Hier finden Sie die Predigten unserer Brüder – sofern diese mit der Veröffentlichung einverstanden sind – zum Nachlesen. Gerade in der Zeit, in der unsere Gottesdienste wegen der Verbreitung des Coronavirus nicht öffentlich sind, möchten wir Ihnen so Anteil geben an unserem Leben.

Hören und Handeln

Predigt anlässlich der Silberprofess von P. Maurus Runge OSB am 14.01.2024
(Lesungstext: 1 Sam 3,3b-10.19)

von Br. Ansgar Stüfe OSB, Abtei Münsterschwarzach

Höre mein Sohn, sind die ersten Worte der Regel des Heiligen Benedikt. Da die Regel drei Mal im Jahr in unseren Klöstern vorgelesen wird, bekommen die Mönche drei Mal im Jahr genau diesen Satz zu hören, falls sie zuhören.
Um das Hören geht es auch in der Lesung aus dem Buch Samuel. Samuel hört eine Stimme, ebenfalls drei Mal, und kann sie nicht zuordnen. Seinem erfahrenen Lehrer Eli erst fällt auf, dass dieser Ruf woanders herkommt. Samuel brauchte also die Hilfe eines in geistlichen Erfahrungen geübten Menschen, um seine eigene Berufung zu erkennen. Was war nun seine Berufung? Nachdem er erkannt hatte, wer ihn ruft, antwortete er: Rede, denn Dein Diener hört.
Also darum geht es bei der Berufung, dem Sprechen Gottes zuzuhören.
Jetzt wird es richtig spannend. Die Lesung hört nämlich gerade nach diesem Satz auf. Geht es also einfach ausschließlich darum, zu hören und darüber zu meditieren? Auf diese Frage antwortet Benedikt in unerwarteter Weise.
Wenn der Mönch also bereit ist zu hören, sagt er ihm: Nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat. Im ersten Satz der Regel wird also in dichtester Sprache das benediktinische Leben zusammengefasst. Es geht um das Hören und Erkennen der Sprache Gottes und das Handeln. Kontemplatives Leben besteht also nach Benedikt nicht nur in der Kontemplation, der Betrachtung, sondern auch in der Tat.
So beginnt auch das Leben des Mönchs durch eine Tat, nämlich dem Eintritt in das Kloster. Bei Dir, Maurus, ist das jetzt 25 Jahre her. Vor dem Eintritt aber stand die Bereitschaft zum Hören. Erst als Du Dich berufen fühltest, warst Du zum Schritt ins Kloster fähig geworden. Hören und Handeln gehört also zusammen. Trotzdem ist damit ein Problem verbunden. Viele Menschen fühlen, dass sie zu einem Lebensstil berufen sind, können sich aber nicht zur Tat entscheiden. Dafür gibt es viele Gründe. Manche fühlen sich unsicher, welcher Weg wirklich für sie geeignet ist.
Andere fürchten sich einfach davor, sich festzulegen und meinen, sowieso noch viel Zeit vor sich zu haben. Insgesamt fehlt es den meisten an Erfahrungen, Entscheidungen zu treffen, wenn der Ausgang nicht sicher vorhergesagt werden kann. Das ist ein Zeichen unserer Zeit. In meinem ärztlichen Beruf klagen ältere Kollegen, dass junge Ärzte und Ärztinnen sich vor Entscheidungen fürchten. Auch Ehen werden weniger geschlossen, weil es eben keine sichere Vorhersage für das Gelingen der Beziehung geben kann.
Diese Unsicherheit bleibt und muss ausgehalten werden, egal was wir in unserem Leben anpacken.
Daher folgt nach dem Eintritt auch das Versprechen, durchzuhalten. In der Sprache Benedikts ist es die Stabilität, das Bleiben. Es geht also darum, bei der gewählten Lebensform zu bleiben, auch wenn immer wieder Zweifel auftauchen, ob ich Gottes Stimme richtig interpretiert habe. In meiner eigenen Erfahrung, es sind jetzt 45 Jahre, wurde die Stabilität der wichtigste Faktor im geistlichen Leben. Als ich in der Abtei Peramiho in Tansania 1987 ankam, war ich noch recht jung. Die Umgebung war völlig fremd. Auch meine europäischen Mitbrüder lebten in einer Mentalität der Vergangenheit, die ich nicht verstand. In dieser Situation ergab sich die Notwendigkeit, die Leitung des Krankenhauses zu übernehmen. Für eine gewisse Zeit war ich davon überzeugt, dass ich das nie schaffen werde. Zum Glück waren zwei Ordensschwestern im Krankenhaus tätig, die mir Mut zusprachen. So sagte ich mir, wenigstens versuchen kann ich es ja. Aus diesem Versuch wurden 36 Jahre. Der Entschluss zum Durchhalten hat mir gezeigt, dass ich es wirklich schaffen kann und Eigenschaften in mir habe, von denen ich keine Ahnung hatte. Diese Art von Stabilität hat es mir ermöglicht, Wirkungen zu erzielen und Strukturen zu gestalten, wie ich sie mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätte. Wenn ich mir Dein monastisches Leben, lieber Maurus, anschaue, ist es Dir durchaus ähnlich ergangen. Du hast enorm viele Tätigkeiten übernommen, von denen Du früher nicht geahnt hast, dass Du sie mal ausüben wirst. Wir zwei haben sogar einmal zusammen den Reinigungsdienst in den Büros der Kongregation übernommen. Das können nur wenige Mönche von sich sagen.
Dem Hören folgt also die Tat. Dieser Satz mag manche überraschen, wenn diese Grundsätze als Kennzeichen kontemplativen Lebens genannt werden. Auch bei manchen Mönchen herrscht der Irrtum vor, dass klösterliches Leben ausschließlich im Meditieren besteht. Ja, das gehört dazu, es ist aber nicht alles. Das gehörte bzw. betrachtete Wort muss in die Tat umgesetzt werden.

Benediktiner haben nun sehr unterschiedliche Schwerpunkte, wenn diese Regelgrundsätze in das wirkliche Leben umgesetzt werden sollen. Da gibt es Klöster, die in Landwirtschaft und Handwerk arbeiten, aber keine Seelsorge oder Schulen unterhalten. Es gibt Klöster, die in Jahrhunderte alter Tradition Kunst und Schulen weitertragen oder auch unsere Kongregation, die Klöster in Afrika und Asien gegründet hat, um den Glauben zu verbreiten. Wir leben jetzt in einer Zeit, in der christlicher Glaube, besonders in katholischer Ausprägung, große Rückschläge zu erleiden hat und oft rundheraus abgelehnt wird. Nun meine ich, dass gerade hier die Stunde der Benediktiner geschlagen hat. Zwar predigen auch wir, manchmal sogar ich, aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist viel mehr unsere Lebensform. Frauen und Männer leben in Klöstern und teilen gemeinsam ihr Leben. Wir alle sind ja sehr unterschiedlichen Charakters, wir teilen nicht oft dieselbe Meinung und manchmal können wir uns überhaupt nicht leiden. Trotzdem leben wir in Frieden zusammen und bringen es sogar fertig, Entscheidungen zu treffen. Wir zeigen unsere Lebensform auch in der Öffentlichkeit. Kürzlich beschwerte sich jemand, dass wir im Livestream von unseren Gottesdiensten auch zeigen, wenn ein Mönch gähnt, einschläft und der Organist sogar ein Schluck Wasser trinkt. Aber genau das ist unsere Botschaft. Wir sind Menschen!! Nichts Menschliches ist uns fremd. Trotzdem leben wir zusammen, trotzdem halten wir durch und laufen nicht weg. Viele meiner Mitbrüder hätte ich mir nicht zu meinem Bekanntenkreis ausgesucht. Aber eben diese Menschen bereichern mich um Erfahrungen, die ich sonst ohne sie nicht gemacht hätte.
In neuerer Zeit ist es gelungen, unsere Lebensform auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch daran bist Du, Maurus, beteiligt.
Die modernen Medien und der schon erwähnte Livestream erlauben ganz neue Wege, mit Menschen aus allen Schichten in Kontakt zu treten. Dabei hilft es, dass heutzutage keine theologischen Abhandlungen erwartet werden, sondern einfach das Alltagsleben der Benediktiner sichtbar wird. Es scheint ja so zu sein, dass Glaubensverkündigung heute nur durch glaubwürdig gelebtes Leben gelingen kann. So schreibt Benedikt im Kapitel über den Abt: „Er mache alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch Reden sichtbar.“ Dies gilt für alle Mönche, ja eigentlich für alle Christen. Wenn uns dann jemand fragt, was es denn mit dem Christentum auf sich hat, können wir antworten: Kommt und seht. Amen.

von P. Klaus-Ludger Söbbeler OSB

Ich will, dass Du bist.

I.

Jemand fühlt sich wie versteinert, mutlos, ohne Orientierung, kraftlos. Da hinein sagt ihm einer ein Wort der Zuneigung und Sympathie. Dann kann es geschehen, dass beinahe im Handumdrehen aus dem versteinerten Herzen ein Herz aus Fleisch wird, eines das lebt und pocht und springen möchte vor Erleichterung und Freude. Einen solchen lebenswendenden und Leben spendenden Satz haben wir gerade im Evangelium gehört. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“-  Im Augenblick seiner Taufe hört Jesus diesen Satz und wird von ihm so gepackt, dass er davon im Leben und durchs Sterben hindurch getragen ist. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Das verinnerlicht Jesus so sehr, dass er ganz und gar verkörpert wer und wie Gott ist.

