dass wir „gesündigt haben in Gedanken, Worten und Werken“, aber dabei weinen wir nicht, nur kommt vielleicht gelegentlich ein stummer Seufzer hoch, wenn einem einfällt, heute etwas verbockt zu haben.

Aber ich möchte doch versuchen, trotz meines Widerstrebens gegen eine deprimierende Frömmigkeit herauszufinden, was in Benedikts Anweisung an heilsamer, lebenskluger Absicht enthalten sein könnte.

Als erstes fällt mir auf: Hier ist vom Gebet die Rede.
Gebet ist kein Monolog, in dem Betende einfach drauf los reden, sondern ein Zwiegespräch, in dem der Mensch sein Herz einem hörenden Gott vertrauensvoll öffnet. Gott wird hier nicht als strafende Instanz angesprochen, der man haarklein alle seine Sünden ängstlich aufzählen muss, sondern als ein väterliches Gegenüber, das durch seine unbedingte Bereitschaft zum Zuhören einen Raum auftut, in dem all das zum Ausdruck gebracht werden darf, was die betende Person im Inneren bewegt, auch wenn es ihr peinlich ist.

Und dann: Gott ist die Quelle des Friedens.
Er will die Versöhnung. Seine Nähe hilft Spannungen im eigenen Leben zu überwinden. Von ihr geht die Kraft aus, die nötig ist, um seine ungelösten Konflikte anzunehmen und zu überwinden. Das ermutigt, sich ihm anzuvertrauen und nicht verheilte Wunden hinzuhalten. Wer echte Vergebung gefunden hat, lernt die versöhnende Wirklichkeit Gottes kennen und atmet auf.

Schließlich: Es ist sinnvoll, sich der eigenen Hinfälligkeit bewusst zu sein.
Das verhindert, sich etwas vorzumachen. Einen realistischen Blick auf die eigenen Grenzen zu bekommen ist doch ein erstrebenswertes Ziel! Warum sich also nicht hin und wieder aus versöhntem Herzen heraus an eigene Sünden erinnern? Ohne dabei die persönlichen Möglichkeiten zu übersehen.

P. Johannes Sauerwald OSB

Sich oft zum Beten niederwerfen.
(RB 4,56)

Das Gebet des Christen ist Ausdruck der liebenden Beziehungsqualität zu Gott hin. So verstanden gleicht das Gebet einer Pflege der Liebe zu dem, dem sich der Mensch verdankt. Das „ oft“ meint im Kontext der Regel nicht eine Anzahl von Gebeten, sondern will auf das „immerwährende Gebet“, gleich unserem Atem, hinweisen. Immerwährendes Gebet ist eine Sicht auf ein Leben in Gottes Gegenwart. Das „ niederwerfen“ darf auch als ein Ausdruck einer Hingabe an Gott verstanden werden. Der Mensch in seiner gesamten Existenz richtet sich immer wieder neu auf diese Liebe hin aus.

Charles de Foucauld hat es einmal so in einem Gebet ausgedrückt:

„.. weil ich Dich liebe und weil diese Liebe mich treibt, mich dir hinzugeben, mich in deine Hände zu legen, ohne Maß, mit einem grenzenlosen Vertrauen, denn Du bist mein VATER“.

Br. Emmanuel Panchyrz OSB

Heilige Lesungen gerne hören.
(RB 4,55)

Heilige Lesungen: Gott – Welt – Mensch

Wenn ich sie doch lesen könnte
die geheiligte Welt
Wenn ich ihn doch lesen könnte
den ebenbildlichen Menschen
Wenn ich ihn doch lesen könnte
den menschgewordenen Gott

 

Die Buchstaben der Schöpfung zeigen das All
Die Buchstaben des Menschen verkünden das Leben
Die Buchstaben Gottes offenbaren die Liebe

Wenn ich sie doch lesen könnte, diese wahrhaft heiligen Schriften

Oder lesen sie sich in Wirklichkeit selber vor?

ICH

Muss nichts tun
Muss nichts denken
Muss nichts verrichten

Lasse sie einfallen
in den Seelenraum – bis auf den Goldgrund sinken sie
Öffne die Herzensresonanz
Neige das Ohr

und fühle im Innersten:
schon immer bin ich im großen Verstehen

P. Abraham Fischer OSB

Häufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben.
(RB 4,54)

Schon öfter habe ich das Kloster Eberbach im Rheingau besucht. Hier wurde der berühmte Klosterkrimi „Der Name der Rose“ von Umberto Eco verfilmt. Der ehemalige Schlafsaal der Eberbacher Mönche diente im Film als Kulisse für die Schreibstube des Klosters – mit der berühmten kleinen Tür zur Bibliothek. Und hier spielt auch, wie ich finde, eine sehr gruselige Gesprächsszene zwischen William von Baskerville und dem alten Bibliothekar Jorge über das Lachen, die nicht gerade von der gewaltfreien Kommunikation à la Marshall Rosenberg gekennzeichnet ist, sondern einen eher aggressiven Unterton hat. Es wird heftig darüber gestritten, ob Jesus gelacht habe. Die Evangelien berichten nichts vom Lachen Jesu – vom Weinen dagegen schon. Mitunter ein Grund, dass viele Menschen die Kirche für unlustig halten. Für viele ist die Kirche eine ernste alte Dame ohne Humor, Trübsinn verbreitend, und dann weiß sie auch noch alles besser, aber bekommt ihre aktuellen Anliegen nicht geregelt, so dass anderen das Lachen im Halse stecken bleibt.

Der arme Jorge ist sicherlich starrköpfig geworden. Und vielleicht deutet er die Dinge nicht richtig, weil die Weite des Herzens fehlt. Wer weiß es schon? Wir wissen aber, dass das Evangelium wirklich keinen Spaß versteht, wenn es auf Kosten anderer, vor allem der Schwächeren geht. Wenn man also den Nächsten auslacht und bloßstellt oder kleinlacht. Das hat mit einem gesellschaftlichen Hintergrund aus der Zeit der Entstehung des Evangeliums zu tun. In der römischen Antike hat man die Menschen wegen ihrer Schwächen oder Handicaps ausgelacht und damit vor aller Welt bloßgestellt. Für Jesus ist das Verlachtwerden ein Signal des Unglaubens gegen die schöpferische Liebe Gottes zu jedem Menschen, der nach dem Abbild des Allmächtigen geschaffen wurde – eine Form der Ablehnung und der Verhöhnung des Nächsten. Der heilige Benedikt nimmt diesen Faden auf, wenn er in seiner Mönchsregel schreibt: „Häufiges oder ungezügeltes Gelächter nicht lieben.“ (RB 4,54). Es geht dem Mann vom Monte Cassino nicht um den fröhlichen, gesunden Humor, sondern um das abfällige Lachen über die Schwächen des Nächsten. Das kann nämlich zum Gift für das Klima in der klösterlichen Gemeinschaft werden. Nicht nur im klösterlichen Alltag lauert oft das Fettnäpfchen des Verlachens, sondern in jeder Lebensgemeinschaft und Gesellschaft. Die Fastenzeit ist wie ein Blick in den Spiegel, in dem wir unser eigenes Lachen wahrnehmen können. Ist es echt und voller Liebe? Oder steckt Missgunst und Verachtung dahinter?

Br. Benedikt Müller OSB