Und der HERR wird durchs Meer der Angst gehen und die Wellen im Meer schlagen und alle Tiefen des Nils vertrocknen lassen. (aus Sacharja 10,1-12)

Das sind gewaltige Worte die wir heute hören, und sie sprechen dem Leser Mut zu, genauso wie sie einst dem Volk Israel Mut zugesprochen haben. Ich muss bei diesem Satz an das jüdische Volk auf ihrem Weg aus Ägypten denken. Auf ihrem Weg durch das Schilfmeer. Und ich musste an die Lesungen in der Osternacht denken, an das Buch Genesis, an den Weg des Mose und des Volkes Israel durch die Wüste. Eine Sehnsucht nach dem Frühling, jetzt, wo alles grau und dunkel ist.

Der Weg zu den beiden heiligen Nächten, Osternacht und Weihnacht, ist verwandter, als wir im ersten Moment meinen. Denn auch der Advent war einst eine Fastenzeit, und im Orthodoxen Christentum ist er das bis heute. Ein Weg durch die Wüste oder die Nacht, der uns zu einem Wendepunkt führt. Ganz wie die Natur ziehen sich im Advent die Lebenskräfte zurück, verschwinden aber nicht, und alles wird stiller. Und dann erwacht zu Weihnachten eine Kraft, die im Verborgenen wirkt, und die sich immer weiter potenziert. Und diese Kraft wird sich dann an Ostern entfalten.

Gerade jetzt, wo alles still wird, können wir erfahren, dass etwas Gewaltiges bei uns ist und dass wir ganz tief in uns gehalten werden.  Dies gelingt nicht oft, aber der Advent bietet mit seinen Bedingungen eine gute Chance dazu, es zu erfahren. Eine Chance, die auch auf uns wartet, wenn wir in unserem Leben durch die Nacht oder die Meere unserer Angst gehen müssen.

Br. Balthasar Hartmann OSB

Impuls zu Sach 9, 9-12

Es ist Advent. In vielen Fenstern leuchten wieder die Lichterketten und Lichterpyramiden. Die Dunkelheit wird vom Licht durchbrochen: die Dunkelheit dieser Jahreszeit, aber auch die Dunkelheit des Lebens. Das Licht durchbricht die Dunkelheit und weckt die Erwartung. Die Erwartung, dass es da noch ein großes Licht gibt. Ein großes Licht, das die Dunkelheit nicht nur durchbricht, sondern sie überwindet. Advent ist eine Zeit der Erwartung. Wir erwarten das große Licht. Ein Licht, das wir nicht selbst anzünden können. Ein Licht, das gleichsam zu uns kommt. In unser Leben. In unsere Welt.

In vielen Texten und Bildern wird diese Erwartung ausgedrückt. Da heißt es beim Propheten Sacharja (9,9b): „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer …“

Wir Christen beziehen diese alte Ansage, diese alte Verheißung auf Jesus. Dass ein König sich auf den Weg macht zu uns, das lässt uns an Jesus denken. Der König, von dem im Wochenspruch die Rede ist, ist anders. Anders als andere Herrscher. Er lässt nicht kommen. Er lässt uns nicht antanzen. Sondern er kommt zu uns. In unsere Welt. In unser Leben. Das Hohe kommt in die Tiefe. Das Licht in die Dunkelheit. Der Himmel auf die Erde. Für alles das steht Jesus.

Br. Benedikt Müller OSB

20 So spricht der HERR der Heerscharen: Es wird noch geschehen, dass Völker herbeikommen / und die Einwohner vieler Städte. 21 Die Einwohner der einen werden zur anderen gehen und sagen: / Wir wollen gehen, um das Angesicht des HERRN gnädig zu stimmen / und den HERRN der Heerscharen zu suchen! – Auch ich will hingehen! 22 Viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, / um in Jerusalem den HERRN der Heerscharen zu suchen / und das Angesicht des HERRN gnädig zu stimmen. 23 So spricht der HERR der Heerscharen: In jenen Tagen werden zehn Männer aus Nationen aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch. (Sach 8,20-23)

Bei den alttestamentlichen Propheten taucht immer wieder das Motiv der sog. Völkerwallfahrt zum Zion, also nach Jerusalem, auf – am bekanntesten wohl beim Propheten Jesaja: „Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn.“ (vgl. Jes 2,1-5) Auch in unserer heutigen Bibellesung aus dem Propheten Sacharja haben wir es mit diesem Motiv zu tun.