II.

Wenn ich in mich selbst hineinschaue und deute, was ich immer wieder mit Menschen erlebe, ist das eine der größten Sehnsüchte, die wir alle in uns haben: Ich möchte wer sein. Darum ist es auch wohl so unbeschreiblich bitter, wenn jemand glaubt von sich sagen zu müssen: Ich habe es zu nichts gebracht, niemand findet Gefallen an mir.

Weil ganz viele Menschen es zu möglichst viel bringen wollen, geschieht unendlich viel: Schauen Sie sich Ihre Schul- und Ausbildungszeugnisse, Ihre Gehaltskonten, Ihre Titel, den Komfort Ihrer Häuser, die Autos und Urlaubsreisen … an: Dazu haben wir es gebracht.

Zugleich Sie wissen alle aus Ihrer Lebenserfahrung: Früher oder später wirken Menschen einfach nur komisch oder tragisch in ihrem Versuch, koste es was es wolle, wer zu sein. Kurz: Wer meint, er wäre schon wer, wenn er es zu etwas gebracht hat, liegt irgendwann auf der Nase.

Denn der Satz: „Ich bin wer“ oder „Ich gefalle mir“ geht nicht; er hört sich entweder schrecklich einsam oder lächerlich naiv an. Es geht nur: „Du bist wer.“ „Du gefällst mir.“ Alles andere ist Krampf, – so wie der Versuch, sich selbst zu umarmen. Es gibt Dinge, die kann ich mir nicht selber sagen, die sind nur gültig, wenn ich sie gesagt bekomme – aus freien Stücken, von Herzen, kurz aus Liebe. Denn Liebe bedeutet: „Ich will, dass du bist“, so der heilige Augustinus

Wir Menschen leben nicht von dem, was wir bringen, sondern von dem, was uns gebracht wird, nicht von dem, was wir machen, sondern von dem, was uns geschenkt ist. Das gilt umso mehr, je hartnäckiger behauptet wird, dass es anders sei.

III.

Wenn ich persönlich ausdrücke, was es heißt an Gott zu glauben, dann ist es ganz einfach dies: Was ich bin, ist mir von Gott geschenkt. Und Unglaube ist aus dieser Perspektive: Ich muss selbst das bringen, was ich sein will. Der entscheidende Satz des Glaubens lautet: Gott, ich glaube dir, dass du an mich glaubst und deshalb Mensch geworden bist.

So an Gott glauben zu können, ist eine unglaublich schöne Sache, weil es mich von diesem Krampf entlastet, mir selber sagen zu müssen, dass ich wer bin – und immer wieder und wieder zu leiden, dass das nun einmal nicht geht, selbst wenn ich mich dabei bis zum Umfallen anstrenge.

An Gott zu glauben ist zugleich eine unglaublich schwere Sache, weil wir bis in innerste Tiefen meinen, wir seien nur das, was wir aus uns machen: Eine Wahnvorstellung, die deshalb so wirksam ist, weil so viele behaupten, das sei doch normal. Sich nicht vorstellen können und erst recht nicht glauben können, dass vor allen anderen, sogar vor mir selbst, Gott an mich glaubt, – das ist die eigentliche Wurzel des Unglaubens, – auch der Glaubens- und Kirchenkrise hier und heute.

IV.

Weil glauben so schön und so schwer zugleich ist, deshalb können wir es nicht allein. Deshalb gibt es Kirche in Gemeinden, Klöstern, Gruppen. All das ist zu nichts anderem da, als das Menschen im Namen Gottes einander sagen und darin bestärken: Du bist wer, weil Gott dein Vater ist und Jesus Christus dein Bruder wurde, du bist Kind Gottes. Die einfache Tatsache, dass du da bist, ist genug, damit es gut ist. Kurz und noch einmal: „Ich will, dass du bist.“

Jede Begegnung, die einem Menschen das vermittelt, ist ein Augenblick, in dem sich der Himmel öffnet. Jede Situation ohne Tuchfühlung mit diesem Himmel ist ein Vorgeschmack der Hölle.

Damit sich der Himmel öffnet und offen bleibt, gibt es die Taufe: Der Mensch bekommt – theologisch ausgedrückt – als „unauslöschliches Siegel“ eingebrannt: Du bist schon wer, bevor Du es zu etwas gebracht hast. Wer das in sich aufnimmt und in sich wirken lässt, der bekommt ein „neues Herz“, einen „neuen Geist“.

Wenn wir diesen „neuen Geist“ aus den Weihnachtstagen mitnehmen könnten in den „Jahreskreis“, – dann wäre der kein Hamsterrad, in dem wir uns totlaufen, sondern eine Etappe auf dem Weg zum Himmel!

von P. Marian Reke OSB

Aus einer unbegrenzbaren kosmischen Dunkelwolke schimmert schwach ein einziger Stern; das muss uns genug sein; mehr ist nicht geoffenbart. – Reinhold Schneider im „Winter in Wien“

Meine Schwestern, meine Brüder – es ist bemerkenswert und keineswegs selbstverständlich, dass wir Menschen sind. Ein Liedermacher aus meinen jungen Jahren sang mit Recht: Was wir sind, sind wir nur, wenn wir es auch werden.

Menschwerdung! Das Stichwort dieser adventlich-weihnachtlichen Tage klagt Jahr für Jahr die entscheidende Notwendigkeit ein: dass die Menschen auf dieser Erde endlich für sich und für einander Mensch werden.

Konstantin Wecker, der Liedermacher, hatte vermutlich seine liebe Not damit. Immer wieder stand damals sein Name in den Schlagzeilen: eine aus gutbürgerlicher Sicht nicht gerade rühmenswerten Künstlerkarriere. Inzwischen hat sich das Blatt der öffentlichen Meinung gewendet. Ich habe ihn schon damals geschätzt.

Kürzlich blätterte  ich abends wieder einmal in einem seiner frühen Bücher. Der Titel lautet: „Und die Seele nach außen kehren.“ Da sprangen mir wie neu einige Sätze ins Auge, Worte, die ich längst kannte, aber vergessen hatte. Sie passen zum Stichwort Menschwerdung und lauten: In einer Gesellschaft der Starken / wird es einem nun mal schwer gemacht / sein Irren und Taumeln / sein Schwanken und Schwachsein / unverschämt zu zeigen.

Das trifft mitten ins Schwarze, in den wunden Punkt unseres Miteinanders – in Familie und Partnerschaft, in Gesellschaft und Kirche, auch im Kloster. Immer und überall muss man stark sein, meint wenigstens, es sein zu müssen. Oft muss man so tun „als ob“. Wer aber dabei nicht mitkommt und das nicht „unverschämt zu zeigen“ weiß, verzieht sich aus lauter Scham – vielleicht ins dichte  Gestrüpp einer Sucht wie seinerzeit Konstantin Wecker oder hinter wohlanständige, aber hohle Fassaden …

Nur: Menschlichkeit beweist man zuerst mal durch die Hingabe seiner ganzen fehlerhaften Persönlichkeit an seine Mitmenschen.

Auch das ist ein Wort des Liedermachers, das mir unter die Haut gegangen ist, als ich es las. Nach diesen wenigen Sätzen habe ich an jenem Abend das Buch geschlossen und die Lampe gelöscht. Ich erinnere mich genau. Durch das offene Fenster leuchtete ein Stern am Himmel. Er stand hell und klar im dunklen Fensterrahmen. Ein tröstendes Bild. Es ließ mich noch an ein weiteres Wecker-Wort denken, das mich zunächst in den Schlaf begleitet und dann am andern Morgen geweckt hat: Dies nur kann uns nach Hause führen: / Liebe und eines Größeren Barmherzigkeit.

Da kündigte sich schon die Kehre an, die Konstantin Wecker später zu einem beachtlichen spirituellen Autor werden ließ.

Der Stern – ein tröstendes Bild! Ein Bild, das aufrichten und Richtung geben kann. Eine weihnachtliche Orientierung! Darum geht es ja: den Orient des eigenen Lebens zu sichten, den Punkt also, an dem uns wie den drei königlichen Weisen ein Licht aufgeht – über Gott und Mensch. Das Licht der Welt! Von ihm spricht auch das heutige Sonntagsevangelium (vgl. Joh 1,6-8) für das Johannes der Täufer Zeugnis ablegt.

Der Stern – eine weihnachtliche Orientierung! Der erste Akzent bedeutet: Wir müssen das Dunkel unseres Lebens nicht fliehen, wir können, wir sollten darin aushalten. Nur wenn wir unsere inneren Nächte nicht künstlich zum Tag machen oder sonst wie umbiegen, kann uns überhaupt eine Weihnacht geschenkt werden. Der zweite Akzent deutet hin auf den Segen, dass uns der Sinn des Lebens einleuchtet wie eine Lichtspur, an die wir uns halten dürfen – auf den Wegen unserer Menschwerdung, die auch Wirrwarr-Strecken kennen.

