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Impuls zu Spr 26,1-17: Da ist Hopfen und Malz verloren

Wie Schnee im Sommer und Regen zur Erntezeit, so unpassend ist Ehre für einen Toren.
Wie der Spatz wegflattert und die Schwalbe davonfliegt, so ist ein unverdienter Fluch; er trifft nicht ein.
Dem Pferd die Peitsche, dem Esel den Zaum, dem Rücken der Toren den Stock.
Antworte dem Toren nicht, wie es seine Dummheit verdient, damit nicht auch du ihm gleich wirst!
Antworte dem Toren, wie es seine Dummheit verdient, damit er sich nicht einbildet, ein Weiser zu sein!
Die Füße haut sich ab, Schaden muss leiden, wer Botschaft sendet durch einen Toren.
Schlaff wie die Schenkel des Lahmen ist ein Weisheitsspruch im Mund der Toren.
Den Stein bindet in der Schleuder fest, wer einem Toren Ehre erweist.
Ein Dornzweig geriet in die Hand eines Betrunkenen: ein Weisheitsspruch in den Mund der Toren.
Ein Schütze, der alle verwundet – wer einen Toren anstellt oder einen, der zufällig des Weges kommt.
Wie ein Hund, der zurückkehrt zu dem, was er erbrochen hat, so ist ein Tor, der seine Dummheit wiederholt.
Siehst du jemand, der sich selbst für weise hält – mehr Hoffnung gibt es für den Toren als für ihn.
Der Faule sagt: Ein Löwe ist auf dem Weg, ein Raubtier ist auf den Straßen.
Die Tür dreht sich in ihrer Angel und der Faule in seinem Bett.
Greift der Faule mit der Hand in die Schüssel, ist er zu träg, sie zum Mund zurückzubringen.
Der Faule hält sich selbst für weiser als sieben, die angemessen antworten können.
Einen vorbeilaufenden Hund packt bei den Ohren, wer sich in einen Streit mischt, der ihn nichts angeht.
(Spr 26,1-17)

Das hat doch alles keinen Sinn mehr. Da ist doch jede Mühe vergebens.

Da ist einfach Hopfen und Malz verloren!

So, liebe Schwestern und Brüder, heißt es bei mir daheim, wo ich aufgewachsen bin, von einem Menschen, dem nicht mehr zu helfen ist. Wo man nicht mehr erwartet, dass es noch eine Veränderung oder Besserung gibt. Da ist einfach jede weitere Anstrengung umsonst.
Und auch bei einem Tor, von dem im Text aus dem Buch der Sprichwörter (Spr 26,1-17) heute mehrmals die Rede ist, kann man da zunächst ähnliches sagen: „Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor!“ Er, der Tor, hat zwar für sich seine Erfahrungen gemacht, aber er ist trotz allem nicht schlau daraus geworden. Er ist einfach nicht intelligent genug oder anders gesagt, schwer von Begriff. Ist deshalb aber wirklich schon Hopfen und Malz verloren?

Beim Bierbrauen, woher diese Redewendung entstammt, war das sicher so, wenn die Mischung zwischen Hopfen und Malz nicht passte. Wenn da bei der Herstellung etwas schief lief, dann war das Bier verdorben und somit auch Hopfen und Malz verloren.

Bei Salomo, von dem diese Weisheitssprüche aus dem Buch der Sprichwörter stammten, gab es wenigstens noch die Unterscheidung zwischen unbelehrbaren und lernbereiten Toren. Da ist der unbelehrbare Tor, der sich für weise hält und jeden Rat von Gott und anderen Menschen ausschlägt (vgl. z.B.: Spr 26,7 „Wie einem Gelähmten das Tanzen, so steht dem Toren an, von Weisheit zu reden“).
Und da gibt es den lernbereiten Tor, der sich noch auf dem Weg befindet, ein Weiser zu werden (vgl. z.B.: Spr 26,12 „Wenn du einen siehst, der sich weise dünkt, da ist für einen Toren mehr Hoffnung als für ihn“).