Das Volk Israel ist ein relativ kleines Volk, das immer wieder zum Spielball großer Mächte und fremder Herrscher geworden ist. Das Motiv der Völkerwallfahrt, das in exilischer bzw. nachexilischer Zeit entstanden ist, also nach der großen Katastrophe der Verbannung, will dem geschundenen Volk Hoffnung geben. Irgendwann einmal werden die Menschen gemeinsam zu ihrem Gott ziehen – und dann wird Friede sein. Irgendwann werden Menschen verschiedenster Nationen sich gemeinsam auf den Weg machen, um Gott zu suchen, „um das Angesicht des HERRN gnädig zu stimmen“ (V.21).

Vielleicht kann man heute noch ergänzen: Irgendwann einmal werden Juden, Christen und Muslime, ja, Menschen aller Konfessionen und Religionen und auch alle Menschen guten Willens sich gemeinsam auf den Weg machen, um das Gute – den Guten – zu suchen und sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Es mag wie eine unerreichbare Vision klingen, ein utopisches Ziel. Aber wir brauchen die großen Visionen und Hoffnungsbilder, um in unserer Realität bestehen zu können. Und wir können ja schon mal losgehen…

P. Maurus Runge OSB

Impuls zu Lk 1,68-79

Besucht – erlöst – geredet – errettet – erbarmt – gedacht – geschworen: So klingt die  göttliche Melodie durch Zacharias‘ Lied. Heil und Barmherzigkeit, Erlösung und Rettung:  himmlische Töne in menschlichem Mund: Benedictus. Eher kunstvolle Komposition als  Spontangesang, wohl kaum improvisiert, sondern wohl gesetzt. Es braucht wache Ohren, um zu hören: Gott kommt, er ist da!

Im Advent geht es um die Sehnsucht, um die Erwartung, die Hoffnung auf Erlösung und Befreiung. Ein Zeichen, ein Symbol dafür ist das Licht. Wenn es draußen dunkel ist oder wenn ich in einem dunklen Raum bin, dann sehne ich mich nach Licht, dann brauche ich Licht, um mich zurecht zu finden, den Weg zu erkennen. Im Advent  geht es viel um das Licht. Um das Licht Gottes, das zu uns kommt dadurch, dass Jesus geboren wird. Das feiern wir an Weihnachten mit ganz viel Licht, mit Weihnachtsbäumen und vielen Kerzen. Und im Advent ist es noch nicht da, aber wir sehen bereits den Lichtschein, das Hoffnungslicht. Erst eine und dann immer mehr Kerzen am Adventskranz weisen darauf hin.

