Ich versetze euch wieder auf euren Ackerboden. (Ez 37,14)

Ein wirklich seltsamer Satz aus einem noch seltsameren Text! Es empfiehlt sich ihn ganz zu lesen: Er steht in der Auferweckungsvision des alttestamentlichen Propheten Ezechiel. Der Seher hat Knochen vor sich. Und beschreibt schrittweise, wie sie wieder das bilden, was sie mal waren: Körper! Er lässt den Wind ihnen Atem geben – bring sie zurück ins Leben. Das, was da geschieht, ist Auferstehung der Toten. Wir sprechen im Glaubensbekenntnis „Und ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Ist das gemeint? Wir werden irgendwie unsanft wieder zusammen gekleistert und dann auch noch auf den Ackerboden gesetzt? Ackerboden, das steht doch für Arbeit. Die Hacke vor mir. Da die Schaufel. Und zurück in die brutale Welt des Alltags geworfen werden, wird hier als Auferstehung geschildert. Irgendwie – bei allem gebotenen Respekt – keine Verheißung, bei der ich vor Freude aufjubeln würde: Nichts von himmlischen Chören hier, die die Auferweckten erwarten. Nichts von einem Festmahl, das kein Ende findet. Zwar kommen die Auferweckten in das gelobte Land Israel. Aber es wird „Ackerboden“ genannt!

Ezechiel spricht in die Zeit der babylonischen Gefangenschaft hinein zur Gemeinde der Exilierten. Damals war es eine frohe Botschaft, die sagen wollte: „Wir sind nicht ewig fern der Heimat“.

Ein genauerer Blick auf das Wort Ackerboden: Im Hebräischen steht adamat. Man hört hier schon den Namen des ersten Menschen aus der Genesis. Aber dieser Name heißt nichts anderes als Mensch. Ackerboden, das woraus er gemacht wurde, ist das, wo man wirklich Mensch sein kann. Keine Lebensferne, sondern ganz Boden-ständig im wortwörtlichen Sinn. Auferstehung – wie wir auch im heutigen Evangelium hören – wird uns nicht der Realität entreißen, vielmehr werden wir auf eine tiefere Weise mit ihr verbunden. Es ist nicht die himmlische Auferstehung, die Maria erwartet (Joh 11,24), sondern das echte Leben, das an des Hier und Jetzt gebunden ist.

Und das bedeutet im Umkehrschluss auch: Wir werden nicht unserer Verantwortung entrissen. Kein frommes, verklärtes und abwesendes Jubilieren, kein verzücktes das Haupt Neigen, das sich in unsere Kirchen zu oft eingeschlichen hat, kein bloßes Emporschauen (vgl. Apg 1,11a) gibt es in der Erlösung, sondern nur blanke, entblößte Realität, wo wir uns in allem wieder erkennen, weil wir eben nichts anderes sind – darum dieses Wortspiel. Die Midrasch im Talmud (bT Sanhedrin 98a) bringt es gut auf den Punkt: Der Messias, der Erlösung bringt, sitzt vor den Toren Roms und verbindet die Wunden der Menschen – ein Gleicher unter Gleichen – ganz angekommen in der Realität. Er ist sich seiner Verantwortung bewusst und tut, was verantwortlich und geboten ist. Ist es nicht auch ein Anspruch an uns, „heute, wenn ihr seine Stimme hört“(Ps 95,7)?

Text aus dem Traktat Sanhedrin 98a des babylonischen Talmud:

„Rabbi Jehošua ben Levi traf einst Elijahu am Eingange der Höhle des Rabbi Šim’on ben Jochaj stehen; da sprach er zu ihm: Werde ich in die zukünftige Welt kommen? Dieser erwiderte: Wenn es diesem Herrn gefällig sein wird. […] Hierauf fragte er ihn weiter: Wann wird der Messias kommen? Dieser erwiderte: Geh, frag ihn selbst. – Wo befindet er sich? – Am Tore von Rom – Woran erkennt man ihn? – Er sitzt zwischen den mit Krankheiten behafteten Armen; alle übrigen binden ihre Wunden mit einem Male auf und verbinden sie wieder, er aber bindet sie einzeln auf und verbindet sie, denn er denkt: vielleicht werde ich verlangt, so soll keine Verzögerung entstehen. Hierauf ging er zu ihm hin und spricht zu ihm: Friede mit dir, Herr und Meister! Dieser erwiderte: Friede mit dir, Sohn Levis! Er fragte: Wann kommt der Meister? Dieser erwiderte: Heute. Darauf kehrte er zu Elijahu zurück, der ihn fragte: Was sagte er dir? Er erwiderte Friede mit dir, Sohn Levis! Da sprach dieser: Er hat dir und deinem Vater die zukünftige Welt verheißen. Jener entgegnete: Er hat mich belogen, denn er sagte mir, er werde heute kommen, und er kam nicht. Dieser erwiderte: Er hat es wie folgt gemeint: wenn ihr heute auf seine Stimme hören werdet.(Ps 95,7)“

