Predigt am 6. Ostersonntag (09.05.2021)

von Br. Balthasar Hartmann OSB

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht kennen sie ja auch diese berühmte Filmszene.
Ein Mann, gerade frisch verliebt, tanzt vor Glück durch das nächtliche Hollywood, und das auch noch bei starkem Regen. Der Himmel weint, aber er ist glücklich und verschenkt seinen Regenschirm.
Sie stammt, vielleicht haben Sie es ja schon erraten, aus dem Musical-Klassiker „Singing in the Rain“ aus dem Jahr 1952.
Ein liebenswertes Musical mit beschwingten Songs, voller Witz und Charme und Hoffnung. Wunderbarstes Technicolor-Kino. Wir sehen Gene Kelly, wie er im strömenden Regen singt und steppt und tanzt, und dabei immer leichter wird.

I am singing in the Rain
Ich singe im Regen
Singe einfach nur im Regen
Was für ein wundervolles Gefühl
Ich bin wieder glücklich

Ich lache die Wolken aus
So dunkel und drohend dort oben über mir
Die Sonne ist in meinem Herzen
Und ich bin bereit für die Liebe

Die Zeit, in der der Film in Amerika in die Kinos kam, war keine leichte Zeit. Es herrschte der kalte Krieg, die USA waren im Korea-Krieg, und die Welt stand mal wieder am Abgrund.
Und auch im Film selbst geht es um eine Krise. Er spielt in den Jahren des frühen Hollywood. Das Kino steht vor einem großen Umbruch, und niemand weiß so recht, wie es weitergehen wird. Der Stummfilm wird durch den Tonfilm verdrängt, und viele Menschen in der Filmbranche müssen um ihre Existenz bangen.

Auch das heutige Evangelium handelt von einer Umbruchszeit.
Es ist eine Abschiedsrede von Jesus an seine Jünger und Jüngerinnen.
In mehreren Abschnitten teilt er ihnen sein Vermächtnis mit, für die Zeit, wenn er nicht mehr bei ihnen sein wird.
Der Abschied liegt in der Luft, aber für die Jünger ist er noch nicht begreifbar. Auch hier ist die Unsicherheit zu spüren.

Im heutigen Teil des Evangeliums steht die Liebe im Mittelpunkt und wird von Jesus als das wesentlichste Gebot benannt, an das man sich halten soll.
Ein Freund verabschiedet sich von seinen Freunden und gibt ihnen das mit: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe!“
In den vergangenen Monaten haben viele von uns erleben müssen, wie es sich anfühlt, wenn wir von einem Menschen auf Zeit oder sogar für immer Abschied nehmen müssen. Eigentlich kurze Entfernungen wurden durch Kontaktbeschränkungen zu unüberwindbaren Mauern, Menschen sind gestorben, ohne dass wir sie noch einmal sehen konnten. Über drei Millionen Menschen sind bisher weltweit an Covid19 verstorben, unzählige erkrankt.
Wir alle haben erlebt, wie wichtig uns die Nähe, der Kontakt zu anderen Menschen ist, besonders zu denen, die wir lieben. Wir haben gemerkt, wie uns Nähe oder Geselligkeit fehlen. Auch hier eine Zeit mit vielen Brüchen und Umbrüchen, Abgründen und Ängsten. Eine Zeit, in der wir viel über unser Lieben erfahren haben.

Wir wünschen uns alle so sehr, dass diese unsichere Zeit bald zu Ende sein wird. Jeder hat einen Traum vom Ende dieser Pandemie, und was er dann machen wird.
Trotz so mancher dunklen Wolke am Himmel macht uns gerade jetzt der Frühling wieder Hoffnung.
Denn da wo dunkle Wolken zu sehen sind, da kann es auch regnen, und dieser Regen kann neues Leben bringen.
Ein englisches Sprichwort sagt: No rain, no rainbow.
Wo kein Regen ist, da gibt es keinen Regenbogen.
Tränen können heilsam sein, und der Regenbogen ist das Zeichen des Neuanfangs und der Verbundenheit.

Der Monat Mai steht besonders für dieses Aufblühen des neuen Lebens und für die Hoffnung des sichtbaren Neubeginns, und er wird nicht ohne Grund auch als der Monat der Liebenden bezeichnet. Erich Kästner nannte ihn einmal den Mozart der Monate.
Gerade jetzt im Monat Marias können wir besonders erleben, wie groß die Kraft des Neuerblühens ist.
Über Nacht ist alles grün und blüht. Die Natur tanzt, oder wie es der Mystiker Thomas Merton sagt: Der Kosmos
tanzt.
Das Leben wird in der Natur überall sichtbar, und in seiner Schönheit erfahren auch wir, dass unser Ursprung aus der gleichen göttlichen Kraft stammt. Wir alle sind eine Schöpfung aus Liebe, und dieser Ursprung ist unser Anfang und Ende. Wenn wir den Kosmos tanzen sehen, dann sehen wir Gott tanzen.
Wir wissen nicht, warum es die Abgründe im Leben gibt, die schmerzlichen Umbrüche, aber wir haben in den Wochen seit Ostern erlebt, dass es die Gewissheit gibt, dass Jesus sich für uns hingeben hat und in unsere Abgründe hinabgestiegen ist, und dass aus dem Abgrund des Todes seine Auferstehung gewachsen ist.
Wir durften glauben lernen, indem er uns in seine Wunden fassen ließ.
Das Geschenk seiner Liebe, das Geschenk seiner Freundschaft ist zum lebenspendenden Regen, zum Segen für uns alle geworden.
Für die, die gegangen sind, für die Hiergebliebenen, und für die, die kommen werden.

„Nicht ihr habt mich erwählt,
sondern ich habe euch erwählt
und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt
und dass eure Frucht bleibt.“