Seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen.
(RB 4,57)
Man kann heute kaum jemandem den Rat geben, sich auf diese Anweisung des hl. Benedikt aufs Geratewohl einzulassen. Vor allem müssen sich Menschen mit schwachem Selbstvertrauen davor hüten. Bloß nicht in den Drang verfallen, sich dauernd vergangener Sünden zu bezichtigen! Ich selbst praktiziere diese Art eines ausführlichen täglichen Sündenbekenntnisses nicht. Zwar sprechen wir im Konvent mehrmals täglich im Vaterunser die Bitte: „Und vergib uns unsre Schuld“, wir sagen auch zu Beginn der Komplet, dem Gebet zum Tagesabschluss, im Schuldbekenntnis, ganz allgemein, dass wir „gesündigt haben in Gedanken, Worten und Werken“, aber dabei weinen wir nicht, nur kommt vielleicht gelegentlich ein stummer Seufzer hoch, wenn einem einfällt, heute etwas verbockt zu haben.
Aber ich möchte doch versuchen, trotz meines Widerstrebens gegen eine deprimierende Frömmigkeit herauszufinden, was in Benedikts Anweisung an heilsamer, lebenskluger Absicht enthalten sein könnte.
Als erstes fällt mir auf: Hier ist vom Gebet die Rede.
Gebet ist kein Monolog, in dem Betende einfach drauf los reden, sondern ein Zwiegespräch, in dem der Mensch sein Herz einem hörenden Gott vertrauensvoll öffnet. Gott wird hier nicht als strafende Instanz angesprochen, der man haarklein alle seine Sünden ängstlich aufzählen muss, sondern als ein väterliches Gegenüber, das durch seine unbedingte Bereitschaft zum Zuhören einen Raum auftut, in dem all das zum Ausdruck gebracht werden darf, was die betende Person im Inneren bewegt, auch wenn es ihr peinlich ist.
Und dann: Gott ist die Quelle des Friedens.
Er will die Versöhnung. Seine Nähe hilft Spannungen im eigenen Leben zu überwinden. Von ihr geht die Kraft aus, die nötig ist, um seine ungelösten Konflikte anzunehmen und zu überwinden. Das ermutigt, sich ihm anzuvertrauen und nicht verheilte Wunden hinzuhalten. Wer echte Vergebung gefunden hat, lernt die versöhnende Wirklichkeit Gottes kennen und atmet auf.
Schließlich: Es ist sinnvoll, sich der eigenen Hinfälligkeit bewusst zu sein.
Das verhindert, sich etwas vorzumachen. Einen realistischen Blick auf die eigenen Grenzen zu bekommen ist doch ein erstrebenswertes Ziel! Warum sich also nicht hin und wieder aus versöhntem Herzen heraus an eigene Sünden erinnern? Ohne dabei die persönlichen Möglichkeiten zu übersehen.
P. Johannes Sauerwald OSB