Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis (28.01.2024)
von P. Maurus Runge OSB
Lesung: Dtn 18,15-20 – Evangelium: Mk 1,21-28
„Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht los.“
So lauten die zum geflügelten Wort gewordenen Verse des Zauberlehrlings im Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe, in denen deutlich wird, dass ihm die von ihm selbst entfesselte Macht über den Kopf gewachsen ist. Erst der Spruch des Meisters bannt die Gefahr, und alles ist wieder gut.
Die Rede von Geistern und Dämonen ist uns heute fremd, und wenn jemand zu oft den Teufel bemüht, werden wir skeptisch. Im Evangelium hingegen ist wie selbstverständlich von Besessenheit die Rede, und ein vornehmliches Zeichen für das in Jesus anbrechende Reich Gottes sind die Dämonenaustreibungen, die Heilung sog. besessener Menschen, die er im Namen Gottes vornimmt. Die Vollmacht Jesu, von der im heutigen Evangelium die Rede ist, äußert sich nicht nur in seinen Worten, seiner Lehre, sondern auch in ganz konkreten Zeichen. Nichtsdestotrotz bleiben uns solche Dämonenaustreibungen erst einmal fremd, gerade wenn wir bedenken, wie viel an Missbrauch in der Vergangenheit damit betrieben wurde und wie vorschnell gesagt wurde, jemand sei „vom Teufel besessen“, wenn seine Meinung den Mächtigen in Kirche und Welt nicht passte. Heute lässt sich das, was damals „Besessenheit“ genannt wurde, oftmals medizinisch erklären, und es gibt gute und erfolgversprechende Therapien, die wissenschaftlich erwiesen sind.
Wie aber können wir dann die Rede von Geistern und Dämonen heute verstehen, wenn wir sie nicht vorschnell beiseiteschieben wollen? Welcher Kern lässt sich im heutigen Evangelium für unser Leben heute herauslesen?
Denn ich bin der festen Überzeugung, dass das, was im Evangelium umschrieben ist mit einem „unreinen Geist“, auch heute existiert – wir nennen es nur anders. Auch heute gibt es Dinge, die einen Menschen langsam, aber sicher von innen zerstören können. Gedanken, die das Miteinander vergiften und wie Säure von innen her auffressen und zersetzen. Systemische, ja dämonische Strukturen, die einen Menschen krank machen können. Verschwörungstheorien, die wie „Schwurbelgeister“ daherkommen und ganz subtil Hass und Egoismus aussäen. Wenn wir an bestimmte „Geheimtreffen“ denken, merken wir, wie hochaktuell und brandgefährlich das alles ist. Gut, dass so viele Menschen endlich dagegen aufstehen und ihre Stimme erheben.
Denn genau das tut Jesus ja auch. Seine Reaktion auf den „unreinen Geist“, der den Menschen im Evangelium innerlich gefangen hält, könnte nicht klarer sein: „Schweig und verlass ihn!“ Jesus spricht deutlich aus, was Menschen krank macht, was sie innerlich und äußerlich zerreißt. Und er ermutigt uns dazu, dasselbe zu tun – immer da, wo wir krank machende Strukturen in unserer Welt, in unserer Gesellschaft, ja auch in unserer Kirche erleben. Laut die Stimme dagegen zu erheben. Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zur eigenen Freiheit zu befähigen.
Die Lesung spricht vom Dienst des Propheten, der genau das tut. Der nicht im eigenen Namen spricht, der nicht die eigenen „unreinen Geister“ bestätigt, sondern der im Namen Gottes spricht, der den Willen Gottes verkündet. Und dieser Wille Gottes hat immer mit dem Leben des Menschen zu tun. Gott will, dass wir Menschen in Freiheit leben – diese Botschaft zieht sich wie ein Refrain durch die Seiten der gesamten Heiligen Schrift. Das Tagesgebet fasst gut zusammen, worum es geht: „Gib, dass wir dich mit ungeteiltem Herzen anbeten und die Menschen lieben, wie du sie liebst.“ Gottesliebe und Menschenliebe sind nicht gegeneinander auszuspielen, sondern zusammenzusehen. Denn nur zusammen können wir die Geister, die wir selbst gerufen haben, auch wieder loswerden. AMEN.