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9 So spricht der HERR der Heerscharen: Stark sollen eure Hände sein, die ihr in diesen Tagen die Worte aus dem Mund der Propheten hört – so schon am Tag, an dem das Fundament für das Haus des HERRN der Heerscharen gelegt wurde, damit der Tempel gebaut werde. 10 Denn vor diesen Tagen brachte die Arbeit des Menschen keinen Lohn, / es gab auch keinen Arbeitslohn für das Vieh. Wer ausging und heimkehrte, / fand keine Sicherheit vor dem Feind. Alle Menschen ließ ich gegeneinander los. 11 Jetzt aber bin ich zum Rest dieses Volkes nicht mehr so wie in den früheren Tagen – Spruch des HERRN der Heerscharen; 12 vielmehr ist das die Saat des Friedens:/ Der Weinstock gibt seine Frucht, das Land gibt seinen Ertrag / und der Himmel gibt seinen Tau. Das alles will ich dem Rest dieses Volkes als Erbbesitz geben. 13 Und wie ihr ein Fluch unter den Völkern gewesen seid, / Haus Juda und Haus Israel, so werde ich euch erretten, / damit ihr ein Segen seid. Fürchtet euch nicht! / Stark sollen eure Hände sein! 14 Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Wie ich plante, euch Böses zu tun, weil eure Väter mich erzürnten, spricht der HERR der Heerscharen, und es mich nicht reute, 15 so habe ich umgekehrt in diesen Tagen geplant, Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht! 16 Das sind die Dinge, die ihr tun sollt: Sagt untereinander die Wahrheit! / Richtet in euren Stadttoren der Wahrheit gemäß und mit Urteilen, die dem Frieden dienen! 17 Plant in eurem Herzen nichts Böses gegen euren Nächsten / und liebt keine verlogenen Schwüre! / Denn all das ist, was ich hasse – Spruch des HERRN. 18 Und es erging an mich das Wort des HERRN der Heerscharen: 19 So spricht der HERR der Heerscharen: Das Fasten des vierten, das Fasten des fünften, das Fasten des siebten und das Fasten des zehnten Monats soll für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu frohen Festen werden. Darum liebt die Treue und den Frieden! (Sacharja 8,9-19)

Es sind Worte des Trostes, die Gott durch den Propheten Sacharja an das Volk Israel richtet. Das Buch Sacharja ist in der Nachexilszeit entstanden, als die Israeliten nach der Katastrophe der Verbannung wieder in ihre Heimat zurückkehren und dort den Tempel wiederaufbauen konnten. Eine Zeit, die geprägt war von vielen Konflikten zwischen Heimgekehrten und denen, die im Land geblieben sind. In dieser Zeit spricht Sacharja zum Volk: „Fürchtet euch nicht! Stark sollen eure Hände sein!“ (V.13) Und: „Das Fasten … soll für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu frohen Festen werden.“ (V.19) Aus Trauer wird Jubel, die Zeit des Fastens ist vorbei. Die Arbeit hat sich gelohnt.

Diese Trostworte sind nicht nur an die Menschen früherer Zeiten gerichtet. Nein, sie gelten auch mir heute. Ich darf mir gesagt sein lassen: „Fürchte dich nicht! Deine Arbeit hat sich gelohnt! Freue dich und juble über deinen Gott!“ Eine Verheißung, die Mut macht – gerade in diesen Zeiten…

P. Maurus Runge OSB

Dort wo ein Brunnen steht… (Impuls zu Sacharja 8,1-8)

