Predigt am Dritten Ostersonntag (23.04.2023)
von P. Maurus Runge OSB
Was mir an den sog. Auferstehungserzählungen der Evangelien so gefällt, liebe Schwestern und Brüder, ist, dass sie nicht triumphalistisch-siegesgewiss daherkommen, sondern sehr leise. Es sind Geschichten, die durch den Zweifel hindurchgegangen sind, die den Zweifel, die Ängste und Sorgen der Jünger ernst nehmen und nicht vorschnell durch ein „ihr müsst nur mehr glauben“ zu überwinden versuchen. In allen Osterevangelien hat der Zweifel Raum, und der Auferstehungsglaube ist ein trotziger Glaube, ein Glaube, der trotz alledem, trotz des Zustands der Welt – und heute könnten wir ergänzen: trotz des Zustands der Kirche – die Hoffnung nicht aufgibt, dass es da noch mehr geben muss als Leid und Tod. Die Osterevangelien, die relativ spät entstanden sind und mehr die Erfahrungen der ersten Gemeinden widerspiegeln als dass sie historische Tatsachenberichte geben wollen, sagen nicht: „Genau so und nicht anders müsst ihr glauben“, sondern sie ermutigen uns: „Versuche, so zu glauben und zu leben, als ob es wahr wäre.“
Das 21. Kapitel des Johannesevangeliums, erst nachträglich dem Evangelium hinzugefügt, nimmt diesen leise-trotzigen Grundton des „als ob“ auf: „Es könnte trotz allem wahr sein.“ Da sind sieben der Jünger, angeführt von Simon Petrus, am See von Tiberias, die wieder ihrer gewohnten Arbeit als Fischer nachgehen. In dem kurzen Dialog zwischen Petrus und den Jüngern nehme ich einen resignativen Unterton wahr: „Ich gehe fischen.“ – „Wir kommen auch mit.“ Was sollen wir auch sonst tun? Das kleine Intermezzo mit diesem Jesus – es waren wohl doch nur verlorene Jahre. Nichts hat sich geändert, all unsere Hoffnung hat sich am Kreuz zerschlagen, ist durch-kreuzt worden. Solche Erfahrungen der alltäglichen Sinnlosigkeit – sie sind mir zumindest nicht fremd. Und im Geiste einer self fulfilling prophecy, einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung heißt es dann weiter: „In dieser Nacht fingen sie nichts.“
Dann heißt es: „Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.“ Auch das ein wiederkehrendes Thema in den Auferstehungserzählungen. Die Jünger sind so gefangen in ihrer Resignation und Hoffnungslosigkeit, in ihrem Zweifel, dass sie nichts mehr wahrnehmen können, was neue Perspektiven eröffnet. Und doch versuchen sie es noch einmal auf das Wort Jesu, des für sie Fremden, hin, und werfen gegen den Augenschein noch einmal die Netze aus – und siehe da: „Sie konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.“ Für mich ist der entscheidende Moment in diesem Evangelium, dass die Jünger es noch einmal versuchen, dass sie nicht völlig die Hoffnung aufgeben, in Mutlosigkeit versinken, sondern das Unmögliche wagen. Und im Tun des scheinbar Unmöglichen öffnen sich ihnen neue Perspektiven, werden ihnen neue Bilder vor Augen gemalt: „Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr!“
Und dann kommt die seltsam anmutende Stelle, dass Petrus sich das Obergewand umgürtet, „weil er nackt war“, und in den See springt, um schneller bei Jesus am Ufer zu sein – Letzteres passt wieder zu diesem so ungestümen Mann, der so oft vorprescht und dann doch wieder jäh sich seiner Schwäche, ja auch seiner Schuld bewusst wird. Vielleicht können wir die Nacktheit des Petrus auch in diesem übertragenen Sinn verstehen – Petrus ist sich seiner Schuld bewusst, die er noch bei der Verleugnung Jesu auf sich geladen hat und die er nun mit dem Gewand zu bedecken sucht.. Für diese Deutung spricht auch das Kohlenfeuer, das am Ufer brennt – dasselbe griechische Wort kommt noch einmal im Johannesevangelium vor, und zwar genau bei der Szene der Verleugnung, als sich die Knechte und Mägde im Hof des Hohenpriesters ein Kohlenfeuer anzünden. Was mir diese kleine Episode zeigt: auch mit meinem Versagen, meiner Schwäche, meiner Schuld kann ich dem Auferstandenen begegnen – ja, gerade meine Schuld wird zum Einfallstor für die Gnade Gottes: „O felix culpa, o glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden“ hieß es im Exsultet der Osternacht.
Und schließlich ist es das Mahl, das gemeinsame Essen, das die Erfahrung mit dem lebendigen Jesus besiegelt. Das, was sie schon zu Lebzeiten so oft miteinander getan haben, wird zum Erkennungszeichen des neuen Lebens. Nichts von dem, was wir in diesem Leben tun, keine menschliche Begegnung, keine Freundschaft, kein Liebeserweis ist verloren in der Ewigkeit. Genau das meinen wir, wenn wir von leiblicher Auferstehung, der Auferstehung des Leibes sprechen. Der Leib, das ist all das, was uns als Menschen in Beziehung ausmacht.
Und genau deswegen ist der Glaube an die Auferstehung kein Glaube, der mich auf ein besseres Jenseits vertröstet, weil das Diesseits kaum auszuhalten ist. Wenn ich an die leibliche Auferstehung glaube, dann verpflichtet mich dieser Glaube dazu, leidenschaftlich diese Erde zu lieben. Er verpflichtet mich dazu, dass ich trotz meines Versagens mich wie Petrus mit dem Obergewand umgürte, den Sprung wage und so lebe, als ob es wahr sein könnte. Und mich nicht zufriedengebe mit dem Zustand dieser Welt und dieser Kirche. In der trotzigen Hoffnung, dass es nicht umsonst ist, werfe ich die Netze meiner Sehnsucht noch einmal aus. AMEN.