Käme es da nicht auf eine adventlich-weihnachtliche Sorge um den Menschen an, die wir einander schulden? Dass wir einem in Verwirrung geratenen Menschen nicht mit klugen Ratschlägen zu helfen versuchen, sondern ihm achtsam und einfühlend, in einer eher fragenden als wissenden Haltung zur Seite stehen und gehen, damit er seiner eigenen Lebenslinie wieder trauen lernt. So könnte ihm ein Licht über sich selbst aufgehen – wie ein Stern, an den er sich halten kann und soll. Wer aber auf solche Weise einem anderen Menschen helfen will, müsste der sich nicht auch selbst auf seinen eigenen Stern verlassen? Ein guter Helfer, eine gute Helferin ist erfahrungsgemäß, wer am schwindenden Stern des eigenen Lebens gelitten und ihn in großer Sorge gesucht und wieder gefunden hat.

Uns allen soll ein Licht aufgehen: dass ein jeder, eine jede von Gott gutgeheißen ist. Sonst gäbe es uns nicht. Allein aus diesem Grund sind wir da. Wir verdanken uns dem Ja Gottes, seinem schöpferischen und erlösenden Ja. Daran erinnert uns der Stern und will unsere Sehnsucht wieder wecken, ganz in dieser Gewissheit leben zu können.

Wie bekommt mein Leben Glanz? Das ist die oft verschämte Frage vieler Menschen. Manche meinen, sie müssten deshalb etwas Glänzendes zustande bringen. Aber das zählt nichts gegen das eine: geliebt zu werden und zu lieben. Das ist der Glanz des Lebens – unser je eigener und gemeinsamer Stern der Menschwerdung.

Nüchtern formuliert heißt das: unter uns immer wieder neu dem gegenseitigen Ja zueinander Raum zu geben und eine konkrete Gestalt – auch und gerade, wenn es gilt, untereinander den schwierigen Umgang mit dem Nein zu lernen, wodurch das Ja Kontur bekommt. Das Zeugnis Johannes des Täufers äußert sich, wie wir im Evangelium gehört haben, zunächst durch ein mehrfaches Nein. Das  jedoch steht im Dienst des größeren Ja und darauf kommt es an (vgl. Joh 1,19-28).

Dom Helder Camara, der nach einer Umkehr befreiungstheologisch orientierte Erzbischof aus Lateinamerika, hat uns in seinen „Mitternächtlichen Meditationen“ aus der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils ein wunderbares Gebet der Orientierung hinterlassen:

Herr, lehre mich, ein Nein zu sagen, das den Geschmack des Ja hat, und niemals ein Ja, das den Geschmack des Nein hat.

von Msgr. Dr. Michael Bredeck, Diözesanadministrator des Erzbistums Paderborn

Lieber Abt Cosmas, liebe Altäbte Aloysius, Dominicus und Stephan,

herzlichen Dank für die Einladung, heute hier als Administrator unseres Erzbistums Paderborn die Predigt zu halten. Es ist mir eine Freude und Ehre, dies anlässlich der Benediktion von Abt Cosmas zu tun.

Zwei Monate vor der Wahl von Pater Cosmas Hoffmann zum fünften Abt von Königsmünster am 18. August habe ich am 12. Juni den Konvent besucht und ein Gespräch mit euch, dem Konvent von Königsmünster, geführt. Es war schon ein erster Schritt auf dem Weg zur Abtswahl, den ihr als Gemeinschaft ganz bewusst und mit verschiedenen Etappen gegangen seid. Bei unserem Gespräch im Juni haben wir uns einerseits darüber ausgetauscht, wie wichtig das Zusammenspiel von Abtei und Erzbistum eigentlich ist und wie es derzeit darum bestellt ist. Wir haben auch etwas darüber gesprochen, wie groß und vielfältig diese Verbundenheit und auch Freundschaft sich seit der Gründung eurer Abtei ist und wie sie sich immer wieder neu zeigt. Wir als Erzbistum und die Abtei sind vielfältig miteinander verflochten, und wir stehen einander im Wort, erneuert um Juni, dass wir wo und wie immer möglich einander unter die Arme greifen und dieses Miteinander auch jetzt in schwieriger und weiter herausfordernder Zeit weiter ausbauen werden.

Und dann hatten wir einen zweiten Schwerpunkt in unserem Gespräch, als wir uns über Führen und Leiten heute in der Kirche, über meine Erfahrungen als Administrator und über die Aussagen des Zukunftsbildes zu diesem Thema austauschten und das auch etwas versucht haben, auf euren Konvent zu beziehen. Mir ist sehr in Erinnerung, wie dem neuen Abt der Aspekt des gemeinsamen Weges, sowohl zwischen dem Erzbistum und Königsmünster, als auch des Konventes, der ja aus vielen Einzelnen besteht, besonders wichtig ist. Ich glaube deshalb, es ist mehr als nur eine zeitliche Zufälligkeit, dass Cosmas zum Abt gewählt wurde, als die Kirche sich mitten in der Erfahrung eines synodalen Weges befindet, eines Weges hin zu einer synodaleren Kirche, sowohl in unserem Bistum, wie in Deutschland wie als katholische Weltkirche.

Das Kloster hier ist seit langem ein spiritueller Sehnsuchtsort für viele Menschen aus unserem Erzbistum. Auch für viele diejenigen, die heute hier versammelt sind. Königsmünster ist ein besonderer Ort des Gebetes, der Ruhe und des Wesentlichen. Viele junge Männer, nicht nur aus unserer Diözese, haben sich vor allem in den 1980er und 1990er Jahren dem Konvent angeschlossen. Über den Studienorte Padernborn und über weitere Bezüge gibt es auch viele persönliche Kontakte.

Im Jugendhaus, in der „Oase“, haben Hunderte junger Leute in den Jahrzehnten prägende Erfahrungen des Glaubens und des Lebens gemacht. Viele Männer und Frauen kommen als Gäste hierher, um einige Tage in Stille zu verbringen oder Einzelgespräche mit den Mönchen zu führen. Auch der „Geistliche Rat“ – das Beratungsgremium des Erzbischofs – tut das schon seit vielen Jahren und im nächsten April auch wieder. Erzbischof Becker hatte diese sogenannten „Wüstentage“ eingeführt, die Cosmas so gut und einfühlsam begleitet hat.

Die Liste der Begegnungen und Gemeinsamkeiten könnte ich noch weiterführen, aber hier ist dazu nicht der Ort. Was ich sagen möchte ist: Für uns als Verantwortliche im Erzbistum, aber auch für viele Menschen im Erzbistum, ist sehr deutlich spürbar: Die Mönche von Königsmünster vertrauen der Lebens- und Hoffnungsbotschaft des Evangeliums und machen sie für uns auf ihre Weise erfahrbar – in der benediktinischen Tradition der Gastfreundschaft, in  ihrer Spiritualität und nicht zuletzt in der Glaubens- und Lebens-Bildung am Gymnasium, in der Jugendarbeit und der Begleitung. Auch ihr werdet in den kommenden Jahren, in der Amtszeit des Abtes Cosmas, euch gut überlegen müssen, mit wieviel Kräften ihr welche Aufgaben oder Schwerpunkte weiterführen könnt. Ich möchte euch heute darum bitten, das erfahrbare Zeugnis der Lebens- und Hoffnungsbotschaft für Menschen, die nach hier kommen, hierbei stark zu berücksichtigen.

Aber lassen Sie mich in meiner Predigt noch etwas zu Abt Cosmas sagen. Zu dem Theologen Cosmas Hoffmann. Abt Cosmas stammt, wie ich, aus dem Ruhrgebiet, aus Dortmund. Das macht ihn schon mal sympathisch und unkompliziert. Etwas zeitversetzt haben wir nach dem Abitur Theologie an der Fakultät in Paderborn studiert. Bevor er dann aber in das Kloster eintrat, lebte Stefan Hoffmann noch eine Zeit lang in einem Ashram in Indien mit. Sein Interesse am Hinduismus und am Zen-Buddhismus ist seitdem geblieben und weitete sich zu einem intensiven interreligiösen Dialog mit Mönchen anderer Weltreligionen. Ich glaube, dass das sehr entscheidend für ihn war und für die Art seines Glaubens, für sein Verständnis einer missionarischen und diakonischen Pastoral. Und nicht zuletzt für sein Verständnis von Leitung und Weggemeinschaft heute. Niemals von oben herab, niemals nur der Herde voraus, sondern, wie Papst Franziskus es sagt, mal vorweg gehend, mal in der Mitte, mal hinter der Herde. Lernbereit und gesprächsbereit und bereit zum Hören.

Unser gemeinsames theologisches Fach, wenn ich so sagen darf, ist die Fundamentaltheologie. Fundamentaltheologie ist „Theologische Grundlagenarbeit“. Sie will über den Grund des christlichen Glaubens Rechenschaft ablegen, vor der Vernunft und vor dem Leben selbst. In Aufnbahme der großen Überschrift unseres diözesanen Zukunftsbildes von 2014 darf ich es mal so formulieren: Ein fundamentaltheologisch grundierter Abt oder Administrator geht immer wieder aus von der Frage: Wozu bist du da, christlicher Glaube, heute, in einer Welt, die plural, ausdifferenziert, säkular, vieldeutig und vieles mehr ist?