Und wie ist es bei Gott?
Kurz gesagt: „Bei Gott gibt es keinen hoffnungslosen Fall!“
Und somit ist auch bei ihm bei keinem Menschen je Hopfen und Malz verloren!
Und das ist doch eine wichtige Botschaft für einen guten Tag!

Diesen guten Tag heute wünsche ich Ihnen allen
Ihr
P. Cornelius Wanner OSB

 

Impuls zu Spr 25,11-28

Mit dem heutigen Tag beginnt die Lesung aus dem Buch der Sprüche. Auf den ersten Blick – eine unzusammenhängende Zusammenstellung von verschiedenen weisheitlichen Mahnungen. Und diese wollen eines: dem Leser Hilfen für ein gutes Leben, für ein Leben unter den Augen Gottes an die Hand geben. Doch dazu muss ich eines tun: mir diese Worte zu Herzen nehmen, sie in die Tat umsetzen. Ja, auf sie hören! Auch in der Auswahl des heutigen Tages hören wir davon: „Ein Weiser, der mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein goldenes Halsband!“ (Spr 25,12). „Höre!“ – so beginnt auch die Regel des Hl. Benedikt. Und tatsächlich war er ein Freund dieses biblischen Buches. Immer wieder finden sich Anklänge in seiner Mönchsregel. Schon der Beginn könnte ein Zitat aus diesem biblischen Buch sein: „Höre, mein Sohn, auf die Worte des Meisters. Neige das Ohr deines Herzens und erfülle sie durch die Tat!“ (Prolog Benediktsregel) Aufmerksam hinzuhören, was mir jemand sagen will! Für das Buch der Sprüche ein Weg zum wirklichen Leben!

Wenn wir das „hören“ ein wenig umschreiben, wird vielleicht noch klarer, was gemeint ist. Wenn ich auf jemanden höre, dann lasse ich mir etwas sagen. „Lass dir etwas sagen!“ – und schon spüren wir alle, dass das doch nicht so einfach ist. Denn wer von uns will sich schon gerne etwas sagen lassen. Kann denn nicht nur ich selber wissen, was gut für mich ist?! Die Bibel ist jedenfalls der Meinung, dass ich die Stimme Gottes nicht nur in meinem Innern hören kann, sondern dass sie mir auch von außen entgegenkommt, ja, gesagt wird! Also, versuchen wir es heute einfach einmal und schauen, welche neuen Lebensperspektiven sich vielleicht eröffnen: „Lass dir etwas sagen!“

P. Jonas Wiemann OSB

Impuls zu Dan 12,1-13

Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste … Du wirst ruhen und auferstehen gemäß deinem Losanteil am Ende der Tage (Dan 12,3.13)

Erstmals schildert das Buch Daniel die Hoffnung auf Auferstehung im AT.

Unsere jüdischen Wurzeln als Christen dürfen uns ermuntern, in diesen Glaubensweg der Hoffnung auf die Auferstehung einzustimmen. Als Christen begehen wir die Osterzeit als eine Zeit, unsere Hoffnungsperspektive auf unvergängliches Leben jedes Jahr neu einzuüben. Die Osterzeit bildet einen inneren Verwandlungsweg, dass der Tod nicht das Letzte ist. Diese Hoffnung darf in uns klar aufscheinen. Dieser innere Hoffnungsglanz darf durch uns strahlen und glänzen. Jeder Sonnenstrahl, den wir in diesen Mai-Tagen wahrnehmen, darf uns an unsere unzerstörbare Hoffnung erinnern. Ich vertraue darauf, dass hoffnungsvolle Menschen dies ausstrahlen. Sie glänzen eben!

Br. Emmanuel Panchyrz OSB

Über das Durchhalten – Dan 10,1-21

Ein Kraftakt. So lässt sich der Eindruck am besten umschreiben, als ich den heutigen Tagesabschnitt las. Wieder eine Vision. Ein Gesicht, dass Daniel traurig stimmt. Fast wirkt es, als ist er am Ende seiner Kräfte angelangt. Er versteht, was er sieht. Aber die Luft ist raus – wie man umgangssprachlich sagt. Dies findet seinen Ausdruck in der Trauer.