Br. Benedikt Müller OSB

9 So spricht der HERR der Heerscharen: Stark sollen eure Hände sein, die ihr in diesen Tagen die Worte aus dem Mund der Propheten hört – so schon am Tag, an dem das Fundament für das Haus des HERRN der Heerscharen gelegt wurde, damit der Tempel gebaut werde. 10 Denn vor diesen Tagen brachte die Arbeit des Menschen keinen Lohn, / es gab auch keinen Arbeitslohn für das Vieh. Wer ausging und heimkehrte, / fand keine Sicherheit vor dem Feind. Alle Menschen ließ ich gegeneinander los. 11 Jetzt aber bin ich zum Rest dieses Volkes nicht mehr so wie in den früheren Tagen – Spruch des HERRN der Heerscharen; 12 vielmehr ist das die Saat des Friedens:/ Der Weinstock gibt seine Frucht, das Land gibt seinen Ertrag / und der Himmel gibt seinen Tau. Das alles will ich dem Rest dieses Volkes als Erbbesitz geben. 13 Und wie ihr ein Fluch unter den Völkern gewesen seid, / Haus Juda und Haus Israel, so werde ich euch erretten, / damit ihr ein Segen seid. Fürchtet euch nicht! / Stark sollen eure Hände sein! 14 Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Wie ich plante, euch Böses zu tun, weil eure Väter mich erzürnten, spricht der HERR der Heerscharen, und es mich nicht reute, 15 so habe ich umgekehrt in diesen Tagen geplant, Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht! 16 Das sind die Dinge, die ihr tun sollt: Sagt untereinander die Wahrheit! / Richtet in euren Stadttoren der Wahrheit gemäß und mit Urteilen, die dem Frieden dienen! 17 Plant in eurem Herzen nichts Böses gegen euren Nächsten / und liebt keine verlogenen Schwüre! / Denn all das ist, was ich hasse – Spruch des HERRN. 18 Und es erging an mich das Wort des HERRN der Heerscharen: 19 So spricht der HERR der Heerscharen: Das Fasten des vierten, das Fasten des fünften, das Fasten des siebten und das Fasten des zehnten Monats soll für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu frohen Festen werden. Darum liebt die Treue und den Frieden! (Sacharja 8,9-19)

Es sind Worte des Trostes, die Gott durch den Propheten Sacharja an das Volk Israel richtet. Das Buch Sacharja ist in der Nachexilszeit entstanden, als die Israeliten nach der Katastrophe der Verbannung wieder in ihre Heimat zurückkehren und dort den Tempel wiederaufbauen konnten. Eine Zeit, die geprägt war von vielen Konflikten zwischen Heimgekehrten und denen, die im Land geblieben sind. In dieser Zeit spricht Sacharja zum Volk: „Fürchtet euch nicht! Stark sollen eure Hände sein!“ (V.13) Und: „Das Fasten … soll für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu frohen Festen werden.“ (V.19) Aus Trauer wird Jubel, die Zeit des Fastens ist vorbei. Die Arbeit hat sich gelohnt.

Diese Trostworte sind nicht nur an die Menschen früherer Zeiten gerichtet. Nein, sie gelten auch mir heute. Ich darf mir gesagt sein lassen: „Fürchte dich nicht! Deine Arbeit hat sich gelohnt! Freue dich und juble über deinen Gott!“ Eine Verheißung, die Mut macht – gerade in diesen Zeiten…

P. Maurus Runge OSB

Dort wo ein Brunnen steht… (Impuls zu Sacharja 8,1-8)