Mit größter Wucht trifft ja der Glaube an Jesus Christus und an den Dreifaltigkeit Gott heute auf die Frage, welche Bedeutung er in dieser säkular verworfenen Welt noch haben kann. Der christliche Glaube steht – noch radikaler gesagt – heute bis hinein in die innersten Kreise der Kirche selbst vor der Frage, ob und was er Menschen in ihrer normalen Lebenswelt noch etwas zu sagen hat. Mittlerweile ist vom Phänomen des „Apatheismus“ die Rede, wie es Tomáš Halík formuliert, von einer religiösen Gleichgültigkeit, in die hinein die überlieferten Wege „ins Leere“ laufen.

Vor ein paar Wochen fand in Hannover der „dennoch“-Kongress statt, den Bischof Wilmer und das Bistum Hildesheim gemeinsam mit dem Bonifatiuswerk veranstaltet haben. In der eröffnenden Keynote dort wurde es wie folgt auf den Punkt gebracht „Unsere bewährten Strategien werden nicht mehr funktionieren. Zuversicht ohne Gott ist denkbar. Und sie wird für immer mehr Menschen denkbar.“   

Das ist unsere Situation, in der sich das Erzbistum, die Abtei Königsmünster und alle anderen Gemeinden und Einrichtungen heute und künftig noch stärker vorfinden. Ich glaube, es versagen jetzt all die Antworten, dass ja doch jeder und jede „irgendwie“ religiös ist und dass wir nur einfach mehr Fachstellen und weitere Einrichtungen brauchen, damit die Inkulturation des Christlichen wieder gelingt. Und da können die heute gehörten biblischen Erzählungen vom „guten Hirten“ oder auch vom „verlorenen Schaf“ durchaus helfen, denn sie sprechen ja letztlich genau davon. Und ich finde, auch das von Papst Franziskus initiierte Stichwort einer Kirche im Zeichen der „Synodalität“, einer Kirche mit Synodalität als Lebensprinzip, ist hier sehr hilfteich. Denn es beschreibt die Kirche Jesu Christi als Gemeinschaft vieler Menschen, die mit dem göttlichen Hirten gemeinsam unterwegs sind und wo niemand verloren geht. Eine Gemeinschaft innerhalb der großen Menschheitsfamilie, für die sie Sakrament, Zeichen der Liebe Gottes zu allen Menschen, sein will. Das immer wieder konkret auf ein Bistum, einen Konvent, auf eine Einrichtung anzuwenden, ist heute sicher eine zentrale Leitungsaufgabe überall in der Kirche.

Die Benediktiner haben eine lange Tradition von Synodalität. Wesentlich ist dabei, einander ohne Vorurteil und ohne vorgefertigtes Konzept zu begegnen. Offene Gespräche sind hierzu wichtig, wirkliche Begegnungen. Die synodale Art ist den Benediktinern quasi schon mit der Ordensregel des hl. Benedikt eingeschrieben. Gleich am Anfang schreibt Benedikt ja, man soll bei wichtigen Fragen alle hören, weil Gott oft den Jüngsten das Richtige eingibt. Wenn es um grundlegende Entscheidungen geht, möchte er also, dass alle angehört werden. So gibt es bei den Benediktinern sehr ausgeprägt das synodale Prinzip, die Beratung, das Hören, das Zuhören. Das ist Voraussetzung für den Oberen und seine Entscheidungen. Auch in diesem „benediktinischen“ Sinn geht es Papst Franziskus um eine Kirche, die es ernst meint mit dem Weg und Dialog miteinander und die auf diese Weise in unserer Zeit und Kultur weiterbestehen kann, geleitet vom guten Hirten, geführt vom Geist und darin Licht der Welt und Salz der Erde ist.

Auch die jüngst veröffentlichte Kirchenmitgliedschaftsstudie zeigt wieder: Menschen wollen und suchen auch weiterhin Gespräche über relevante Fragen ihres Lebens. Darin liegt die Chance und die Herausforderung für uns als Kirche, als Kirche im Erzbistum Paderborn, als Abtei Königsmünster. Dass wir versuchen, relevant zu sein und uns deshalb „auf den Weg zu den Menschen machen und jedem und jeder nachgehen“. Nur direkte Kontakte binden Menschen auf Dauer und lassen sie umdenken. Wir folgen Jesus, der als der gute Hirte die Menschen auf den Wegen ihrer Zeit begleitet ihren Fragen zuhört, auf das schaut, was ihr Herz berührt, in den Sorgen des Alltags den verlorenen Schafen nachgeht. Auch und gerade an den Rändern, in der Diaspora. Die Abtei Königsmünster hat hier in meinen Augen ein sehr deutliches missionarisches Zeichen gesetzt mit der Gründung der Cella schon vor 35 Jahren in einer so säkularen Großstadt wie Hannover.

Lieber Abt Cosmas! Dieses jesuanische Prinzip gilt für Menschen, die in der Kirche Leitung innehaben, nach innen wie nach außen. Es ist durchaus herausfordernd und sicher auch anstrengend, aber trägt Früchte. Davon bin ich fest überzeugt. Lass dich auf diesem Weg nie entmutigen! Sichere dir die manchmal kleinen, aber sicher täglichen Hinweise, dass dieser Weg der richtige ist.

Erlauben Sie mir einen letzten Gedanken: Hinter dem Versuch des Guten Hirten, den Menschen nahe zu sein, steht die Überzeugung, dass in der Auseinandersetzung mit den anderen Religionen, dem Zen-Buddhismus zum Beispiel im Fall von Abt Cosmas, der Philosophie, der Literatur, der Kunst, der Musik, auch mit den Nichtglaubenden, ein schöneres, deutlicheres Verständnis von Christus entstehen kann, etwas, das so vorher vielleicht nicht da war. Das schützt vor Fundamentalismus. Das hat auch wahrhaft theologische Gründe, denn, wie das Konzil sagt: In Jesus Christus hat sich Gott gewissermaßen mit jedem Menschen verbunden. Für diese Glaubensüberzeugung können wir durch Freundschaft Zeugnis ablegen. „Das Wesen der Freundschaft ist die Freundlichkeit“, hat einmal Martin Heidegger gesagt. Mit Freundlichkeit den Menschen begegnen. Ich weiß: Das ist anspruchsvoll und vielleicht auch anstrengend. Freundlich und zugleich verbindlich. Wir wollen das Gespräch suchen, auch mit denen, die nicht unserer Meinung sind, gerade mit denen, mit allen, die einen guten Weg gehen wollen. Und wir wollen offen sein auch für ihre Argumente.

„Bitte: Öffnen wir die Türen!“, sagt Papst Franziskus. „Versuchen auch wir, wie Jesus, der gute Hirte, zu sein – in unseren Worten, Gesten und täglichen Aktivitäten: eine offene Tür, eine Tür, die niemandem vor der Nase zugeschlagen wird.“

In diesem Sinn wünsche ich dem neuen Abt von Königsmünster und der Abtei gute, gesegnete und erfolgreiche Jahre, Gottes Geleit, die Freude und Wirksamkeit, einen guten Weg der offenen Türen in der Freundschaft mit Gott und den Menschen. Zum Wohl aller, für die wir gemeinsam da sind.

von Br. Justus Niehaus OSB

Nein! Niemals! Nimmermehr! Ein Wort das dies ausdrückt steht im griechischen Urtext an erster Stelle der Antwort der klugen Jungfrauen. Die Einheitsübersetztung übersetzt es leider nicht. Das Evangelium ist also eigentlich gefühlt noch unchristlicher als es sich für uns mit der schroffen Zurückweisung des Bräutigams eh anhört.

Hätte es da nicht bessere Versionen gegeben. Hätte der Bräutigam nicht barmherzig sein können. Hätte er seinen Dienern nicht sagen können: „Öffnet das Tor, dies ist eine Hochzeit, alle sollen essen und trinken und fröhlich sein! Lasst die gedankenlosen Jungfrauen hereinkommen und sich die Füße waschen, denn sie sind weit gelaufen!“

Wie gefällt Ihnen dieser Schluss?

Mir ausgesprochen gut! Er bestätigt das Bild eines gütigen Gottes, den Jesus uns immer wieder vor Augen stellt:

wenn er die Geschichte vom barmherzigen Vater erzählt, der dem verlorenen Sohn alle Türen öffnet und ihn wieder in sein Haus aufnimmt;

wenn er mehrmals das Wort des Propheten Hosea aufgreift: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“,

wenn er uns den Rat gibt: „Bittet, dann wird euch gegeben, klopft an, dann wird euch geöffnet.“

Ich fände diesen Schluss außerordentlich sympathisch.

Nur leider steht er nicht in der Bibel.

Ich möchte einen zweiten Versuch machen, das Gleichnis zu Ende zu erzählen:

Als der Bräutigam das Klopfen hört, ließ er sich berichten, was geschehen war. Dann zog er die Brautjungfern mit dem Reserveöl zur Rechenschaft und sagte: „Warum habt ihr euer Öl nicht mit den anderen geteilt?“

„Es hätte weder ihnen noch uns gereicht“, antworteten sie.