Dann dieser Mann, den er sieht. Es ist eine Vision voller Symbolik, die schwer zu entschlüsseln ist. Dies zu tun, soll hier nicht Thema sein. Schauen wir darauf, wie die Reaktionen sind. Daniels Begleiter flüchten, obwohl sie nichts sehen. Das einzige, was sie hören ist die Stimme. „Die Stimme seiner Worte“ (קול דבריו) heißt es im Hebräischen. Fast klingt es, als wenn die Worte im Raum schweben – ohne Person – und doch so machtvoll sind. Sie erinnern an das Brausen des Meeres. Die Naturgewalten und das Urchaos schwingen mit. Sie sind Ausdruck einer nicht zu kontrollierenden Natur – hier als eine große Macht zu verstehen. Da ist die Reaktion verständlich: die Flucht.

Daniel bricht zusammen. Allein gelassen scheint er nicht fähig, irgendetwas zu tun. Alles biblische Zeichen und Bilder einer Theophanie, einer Gotteserscheinung. Wen Daniel genau sieht, wird aber nicht aufgeklärt.

Er ist am Boden. Hier erfährt er Zuspruch: „Du von Gott Geliebter.“ (V. 11) Im Zuspruch geschieht Aufrichtung. Es ist ein Prozess. Daniel hat keine Energie. Er wirkt matt. Sätze wie „richtete ich mich zitternd auf“ (V.11) und „neigte ich mein Angesicht zur Erde und schwieg still“(V.15) und  „es war keine Kraft mehr in mir“ (V. 16) und „da auch jetzt noch keine Kraft in mir ist und mir der Atem fehlt“ (V. 17) verdeutlichen das sehr plastisch. Es macht mir Daniel sympathisch. So viel Gefühl drückt sich hier aus, ein Bewusstsein für die eigene Gefühlswelt und ihren körperlichen Ausdruck. Und: Er lässt uns, seine Leser, teilhaben an seinem Erleben und der Autor überwindet eine kalte rein beschreibende Sprache.

Neben dem Eindruck, dass hier authentisch geschildert wird, wie es einem Menschen geht und er es selbst schildert, steht der schon genannte Zuspruch. Daniel wird aufgerichtet. Sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Wortsinn: „Und siehe, eine Hand rührte mich an und half mir auf die Knie und auf die Hände (…) Und als er dies mit mir redete, richtete ich mich zitternd auf.“ (V.10f.) Man stelle sich das ruhig sehr bildhaft vor: Von ganz unten aus dem Liegen, auf Hände und Knie und dann wankend, vielleicht nach Halt tastend, kommt Daniel auf die Beine. Eine Bewegung, die auch noch so unbeholfen sein mag: Er steht, ist aufrecht, Ausdruck der Autonomie, des Selbst-bewusstseins. Eigentlich ist das ein sehr schönes Wort für diesen Text: Daniel, wie er es selbst berichtet, ist sich selbst bewusst, das heißt, er weiß um seinen kraftlosen Zustand. „Wie kann der Knecht meines Herrn mit meinem Herrn reden, da auch jetzt noch keine Kraft in mir ist und mir der Atem fehlt?“ (V. 17) Und: Er ist selbstbewusst, weil er die Stärkung einfordert und nicht unterwürfig, das heißt nicht auf Augenhöhe. Der körperliche Ausdruck des Stehens spiegelt das wieder. Zuletzt richtet er auch seine Augen auf und schaut hin.

Höhepunkt dieses Prozesses ist der Zuspruch des Menschenähnlichen: „Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebter! Friede sei mit dir! Sei getrost, sei getrost!“ (V. 19) Eine sehr schlichte und doch kraftvolle Sprache. Das doppelte חזק („Chazak“), das die hier zitierte Lutherbibel mit „Sei getrost.“ wiedergibt, lässt sich besser mit „Sei stark!“ (vgl. Einheitsübersetzung) übersetzen. Auf den Zuspruch „Sei stark!“ folgt die Stärkung „sah ich mich gestärkt“. Für diesen Übergang ist das Wort „getrost“ passend. Er wird getrost. Der Zuspruch gibt Sicherheit und aus dieser Sicherheit kommt eine seelische Ruhe, aus welcher wiederum Stärke erwächst.