Von den „Plätzen“ Jerusalems spricht der Prophet, also von öffentlichen Orten und von überschaubaren Zentren. Wir würden sie heute „Quartiere“ oder „Begegnungsorte“ oder „Zentren“ nennen. Wenn wir an diesem Hoffnungsbild Maß nehmen, dann lernen wir die Bedeutsamkeit solcher Orte neu schätzen. Orte, wo ganz alltägliche Begegnungen möglich sind. Wo Menschen aller Generationen sich begegnen können. Leben findet nach Sacharja da statt, wo Menschen einfach so da sind, sich ihres Daseins freuen können, ohne sich dafür durch Konsumkraft, Arbeit oder Nützlichkeit legitimieren zu müssen. Und diese Art Leben präsentieren für Sacharja die ganz Kleinen und die ganz Alten. Unsere Bildungsstätte OASE will seit 41 Jahren ein solcher Ort sein. 1981 wurde sie als „Haus der Besinnung und Begegnung“ von den Mönchen der Abtei gegründet. Ein Haus offen für Menschen aller Generationen. Nach über vier Jahrzehnten ist es uns in unserer Gästearbeit auch heute noch wie damals wichtig, dass es im Konzept der OASE einen weiten Raum für die Begegnung von Menschen mehrerer Generationen miteinander gibt. Besonders deutlich und lebendig wird dies bei den Familienwochenenden, dem Osterkurs, dem Silvestertreffen oder einigen Angeboten der OASE im Rahmen des Gastprogrammes des Gastbereiches. Da lernen Oberstufenschüler mit Senioren etwas über Märchen. Da spielen Kinder, Eltern und Großeltern in der Familienwoche auf der Wiese der OASE. Jugendliche und Erwachsene tanzen vergnügt ins neue Jahr. Die Vision Sacharjas, die Orientierung an Jerusalem, dem Hoffnungs- und Sehnsuchtsort des Lebens motiviert uns zum Engagement für das Leben mit allen Generationen. Und wenn wir solche Plätze hätten für die Kinder und die Alten, dann wären wir dem Sehnsuchtsort Jerusalem schon etwas näher. Sacharjas Vision verhilft uns zum Träumen von solchen Plätzen, und sie hilft uns, für solche Plätze einzutreten, an denen im Miteinander der Generationen Lebensfreude und Lebenssinn erfahren werden. An solchen Orten erfüllt sich Gottes Verheißung: „Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein, unwandelbar und treu.“

Br. Benedikt Müller OSB

Und das Wort des HERRN erging an Sacharja: So spricht der HERR der Heerscharen: Haltet gerechtes Gericht, erweist Güte und Erbarmen, ein jeder gegenüber seinem Bruder; unterdrückt nicht die Witwe und Waise, den Fremden und Armen und plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander! (Sacharja 7,8-10 – ganze Lesung: 7,1-14)

Diese Worte des HERRN, die dem Volk durch den Propheten Sacharja übermittelt werden, sind der Kern der heutigen Lesung, ja, sie sind der Kern der gesamten prophetischen Literatur Israels. Es kommt letztlich nicht auf die Menge meiner Gebete an, es kommt nicht darauf an, wie lange ich gefastet habe. Es kommt vielmehr auf meine innere Haltung an. Ich kann viel fasten und beten – aber in meinem alltäglichen Handeln ein ungerechter Richter sein und den Menschen neben mir unterdrücken und benachteiligen. Genau das ist es, was Gott durch den Propheten seinem Volk vorwirft.

„Plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander.“ Wäre das nicht eine gute Maxime in diesem Advent? Denn das Böse beginnt ja im eigenen Herzen, und genau hier muss Umkehr ansetzen. Und wenn ich nichts Böses im Herzen plane, keine Rachegefühle in meinem Inneren hege, dann wird es auch mir wahrscheinlich viel besser gehen. Probieren wir es doch einfach mal aus!

P. Maurus Runge OSB

Die Krönung Jeschuas

9Und des Herrn Wort geschah zu mir: 10Nimm von den Weggeführten, von Heldai und von Tobija und von Jedaja, und komm du am selben Tag, komm in das Haus Joschijas, des Sohnes Zefanjas, wohin sie von Babel gekommen sind, nimm Silber und Gold und mache Kronen und kröne das Haupt Jeschuas, des Hohenpriesters, des Sohnes Jozadaks, 12und sprich zu ihm: So spricht der Herr Zebaoth: Siehe, es ist ein Mann, der heißt »Spross«; denn unter ihm wird’s sprossen, und er wird bauen des Herrn Tempel. 13Ja, den Tempel des Herrn wird er bauen, und er wird den Schmuck tragen und wird sitzen und herrschen auf seinem Thron. Auch der Priester wird auf seinem Thron sein, und es wird Friede sein zwischen den beiden. 14Und die Kronen sollen zum Gedenken an Chelem, Tobija, Jedaja und Chen, den Sohn des Zefanja, im Tempel des Herrn bleiben. 15Und es werden kommen von ferne, die am Tempel des Herrn bauen werden. Da werdet ihr erkennen, dass mich der Herr Zebaoth zu euch gesandt hat; und das soll geschehen, wenn ihr gehorchen werdet der Stimme des Herrn. (Sacharja 6,9-15)