Von den „Plätzen“ Jerusalems spricht der Prophet, also von öffentlichen Orten und von überschaubaren Zentren. Wir würden sie heute „Quartiere“ oder „Begegnungsorte“ oder „Zentren“ nennen. Wenn wir an diesem Hoffnungsbild Maß nehmen, dann lernen wir die Bedeutsamkeit solcher Orte neu schätzen. Orte, wo ganz alltägliche Begegnungen möglich sind. Wo Menschen aller Generationen sich begegnen können. Leben findet nach Sacharja da statt, wo Menschen einfach so da sind, sich ihres Daseins freuen können, ohne sich dafür durch Konsumkraft, Arbeit oder Nützlichkeit legitimieren zu müssen. Und diese Art Leben präsentieren für Sacharja die ganz Kleinen und die ganz Alten. Unsere Bildungsstätte OASE will seit 41 Jahren ein solcher Ort sein. 1981 wurde sie als „Haus der Besinnung und Begegnung“ von den Mönchen der Abtei gegründet. Ein Haus offen für Menschen aller Generationen. Nach über vier Jahrzehnten ist es uns in unserer Gästearbeit auch heute noch wie damals wichtig, dass es im Konzept der OASE einen weiten Raum für die Begegnung von Menschen mehrerer Generationen miteinander gibt. Besonders deutlich und lebendig wird dies bei den Familienwochenenden, dem Osterkurs, dem Silvestertreffen oder einigen Angeboten der OASE im Rahmen des Gastprogrammes des Gastbereiches. Da lernen Oberstufenschüler mit Senioren etwas über Märchen. Da spielen Kinder, Eltern und Großeltern in der Familienwoche auf der Wiese der OASE. Jugendliche und Erwachsene tanzen vergnügt ins neue Jahr. Die Vision Sacharjas, die Orientierung an Jerusalem, dem Hoffnungs- und Sehnsuchtsort des Lebens motiviert uns zum Engagement für das Leben mit allen Generationen. Und wenn wir solche Plätze hätten für die Kinder und die Alten, dann wären wir dem Sehnsuchtsort Jerusalem schon etwas näher. Sacharjas Vision verhilft uns zum Träumen von solchen Plätzen, und sie hilft uns, für solche Plätze einzutreten, an denen im Miteinander der Generationen Lebensfreude und Lebenssinn erfahren werden. An solchen Orten erfüllt sich Gottes Verheißung: „Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein, unwandelbar und treu.“

Br. Benedikt Müller OSB

Und das Wort des HERRN erging an Sacharja: So spricht der HERR der Heerscharen: Haltet gerechtes Gericht, erweist Güte und Erbarmen, ein jeder gegenüber seinem Bruder; unterdrückt nicht die Witwe und Waise, den Fremden und Armen und plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander! (Sacharja 7,8-10 – ganze Lesung: 7,1-14)

Diese Worte des HERRN, die dem Volk durch den Propheten Sacharja übermittelt werden, sind der Kern der heutigen Lesung, ja, sie sind der Kern der gesamten prophetischen Literatur Israels. Es kommt letztlich nicht auf die Menge meiner Gebete an, es kommt nicht darauf an, wie lange ich gefastet habe. Es kommt vielmehr auf meine innere Haltung an. Ich kann viel fasten und beten – aber in meinem alltäglichen Handeln ein ungerechter Richter sein und den Menschen neben mir unterdrücken und benachteiligen. Genau das ist es, was Gott durch den Propheten seinem Volk vorwirft.

„Plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander.“ Wäre das nicht eine gute Maxime in diesem Advent? Denn das Böse beginnt ja im eigenen Herzen, und genau hier muss Umkehr ansetzen. Und wenn ich nichts Böses im Herzen plane, keine Rachegefühle in meinem Inneren hege, dann wird es auch mir wahrscheinlich viel besser gehen. Probieren wir es doch einfach mal aus!

P. Maurus Runge OSB

Die Krönung Jeschuas

9Und des Herrn Wort geschah zu mir: 10Nimm von den Weggeführten, von Heldai und von Tobija und von Jedaja, und komm du am selben Tag, komm in das Haus Joschijas, des Sohnes Zefanjas, wohin sie von Babel gekommen sind, nimm Silber und Gold und mache Kronen und kröne das Haupt Jeschuas, des Hohenpriesters, des Sohnes Jozadaks, 12und sprich zu ihm: So spricht der Herr Zebaoth: Siehe, es ist ein Mann, der heißt »Spross«; denn unter ihm wird’s sprossen, und er wird bauen des Herrn Tempel. 13Ja, den Tempel des Herrn wird er bauen, und er wird den Schmuck tragen und wird sitzen und herrschen auf seinem Thron. Auch der Priester wird auf seinem Thron sein, und es wird Friede sein zwischen den beiden. 14Und die Kronen sollen zum Gedenken an Chelem, Tobija, Jedaja und Chen, den Sohn des Zefanja, im Tempel des Herrn bleiben. 15Und es werden kommen von ferne, die am Tempel des Herrn bauen werden. Da werdet ihr erkennen, dass mich der Herr Zebaoth zu euch gesandt hat; und das soll geschehen, wenn ihr gehorchen werdet der Stimme des Herrn. (Sacharja 6,9-15)

