Predigt am Fest Taufe des Herrn (9.1.2022)

von Br. Anno Schütte OSB

Mit dem heutigen Fest „Taufe des Herrn“ begehen wir im Verlauf des noch jungen Kirchenjahres einen ersten Zeiten-Übergang. Heute endet die Zeit des Weihnachtsfestkreises und gleichzeitig beginnt die Zeit im Jahreskreis – das Fest „Taufe des Herrn“ ist auch der 1. Sonntag im Jahreskreis. Wir feiern noch Weihnachten und sind schon im Anfang des Alltags. Dieses einzigartige Doppel-Phänomen weist darauf hin: Was wir Weihnachten feiern, die Geburt Jesu – die Menschwerdung Gottes – verwirklicht sich im Alltag.

Miteinander verbunden sind auch die Berichte von Johannes und Jesus in den ersten Kapiteln des Lukasevangeliums, die unserem heutigen Abschnitt vorausgehen. Die Verwobenheit der beiden endet mit der Taufe Jesu. Kurz und knapp: Johannes tritt ab – Jesus tritt auf.

Von Johannes‘ brutalem Abgang erfahren wir im Evangelium, doch hat die kirchliche Leseordnung diese Verse, die direkt vor der Taufe Jesu stehen, leider weggekürzt. Dort heißt es: „Johannes tadelte auch den Tetrarchen Herodes wegen Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen aller Schandtaten, die er verübt hatte. Herodes fügte zu allem noch dies hinzu, dass er Johannes ins Gefängnis werfen ließ.“

Johannes, der Täufer und mahnende Rufer in der Wüste, spitzt seine geradlinige Botschaft der Umkehr und Buße zu: Er konfrontiert auch den Repräsentanten der verhassten römischen Besatzungsmacht mit dessen eigensüchtigen Machtspiel. Später wird Johannes seinen Mut mit dem Leben bezahlen müssen.

Damit spannt Lukas noch vor dem Beginn des öffentlichen Wirken Jesu einen inhaltlichen Bogen ans Ende des Evangeliums: Auch Jesus wird man gefangen nehmen, ihn töten und sogar noch sein Grab zu einem Gefängnis machen. Denn: Seine Botschaft ist nicht harmlos! – Gegen alle menschliche Erfahrung wird dieses Grab sich öffnen, leer sein. Gott verwandelt Tod in Leben – das feiern wir Ostern.

Der Grund für diesen finalen Wandel wird uns schon heute bei der Taufe Jesu vorgestellt. Hier öffnet sich der Himmel und der Mensch Jesus wird angesprochen: „Du bist mein geliebter Sohn.“ Diese Formulierung entwickelt ihren Gehalt auch vor dem Hintergrund der antiken Abstammungslehre. Nach der war ein Sohn ausschließlich der Abkömmling seines biologischen menschlichen Vaters. Die Stimme aus dem Himmel macht deutlich, dass dieser Mensch Jesus seinem Wesen nach von himmlischem, also göttlichem Ursprung ist. Die Dogmatik sagt: Er ist eines Wesens mit dem Vater. – In ihm hat Gott sich unüberbietbar offenbart. Er hat sich der ganzen Welt hingegeben und diese Liebesquelle fließt immer, sie ist unzerstörbar, sie wird nie versiegen – sie wird auch den irdischen Tod in göttliches Leben verwandeln.

Die Möglichkeit einer Verwandlung können auch wir uns schenken lassen. Voraussetzung dafür ist, dass wir uns für das Geschenk der Liebe Gottes öffnen, dass wir uns lieben lassen. Jesus tut das bei seiner Taufe: Er betet und das ist für mich eher ein waches Hören als ein selber Sprechen. Gott offenbart sich als Mitteilender und Jesus wird ein durch und durch Empfangender. Später wird er sagen: „Was macht ihr viele Worte beim Beten? Euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr darum bittet.“ Sein Hören gründet tief in seinem Menschsein. Dieser Tiefe entspricht auch die Lage des Taufortes: Johannes tauft Jesus am Jordan, der durch ein Grabensystem fließt, das weit unter dem Meeresspiegel liegt. Diese geografische Tiefe entstand durch einen Aufbruch der Erde, der Erdplatten. Hier, ganz unten, wo – wortwörtlich – Irdisches zerbrochen und sonst nur Wüste ist, öffnet sich der Himmel und die Gnade fließt wie der Jordanfluss. Dieser Ort passt zum Menschsein wie es von Natur aus ist und wie es zum Menschwerden aus Gnade werden kann. In seinem Leben wird Jesus nach unten gehen, zu den Ausgegrenzten, den Verachteten, den Gescheiterten – ihnen schenkt er ihre göttliche Würde und menschlichen Selbst-Wert zurück.

Auch diese Kirche hat so einen tiefsten Ort. Er ist hier vorn – ganz nah am Altar – dort legen wir Brüder unsere Gelübde ab.

Johannes tauft nur mit Wasser und verheißt, dass Jesus mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen wird. Wieder wird ein großer Bogen über das Leben Jesu gespannt: Aus dem endgültigen österlichen Aufbruch wird Jesus den Jüngern seinen Heiligen Geist senden und der wird sie entflammen. Jetzt erfahren sie endgültig, was Jesus schon bei seiner Taufe vernahm: Alle sind geliebte Söhne und Töchter Gottes.

Jedes Leben ist heilig. Und es ist nicht egal, was wir tun und lassen in der kleinen und großen ganzen Welt. Denn heilig ist das Gegenteil von egal.