Es ist schon auffällig! Dreimal ist in diesem kurzen Text davon die Rede, dass der Tempel des Herrn in Israel gebaut werden soll. Dies ist Sacharja äußerst wichtig. Der Tempel des Herrn, der daran erinnern soll, dass Gott (Jahwe) in seinem Volk gegenwärtig ist! Dass er der „Ich-bin-da“ ist, der sich so dem Mose im brennenden Dornbusch offenbarte.

Damit sind wir eigentlich schon mitten im Advent – auch in diesem Jahr 2021. Denn genau darum geht es ja immer wieder. Platz zu schaffen, dass Gott auch in meinem Leben, in meinem Alltag ankommen kann. Ja, mehr noch, dass er in mir ankommen kann. Und genauso singen wir es in dem bekannten Adventslied „Macht hoch die Tür“.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
So kommt der König auch zu euch,
Ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
Voll Rat, voll Tat, voll Gnad.“

Unser Herz soll ein Tempel für diesen Emmanuel, den Gott mit uns sein! Nicht mehr nur ein äußeres Bauwerk soll es sein – nein, unser tiefstes Inneres. Mein Herz als ein innerer Tempel, in dem Gott und Mensch sich begegnen können. Näher, intimer können wir kaum noch vom Kommen Gottes in meine Welt und mein Leben sprechen.

Doch seien wir ehrlich – da muss noch viel gebaut werden, an diesem Tempel meines Herzens. Oder anders gesprochen: da muss noch viel Gerümpel aus meinem Herzen geräumt werden, dass ER ankommen kann. Denn was sammeln wir nicht alles in unserem Herzen an: alles Belastende, Verwundungen, Ärger, Aggressionen,… Keine einfache Aufgabe, dort wieder Raum zu schaffen, dass ER ankommen kann. Doch – fangen wir an. Tun wir den ersten Schritt. Noch ist Zeit…

P. Jonas Wiemann OSB

Wieder erhob ich meine Augen und ich sah: Siehe da, vier Wagen zogen zwischen zwei Bergen aus, die Berge aber waren aus Bronze. Am ersten Wagen waren rote Pferde, am zweiten Wagen schwarze Pferde, am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen gescheckte Pferde, alles starke Tiere. Darauf fragte ich den Engel, der mit mir redete: Was bedeuten diese, mein Herr? Der Engel gab mir zur Antwort: Das sind die vier Winde des Himmels, die ausziehen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben. Die schwarzen Pferde – der Wagen, an dem sie sind – ziehen aus in das Land des Nordens, die weißen sind hinter ihnen hergezogen und die gescheckten sind in das Land des Südens gezogen. Die starken Tiere zogen aus, begierig, die Erde zu durchstreifen. Da sagte er: Geht hin, durchstreift die Erde! Und sie durchstreiften die Erde. Und er rief mir zu und sprach zu mir: Sieh, jene, die in das Land des Nordens ziehen, sie bringen meinen Geist über das Land des Nordens. (Sacharja 6,1-8)

Es ist ein für uns rätselhafter Text. Es wird in der Sprache der Zeit das ausgedrückt, was aber auch für uns bleibende Bedeutung hat. Es geht um die Endzeit, in welcher der Tempel in Jerusalem nach der Zeit des babylonischen Exils wiedererrichtet wird. Um die Völkerwanderung zum Berg Zion, auf dem das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens errichtet wird.

Was folgt daraus für uns? Manchmal verstehen wir die Sprache Gottes nicht, und auch die Sprache der Engel – in welcher Gestalt auch immer – bleibt für uns unverständlich. Dann aber ist es wichtig, die Vision zu behalten, dass am Ende ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe auf uns wartet. Das Bild des wiederkehrenden Christus, der ja in der Adventszeit erwartet wird, braucht von unserer Seite die Wachsamkeit, wo uns Christus heute begegnet, es braucht die Vision der Gerechtigkeit im Umgang mit den am Rande der Gesellschaft Stehenden. Es braucht die Liebe im Umgang miteinander.

