Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis (30.01.2022)
von P. Guido Hügen
„Du aber gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage!
Erschrick nicht vor ihnen
– denn ich bin mit dir, um dich zu retten
– Spruch des Herrn.“
Worte aus der heutigen Lesung.
„Nach 2000 Jahren steckt die Kirche Roms
in den Schuhen des Fischers fest im Sumpf.
Eine Hand mit dem Fischerring
will sich flehentlich zum Himmel erheben.
Doch der Himmel brennt,
die Engel fliehen
und überall sind dunkle Wolken.“
Worte aus einem Leserbrief der WP vom Freitag.
Und dazwischen feiern wir Gottesdienst.
„Ihr müsst bitte ganz dringend damit aufhören“,
sagt Gott im gerade neu erschienen Buch von Annette Jantzen:
„Wenn Gott zum Kaffee kommt“.
„Womit?“ frage ich.
„Ruft mich nicht weiter in Eure Kirchen und Gebete,
als wäre nichts gewesen.“
Ein Outing im Ersten Programm
von über 120 Mitarbeitenden der Kirche,
die sich als homosexuell und queer bekennen,
zu ihrer Liebe und zu ihrer Lebensform stehen.
Ein Gutachten,
das Missbrauch an Kindern und Jugendlichen
und deren Vertuschung
wieder einmal bloßlegt.
Und gerade vor drei Tagen
wurde die KPE, eine sehr fundamentalistische
Pfadfindergruppierung
von der Bischofskonferenz anerkannt.
Menschen aus meinem engsten Freundeskreis
treten aus der Institution Kirche aus.
Menschen, von denen ich weiß,
wie wichtig ihnen ihr Glaube ist.
Dass es „nicht mehr so weiter geht“,
dass sich etwas ändern muss in der Kirche,
das haben in den letzten Tagen
etliche Bischöfe und Generalvikare gesagt.
Der „Synodale Weg“
mag ein Hoffnungszeichen sein.
Aber torpedieren ihn nicht schon viel zu viele
Bischöfe, Menschen unter uns?
Braucht es wirklich erst
den totalen Zusammenbruch?!
Weit davon entfernt sind wir nicht mehr,
auch wenn manche es immer noch
nicht verstehen wollen.
Der Prophet Jeremia erfährt,
wie Gott ihm den Rücken stärkt für seine Botschaft.
Sogar gegen die
„Könige und Priester und die Bürger des Landes.“
Propheten sind keine Weissager
oder Kaffeesatzleser Gottes.
Sie sollen die Worte Gottes verkünden,
sollen eintreten für seine Botschaft der Liebe und Freiheit.
Gelegen oder ungelegen.
In der Taufe wurde es auch uns
bei der Salbung mit dem Chrisam zugesagt:
Als Glied Christi
sind wir „Priester, König und Prophet in Ewigkeit.“
Und was heißt das?
Es macht wohl wenig Sinn,
immer nur und immer wieder
auf Missbrauchsgutachten, Aktionen
und Hashtags zu schauen.
So grundlegend wichtig sie sind!
Aber: müssen wir nicht erst einmal auf uns selbst schauen?
Mich wird Gott einmal fragen:
„Was hast du getan?“
Vieles habe ich getan
in meinem Leben.
Viele Versagen gab es.
Für manche konnte ich um Verzeihung bitten.
Bei manchen hatte ich noch nicht den Mut.
Das trifft uns als Gemeinschaft.
Stehen wir zur Schuld des Einzelnen,
zu unserer gemeinsamen Schuld?
Das trifft jeden Einzelnen, jede Einzelne von uns
– uns alle, die wir hier zusammen sind.
Wir haben nicht die Unschuld Jesu,
der „mitten durch sie hindurch schritt
und wegging.“
Wir haben Schuld.
Auch wenn wir sie gerne verdrängen.
Ist es nicht an uns,
sie einzugestehen,
auf den oder die andere zuzugehen
und um Verzeihung zu bitten?
Pfarrer Andreas Fink
fragt in einem Video-Clip sehr eindringlich:
„Wo sind wir denn daran beteiligt,
dass Verbrechen geschehen konnten,
dass Verbrechen verdeckt wurden,
dass Menschen auch ob ihrer sexuellen Identität
ausgegrenzt, kirchlich ausgeschlossen wurden?“
Ich kann mich da nicht freisprechen.
Doch die Botschaft Jesu ist klar.
Unser Evangelium von heute ist eine Fortsetzung
des Evangeliums des vergangenen Sonntags.
Da sagt Jesus:
„Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht.“
Wenn wir die frohe Botschaft wieder verstehen,
wenn wir uns aus unserer Gefangenschaft
in das oft so Enge und Traditionelle befreien lassen,
wenn wir uns die Augen öffnen lassen
und wieder neu sehen
– ob wir dann nicht endlich wieder
zu Prophetinnen und Propheten werden?!
„Alle sollen es hören und sich freuen.“
Diese leicht abgewandelten Worte aus dem Psalm 34
sind für mich seit langem
Richtschnur und Weisung.
Ja, alle sollen die frohe Botschaft hören,
sollen sich endlich wieder freuen können.
Mich treffen die Worte von Annette Jantzen,
wenn sie Gott antwortet,
warum sie denn trotzdem weiter macht
und Gottesdienst feiert.
„Weil ich mich daran festhalten will,
dass du trotzdem noch da bist“, heißt es im Buch.
„Und ich nicht weiß, wohin sonst.“
Und weiter:
„Und weil ich mich vor dem Moment fürchte,
wo ich merke, dass ich das alles nicht mehr kann.“
Vielleicht ist es eine gute Aufgabe in die neue Woche hinein,
einmal zu überlegen,
wem ich die gute Botschaft verkünden möchte?!
Wo ich Gewalt und Machtmissbrauch,
wo ich Ohnmacht, Scham und Wut
ein Positives entgegen setze.
„Du aber gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage!
Erschrick nicht vor ihnen
– denn ich bin mit dir, um dich zu retten
– Spruch des Herrn.“
Annette Jantzen, Wenn Gott zum Kaffee kommt, Echter Verlag Würzburg, 2022