Predigt am Fest der Verklärung des Herrn (6.8.2023)
von P. Abraham Fischer OSB
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wir feiern heute ein Fest mit dem rätselhaften Titel „Verklärung des Herrn“. Das Fest bezieht sich auf eine Überlieferung, die sich in allen drei Evangelien der Synoptiker Lukas, Matthäus und Markus findet. Darin zeigt sich, dass es sich sozusagen um einen Urstein der Geschichte von Jesus dem Christus handelt.
In den Evangelien selbst kommt der deutsche Titel des Festes „Verklärung“ nicht vor. Dort wird von Licht gesprochen, das aus Jesu Antlitz erstrahlt und von weißen Kleidern, so weiß wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann. Dieses Licht und dieses Weiß hat etwas mit „Überirdischem“ zu tun. Erinnern wir uns: Das Gesicht Moses strahlt so ein Licht aus, als er nach der Gottesbegegnung mit den Gesetzestafeln vom Sinai zurückkommt. Die Engel im österlich leeren Grab tragen leuchtende Gewänder des himmlischen Glanzes.
Der Text selbst spricht von Verwandlung. „Transfiguratio Domini“. Das sagt, dass etwas gleichbleibt und sich doch auch ändert. Es ist nicht ein anderer, ein fremder Jesus, sondern die Offenbarung einer „erweiterten Figur Jesu“ – so möchte ich es umschreiben. Das Bekannte und Gewohnte wird über sich hinausgehoben, erweitert. Es scheint etwas durch, das im Grunde schon immer da ist, und in diesem Augenblick strahlt es so mächtig auf, dass alles andere davon überzeichnet und folglich sogar in seinem Gehalt verändert wird. Danach sehen wir Menschen uns im Innersten: dass etwas durchscheinen möge vom Weltenlicht, vom Gottesstern, vom Seelenglanz.
Die Verklärung Jesu beginnt innen – im Seelenkern. Er zieht sich auf den Berg zurück, um zu beten. Da geschieht Verklärung. Jesu Gestalt wird so transparent, dass die andere Seite der Welt durchscheint: seine himmlische Herkunft: Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen. Es klingt die Geschichte Israels an. Mose, der Gesetzesträger und Elija, der größte der Propheten erscheinen – jene also, die Gott schauten, ohne zu sterben.
Und dann stahlt eine Wolke auf, die für sich spricht. Die Szene wird unwirklich, denn es wird eigenartigerweise von einem Schatten gesprochen, in dem Jesu Licht erscheint. Das kennen wir aus der Erzählung von der Wüstenwanderung des Volkes Israel. Die Wolke, in der Gott nahe ist. Hier strahlt denn auch eine Transfiguration auf – eine Bedeutungsverschiebung: Der Schatten verdeckt nicht das Licht, wie wir es aus der Natur kennen. Dunkelheit Gottes wirkt gegenteilig: Gottes Schatten verdeckt nicht Licht, sondern Gottes Schatten bestätigt Licht. In unserem Weltbild ein Paradox, trotzdem finden wir es in den Überlieferungen: Gottes Schatten erleuchtet.
Nehmen wir die Wüstenwanderung Israels. Gottes dunkle Wolke begleitet das Volk auf einer Wanderung, die durch Wüste und Steppe, auf Irr- und Umwegen, durch Sünde und Tod, dann erst in das gelobte Land führt.
Von Maria wird gesagt, dass die Kraft des Höchsten sie „überschattet“. Der Herr ist mit dir – sagt ihr der Engel zu. Und das meint eben nicht, dass sie verschont bleiben wird. Ihr wird Unendliches zugemutet: das uneheliche Kind, die gesellschaftliche Schande, der rätselhafte Knabe im Tempel, die Einsamkeit mit dem Geheimnis und das Ausharren auf Golgatha – das ist ihr Weg, an dessen Ende erst der Himmel wartet.
Auch der Schatten Gottes auf Jesu Leben ist unübersehbar: Die Geburt in der Unbehaustheit des Stalles, die Flucht nach Ägypten, das Unverständnis der Menschen, die Ablehnung, die Verleumdungen, das Scheitern der Mission, die Zerstreuung der Jünger, der Weg hinauf zur Schädelhöhe, der bittere Tod zwischen den Verbrechern. Erst dann erhebt sich der Sieg von Ostern.
Wir finden das heutige Evangelium eingebettet zwischen zwei Leidensankündigungen Jesu. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst. Er nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Und Lukas überliefert in seinem Bericht der Verklärung, dass auch hier die Jünger eingeschlafen waren, während Jesus betete. Die ergreifende Szene vom Ölberg klingt an.
Vielleicht ist das Verklärung: Innerlich glänzendes Leben im Schatten göttlicher Wirklichkeit. Gott ist in der Dunkelheit nahe – was denn nicht unbedingt meint, dass wir sein Dasein wahrnehmen. Er drängt sich nie auf und zeigt seine Göttlichkeit einzig im Licht der Liebe, die erst in der Spannung vergänglichen und verletzlichen Lebens sich auftut. Es bleibt uns Glaube: in Licht und Freude dankbar geübt, in Dunkelheit und Leiden schmerzhaft geläutert und verwirklicht.
In Verklärung und Herrlichkeit sind wir Menschen Abbilder Gottes. Manchmal kann man sie bei einigen Menschen durchleuchten sehen. Die Wolke ist dann mitunter der Grund eines Lichtes, das von innen kommt. Ostern ist in diesem Zusammenhang wirklich Pascha, das heißt Vorübergang des Herrn, Hindurchgehen in die Liebe.
Amen.