Predigt an Christi Himmelfahrt (18.05.2023)

von P. Abraham Fischer OSB

Wie im Himmel so auf Erden,
liebe Schwestern, liebe Brüder,
das ist ein Satz, der in unseren Kirchen und Familien oder auch persönlich oft gebetet wird – gehört er doch zum Urgebet des Christentums, dem Vaterunser. Hier werden Grundsätze unseres Glaubens ausgesprochen. Es geht um den Lobpreis Gottes, den wir vertrauensvoll als Vater anreden. Es geht um unsere Bedürftigkeit nach Nahrung, es geht um die Tatsache, dass wir in unserem Leben nie ohne Fehler und Versagen sind, es geht um die Bitte, klare und menschenfreundliche Wege im Gewirr des Alltags zu finden. Das Gebet endet mit der Anerkennung von Gottes Macht und Herrlichkeit und es spricht aus, dass wir von der endlichen Welt mehr erwarten, wenn wir sprechen: Dein Reich komme, Dein Wille geschehe – eben: wie im Himmel so auf Erden.

Im Zusammenhang mit dem heutigen Fest stellt sich dann mehr oder weniger intensiv die Frage, was das denn sein könnte der „Himmel“? Und manche von uns stellen die Frage konkreter: Wo ist er denn dieser Himmel?
Bohrend stellt sich diese Frage im Erleben unserer Vergänglichkeit: Wo sind sie, die Menschen, die gestorben sind? Und emotional noch intensiver: sehen wir uns wieder in diesem Himmel?

Fragt man die derzeit sehr diskutierte künstliche Intelligenz nach dem Himmel, so bekommt man folgende Antwort:
„Der Himmel wird im Allgemeinen als der Raum oberhalb der Erdoberfläche betrachtet. Es ist der Bereich, in dem sich die Atmosphäre erstreckt und in dem sich Wolken, Sterne, Planeten und andere Himmelskörper befinden. Der genaue Ort des Himmels wird jedoch oft als metaphysisches Konzept betrachtet und kann je nach religiösen oder spirituellen Überzeugungen unterschiedlich interpretiert werden. In verschiedenen Religionen und Kulturen gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, wo der Himmel liegt und wie er beschaffen ist. Es ist wichtig zu beachten, dass dies spekulative und subjektive Vorstellungen sind, die auf Glauben und Interpretation basieren, anstatt auf wissenschaftlicher Messung oder Beobachtung.“

Dieser Text wirft uns Fragende zurück auf die Erde und man könnte sagen: Typisch naturwissenschaftlich kaputt erklärt, rationalistisch aufgelöst und endgültig entmythologisiert.

In dem durchaus sauber argumentierenden Text stecken aber einige Voraussetzungen, die man hinterfragen könnte, wenn man denn den Himmel als Sehnsuchtsort nicht so ganz aufgeben mag. Es wird nämlich vorausgesetzt, dass wir die Erde begreifen könnten, wenn wir sie mittels Naturwissenschaft zergliedern, analysieren und damit greifbar machen. Vielleicht sollten wir, um den Himmel zu verstehen, erst mal mit der Erde anfangen. Und damit meine ich nicht nur unseren Planeten Erde, sondern das Universum und das gesamte erfahrbare Dasein. Hier gibt es nicht nur Fakten, die wir „noch nicht“ verstehen, weil wir sie noch nicht vermessen können, sondern hier gibt es auch Fragen, an denen Naturwissenschaft bisher grundsätzlich scheitert:

  • Was ist das Dasein und woher kommt es?
  • Was ist Leben und wie ist es genau entstanden?
  • Und vor allem: Was ist der Mensch und warum fragt er immer wieder über sich hinaus und denkt eben über so etwas scheinbar Sinnloses wie den Himmel nach? Warum fragt er nach seinen Toten und kann sich einfach nicht damit zufriedengeben, dass nach dem Tod alles ein nur „aus“ sein soll?

