O Morgenstern,
Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne:
o komm und erleuchte, die da sitzen in Finsternis
und im Schatten des Todes!
Der Morgenstern wurde schon früh als Bild auf Christus hin übertragen. Das Licht des Morgensterns, das in der Antiphon „O oriens“ besungen wird, vermag mit seinem Leuchten selbst in tiefster Finsternis im wahrsten Sinne des Wortes Orientierung zu geben. Im Exsultet der Osternacht wird die Osterkerze besungen als das Licht, das die Dunkelheit der Welt vertreiben soll. Solange, bis im letzten Advent der Herr „wiederkommt in Herrlichkeit“ und der Morgenstern aufgeht: „Jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht.“
Der Advent ersehnt diesen Aufgang des Morgensterns, weil die Geburt Jesu mit dem Aufstrahlen dieses Lichtes in Verbindung gebracht wird: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.“ So verheißt Zacharias in seinem Lobgesang, dass durch die Geburt Jesu dieses Licht in die Welt kommt (vgl. Lk 1,78.79).
Die Finsternis und der Schatten des Todes, die Angst vor Corona und der Grauschleier der Schwermut, der sich für manchen über die kommenden Tage legt, ist in dieser aktuellen Corona-Situation fast mit den Händen zu greifen. Die Worte der O-Antiphonen, die durch die Jahrhunderte hindurch und selbst in den dunkelsten Zeiten von Kriegen, Epidemien und Katastrophen von gläubigen Menschen gesungen werden, können in dieser Zeit die Hoffnung wachhalten, dass die Schatten des Todes und der Traurigkeit irgendwann auch einmal weichen müssen. Aber auch wenn Ihnen diese Worte selbst vielleicht nicht so recht über die Lippen kommen wollen, dann lade ich Sie heute ein, einmal in einem stillen Moment eine Kerze oder ein Teelicht anzuzünden: Dann geht nämlich auch von Ihnen ein Licht aus und macht die Welt für Sie und auch für alle anderen ein bisschen heller…
Br. Vincent Grunwald OSB