Darauf entgegnete der Bräutigam: „Ist nicht das Teilen viel wichtiger als das Licht selbst?“

Und er öffnete die Tür, schickte die Brautjungfern weg, die nicht bereit waren, ihr Öl zu teilen, und lud die anderen zu seiner Hochzeitsfeier ein.

Auch diese Variante finde ich sehr gelungen.

Das ist der Jesus, den wir kennen. Das entspricht dem, was Jesus den Menschen immer wieder ans Herz legt:

wenn er die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt und zur Hilfsbereitschaft auffordert;

wenn er sagt: „Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab“;

wenn er deutlich macht, dass unsere Barmherzigkeit der einzige Maßstab ist, an dem unser Leben gemessen wird:

„Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben… Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Ein Jesus, der Solidarität predigt und vor Egoismus warnt – das passt. Nur leider finden sich diese Schlusssätze auch nicht im Evangelium.

Das echte Ende der Geschichte ist hart und wenig herzlich:

Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: „Herr, mach uns auf!“ Er aber antwortete „Amen, ich sage euch: „Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“

Diese Version ist unbequem und provozierend.

Und sie gibt uns, gerade vor dem Hintergrund der beiden anderen Versionen, zwei wichtige Impulse.

Der Erste: Vertrau auf einen gütigen Gott, aber bleibe wach für seinen Anspruch!

Er ist nicht nur der liebe und barmherzige, der verzeiht und ein Auge zudrückt, sondern immer auch der fordernde und aufrüttelnde Gott, der ernstgenommen und gehört werden will; der uns fragt, was wir aus unseren Möglichkeiten gemacht haben; der uns stört in unserer Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit.

Und der zweite Impuls: Teile, so viel du kannst, aber nicht die Verantwortung für dein Leben!

Für deinen Ölvorrat – um im Bild zu bleiben – bist du ganz allein verantwortlich. Die Grundausrichtung deines Lebens, deinen persönlichen Lebensentwurf, deine Ziele, deine Werte kannst du nicht borgen und ausleihen.

Verhindern, dass du die Ölkrise kriegst und dein geistliches Leben langsam ausbrennt, dass dein Christsein nur noch auf Sparflamme brennt – das kannst nur du allein.

Zeigen, dass du Feuer gefangen hast und dich für die Sache Jesu begeisterst, dass das Licht deines Glaubens leuchtet – das kann dir niemand abnehmen.

Ob du die Öl-Tankstellen Gottesdienst, Gebet oder gute Gespräche über Bibel und Glauben nützt, ob du deinen Ölstand regelmäßig prüfst und Reserven anlegst – das liegt allein an dir.

Gott – der die Weisheit ist – lässt sich leicht finden. Wir hörten es in der ersten Lesung.

Such Ihn und finde ihn und füll deinen Ölvorrat auf, damit er die Mitte deines Lebens ist und bleibt.

 

Inspiriert von Wolfgang Raible

Ich will, dass du bist.
Predigt am 30. Sonntag im Jahreskreis (A) zu Ex 22, 20 -26 und Mt 22,34-40

von P. Klaus-Ludger Söbbeler OSB

I.
Das Judentum kennt das Fest „Simchat Tora“ – das Fest der Gesetzesfreude[1]. Die Buchrollen mit dem Gesetz Gottes, der Tora werden in feierlicher Prozession, mit Musik und Tanz durch die Synagoge getragen; für die Kinder gibt es, ähnlich wie bei uns an Nikolaus, Süßigkeiten und kleine Geschenke.
Aus Freude über Gesetze und Gebote ein Fest feiern? Spätestens wenn die Steuererklärung fällig ist oder das Knöllchen für falsches Parken zu bezahlen ist, wird sich jeder von uns kopfschüttelnd abwenden.

Trotzdem lohnt es sich, ein paar Augenblicke bei dieser uns recht fremden Sicht zu verweilen. Gesetz und Gebot sind ganz fest mit der Kerngeschichte des Judentums verbunden, der Erzählung von der Befreiung der Israeliten aus der Knechtschaft des Pharao, dem mühsamen Zug durch die Wüste und der Ankunft im „gelobten Land“. In diesem Zusammenhang bringt Mose dem Volk die Tafeln mit den Zehn Geboten, die er von Gott empfangen hat. Die Menschen erkennen: Dieses Gesetz ist Hilfe, nicht Zwang. Das Gesetz Gottes dient nicht dazu, einem Pharao oder sonstigen Gewaltherrscher Macht und Reichtum zu sichern. Sein Zweck ist es vielmehr, den Menschen zu ermöglichen, so befreit und erlöst zu bleiben, wie sie waren, als sie die ägyptische Sklaverei, die Truppen des Pharao und das Rote Meer hinter sich hatten, – und unter den Füßen die Wüste, in der es galt, Etappe um Etappe voranzukommen in das Land, das „von Milch und Honig“ fließt. Erlöste Menschen, die wissen wo es lang geht, auch wenn der Weg mühsam und unübersichtlich wird, hat Gott vor Augen, wenn er „Gesetzgeber“ ist. In genau dieser Tradition sahen sich übrigens auch die Väter des Mönchtums wie der heilige Benedikt, als sie ihre Klosterregeln schrieben.

Einer meiner Schüler kam vor diesem Hintergrund auf die Formulierung „Die Zehn Gebote sind das Navigationssystem Gottes“. Ich finde, die in diesem Vergleich steckende Analogie mit der beharrlichen Stimme, die dem Autofahrer sagt, wo er herfahren muss, trifft ziemlich genau. Mit dem Fest „Simchat Tora“ bringt das Judentum diese Sichtweise auf das göttliche Gesetz zum Leuchten: Gott lässt uns nicht im Stich, wenn es kritisch wird, wenn sich das Leben anfühlt wie ein Wüstenzug, in dem uns verloren zu gehen droht, dass wir erlöste und befreite Menschen sind. Die biblischen Gebote – ein Beispiel haben wir gerade in der ersten Lesung gehört – meinen: Mensch, erhalte dir und deinen Nächsten den Zustand, befreit und erlöst zu sein, – damit du dich nicht auf einmal in der Versklavung und Unfreiheit wiederfindest, in die du zwischendurch hineingeraten warst:

II.
Mit seinen Geboten zeigt Gott den Menschen:
Du bist einer, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, aber mit dem Scheitel an den Himmel rührt.
Du bist eine, die sich unter Wert verkauft, wenn sie Gott und dem Nächsten die Liebe verweigert.
Du bist einer, der zu klein von sich denkt, wenn er verdrängt, dass er mehr ist, als die Erde ihm geben kann.
Kurz: Das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe erinnert mich daran, wer ich eigentlich bin: Der Gottesliebe bedürftig, zur Menschenliebe begabt.

III.
Vom heiligen Augustinus stammt die markante Formulierung: Wer liebt, der sagt: Ich will, dass Du bist. Wie erlösend und motivierend dieser Satz wirkt, wenn er mir aufrichtig und glaubwürdig gesagt wird, hat hoffentlich jede und jeder irgendwann erlebt. Nichts ist aufbauender, als wenn mir jemand zu wissen und vor allem zu spüren gibt: Ich will, dass du bist, dass es dich gibt.

Das Gegenteil von Liebe wäre dann: Ich will, dass Du so wirst, wie ich meine, dass du sein müsstest. Menschliches Miteinander wird zur Hölle, wo Menschen andere Menschen zwingen, so zu sein, wie sie selber sind. Kein Mensch kann es bei sich selbst aushalten, wenn er meint er müsse ein anderer sein, als er ist.

Nichts und niemand kann sein und leben, wenn es nicht diesen Satz gäbe: Ich will, dass du bist. Deshalb ist die Liebe das wichtigste Gebot: An der Gottes- und Nächstenliebe entscheidet sich, ob das Leben oder der Tod die Oberhand bekommt.

IV.
Obwohl von seinem ausdrücklichen Selbstverständnis her nicht religiös, war es dem Dichter Max Frisch gegeben, in Wort und Gleichnis zu veranschaulichen, worauf es in der Begegnung mit diesem tiefsten Grund unseres Lebens ankommt: Auf das Hineinwachsen in Gottes bedingungslose Liebe, die immer weiter und tiefer ist als alle Konstruktionen, die der Kopf des Menschen produziert.

Er schreibt in seinen Tagebüchern:
„Es ist bemerkenswert, dass wir von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Mal. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertigwerden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der, den man liebt.“[2] 

Das ist es, woran uns Gottes Gebot Augenblick für Augenblick erinnert und weswegen es eigentlich Augenblick für Augenblick ein Freudenfest wert ist:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
 

[1] Nach der Predigt wurde ich auf einen schrecklichen Zusammenhang aufmerksam gemacht, der mir bei der Vorbereitung entgangen war:  In diesem Jahr ist das Fest Simchat Tora von der Terrororganisation Hamas ausgenutzt worden, um Israel zu überfallen, viele Menschen zu ermorden und Israelis und Palästinenser in den Krieg zu zwingen.

[2] Max Frisch, Tagebuch 1946 – 1949, Frankfurt 1978, 31

von P. Marian Reke OSB zu Phil 4,12-14.19-20

Auch wenn es als Anrede gestelzt klingen mag, sage ich heute bewusst: Meine Mitmenschen!