Es ist schon auffällig! Dreimal ist in diesem kurzen Text davon die Rede, dass der Tempel des Herrn in Israel gebaut werden soll. Dies ist Sacharja äußerst wichtig. Der Tempel des Herrn, der daran erinnern soll, dass Gott (Jahwe) in seinem Volk gegenwärtig ist! Dass er der „Ich-bin-da“ ist, der sich so dem Mose im brennenden Dornbusch offenbarte.

Damit sind wir eigentlich schon mitten im Advent – auch in diesem Jahr 2021. Denn genau darum geht es ja immer wieder. Platz zu schaffen, dass Gott auch in meinem Leben, in meinem Alltag ankommen kann. Ja, mehr noch, dass er in mir ankommen kann. Und genauso singen wir es in dem bekannten Adventslied „Macht hoch die Tür“.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
So kommt der König auch zu euch,
Ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
Voll Rat, voll Tat, voll Gnad.“

Unser Herz soll ein Tempel für diesen Emmanuel, den Gott mit uns sein! Nicht mehr nur ein äußeres Bauwerk soll es sein – nein, unser tiefstes Inneres. Mein Herz als ein innerer Tempel, in dem Gott und Mensch sich begegnen können. Näher, intimer können wir kaum noch vom Kommen Gottes in meine Welt und mein Leben sprechen.

Doch seien wir ehrlich – da muss noch viel gebaut werden, an diesem Tempel meines Herzens. Oder anders gesprochen: da muss noch viel Gerümpel aus meinem Herzen geräumt werden, dass ER ankommen kann. Denn was sammeln wir nicht alles in unserem Herzen an: alles Belastende, Verwundungen, Ärger, Aggressionen,… Keine einfache Aufgabe, dort wieder Raum zu schaffen, dass ER ankommen kann. Doch – fangen wir an. Tun wir den ersten Schritt. Noch ist Zeit…

P. Jonas Wiemann OSB

Wieder erhob ich meine Augen und ich sah: Siehe da, vier Wagen zogen zwischen zwei Bergen aus, die Berge aber waren aus Bronze. Am ersten Wagen waren rote Pferde, am zweiten Wagen schwarze Pferde, am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen gescheckte Pferde, alles starke Tiere. Darauf fragte ich den Engel, der mit mir redete: Was bedeuten diese, mein Herr? Der Engel gab mir zur Antwort: Das sind die vier Winde des Himmels, die ausziehen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben. Die schwarzen Pferde – der Wagen, an dem sie sind – ziehen aus in das Land des Nordens, die weißen sind hinter ihnen hergezogen und die gescheckten sind in das Land des Südens gezogen. Die starken Tiere zogen aus, begierig, die Erde zu durchstreifen. Da sagte er: Geht hin, durchstreift die Erde! Und sie durchstreiften die Erde. Und er rief mir zu und sprach zu mir: Sieh, jene, die in das Land des Nordens ziehen, sie bringen meinen Geist über das Land des Nordens. (Sacharja 6,1-8)

Es ist ein für uns rätselhafter Text. Es wird in der Sprache der Zeit das ausgedrückt, was aber auch für uns bleibende Bedeutung hat. Es geht um die Endzeit, in welcher der Tempel in Jerusalem nach der Zeit des babylonischen Exils wiedererrichtet wird. Um die Völkerwanderung zum Berg Zion, auf dem das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens errichtet wird.