Denken wir uns tiefer in das Thema hinein, so bleibt uns nur unser Hier und Jetzt, um Spuren des Himmels zu suchen. Es bleibt das Wunder des Lebens an sich, das wir im Frühling jedes Jahr erleben, um zu ahnen, dass es Kräfte des Daseins gibt, die sich der Erklärung verschließen. Es bleiben diese Fragen, die Menschen immer wieder zu allen Zeiten in allen Regionen und Religionen stellen und die einfach nicht verstummen.

Indem wir den spirituellen Himmel unbewusst immer mehr mit dem materiellen Universum gleichgesetzt haben, sind wir einer Spur gefolgt, die einerseits unsere Sehnsucht nach Unbegrenztheit befriedigt. Dieser Himmel – auch spirituell vorgestellt – ist natürlich groß und monumental.

Das Konzept hat aber den Nachteil, dass wir uns im gekrümmten Raum wiederfinden, der sich im Grunde in sich selber dreht. Er ist unbegrenzt, aber endlich. Milliarden von Lichtjahren entfernt, darin aber schweigend zu den Fragen aus dem inneren Universum des Menschen. Das gilt es erst einmal auszuhalten, demütig zu werden, dass diese kleinen humanoiden Wesen auf einem winzigen Planeten sich soweit entwickeln konnten, das alles zu erforschen und zu begreifen.

Großartigkeit und Kleinheit liegen manchmal so eng zusammen. Kommen wir zurück ins Hier und Jetzt: Wie wäre es, wenn der Himmel gar nicht weit weg wäre, sondern ganz nah? Könnte er nicht im Grunde die „andere Seite der Wirklichkeit“ sein? Muss er getrennt gedacht werden und weit entfernt oder wäre es vorstellbar, dass der Himmel verwoben mit unserer Wirklichkeit immer und überall einfach dabei ist, dass er zum Dasein gehört, dass er einfach nur die andere Seite der Medaille ist?

Manchmal fragen die Menschen nach den Verstorbenen und wo sie sind. Wir wissen, dass wir die Körper bestatten und dass sie vergehen und doch spüren wir mitunter, dass etwas bleibt – und wenn es nur die Erinnerungen lebender Menschen sind. Vielleicht sind sie aber nur hinübergegangen auf die andere Seite der Wirklichkeit und können von dort aus weiter für uns da sein. Dann wäre der Himmel nicht etwa jenseits der Welt, sondern inmitten der Welt. Unser Erlebnishorizont wäre dann ein äußerer und die Hinübergegangenen hätten sich in die innere Dimension des Daseins zurückgezogen. Wir würden die Außenfläche einer Kugel erleben, deren Inneres eine ganz andere Dimension hat, in die wir aber eingeschrieben sind.

Wir würden dann nicht erst nach dem Tod in den Himmel „kommen“, sondern wären schon jetzt darauf. Und immer wenn wir wachsam das Dasein betrachten, könnten wir Funken dieses Inneren durchblitzen sehen.

In den Dialogen des heiligen Gregor finden wir dazu folgende Gedanken. Sie beschreiben den inneren Kontakt zum Innersten der Welt so:

Wenn die Seele ihren Schöpfer schaut, wird ihr die ganze Schöpfung zu eng. Hat sie auch nur ein wenig vom Licht des Schöpfers erblickt, wird ihr alles Geschaffene verschwindend klein. Denn im Licht innerer Schau öffnet sich der Grund des Herzens, weitet sich in Gott und wird so über das Weltall erhoben. Die Seele des Schauenden wird über sich selbst hinausgehoben. Wenn das Licht Gottes sie über sich selbst hinausreißt, wird sie in ihrem Inneren ganz weit; wenn sie von oben hinabschaut, kann sie ermessen, wie klein das ist, was ihr unten unermesslich schien.  (Dialoge II,35,6)

Wenn die Seele ihren Schöpfer schaut, wird ihr die ganze Schöpfung zu eng, weil der Himmel ihre andere Seite ist, weil nichts getrennt ist, weil wir uns in Gott geborgen glauben dürfen. AMEN