Als Lesung war vorhin der Schluss des Briefes zu hören, den der Völkerapostel an die Gemeinde in Philippi gerichtet hat, die er während seiner zweiten Missionsreise in Europa gründete. Vielleicht haben Sie die Worte des Paulus noch im Ohr: „Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluss leben. In jedes und alles bin ich eingeweiht: in Sattsein und Hungern, Überfluss und Entbehrung. Alles vermag ich durch den, der mich stärkt. Doch ihr habt recht daran getan, an meiner Bedrängnis Anteil zu nehmen …“.

Der eher kurze Brief ist nach allem, was sich zwischen seinen Zeilen lesen lässt, im Gefängnis geschrieben, wohin es Paulus durch sein Apostolat verschlagen hat. In dieser „Bedrängnis“, wie er es nennt, hat er – auch sich selbst als ermutigenden Trost – im zweiten Briefkapitel den bekannten Philipper-Hymnus (Phil 2,5-11) verfasst: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen.“ Auf der Basis eines schon vorliegenden Liedes bringt dieser Hymnus das christliche Gottgeheimnis auf den Punkt: dass nämlich Gottes Größe sich darin erweist, sich um der Menschen willen in Christus klein zu machen oder dass Gottes Macht sich in der Passion Jesu als Machtverzicht erweist.

Auf diese unbedingte Entschiedenheit Gottes für den Menschen kann nur eine unbedingte Entschiedenheit des Menschen für Gott die angemessene Antwort sein.

Das ist die herausfordernde Botschaft des Paulus nicht nur im Philipperbrief, sondern überall, wo er sie verkündet und wo immer sie gehört wird. Und sie wird gehört bis in unsere Zeit und das besonders außerhalb angestammter kirchlicher Hörerkreise. Es ist fast wie damals, als der Missionar Paulus nicht nur in den Synagogen der jüdischen Diaspora unter Seinesgleichen predigte, sondern auf dem berühmten Areopag, dem Marktplatz der griechischen Metropole, auch das Gespräch mit den philosophisch bewanderten Athenern suchte, um ihnen das Geheimnis des unbekannten Gottes zu erschließen – durch Worte, die noch heute Herzen berühren und öffnen können. Er sagte:

„Bürger von Athen! Ich habe mich mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass ihr außergewöhnlich religiöse Leute seid. Als ich nämlich durch die Straßen eurer Stadt ging und mir eure Heiligtümer ansah, stieß ich auf einen Altar mit der Inschrift: ›Für einen unbekannten Gott‹. ( ) Gerade diese euch unbekannte Gottheit verkünde ich euch. ( ) Mit allem, was Gott tat, wollte er die Menschen dazu bringen, nach ihm zu fragen; er wollte, dass sie – wenn irgend möglich – in Kontakt mit ihm kommen und ihn finden. Er ist ja für keinen von uns in unerreichbarer Ferne. Denn in ihm, dessen Gegenwart alles durchdringt, leben wir, bestehen wir und sind wir. Oder, wie es einige eurer eigenen Dichter ausgedrückt haben: Er ist es, von dem wir abstammen.“ (Apg, 17,22-23.27f. NGÜ)

Die provokative Sicht von der Entschiedenheit des gegenseitigen Für-ein-anders von Gott und Mensch hat auch in unserer Zeit dazu geführt, dass Paulus zum Gesprächspartner einer ganzen Reihe von Philosophen geworden ist, die bemerkenswerter Weise gesellschaftlich fast alle dem linken Spektrum zuzuordnen sind und sich teils als Atheisten verstehen. Als Gottlose und als Unruhestifter wurden auch die ersten Christen im religiösen und politischen Umfeld ihrer Zeit gesehen, bevor das Christentum zur Staatsreligion mutierte, um es neutral zu formulieren. Es dürfte also nicht ganz so verwunderlich sein, dass linksorientiert kritische Geister heutzutage im Apostel Paulus einen Gesinnungsgenossen finden. Er war jedenfalls zutiefst überzeugt, dass alle Grenzen und Unterschiede zwischen Menschen – Rang, Hautfarbe, Geschlecht, Religion – zweitrangig sind angesichts dessen, dass Gott selber Mensch wurde, um das gottgewollte Menschsein an sich frei- und in sein gottverbürgtes Recht einzusetzen. So deckt er den tiefsten Grund einer universalen Humanität auf.

Paulus nennt sie (theologisch)„Sein in Christus“, durch das in aller Vielfalt „alle zusammen ein neuer Mensch geworden“ (Gal 3,28) sind. So steht es im Galaterbrief. Übrigens auch das Leitwort unseres Gymnasiums nebenan meint und will dasselbe: „Dilatato corde humanitas exhibeatur: Mit weitem Herzen Menschsein ermöglichen“ – Menschenfreundlichkeit und Menschenwürde verwirklichen!

Der inzwischen 90jährige Fulbert Steffensky, ein ehemaliger Benediktiner aus Maria Laach, der sich selbst als katholisch fromm und protestantisch denkend beschreibt, war öfter mit seiner Frau Dorothee Sölle hier auf dem Klosterberg zu Gast. Bei einem ihrer Besuche sagte er mir in seiner nachdenklich ruhigen Art: „Wenn ein Kloster lebendig bleiben will, muss es ein Thema haben.“

Ich meine, das wäre eins und nicht nur für ein Kloster: „Mit weitem Herzen Menschsein ermöglichen!“ – in Gottes Namen. So könnte die gottmenschliche Wahrheit der unbedingten Entschiedenheit füreinander immer wieder im Sinne Bert Brechts konkret werden.

Eine Provokation, eine Herausforderung bleibt sie allemal – in einer Welt, in der Menschen das eine einigende Menschsein vergessen oder verraten und sich auf Gott berufen, um Gewalt gegen Menschen auszuüben: sei es  mit dem zum Schlachtruf pervertierten islamischen Glaubensbekenntnis „Allahu akbar“ (Gott ist größer.) wie derzeit in Israel-Palästina oder mit dem irregeleitet gläubigen Schlachtruf „Deus lo vult“ (Gott will es.), mit dem zur Zeit der Kreuzzüge Christen ins Heilige Land einfielen.

Die Predigt verdankt sich einer Anregung durch Überlegungen von Prof. Klaus Müller zur paulinischen Kenosis(Entäußerung)-Theologie.

von Br. Anno Schütte OSB

Dem heutigen Abschnitt des Evangeliums gehen wichtige Ereignisse voraus: Ein neuer Abschnitt im Leben Jesu hatte begonnen – er war aus der Provinz imposant in die Hauptstadt Jerusalem eingezogen. Dann steigerte sich die öffentliche Aufmerksamkeit weiter: Es gab Aufruhr, als er Händler und Käufer aus dem Tempel trieb und die Tische der Geldwechsler umstieß. Er heilte dort Menschen und Kinder jubelten ihm zu. Das verärgerte religionsamtliche Führungspersonal – Hohepriester und Schriftgelehrte – sprach darauf Jesus an und nach einem kurzen Disput ließ Jesus sie einfach stehen und ging weg. Am nächsten Tag verschärfte sich die Konfrontation weiter – jetzt vereint mit der politischen Führung, den Volksältesten: Ihre Frage nach seiner Handlungsvollmacht konterte Jesus mit einer Gegenfrage, in der sie sich so spekulativ verhedderten, dass Jesus sie ohne Antwort wiederum einfach stehen ließ.

Es ist eine spannungsgeladene Lage, in die Matthäus das heutige Evangelium platziert. Kontroversen, ja heftiger Streit liegen in der Luft. Eines wird damit schon jetzt klar: Jesus ist nicht harmlos – er stellt Fragen, seine Botschaft regt an, seine Lebensart mischt auf. – Soweit eine erste Einordnung.

Jesus ist schon länger mit seinen Jüngern verkündend und heilend unterwegs, doch das religiöse und politische Establishment erkennt darin nichts Positives, keine Chance für sich – im Gegenteil: Mit „Was meint ihr?“ stellt Jesus ihr Leben buchstäblich in Frage, mehr noch: Sie erleben ihn als einen fortwährenden Angriff auf ihre elitäre Lebensweise. Und es wird noch schärfer: Ein ganzes folgendes Kapitel lang schüttet Jesus einen Wehe-Ruf nach dem anderen aus – eine Kostprobe: „Weh Euch, ihr Schriftgelehrten (…), ihr Heuchler, ihr verschließt den Menschen das Himmelreich! … Ihr Nattern, ihr Schlangenbrut!“ Auch wenn die Bibelwissenschaft heute weiß, dass Matthäus diese Konfrontation nachträglich literarisch ausgebaut hat, sind wir Zeugen eines massiven Konfliktes, der ein wesentlicher Grund für die bald folgende Hinrichtung Jesu am Kreuz wurde.

Worin bestand dieser Grundkonflikt? Kann der auch etwas mit uns zu tun haben? Können wir daraus lernen? – Er hat mit uns zu tun, wenn wir die Figuren des Gleichnisses als typische Charaktere verstehen, die immer und überall existieren. Sie halten uns in vielfältiger Weise vor Augen, wie unterschiedlich Menschen mit dem Lebensangebot Jesu umgehen.

