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Sieht man Gutes bei sich, es Gott zuschreiben, nicht sich selbst.
Das Böse aber immer als eigenes Werk erkennen, sich selbst zuschreiben.
(RB 4,42-43)

Was passiert mit mir, wenn ich diese zwei Verse der Benediktsregel, die zunächst einfach nur Widerstand hervorrufen, ernst nehme?

Zunächst einmal: Gott ist für Benedikt der absolut Gute und kann deshalb auch nur etwas Gutes im Menschen bewirken. Das finde ich erst einmal tröstlich! Gott wirkt Gutes in und mit mir. In dem Guten, was ich tue und bewirke (und da gibt es im Leben eines jeden Menschen sehr viel!! Leider nehmen wir das in der Regel nicht wahr!) wirkt Gottes Kraft, sein Hl. Geist in mir.

Aber: es gibt auch die Dynamik zum „Bösen“, Destruktiven in mir und in der Welt. Das ist all das, was eigentlich und im letzten Leben verhindert. Ausgelöst durch wen oder was? Wir wissen es nicht…  Aber, so Benedikt: Es kommt nicht von Gott! Denn der ist voll und ganz Leben, Liebe, Licht…

Was wir tun können als Menschen? Uns immer mehr dieser Dynamik des Lebens zu öffnen. Und das, was mich im tiefsten davon wegzieht  – lassen. Mit Gottes Hilfe.

P. Jonas Wiemann OSB

Seine Hoffnung Gott anvertrauen.
(RB 4,41)

Zusage und Überforderung zu gleich.

Kann ich meine Hoffnung,
alles was ich ersehne erwarte,
ganz Gott anvertrauen?

Auf ihn, der „ein Gott ist,
der mich sieht“?
(nach der ök. Jahreslosung 2023, vgl. Gen 16,13)

Aber soll ich nicht lieber doch
ein wenig und mehr dazu beitragen,
dass meine Hoffnungen Wirklichkeit werden?

Ja, die Hände in den Schoß legen gilt nicht
mit der Ausrede: „Gott macht das schon!“

Aber: Gott vertrauen, das darf ich!
Kann ich es auch?
Wage ich es?

 

„Siehe, ich habe deinen Namen in meine Hand geschrieben, ich habe Dich immer vor Augen.“
(Jes. 49,16)

P. Guido Hügen OSB

Nicht murren.
Nicht verleumden.
(RB 4,39-40)

Nach dem Evangelium zu leben ist eine sehr praktische Angelegenheit. Heute nennt Benedikt in seiner langen Instrumentenliste zwei Werkzeuge, von denen sehr viel für das Gelingen des menschlichen Zusammenlebens abhängt: „Nicht murren. Nicht verleumden.“

Wir wissen alle, dass das Rummosern und Nörgeln in einer Gruppe, einem Team, einem Kollegium eine starke Belastung sein kann, weil es die Atmosphäre vergiftet und ein gutes Zusammenarbeiten blockiert. Es taucht dort überall auf, wo Menschen sind. Wen wundert’s, dass es auch im Kloster vorkommt. Von daher schärft Benedikt an mehreren Stellen den Kampf gegen das Laster des Murrens ein und greift ein Thema auf, das schon zu Zeiten des Mose existierte:  Musste sich doch Gott immer wieder gegen die Unzufriedenheit in seinem Volk richten, und auch die Propheten beschönigten dieses Übel nicht. Man muss es also durchaus ernst nehmen. Es richtet heutzutage genug Unheil in den sozialen Medien an. Dieser Gefahr gilt es, bewusst und entschieden Widerstand  zu leisten.

Ähnliches trifft auch für das „nicht verleumden“ zu. Wo Menschen sich nicht abfällig über andere äußern und Schwachstellen nicht rumposaunen, bleibt die Luft klar und rein. Dort schauen sich die Menschen offen in die Augen und können sich frei zeigen, so wie sie sind.

