Predigt am Zweiten Adventssonntag (10.12.2023)
von Br. Anno Schütte OSB
„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.“ – Das sind die ersten Worte des Markusevangeliums – wie ein Titel eröffnen sie das ganze Werk. Dazu passt unsere Zeit: Am 2. Advent sind wir noch nah am Anfang des Adventes und des neuen Kirchenjahres, in dessen Verlauf uns die Lebensgeschichte Jesu vor Augen geführt wird.
Von Jesus ist am Anfang des Markusevangeliums noch nicht die Rede. Hier geht es um Johannes, der als Bote dem irdischen Jesus den Weg bahnt. Johannes dient als erster Bote dem Evangelium von Jesus Christus. Evangelium heißt übersetzt: Gute Nachricht – und deshalb auch frohe Botschaft.
Dass es eine froh machende Botschaft ist, klärt sich besonders vom Ende her, wo von Jesu Tod und Grablegung berichtet wird. Dort begegnet uns wieder ein Bote, diesmal in Gestalt eines Engels, der den verzweifelt trauernden Frauen mitteilt, das Jesus nicht im Grab ist und ihnen nach Galiläa vorausgeht. Gott hat den Tod in Leben verwandelt – das sollen sie den Jüngern weitersagen. Das ist so unglaublich, dass sie voller Entsetzen vom Grab fliehen.
Zwei Boten rahmen also das Evangelium von Jesus Christus, Gottes Sohn – wie Eckpfeiler stützen sie das gesamte Werk. Dazwischen spannt sich in einem großen Bogen auf, wie Gott sich in Jesus unüberbietbar und endgültig der Menschheit offenbart hat. Das können wir alle nachlesen – auf ca. 25 Seiten in der Bibel – gemessen am Inhalt erstaunlich kurz. Das Evangelium ist im besten Sinne „kurz und gut“, es ist im Grunde auch einfach – aber nicht simpel – es ist klar und eindeutig. Gott wird in Jesus Mensch um allen Menschen die Gegenwart Gottes zu erschließen. Der Hauptschlüssel dazu ist: Sich-von-Gott-lieben-lassen. Denn Gott liebt es in den Menschen und der ganzen Schöpfung zu sein, das ist seine Freude. Das ist ein unzerstörbarer Grund um selbst ein Liebender zu werden. Jesus erfährt das bei seiner Taufe, die dem Anfang des Evangeliums direkt folgt: „Eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn.“
Zurück zu Johannes, der uns als einfach kraftvoller Mensch vorgestellt wird – ein Naturbursche und Menschenkenner, der den Menschen den Spiegel vorhält. Johannes bietet eine Taufe zur Umkehr an. Allerdings reinigt seine Taufe nur von außen – und das weiß er auch: „Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit heiligem Geist taufen.“ Später entlarvt er sogar den König Herodes als Verbrecher und muss das mit seinem Leben bezahlen. Johannes‘ Ermordung wird für Jesus zum Aufbruch in die Öffentlichkeit, denn Gerechtigkeit, Mut und Widerspruch sind auch notwendige Formen und Früchte eines Liebens, das nicht harmlos ist.
Johannes ist der Bote, der den Menschen ehrlich sagt, dass ihr Verhalten nicht dem ursprünglichen, göttlich gegründeten Gutsein entspricht. Sie haben sich von Gottes Liebe abgesondert. Diese existentielle Verlorenheit macht Angst und das ist Ursache ihrer Sünden. Ab-Sondern und sündigen – auch die Sprache verrät diesen Zusammenhang, der sich auch im Wort Erb-Sünde wiederfindet. Johannes weiß, dass die Heilung dieser existenziellen Distanz, dieses Bruchs, nur von Gott selbst kommen kann. Das geschieht durch Jesus Christus, der Gottes unbedingten, hingebenden Dienst für die ganze Welt verkörpert – gratis, aus Gnade.
Dieser Dienst ist – von außen betrachtet – nicht normal und auch nicht erfolgreich. Schon die äußeren Fakten des Lebens Jesu zeigen das: Gezeugt unter unehelich-mysteriösen Umständen, geboren in einem vergammelten Stall am Ende der bekannten Welt unter römischer Besatzungsmacht, verkannt von seiner Familie und in seiner Heimatstadt, trotz großer Anhängerschaft am Ende, beim Prozess von allen im Stich gelassen und schließlich durch schändlichste Hinrichtung am Kreuz als Totalversager gescheitert.
Und dieser Totalversager soll Gottes Sohn sein? Von ihm zu berichten soll ein Evangelium, eine gute Nachricht sein? Was ist das für ein Gott, der seinen „Sohn“ so enden lässt? Der uns Menschen eine Freiheit gibt, die sich in unvorstellbarer Gewalt in der Weltgeschichte zeigte und zeigt?
Jede Nacht gebiert einen neuen Tag und jeder Winter einen neuen Frühling. Schon das ist ein äußerer Hinweis: Gott gibt nichts und niemanden auf und auch das Böse hält ihn nicht auf. Der Liebesdienst Gottes an uns reicht tiefer als alle menschlichen Abgründe, er will sogar den Tod in neues Leben verwandeln. Davon kündet der Bote am Ende der Erzählung von Jesus: „Der Gekreuzigte ist auferstanden und geht euch voraus.“ Das ist – nur menschlich gesehen – unglaublich.
Wundert es da, dass es etwa 40 Jahre gedauert hat, bis das Markusevangelium als erstes Evangelium verfasst wurde? Während dieser Zeit war die damalige Welt politisch und religiös noch chaotischer geworden: In der Weltreichzentrale Rom tobte ein blutiger Machtkampf um den Kaiserthron und in Jerusalem lag der Tempel in Trümmern. Passt das nicht irgendwie zu uns?
Gottes Lieben erlöst, damit wir Lösungen finden können. Gott hat das durch Jesus erfahrbar gemacht. Mit diesem Angebot können wir anfangen und das ist wirklich eine gute Nachricht – ein Evangelium.