Was folgt daraus für uns? Manchmal verstehen wir die Sprache Gottes nicht, und auch die Sprache der Engel – in welcher Gestalt auch immer – bleibt für uns unverständlich. Dann aber ist es wichtig, die Vision zu behalten, dass am Ende ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe auf uns wartet. Das Bild des wiederkehrenden Christus, der ja in der Adventszeit erwartet wird, braucht von unserer Seite die Wachsamkeit, wo uns Christus heute begegnet, es braucht die Vision der Gerechtigkeit im Umgang mit den am Rande der Gesellschaft Stehenden. Es braucht die Liebe im Umgang miteinander.

Br. Benjamin Altemeier OSB

Tageslesung: Sacharja 5,1-11

Visionen begleiten uns immer wieder in unserem Leben. Einige sind hoffnungsvoll und geben Zuversicht, andere hingegen zeichnen dunkle Bilder unseres Lebens. So auch im fünften Kapitel der Schriften Sacharjas. Dort finden wir verschiedene Visionen, die sich unter anderem mit der Schuld der Menschen befassen. Da ist beispielsweise die sechste Vision „Die fliegende Schriftrolle“ (Sacharja 5,1ff.), die von einem Fluch erzählt, der die Menschen an ihre Untaten erinnern und auf ewig begleiten soll. Weitergeführt wird diese Erinnerung in der siebten Vision „Die Frau im Fass“. Ein Fass symbolisiert die Schuld der Menschen auf der Erde. In ihr sitzt eine Frau, die Ruchlosigkeit. Zwei Engel tragen sie in ihrem Fass in das Land Schinar, also in das alte Babylon, damit ihr dort ein Tempel gebaut wird. Ein Mahnmal der eigenen Schuld. Ein ganz schön dunkles und hoffnungsloses Bild für den Advent, oder etwa nicht? Mit Fässern und der Schuld ist es so eine Sache. In einer Nikolauslegende spielen drei Fässer eine wichtige Rolle:

„Es war an einem wunderschönen Tag im Winter. Bischof Nikolaus war auf der Reise von Myra nach Konstantinopel, um den Kaiser zu besuchen. Auf dieser Reise begleiteten ihn zwei Wächter der bischöflichen Gardisten. Nachdem sie nun fünf Tage geritten waren, kamen sie in ein kleines Dorf. Am Dorfbrunnen saßen drei Frauen und weinten. Nikolaus fragte die Frauen, warum sie denn so traurig wären? Die drei Frauen erkannten den im ganzen Land beliebten Bischof und baten Nikolaus, dass er ihnen helfen möge, ihre kleinen Söhne wiederzufinden. Was war passiert? Die Jungen waren spurlos im Wald verschwunden. Nikolaus dreht mit seinem Reiter um und zusammen mit den drei Müttern zogen sie durch die Straßen. Immer wieder riefen die Mütter die Namen der Kinder: „Timotheus, Markus, Johannes.“ Doch alles war vergebens! Weit und breit keine Antwort. Totenstille.  Schließlich gelangten sie völlig erschöpft bei einer Waldwirtschaft an. Nikolaus und seine Begleiter gingen mit den Frauen hinein und baten um Essen und Nachtquartier. Nikolaus fragte den Wirt, ob er von den Knaben etwas gesehen oder gehört habe. Der Wirt wurde ganz rot im Gesicht und antworte mit einem schnellen „Nein!“ Bischof Nikolaus blieb hartnäckig und wiederholte noch zweimal seine Frage. Aber wie zuvor antwortete der Wirt mit einem „Nein!“, und dennoch verrieten seien Augen etwas Anderes. Immer wieder blickte er verlegen auf drei große Pökelfässer, die in einer Ecke der Wirtsstube standen. Nikolaus gefiel der Blick des Wirtes auf die Fässer gar nicht. Und so ging der heilige Mann und stellte sich vor die drei Pökelfässer. Nikolaus wurde sehr misstrauisch und betete zu Gott. Dann rief er: „Im Namen Christi: Timotheus, steh auf, Markus, steh auf,  Johannes, steh auf“. Da kletterte aus jedem Fass ein Junge. Überglücklich fielen sie ihren Müttern um den Hals. Nikolaus aber dankte Gott für seine Güte.“