Ich sehe hier einen Mann vor mir, der, am Ende seiner Kräfte angekommen, neue Kraft zum Durchhalten bekommt und so sich dem Kommenden stellen kann. Er kann stark nach vorne blicken, in die Zukunft. Eigentlich ein schönes Wortspiel. Der Visionär, dem die (vielleicht ferne) Zukunft vor Augen gestellt wird, kann auf den Weg schauen, die nähere Zukunft, die vor ihm liegt, und sich der Aufgabe, die er hat, nämlich die Vision, stellen.

Daniels Schilderung kann uns in unserer aktuellen Situation, die geprägt ist von einer Hoffnung auf das Ende der Pandemie und doch immer wieder erschüttert mit neuen Zahlen und schrecklichen Bildern aus verschiedenen Regionen der Welt, veranlassen uns Fragen zu stellen.

Wo erfahre ich Zuspruch zum Durchhalten?
Was oder wer schenkt mir Kraft?
Wo werde ich gestützt und angerührt, dass ich den Blick erheben kann?
Wer spricht mich an „Fürchte dich nicht, Du von Gott Geliebte*r!“?

Br. Symeon Müller OSB

Impuls zu Dan 9,20-27

Daniel betet. Er kommt mit Gott ins Gespräch. Und mitten in diesem Gebet passiert etwas in und mit Daniel, was er wahrscheinlich erst einmal gar nicht wahr-nimmt (jedenfalls erwähnt es unser Text nur kurz, wie am Rande). Und doch ist es wahrscheinlich das wichtigste, was in einem Gebet, in solch einem Beziehungsaustausch zwischen Gott und  Mensch passieren kann. Es heißt im Text: „Denn als du anfingst zu beten, erging ein Wort, und ich komme, um dir’s kundzutun; denn du bist von Gott geliebt.“ (Dan 9,23)

Du bist von Gott geliebt – das ist es, was mir das Gebet wirklich kundtun will – neben allem anderen. Und vielleicht ist das genau die Botschaft, auf die wir unsere Gebete immer wieder abklopfen, ja, absuchen sollten. Wo und wie ist mir das entgegengekommen? In meinen Gebeten – aber eigentlich in meinem ganzen Leben. Denn, so der Jesuit Willi Lambert einmal in einem seiner Bücher: „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit!“ Er kommt mir in meinem Alltag mit seinen Höhen und Tiefen, seinen Stunden der Freude und Stunden der Trauer entgegen, um diese Botschaft in mein Herz zu träufeln: „Du bist von Gott geliebt!“ Klopfen wir die letzten Tage darauf ab!

P. Jonas Wiemann OSB

Impuls zu Dan 9,1-19

Nicht im Vertrauen auf unsere guten Taten legen wir dir unsere Bitten vor, sondern im Vertrauen auf dein großes Erbarmen. (Dan 9,18)

Die heutige Lesung besteht fast ausnahmslos aus einem Gebet, aus einem flehentlichen Bittgebet, das Daniel stellvertretend für sein Volk vor Gott bringt. Es ist ein Gebet, das in eindringlichen Worten die eigene Umkehr bekennt – und Gott zur Umkehr aufruft, zur (Wieder-)Hinwendung zu seinem Volk. Wir beten dieses Gebet in der liturgischen Zeit der Umkehr schlechthin, in der Österlichen Bußzeit, als einer der Psalmen der Sonntagsvesper.

In Vers 18 finden wir sozusagen die Quintessenz dieses ganzen Gebetes. Es geht nicht um die guten Taten derer, die zu Gott beten. Wenn es allein darum ginge, wenn wir abhängig von unseren Taten wären, dann wären wir hoffnungslos verloren. Nein, „im Vertrauen auf dein großes Erbarmen“, im Vertrauen auf die immer größere Barmherzigkeit Gottes dürfen wir vor ihn treten. Ich muss mich vor Gott nicht groß machen, sondern darf meine Kleinheit, meine Schwachheit bekennen. Er wird meine Kleinheit annehmen, sich hinwenden zu mir und mich wieder groß machen. Ich muss mir das Erbarmen Gottes nicht verdienen, sondern darf schlicht und einfach darum bitten. Dazu braucht es nicht unbedingt viele Worte – manchmal genügt ganz einfach die Stille meines Herzens.