Wie entgehen wir der Versuchung zu beiden Fehlhaltungen?
Am ehesten, wenn wir uns nicht nur für unser eigenes Wohlergehen interessieren, sondern
– die anderen in unserer nächsten Umgebung im Bick behalten,
–  z. B. mal nachfrage „Wie geht es dir?“,
– oder einfach ein Stück des Weges mit ihnen zusammengehe (wörtlich zu nehmen!).
Hier noch ein guter Rat von Johannes XXIII., den er als Vorsatz für sich selbst in seinem Tagebuch notiert hat: „Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an mich oder meine Wünsche anpassen.“  Wohlgemerkt: nur für heute – das ist schon viel! Das ist praktisch.

P. Johannes Sauerwald OSB

Nicht stolz sein. Nicht trunksüchtig, nicht gefräßig, nicht schlafsüchtig, nicht faul sein.
(RB 4, 34-38)

Es geht nicht um die Erfüllung meiner Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Schlafen, Erholung, Anerkennung.

Aber was ist, wenn sich bei all dem die „Sucht“ mit einschleicht? Oft unbemerkt, immer mehr, mein Leben lang. Dann wird klar, dass es mir nicht um diese Grundbedürfnisse geht, sondern dass sich über das Suchtverhalten meine Sehn-sucht meldet.

Gibt es neben den Grundbedürfnissen (Essen, Trinken, Schlafen, Erholung, Anerkennung) des Menschen nicht auch eine Grundsehnsucht in ihm? Nach Annahme, Liebe, Verständnis, Nähe, …? Und wie erfüllt sich die in meinem Leben?

Nur wenn ich diese Sehnsucht zulasse, anschaue, bruchstückhaft erfülle, stillt sich mein Hunger, mein Durst, …

Der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er bedürftig ist. Ein Leben lang. Unstillbar.

Aber – wie gehe ich damit um?

P. Jonas Wiemann OSB

Die uns verfluchen, nicht auch verfluchen, sondern – mehr noch – sie segnen.
Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen.
(RB 4,32-33)

In diesen Versen wird die Bergpredigt aufgenommen. Sie gehört zu den Grundaussagen des Christentums. Hier wird der Ernst der Nachfolge Jesu deutlich. Es wird von mir Bewusstseinsarbeit gefordert. Gegen Gefühle wie Wut, Rachewünsche oder Kränkungen kann ich nichts ausrichten. Gefühle kommen, wie sie wollen. Aber ich kann mit diesen Gefühlen umgehen. Ich muss das Gefühl nicht ins Wort fassen, und ich muss das Wort nicht zur Tat werden lassen. Ich kann den Kreislauf der Gewalt durchbrechen. Wenn mir jemand Böses tut, dann kommen die Gefühle von Wut, Rache und Kränkung unweigerlich. Trotzdem kann ich mein Gegenüber segnen, auch dann, wenn mir nicht danach ist.

Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen: Das nimmt mich mit in die Passion Jesu. Die für mich erkannte Wahrheit ist nicht beliebig. Für diese Wahrheit stehe ich ein und nehme auch Nachteile in Kauf. Das wird mir nicht immer gelingen, aber es darf als Leitstern für mein Leben gelten.

Br. Benjamin Altemeier OSB

Nicht Böses mit Bösem vergelten.
Nicht Unrecht tun, vielmehr erlittenes geduldig ertragen.
Die Feinde lieben.
(RB 4,29-31)

Mir ist aufgefallen, wie schnell wir einen Schlusspunkt setzen, wenn uns jemand Unrecht tut, uns alles andere als wohlgesonnen ist und sich uns gegenüber feindselig verhält. In einem solchen Fall schalte ich irgendwann auf Selbstverteidigung um, wehre mich und sehe im anderen nur einen Gegner.

Auf der anderen Seite habe ich auch erlebt, dass es Menschen gibt, die ruhig bleiben und nicht auf einer aggressiven Ebene antworten. Ich wünschte mir, ich wäre in der Lage, mich nicht zum automatischen Reflex verleiten zu lassen und nur auf Abwehr umzustellen.