Br. Benedikt Müller OSB

Tageslesung: 1 Samuel 2,1-10

Es ist für eine Frau im alten Israel ein schweres Schicksal, keine eigenen Kinder zu bekommen. Von einem solchen Verhängnis wird im 1. Buch Samuel erzählt. Es geht im 2. Kapitel um Hannah, die in ihrer Ehe mit Elkana kinderlos bleibt und darunter zu leiden hat. Doch dann nimmt sie ihr Schicksal selbst in die Hand und fleht Gott um ein Kind an. Und der schenkt ihr einen Sohn, den späteren Propheten Samuel. Dankbar stimmt die glückliche Mutter den Lobgesang an, der im heutigen Text nachgelesen werden kann. Sie, die Unfruchtbare, darf wider Erwarten einem Kind das Leben schenken, und dadurch erfährt sie Gottes Gnade.

Das Besondere an diesem Hymnus ist ein haarsträubend subversiver Gedanke:
Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub
und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt;
er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen,
einen Ehrenplatz weist er ihm zu.

Das ist nichts anderes als die Umkehrung der sozialen Verhältnisse:
Der HERR macht arm und macht reich,
er erniedrigt und er erhöht.

Diese Sichtweise stellt unsere  gewohnten Maßstäbe auf den Kopf. Wir finden sie auch an anderen Stellen der Bibel wieder, z. B. im Magnificat bei Lukas 1,46-56.
An ihrer persönlichen Erfahrung wird Hannah deutlich, dass Gottes Eingreifen die ungerechten Verhältnisse wieder zurechtrückt.

Im Advent verlangen wir danach, dass Gott in unser Leben kommt.
Aber ist er uns auch dann willkommen, wenn er nicht so ist, wie wir ihn gerne hätten?
Wenn seine große Güte unsere selbstgemachten Sicherheiten ankratzt und starren Prinzipien überflüssig macht?

P. Johannes Sauerwald OSB

Bibellesung: Sacharja 4,1-14

Wieder kam der Engel, der jeweils mit mir sprach. Er rüttelte mich auf, wie man jemand aus dem Schlaf weckt, und fragte mich: „Was siehst du?“ Ich antwortete: „Einen Leuchter aus Gold. Er trägt oben ein Ölbecken, an dessen Rand ringsum sieben Lichtschalen angebracht sind. Und jede Schale hatte sieben Schnäbel für die Dochte.  Links und rechts ragte über dem Leuchter je ein Ölbaum auf.  Was hat das zu bedeuten, Herr?“  „Verstehst du es nicht?“, fragte der Engel. „Nein, Herr“, erwiderte ich.
„Die sieben Lichtschalen sind die Augen des Herrn, die alles sehen, was auf der Erde geschieht.“ (Übersetzung: Gute Nachricht Bibel)

Das Bild vom Ölleuchter mit seinen sieben Lichtschalen, in denen insgesamt 49 Dochte brennen, hat auf mich eine beruhigende Wirkung.

Stell Dir einen großen, hohen Raum vor, in dem ein solcher Leuchter steht. Das brennende Öl verbreitet ein ruhiges und warmes Licht. Es flackert und rußt nicht, sondern lässt in der Dunkelheit eine stille Atmosphäre entstehen. Auf sichtbare Weise wird uns Unsichtbares vor Augen gestellt:
Die Präsenz Gottes, eine geistige Wirklichkeit, die mit ihrer Aufmerksamkeit alles umfängt.