Br. Symeon Müller OSB

Das heutige Sonntagsevangelium (Joh 9,1-41) erzählt von einem Kind, das von Geburt an blind ist und von Jesus geheilt wird.

Vielleicht sagen wir schnell: „Ich brauche zwar eine Brille – aber blind bin ich Gott sei Dank nicht! Was hat das also mit mir zu tun?“ Erinnern wir uns, wie es zur Auswahl dieser Evangelien an den Sonntagen der Fastenzeit kam. In ihnen wurden die Taufbewerber, die in der Osternacht getauft wurden, in den Glauben eingeführt. Und ein Aspekt des Glaubens war: „Ich kann wieder neu sehen, werde von meiner „Blindheit“ geheilt!“ Deshalb findet sich bis heute in der Taufliturgie der Effata-Ritus – die Öffnung der Sinne. Mein Glaube und Christ-sein will, das wird hier sehr deutlich, zu einem sinn-vollen Leben führen.

Aber noch einmal zurück. Wieso muss ich denn neu sehen lernen, von welcher Blindheit soll ich denn geheilt werden? Seien wir ehrlich. Mein Sehen, meine Wahrnehmung der Wirklichkeit, ist sehr selektiv, sehr von meinen Erwartungen abhängig. Es gibt Tage, da sehe ich alles wie durch eine Sonnenbrille: dunkel, hoffnungslos, depressiv, … Und an anderen Tagen habe ich scheinbar meine rosarote Brille auf: alles wirkt auf mich freundlich, Mut machend, …

Die Wirklichkeit bleibt dieselbe, aber es macht einen großen Unterschied, wie ich auf sie blicke. Und das ist manchmal wie neu Sehen lernen.

Die Dichterin Hilde Domin hat es für mich in einem kurzen Gedicht auf den Punkt gebracht:

Es knospt

Unter den Blättern

Das nennen sie Herbst

Sehe ich im Herbst nur das langsame Sterben der Natur –  verwelkte, abgefallene Blätter? Oder sehe ich schon die kleinen Wunder des neuen Lebens?

Auch in den Tagen der Corona-Krise ist dies für mich eine entscheidende Frage. Kann ich in und neben all dem Schrecklichen, was mir zu Recht auch Angst macht, auch die kleinen Hoffnungszeichen, die kleinen Zeichen des Lebens, und damit Gottes sehen? Im Lächeln meines Mitmenschen, in der Hilfsbereitschaft, die mir entgegen kommt? Aber auch in den Sonnenstrahlen, der Natur, die im Frühling erwacht?…

Der Glaube will meine Augen auch für diese Hoffnungszeichen öffnen und offen halten.

P. Jonas Wiemann OSB

Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. (Mt 1,19)

Das wäre Marias Ende gewesen – und mit diesem auch das Ende der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Hätte Josef einen Skandal um die mysteriöse Schwangerschaft seiner jungen Verlobten gemacht, dann hätte ihr wohl der Tod durch Steinigung gedroht. Und die Geschichte der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus wäre zu Ende, noch ehe sie richtig angefangen hätte. Zum Glück war Josef nicht so. Zum Glück war er nicht einer jener Selbstgerechten, die nur auf den Fehltritt eines anderen Menschen warten, um ihn gnadenlos ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Etwas, was nicht nur damals passiert ist, sondern im beschleunigten Medienzeitalter bis heute immer wieder.

Zum Glück war Josef ein echter „Zaddik“, ein wirklicher Gerechter. Zum Glück war er nicht auf einen Skandal aus, sondern wollte die Geschichte ohne viel Aufhebens aus der Welt schaffen, indem er einfach alle Verbindungen löst.