Jemand hat mir einmal geraten: Versuch von Deiner Mitte heraus zu reagieren. Sonst machst Du schnell einen Fehler, wirst selbst emotional und überziehst den Ton.
Was hilft, mich an Jesu kluge Weisung zu halten, ist ein Spruch des koreanischen Mönchs Shiva Ryu: „Setze keinen Punkt an die Stelle, an die Gott ein Komma gesetzt hat.“ Setze also keinen Schlusspunkt im gestörten menschlichen Miteinander, Gott sieht mehr, als du denkst. Gib nicht auf.

P. Johannes Sauerwald OSB

Nicht schwören, um nicht falsch zu schwören. Die Wahrheit mit Herz und Mund bekennen.
(RB 4,27-28)

Die Warnung vor dem Schwören bezieht sich an dieser Stelle auf den Schwur im Verhör während der Zeit der Christenverfolgung. Beim Kaiser zu schwören hätte bedeutet, ihn in seiner vermeintlich göttlichen Würde anzuerkennen: Für Christen war das natürlich ein moralisches Dilemma, denn das Einstehen für ihre Überzeugung und das Bekenntnis ihres Glaubens mit Herz und Mund hatte dementsprechend das Martyrium zur Folge. Aufgewachsen in einem Land, in dem es Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit gibt, wird mir aber gerade im Blick auf andere Länder deutlich, was für hohe Güter das sind. Würde ich mich trauen, für meine Überzeugungen und für meinen Glauben einzustehen, auch wenn dies nicht nur Unverständnis, sondern wirklich ein Risiko für mein Leben oder für das Leben meiner Brüder und meiner Familie bedeuten würde?

P. Vincent Grunwald OSB

Regel Benedikts 4,26

Von der Liebe nicht lassen.

 

               … nicht? Nein! Niemals….

Die Liebe wirken lassen!
Der Liebe Raum lassen!

              Wirklich: …nicht lassen?

Aber wie das denn?

Meine Selbstsucht unter-lassen

Meine Dunkelheit lassen

Meine Verwundungen los-lassen

Meine Geschichte sein-lassen

Die Bewertungen bleiben-lassen

Das Schuldkonto er-lassen

Leben veran-lassen

Mich belassen, weil ich bin, wie ich bin?

               Trotzdem: Die Liebe machen lassen!

               Liebe hinter-lassen

              An der Liebe nie Zweifel lassen!

In mir

Durch mich

Mit ihm

In ihm

Für die Welt

Dem Menschen

Gott ist die Liebe.

 

p. abraham fischer osb

Nicht unaufrichtig Frieden schließen. (RB 4,25)

Das heutige Werkzeug hat gleich mehrere Komponenten.
Erst einmal dreht sich alles um die Unaufrichtigkeit in einer Gemeinschaft oder auch in einer Beziehung, und die Folgen daraus.
Es kann nicht wirklich gelingen, zu einem Frieden zu kommen, wenn eine Partei unlautere Absichten hat oder nur der eigene Vorteil im Mittelpunkt steht. Der Wille zum Frieden beider Seiten muss der Kern allen Handelns sein. Nur aufrichtiges Annähern führt zu einem Friedensschluss.
Die Folgen einer Unaufrichtigkeit können fatal sein, wie uns ja auch oft die Weltgeschichte schon gelehrt hat. Und auch in der Legendensammlung der „Dialoge“, die vom Leben des heiligen Benedikt handelt, gibt es anschauliche Geschichten, in welchen Benedikt von unaufrichtigen Mitbrüdern sogar nach dem Leben getrachtet wird.
Falscher Friede hat nichts mit wirklichem Frieden zu tun, auch wenn sich alle dabei anlächeln und ein „gutes Gefühl“ haben.
Eine weitere Komponente des Werkzeugs dreht sich um die Beziehung zu uns selbst: Sind wir aufrichtig mit uns, und nehmen wir uns auch so an, wie wir sind? Wie machen wir Frieden mit uns?
Nur wenn wir versuchen, uns ganzheitlich zu sehen, kann auch Veränderung gelingen. Und nur wenn wir mit uns ehrlich sind, erkennen wir auch, wo unsere Grenzen (dabei) sind.
Hier kommt nun die dritte Komponente des Werkzeugs ins Spiel: unsere Aufrichtigkeit in der Beziehung zu Gott.
Wie erwarten wir Gott, wenn er uns in seinem unendlichen Frieden entgegeneilt? Und wie werden wir sein, wenn dieser Frieden uns dann ganz einfach aufrichtet?