Noch in  meiner Kindheit wurde gesagt. „Gott sieht alles, auch das, was keiner sieht.“ Da konnte einem schon angst und bange werden. Wer einen Fehler machte, entging dem Strafgericht nicht. Schwarze Erziehung! Die Bibel sieht es anders: „Ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten, um den Geist der Bedrückten wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben.“ (Jes 57,15)
Wenn Du auf dieses Licht schaust und Dein Geist offen ist, dann kann es sein, dass es nach und nach in Dir still wird. Und je mehr Du Dich zurücknimmst, desto mehr wird die Gegenwart dieses Unsichtbaren in Deinen Innenraum einziehen. Wenn dies geschieht, ist es überhaupt nicht wichtig, dass das Licht vor Dir kein antiker Leuchter aus Gold ist, sondern einfach eine Kerze in Deinem Zimmer.
Was spürst Du dann?
Was geschieht in Dir?
Es kommt nicht darauf an, jetzt irgendetwas zu machen. Das würde nur stören. Dass die Zeit vergeht, merkst Du kaum. Eine unaufdringliche Kraft kommt Dir entgegen. Deine Wünsche verblassen. Du lässt sein, was jetzt da ist. Am Ende bist Du wahrscheinlich dankbar, dass Du Dich auf diese stille Zeit eingelassen hast.
Ihr sollt es sehen, und euer Herz wird sich freuen, wie eine Mutter will ich euch trösten“. (Jes 66,15f)

P. Johannes Sauerwald OSB

Ich tilge ihre  Schuld an einem einzigen Tag. An jenem Tag – Spruch des Herrn der Heerscharen – werdet ihr einander einladen unter Weinstock und Feigenbaum. (Sach 3,10 – ganze Lesung: Sach 3,1-10)

Aus unsrer heutigen Bibelstelle sind dies die einzigen Sätze, mit denen ich etwas anfangen kann. Warum?

Sie stehen für ein gastfreundlich-offenes Miteinander der Menschen in Friedenszeiten. Das Beisammensein unter fruchtbaren Gewächsen, Weinstock und Feigenbaum, gilt als ein Bild für paradiesische Zustände. Aller Argwohn unter den Menschen ist abgefallen, sie laden sich gegenseitig ein, begegnen sich draußen im Freien, vielleicht im Garten oder einem schönen Fleckchen in der Natur. Das gehört zum ungetrübten, unbeschwerten Leben dazu.

Nein, das wird nicht gesagt, um utopische Fantasien zu pflegen. Die Bibel wird durchzogen von Spuren einer unaufgebbaren Hoffnung. Der tiefste Grund für diese Hoffnung  ist der Zusammenhang von Friede und Vergebung. Die Menschen haben durch ihre gesamte Geschichte hindurch einander unendlich viel Leid angetan. Und tun es immer noch. Es sieht so aus, als gäbe es aus dieser Schuldgeschichte kein Entrinnen mehr, als sei der Friede bloß ein frommer Wunschtraum. Doch tiefer noch als diese fatale Signatur des Menschen – so die Vision des Sacharja – ist die Vergebung Gottes. Ihr Name ist – glauben die Christen: Jesus von Nazareth. Radikaler geht Vergebung nicht. An einem einzigen Tag wird die Schuld gelöscht, unglaublich! Und dann laden wir uns gegenseitig zum Picknick unter Weinstock und Feigenbaum ein.

Der Advent ist die Zeit zum Stillwerden und Warten.
Geben wir der Vision von Vergebung und Frieden in unseren Gebeten und Wartezeiten Raum.
Strecken wir uns nach ihr aus,
sehnen wir sie herbei.

P. Johannes Sauerwald OSB

Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in deiner Mitte – Spruch des HERRN. (Sacharja 2,14; ganze Lesung: Sach 2,10-17)

Dieses Zitat des Propheten Sacharja lädt uns ein, es auf unsere Person hin zu übertragen.

Wir erwarten im Advent die Ankunft des Herrn. Diese Ankunft geschieht auch in uns selber, in unserer Person-Mitte, in unserem Herzen. Demnach darf die Adventszeit uns ermuntern, Gott in uns selbst zu suchen. Gott will ja auch in uns  – in unserer Mitte –  geboren werden. Bereiten wir doch in diesem Advent Gott eine willkommene Wohnung in uns. Diese  Wohnung Gottes will unser Herz sein, unserer innerer Zion.

So beschreibt es auch Meister Eckhart:

„Du musst ihn nicht eigens suchen, weder dort noch hier. Er ist ja nicht weiter weg als vor der Tür des Herzens.“

Br. Emmanuel Panchyrz OSB