Offensichtlich ist es eine Gefahr, wie diese Schriftgelehrten zu leben: Man hat es zu etwas gebracht und weiß ziemlich genau, wo es langgehen soll. Gern diktiert man anderen, wie man zu leben hat, man hat eben seine Erfahrung. Und wenn die nicht ausreicht, dann wird irgendeine Schrift zitiert – gerne die Stellen, die einem selbst in den Kram passen. Mangels innerer personaler Charakterklarheit soll eine äußere Quelle die innere Leere füllen. Solche Schriftgelehrte setzen ihre Interpretation der Schrift als selbstschützenden Panzer und aggressive Waffe ein. Sie agieren Angst getrieben, haben sich Privilegien erobert und verteidigen diese gewalttätig – es geht um Besitz-Stands-Wahrung in einem festgefahrenen Leben. Tatsächlich werden sie bald, dann total-final – man beachte die Sprache – feststellen: „Wir haben ein Gesetz und demnach muss er sterben!“ – Lebendigkeit, Lieben im Leben, das hört sich anders an. Kurz und gut: „Der Buchstabe tötet – der Geist macht lebendig.“ – Hat Jesus auch deshalb nichts aufgeschrieben? Seine mündliche Rede, seine Gleichnisse sind offen, sie sind ein Angebot an jeden einzelnen von uns, aus ihnen zu leben und sie weiter zu verkünden.

Zurück zu unserem Gleichnis: Jesus gibt seine Kontrahenten noch nicht auf – ein neuer Kontakt mit ihnen ist ihm wichtig. Mit der Frage „Was meint ihr?“ bietet er wieder ein Gespräch an. Jesus entlarvt ihre blockierte Lebensweise mit dem Gleichnis von den zwei Söhnen. Der eine lehnt die Bitte des Vaters zunächst ab und geht schließlich doch zur Arbeit in den Weinberg. Der andere entpuppt sich als glatter Lügner: Er sagt zu und geht dennoch nicht. Der erste erweist sich als ein Mensch, der seine ursprüngliche Ablehnung bereut. Eigene Einsicht überzeugt ihn, sein Leben zu verändern, sich weiter zu entwickeln. Dabei hilft, dass der Vater den äußerlich schon Erwachsenen „mein Kind“ nennt: Innen ist er noch unreif, die Ansprache des Vaters klingt wie eine liebevolle Zuwendung, die dem Sohn weiteres Wachstum ermöglichen will. Dieser erkennt die Notwendigkeit der Arbeit im Weinberg und vielleicht freut er sich auch auf den Genuss des guten Weines, der nur aus einem durch Arbeit gepflegten Weinberg gewonnen wird. Er entdeckt in der Bitte des Vaters das Angebot, selbst wie ein guter Wein zu reifen. Die auch mühsame Arbeit im Weinberg ist der Weg dahin – Selbstentwicklung ist keine Hängematte!

Der zweite versucht‘s mit einer Lüge. Sein „Ja“ ist nur Schein, es ist eine leere Worthülse, Sagen und Tun fallen auseinander, er füllt sein „Ja“ nicht durch sein Tun. Sein leeres Ja zeigt: Sein Leben hat keine innere Substanz, sein Inneres entspricht nicht seinem Äußeren. Er versucht mit einer Lüge durchzukommen – vielleicht steht sie für eine grundlegende Lebenslüge. Er bricht nicht auf, sondern bleibt in seiner Verweigerung zu Hause sitzen.

Jesu Frage: „Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt?“ beantworten die Schriftgelehrten formal richtig, doch ihre Antwort ist nur ein Lippenbekenntnis. Sie erkennen nicht, dass Jesus mit dem Gleichnis ihnen den Spiegel vorhält: Sie leben wie der zweite Sohn, der die Bitte des Vaters äußerlich formal annimmt und bejaht, dann aber nicht danach handelt. Sie leben äußerlich ein Ja und innerlich ein Nein und bleiben dabei. Sie verweigern sich dauerhaft der Bitte des Vaters, sie wollen sich nicht bewegen und engagieren, nicht im Weinberg an der Basis arbeiten. Bei ihnen können keine Lebensfrüchte wachsen und reifen. An anderer Stelle sagt Jesus: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Auch wenn diese Schriftgelehrten äußerlich so tun, gehen sie nicht in den Weinberg, sie gehen nicht ins Reich Gottes.

Eine Alternative ihrer Verweigerungshaltung präsentiert Jesus ihnen sogleich: „Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ Während Schriftgelehrte und Ältesten zur obersten zentralen Gesellschaftsschicht gehörten, waren Zöllner und Dirnen am anderen Ende – ausgegrenzt und ganz unten. Zöllner galten als hemmungslos raffgierige Betrüger, Dirnen als gescheiterter moralischer Abschaum. Doch gerade sie sind offen für das Reich Gottes. Sie wissen um ihre Fehler, ihre Schwäche – auch ihr moralisches Versagen. An anderer Stelle sagt Jesus: „Ich bin gekommen, die Sünder zu berufen, nicht die Gerechten.“ Menschen wie ihnen hat Jesus ihre ursprüngliche unzerstörbar göttliche Würde wieder vermittelt. Das hatte schon Johannes ermöglicht, der – so Jesus ausdrücklich – auf dem „Weg der Gerechtigkeit“ war. Das klingt nach einem aus- und aufrichtenden Weg in eine personale Richtigkeit, nach Veränderungsbereitschaft zu einem stimmigeren Leben. Die Schriftgelehrten dagegen haben sich in ihrer Selbstgerechtigkeit der Botschaft des Johannes verweigert. Und wenn sie schon von Johannes nichts angenommen und umgesetzt haben, dann haben sie Jesu Botschaft von Anfang an nicht kapiert. Sie haben nur gesehen, ihre Wahrnehmung ist nur äußerlich – zu innerer Umkehr, Reue, wie beim ersten Sohn, waren und sind sie nicht fähig und bereit.

Und doch bleibt Hoffnung – auch für sie. Jesus sagt: „Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ Irgendwann wird also auch ihnen aufgehen, dass ihr Lebensmodell einem leeren Palast gleicht – außen glanzvoll, innerlich tot. Das Angebot göttlichen Liebens, seine unzerstörbare Gegenwart in allen und allem braucht bei Menschen wie ihnen länger bis zu einer Auferstehung mitten im und ins Leben.

Diese Hoffnung gilt auch uns, die wir uns selbst und andere oft abwerten, ausgrenzen und fixieren. Gott lädt immer wieder neu ein – jeden von uns – dem Leben zu trauen und Neues zu wagen, gerade auch aus Scheitern und Versagen heraus in eine neue Auferstehung. Gott schenkt uns immer bedingungslos neues Leben. Diese Erlösung löst Fixierungen und ermöglicht Liebe, Leben – und Lösungen, mitten im Alltag.

von P. Maurus Runge OSB

In seinen Gleichnissen durchbricht Jesus immer wieder unsere Erwartungen, indem er uns Menschen vor Augen führt, die ganz anders handeln, als wir es uns vorstellen. Da ist der Vater, der dem heimkehrenden Sohn keine Vorwürfe macht, sondern ihm zu Ehren ein Fest feiert – die Frau, die wegen einer verlorenen Münze das ganze Haus auf den Kopf stellt – der Sämann, der drei Viertel des Saatgutes auf unbrauchbaren Boden sät und damit verschwendet. Und heute hören wir von einem Weinbergbesitzer, der all seinen Arbeitern den gleichen Lohn ausbezahlt, egal ob sie nur eine Stunde gearbeitet oder den ganzen Tag in der Hitze geschuftet haben.
Beim Gleichnis heute kommt noch dazu, dass wir uns in unserem Gerechtigkeitsempfinden verletzt fühlen, wenn der Verwalter jeden Menschen unabhängig von seiner Leistung gleich behandelt. Rein juristisch ist er im Recht, denn er hält sich genau an die Absprachen, wonach er jedem Arbeiter einen Denar ausbezahlt. Aber zwischen Recht und Gerechtigkeit scheint manchmal ein großer Unterschied zu liegen. „Leistung muss sich wieder lohnen“ – das scheint hier nicht zu gelten, und überhaupt, wo kämen wir da hin, wenn jeder Unternehmer heute so handelt? Mit der Bibel lässt sich nun mal kein Staat machen und kein Bruttoinlandsprodukt vergrößern.
Mal abgesehen davon, dass ich davon überzeugt bin, dass im Reich Gottes, von dem die Gleichnisse Jesu handeln, tatsächlich andere Maßstäbe gelten als in unserer an Leistung und Profitmaximierung orientierten Welt, ist für mich die Reaktion des Weinbergbesitzers auf die Kritik der Arbeiter der ersten Stunde entscheidend für das, was wir für unser Leben heute aus dieser Geschichte lernen können. Er betont, dass keinem ein Unrecht geschieht, dass jeder den lebensnotwendigen, vereinbarten Lohn erhalten hat, und stellt dann eine Frage, die den Kern der Kritik ins Schwarze trifft und entlarvend ist: „Ist dein Auge böse, weil ich gut bin?“ Martin Luther übersetzt noch sprachgewaltiger: „Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?“
Mit dieser Frage wird die Perspektive geändert: es geht hier nicht vornehmlich um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, sondern um meinen Blick, meine Perspektive, die ich einnehme – und ob es nicht manchmal für mich persönlich wie auch fürs gesellschaftliche Klima gut sein kann, diese Perspektive zu wechseln. Warum kann ich mich nicht an dem freuen, was mir positiv geschehen ist? Dass ich eine gute Arbeit gefunden habe, dafür einen gerechten Lohn bekomme, der mein Überleben und das Überleben meiner Familie sichert? Warum wandert mein Blick scheel zum anderen, dem, der erst so spät zur Arbeit gekommen ist, und warum fühle ich mich benachteiligt, wenn auch dieser den lebensnotwendigen Lohn erhält? Warum kann ich die Güte eines Menschen nicht aushalten, wenn sie anderen gilt? Was weiß ich denn von den Gründen und Motiven des anderen, der doch genau so wie ich auf Arbeit gewartet hat, den aber keiner angeworben hat?