Br. Balthasar Hartmann OSB

Den Zorn nicht zur Tat werden lassen.
Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben.
Keine Arglist im Herzen tragen.
(RB 4,22-24)

Wer kennt das nicht: Oft fängt es beim Frühstück am Morgen an, da ärgert man sich über seinen Nächsten, weil vielleicht gerade die Butter vor den eigenen Augen geleert wurde. So eine Frechheit. Jetzt hat man keine Butter mehr. Sowas Blödes, wer will schon in den Vorratsraum gehen. Schließlich will man frühstücken. Die Zeit ist eh knapp. Das war doch extra, nur um mich zu ärgern. Wut schafft Ärger, und beide bringen Zorn in unser Herz. Und das alles am Morgen während der so kostbaren Frühstückszeit! Ja, in solchen Situationen kann dann ein Vulkan der Gefühle ausbrechen. Man fängt wie ein kleines Kind an zu toben, ob nun erst innerlich oder dann gar äußerlich. Ärger, Zorn und Frust gehören zum Alltag und können diesen dann ganz schön versauen. Schlimmer, die Rachsucht sucht uns heim: Na warte, wenn es wieder Butter gibt, dann zeig ich es dir aber…

In seinen Werkzeugen der geistlichen Kunst warnt der heilige Benedikt seine Mönche vor diesem Tsunami der Gefühle, indem er rät: „Den Zorn nicht zur Tat werden lassen. Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben. Keine Arglist im Herzen tragen.“ Hier greift der Mann vom Monte Cassino den roten Faden der Bergpredigt und ihrer Friedenslehre auf. Die Keime des Zorns sollen wir nicht in unseren Herzen sprießen lassen, denn dann wächst dort das Unkraut der Rachsucht wild heran. Unser Herz wird zum Nährboden eines Wutreaktors. Es brodelt und dampft in uns, bis es zischt und explodiert. Diese Gefühlslage macht uns innerlich unglücklich und hindert uns daran, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, denn es kommt wie ein Bumerang zurück.

Die Fastenzeit kann uns hier eine Werkstunde sein. Nutzen wir diese Zeit und üben uns in Gelassenheit ein. Wenn wir uns ärgern und Wut im Herzen spüren, dann stellen wir doch unsere innere Ampel auf Rot und bleiben einen Moment stehen und atmen durch. Vielleicht hilft es uns in dieser Situation, einen Spaziergang zu machen oder beim Sport uns auszutoben. Um die Nerven zu beruhigen, hilft jede Art der Bewegung. Eine andere Möglichkeit: Den Geist fliegen lassen, indem wir einen ruhigen Raum aufsuchen, vielleicht eine Kerze anzünden. In der Stille die Augen schließen und dem Geist Freiraum schenken. „Die Enge meines Herzens mach weit.“ Vielfach hilft auch Musik, um negative Emotionen zu lösen. Oder wir können die aufgestaute Wut einfach wegtanzen. Die Fastenzeit will uns Raum schenken, damit wir uns kre-aktiv in der Gelassenheit einüben. Dann löst sich die Enge unseres Herzens und es kann sich weiten. Das ist gut für die Nächstenliebe, aber auch für die Liebe zu uns selbst. Denn Frieden entsteht zunächst in meinem Herzen, dann kann ich auch friedvoll mit meinen Nächsten umgehen und der Zorn wird nicht zum Gewitter der Arglist im Herzen, das mit Pfeilen um sich schießt, sondern zum Klang des liebenden Herz.Rhythmus.

Br. Benedikt Müller OSB