Machen wir uns heute die Worte des Gebetes Daniels zu eigen. Lesen wir sie Vers für Vers durch, und bleiben wir bei dem, was uns anspricht. Und versuchen wir dann, in eigenen Worten das vor ihn zu bringen, was uns bewegt.

P. Maurus Runge OSB

„Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr…“ (Ps 45,11)

Der 45. Psalm ist überschrieben als „Lied zur Hochzeit des Königs“. In der Sprache der Brautmystik, ähnlich wie auch im Hohenlied, wird das sehnsuchtsvolle Warten von Braut und Bräutigam aufeinander in einer poetischen und sinnlichen Sprache umschrieben. Das Verhältnis zwischen Gott und seiner Braut Israel wird wie in einem Ehebund als Bund ewiger Treue charakterisiert. In Psalm 45 erfüllt sich nun gewissermaßen die Verheißung aus Hosea 2,21-22: „Ich verlobe dich mir auf ewig; ich verlobe dich mir um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich verlobe dich mir um den Brautpreis der Treue.“

Der Bräutigam des Psalms ist der Messias, dessen Zepter die Gerechtigkeit ist und der von Gott her gesalbt ist wie kein irdischer König je zuvor. Für die Kirche ist jetzt die Zeit des sehnsuchtsvollen Erwartens des Bräutigams. Bis es am Ende der Zeiten heißen wird: „Der Geist und die Braut aber sagen: Komm!“ (Offb 22,17) und wir eingeladen sind zum himmlischen Hochzeitsmahl, das nie mehr endet (vgl. das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl in Mt 22).

In dem Psalmwort an die Braut „neige dein Ohr“ klingt für mich als Echo auch das Wort aus dem Prolog der Benediktusregel mit: „Neige das Ohr deines Herzens…“

Sehnsuchtsvoll dürfen wir den Messias als Bräutigam erwarten und das Ohr unseres Herzens sensibel dafür machen, wenn er an die Tür unseres Herzens klopft: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und Mahl mit ihm halten und er mit mir.“ (Offb 3.20)

Br. Vincent Grunwald OSB

Impuls zu Dan 8,1-27

Doch die Vision bedrückte mich, und ich verstand sie nicht. (Dan 8,27)

Es ist tröstlich, was der Seher Daniel am Ende seiner zweiten großen Vision von sich selbst sagt. Wenn selbst er nicht versteht, was er gesehen hat, wenn ihm diese Vision von einem, der „aussieht wie ein Mann“ (vgl. Dan 8,15), erklärt werden muss, um wie viel weniger verstehen wir die Vision vom Widder und dem Ziegenbock, vom Kampf der bestialischen Wesen, von dem hier lang und breit die Rede ist.

Könnte es nicht sein, dass es uns in diesen Tagen ganz ähnlich ergeht wie Daniel? Wir sind wegen der chaotischen Situation von Pandemie und Krankheit bedrückt, wir verstehen nicht, was das alles soll, wir können uns nicht ausmalen, wohin es uns noch führen will. Dann kann hilfreich sein, was Daniel vorher von sich sagt: „Dann stand ich auf und versah wieder meinen Dienst beim König.“

Aufstehen und seinen alltäglichen Dienst tun. Sich nicht gehen lassen, sondern weiter behutsam Schritte im Alltag gehen. Das, was ich nicht verstehe, annehmen, nicht darüber nachgrübeln, sondern das tun, was ich tun kann, um es mir selbst und anderen halbwegs erträglich zu machen. Das könnte ein Weg sein, der uns aus der Krise führen kann.