Es geht für mich im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg um die Prüfung meiner Erwartungen, um Erwartungsmanagement. Es geht darum, auf das zu schauen, was mir geschenkt ist, und nicht neidvoll darauf zu schauen, was der Mitmensch neben mir erhält und wo er vermeintlich übervorteilt wird. Und es geht darum, meine Perspektive vielleicht einmal zu hinterfragen und demjenigen, der dem Anschein nach weniger leistet oder andere Ansichten hat als ich, nicht etwas zu unterstellen, was in Wirklichkeit ganz anders ist. Und hier entfaltet das Gleichnis seine ganze Sprengkraft in Kirche und Gesellschaft heute.
In der Kirche erwarten die einen das Heil von Reformen, die anderen von der Beibehaltung des Status Quo. Und die einen unterstellen den jeweils anderen unlautere Absichten, wenn sie ihnen nicht ganz das Katholischsein absprechen.
Wir erwarten von Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, dass sie sich integrieren und uns nicht die Arbeitsplätze wegnehmen, beschimpfen sie andererseits als Sozialschmarotzer, die uns nicht auf der Tasche liegen sollen – ohne je mit diesen Menschen über das gesprochen zu haben, was sie bewegt und belastet.
Und wir erwarten einfache Lösungen für komplexe Probleme und wundern uns hinterher, wenn wir populistischen Rattenfängern auf den Leim gegangen sind, die nicht das Wohl der Gesellschaft, sondern nur ihr eigenes kleines Wohl im Sinn haben.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg lehrt mich, mich an dem zu freuen, was ich geschafft habe, und nicht mit bösem Blick nur das zu sehen, was andere bekommen haben. Es lehrt mich, meine Erwartungen und Motive zu hinterfragen und das Beste von meinen Mitmenschen anzunehmen, nicht das Schlechteste. Das ist nicht einfach und verlangt immer neu eine innere Umkehr. Aber so können wir mitten in dieser Welt dem Reich Gottes schon etwas näher kommen, das jenseits von Leistungs- und Konkurrenzdenken sich entfaltet. AMEN.

von P. Klaus-Ludger Söbbeler OSB

Predigt zu Mt 16, 13-20
„Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen
und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“

Angesichts der gegenwärtigen Kirchensituation geht der Satz über Petrus als „Fels“ schwer durch du Ohren und noch schwerer über die Lippen. Man möchte loslegen mit lauter Klage und gerechtem Zorn. – Dieser Versuchung möchte ich heute Morgen nicht erliegen, denn – so finde ich – eine Predigt ist dazu da, auf das hinzuweisen, was weiterführt und aufbaut, was nicht im Hin und Her der Gründe und Gegengründe hängenbleibt, sondern auf den Grund verweist, der Stand gibt.

Einen lohnenden Hinweis dazu habe ich in einem Buch gefunden, das den anschaulichen Titel trägt „Der singende Stotterer“. Es ist die Autobiografie von Walter Dirks. Walter Dirks, geb. 1901, war in seinen Zwanzigern und Dreißigern, also in den Jahren zwischen den zwei Weltkriegen, als Assistent von Romano Guardini Teil des katholischen Aufbruchs dieser Jahre, in dem sich die Konturen dessen entwickelten, was dann im Zweiten Vatikanischen Konzil für die ganze Kirche in Gang gesetzt wurde. Sein ganzes Leben hat er diesem Aufbruch gewidmet, – auch in seiner langjährigen Tätigkeit als Kulturchef des WDR.

Dieser Walter Dirks schreibt im Rückblick auf sein Leben:
„Die Kirche, so belastet durch falsche Entscheidungen an Kreuzwegen und durch die Ausstattung der Sackgassen, in die sie immer wieder hineingeraten ist, hat mir doch den Glauben vermittelt und dadurch das produktivste Element meiner in vielem angefochtenen Existenz. … So verdanke ich der Kirche das Kostbarste meines Lebens: Den Sinnentwurf vom Gottesglauben von Jesu Botschaft aus und alles, was in Verbindung mit ihm konkret hat sinnvoll werden dürfen. Ich hätte diese Chance des Heils, des Glücks und der Kraft nicht, wäre sie mir nicht durch die Kirche vermittelt worden. Deshalb ist sie, die mich in vielem ärgert, plagt, mir Kummer und Sorgen macht, deshalb ist die problematische Kirche dieselbe, der ich wie keiner anderen geschichtlichen Macht tief dankbar bin.“

Dirks‘ Erfahrungsbilanz scheint mir nahezu prophetisch im Blick auf die Lage unserer Kirche hier und heute: „Belastet durch falsche Entscheidungen an Kreuzwegen und durch die Ausstattung der Sackgassen, in die sie immer wieder hineingeraten ist.“

Das ist die eine Seite, die sich durch nichts beschönigen lässt. Doch zugleich gilt genauso klar: Eben diese Kirche, die oft so unsäglich stottert, ist unverzichtbar, weil sie von dem zu singen vermag, was den Menschen den tragenden Grund ihres Lebens zu vermittelt. „Sie ist das produktivste Element meiner in vielem angefochtenen Existenz. … So verdanke ich der Kirche das Kostbarste meines Lebens: Den Sinnentwurf vom Gottesglauben von Jesu Botschaft aus und alles, was in Verbindung mit ihm konkret hat sinnvoll werden dürfen.“

Mit Christus an Gott zu glauben, auf ihn zu bauen, ist tragender Grund des Lebens. Das verkörpert Petrus: Auch er eine in vielerlei Hinsicht belastete Existenz, auch er ein „Singender Stotterer“: Man denke nur daran, wie er in der Passionsnacht erst einschläft und dann Jesus dreimal verleugnet. Und zugleich – oder vielleicht gerade deshalb? – ist Petrus der, der Jesus Christus als den zum Leuchten bringt, der es ist: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Auf diesen zwiespältigen Petrus setzt Jesus, er wird der „Fels“ – nicht weil er über die „Unterwelt“ erhaben ist, sondern weil er sich von ihr nicht „überwältigen“ lässt.

Der unendlich große Gott hat sich darauf angewiesen gemacht, dass Menschen in all ihrer Gebrochenheit den Mut haben, ihn weiterzusagen, – wenn es sein muss mehr stotternd als singend, nicht als strahlende Siegertypen, sondern als solche, die sich durchs Hinfallen nicht entmutigen lassen wieder aufzustehen. Denn ohne Menschen, die Gott weitersagen, wäre er zwar da, aber nicht als Gott für die Menschen, sondern als unzugängliche, Angst einflößende Schicksalsmacht. Hier unterscheidet sich Christsein sich von all den anderen Wegen zu Gott: Gott ist nicht ohne die Menschen zu haben und umgekehrt auch: Es gibt keinen Menschen, der nicht Abbild Gottes wäre, egal wie entstellt er auf den ersten Blick wirkt.

Darin ist der Petrus des heutigen Evangeliums Fels, Grund der Kirche. Er verkörpert das Prinzip unseres Christseins: Der Mensch – sowohl in seiner Größe als auch in seinen Grenzen – ist Abbild Gottes. Ob und wie Gott die Menschen erreicht, hängt daran, dass es Menschen gibt, die Gottes Unendlichkeit in ihrer Endlichkeit gegenwärtig werden zu lassen.

Das gilt zunächst für den, der den Dienst des Petrus versieht. Und gleichzeitig steckt darin ein Zuspruch und Anspruch an jede und jeden von uns: Fühl dich nicht zu klein, zu unbedeutend zu schwach, zu wenig intelligent oder begabt, um den Menschen um dich herum Gott zu bringen. Und umgekehrt gilt auch: Auf dem Antlitz des Menschen, so elend begrenzt er dir manchmal vorkommen mag, begegnet dir ein Wink Gottes.

Durch jeden Menschen und an jedem Menschen das Antlitz Gottes zum Leuchten zu bringen, das ist die Aufgabe der Kirche, darin ist sie mit Petrus Fels und Fundament, der Grund, der Stand verleiht.

Oder, mit Walter Dirks:
„Wir hätten die Chance des Heils, des Glücks und der Kraft nicht, würde sie uns nicht durch die Kirche vermittelt. Deshalb ist sie, die in vielem ärgert, die plagt, die mir Kummer und Sorgen macht, deshalb ist die problematische Kirche dieselbe, der ich wie keiner anderen geschichtlichen Macht tief dankbar bin.“

 

Bild: Friedbert Simon In: Pfarrbriefservice.de