Br. Benjamin Altemeier OSB

Tageslesung: Sacharja 5,1-11

Visionen begleiten uns immer wieder in unserem Leben. Einige sind hoffnungsvoll und geben Zuversicht, andere hingegen zeichnen dunkle Bilder unseres Lebens. So auch im fünften Kapitel der Schriften Sacharjas. Dort finden wir verschiedene Visionen, die sich unter anderem mit der Schuld der Menschen befassen. Da ist beispielsweise die sechste Vision „Die fliegende Schriftrolle“ (Sacharja 5,1ff.), die von einem Fluch erzählt, der die Menschen an ihre Untaten erinnern und auf ewig begleiten soll. Weitergeführt wird diese Erinnerung in der siebten Vision „Die Frau im Fass“. Ein Fass symbolisiert die Schuld der Menschen auf der Erde. In ihr sitzt eine Frau, die Ruchlosigkeit. Zwei Engel tragen sie in ihrem Fass in das Land Schinar, also in das alte Babylon, damit ihr dort ein Tempel gebaut wird. Ein Mahnmal der eigenen Schuld. Ein ganz schön dunkles und hoffnungsloses Bild für den Advent, oder etwa nicht? Mit Fässern und der Schuld ist es so eine Sache. In einer Nikolauslegende spielen drei Fässer eine wichtige Rolle:

„Es war an einem wunderschönen Tag im Winter. Bischof Nikolaus war auf der Reise von Myra nach Konstantinopel, um den Kaiser zu besuchen. Auf dieser Reise begleiteten ihn zwei Wächter der bischöflichen Gardisten. Nachdem sie nun fünf Tage geritten waren, kamen sie in ein kleines Dorf. Am Dorfbrunnen saßen drei Frauen und weinten. Nikolaus fragte die Frauen, warum sie denn so traurig wären? Die drei Frauen erkannten den im ganzen Land beliebten Bischof und baten Nikolaus, dass er ihnen helfen möge, ihre kleinen Söhne wiederzufinden. Was war passiert? Die Jungen waren spurlos im Wald verschwunden. Nikolaus dreht mit seinem Reiter um und zusammen mit den drei Müttern zogen sie durch die Straßen. Immer wieder riefen die Mütter die Namen der Kinder: „Timotheus, Markus, Johannes.“ Doch alles war vergebens! Weit und breit keine Antwort. Totenstille.  Schließlich gelangten sie völlig erschöpft bei einer Waldwirtschaft an. Nikolaus und seine Begleiter gingen mit den Frauen hinein und baten um Essen und Nachtquartier. Nikolaus fragte den Wirt, ob er von den Knaben etwas gesehen oder gehört habe. Der Wirt wurde ganz rot im Gesicht und antworte mit einem schnellen „Nein!“ Bischof Nikolaus blieb hartnäckig und wiederholte noch zweimal seine Frage. Aber wie zuvor antwortete der Wirt mit einem „Nein!“, und dennoch verrieten seien Augen etwas Anderes. Immer wieder blickte er verlegen auf drei große Pökelfässer, die in einer Ecke der Wirtsstube standen. Nikolaus gefiel der Blick des Wirtes auf die Fässer gar nicht. Und so ging der heilige Mann und stellte sich vor die drei Pökelfässer. Nikolaus wurde sehr misstrauisch und betete zu Gott. Dann rief er: „Im Namen Christi: Timotheus, steh auf, Markus, steh auf,  Johannes, steh auf“. Da kletterte aus jedem Fass ein Junge. Überglücklich fielen sie ihren Müttern um den Hals. Nikolaus aber dankte Gott für seine Güte.“

Br. Benedikt Müller OSB