P. Maurus Runge OSB

Impuls zu Dan 7,16-28

Der heutige Text aus dem Buch Daniel schildert wieder die Vision des Daniel. In erschreckenden, schwer zu deutenden Bildern geht er der Frage nach, wer letztlich den Sieg im Kampf um Himmel und Erde davonträgt: die unmenschlichen Kräfte des Bösen – oder die menschlichen Kräfte des Guten. Und in diesen apokalyptischen Beschreibungen findet sich dann der Satz: „Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen!“ Welch hoffnungsvolles Ende! In all dem Chaos, in dem vielen Unmenschlichen und Bösen, was dem Menschen in diesem Leben begegnet (vgl. Vision des Daniel) wird der Gott des Lebens den Sieg davontragen! Diese Hoffnung wird Daniel in seiner Vision ins Herz gepflanzt. Können wir solch eine Botschaft nicht auch heute brauchen – im Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Corona-Pandemie, in dem uns auch viel Chaotisches, Lebensfeindliches und vielleicht auch Böses begegnet. Wo auch wir vielleicht die Frage stellen, wie dass denn alles weitergehen soll? „Ich glaube, das bleibt jetzt immer so!“ Nein, der, dessen Reich ewig ist, der lebensspendende Gott, wird die Oberhand behalten! „Alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen!“ Alle! Träufeln wir diese Botschaft wie Medizin in unsere Herzen – damit langsam wieder das Leben, das Licht in uns die Oberhand gewinnen kann. Und wir das hoffen können, was wir in einem Osterlied singen: „Das Leben hat besiegt den Tod!“ Auch heute!

P. Jonas Wiemann OSB

Darüber war ich, Daniel, im Geist bekümmert, und was mir vor Augen stand, erschreckte mich. (Dan 7,15 – ganze Lesung: Dan 7,1-15)

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Dieses geflügelte Wort wird dem nüchternen Politiker Helmut Schmidt zugeschrieben. Er wollte damit wohl ausdrücken, dass es in der Politik meistens nicht so sehr um große Visionen geht, sondern um alltägliche Entscheidungen, die mit viel Sinn für die Realität der Menschen gefällt werden müssen. Ob in der Politik wirklich kein Raum für Visionen ist, darüber kann man sicherlich streiten. Vielleicht ist das politische Hin und Her, was wir in diesen Tagen der Pandemie erleben, eine Folge des Verlustes größerer Visionen und des alleinigen Schielens auf Umfragewerte.

Um Visionen geht es im zweiten Teil des Danielbuches, beginnend mit dem 7. Kapitel, das wir heute beginnen zu lesen. Es ist hilfreich, sich vor Augen zu stellen, wie diese gewöhnungsbedürftigen Beschreibungen zu verstehen sind. Nicht als historische Tatsachenbeschreibungen, die die Wirklichkeit so zeigen, wie sie ist. Auch nicht als genaue Vorhersage der Zukunft. Wer so denkt, der sollte tatsächlich zum Arzt gehen.

Nein, es geht bei den Visionen des Daniel nicht um eine Beschreibung der Zukunft, sondern eher um ein Aushalten einer oft freud- und perspektivlosen Gegenwart. Zu der Zeit, in der das Buch Daniel entstanden ist, war das Volk Israel Spielball vieler großer Weltmächte, die aufeinander folgten und deren politische Herrscher die Menschen tyrannisierten – einen Anklang dafür bieten die Erzählungen im ersten Teil des Danielbuches (Dan 1-6). Was Daniel den Menschen in seinen Visionen zu sehen gibt bzw. was sich ihm zeigt – denn genau das meint der Begriff der Vision – ist eine andere Perspektive, ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft. Die großen Weltreiche und ihre Gewaltherrscher – symbolisiert in den wilden Tieren und monströsen Bestien – haben nicht das letzte Wort. Es wird irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft ein Retter, ein Messias, erscheinen, einer, der Gericht hält und Gerechtigkeit wiederherstellt, Gerechtigkeit mit den Opfern der Geschichte. Das ist die Hoffnungsperspektive, die hinter den Visionen Daniels steht. Übrigens trifft hier dann doch der Satz von Helmut Schmidt zu – denn die Visionen, die Daniel sieht, sind nicht gerade dazu angetan, seine Stimmung zu heben, ja, sie deprimieren und erschöpfen ihn zutiefst. Da kann (ärztliche) Begleitung wirklich nicht schaden…

P. Maurus Runge OSB