Doch die Geschichte geht noch weiter: zum Glück war Josef ein Träumer wie sein großer alttestamentlicher Namensvetter. Zum Glück war er einer, der sich an seine Träume erinnerte und darin einen Anruf Gottes sah. Zum Glück erkannte er in seinen Träumen die Stimme Gottes.

So konnte die Geschichte Gottes mit den Menschen weitergeschrieben werden. Das lohnt die Unterbrechung der Fastenzeit, um dieses stillen Mannes zu gedenken. Das lohnt seine Erwähnung in jeder Eucharistiefeier.

Das heutige Hochfest sagt mir: Die Geschichte Gottes mit den Menschen geht weiter. Auch wenn alles dagegen spricht. Auch wenn wir meinen, das Ende sei nah. Auch wenn heute oft der Skandal mehr Aufmerksamkeit zu bekommen scheint als das stille Mitgehen. Auch wenn Leid und Krankheit zu überwiegen scheinen. Ist das nicht eine Botschaft der Hoffnung – gerade heute?

P. Maurus Runge OSB

An den kommenden drei Fastensonntagen im Lesejahr A hören wir drei längere Episoden aus dem Johannesevangelium: die Begegnung Jesu mit der Samariterin, die Heilung des Blindgeborenen und die Auferweckung des Lazarus, die uns alle auf ihre je eigene Weise auf das Osterfest vorbereiten sollen. Gerade das heutige Evangelium, die Begegnung Jesu mit der Frau aus Samarien (Joh 4,5-42), gehört für mich zu den ergreifendsten biblischen Erzählungen.

Jesus kommt auf seinem Weg nach Jerusalem an einen Ort namens Sychar in Samarien – für einen frommen Juden der damaligen Zeit ist das quasi Feindesland. Juden und Samariter sind tief verfeindet, ein Konflikt, der religiöse Wurzeln hat und sich u.a. um den rechten Ort der Gottesverehrung dreht. Dort macht Jesus in der Mittagshitze an einem Brunnen Halt und trifft auf eine Frau, eine samaritische Frau, die am Brunnen Wasser schöpfen will. Erschöpft von der Reise spricht er die Frau an und bittet sie, ihm etwas zu trinken zu geben. Ein Tabubruch – „die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.“

Und nun entwickelt sich zwischen den beiden ein wunderbarer Dialog, der Schritt für Schritt in ein immer tieferes Erkennen des Anderen mündet. Von äußeren und inneren Quellen geht es zur Lebenssituation der Frau und schließlich zur Frage, wo und wie Gott anzubeten sei: „Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Als die Jünger Jesu zurückkehren, eilt die Frau in ihr Heimatdorf zurück und wird zur Missionarin, die anderen von dem erzählt, was sie erlebt hat.

Die Sinnspitze dieser Erzählung ist für mich, dass es nicht die (männlichen) Jünger Jesu sind, die tagein, tagaus mit ihm zusammen sind, die ihn verstehen, sondern die fremde Frau. Zwar nicht auf Anhieb, aber Schritt für Schritt. Sie lässt sich auf Jesus ein, lässt sich von ihm berühren und kann so andere berühren. Am Ende führt sie die Menschen ihres Dorfes zu Jesus, wird zur Verkünderin seiner Botschaft.

Am Ende des Evangeliums steht ein Bekenntnis: „Er ist wirklich der Retter der Welt.“ Es kommt aus dem Munde der Samariter. Die Botschaft Jesu wird ausgeweitet von den Juden („Das Heil kommt von den Juden“) auf alle Menschen guten Willens.

Das Evangelium lädt mich ein, mich auf den Fremden einzulassen, vielleicht auch auf das Fremde in mir. Dann kann Begegnung geschehen. Auch in der Mittagshitze an Orten, wo ich es zunächst nicht erwarten würde. Dann kann die innere, oft verschüttete Quelle in mir wieder zu sprudeln beginnen.

Gestatten Sie mir eine Schlussbemerkung aus aktuellem Anlass: Begegnung geschieht an Orten, an denen ich es zunächst nicht erwarten würde. Ich habe das in den letzten Tagen ganz konkret erlebt. In Zeiten, wo Begegnung und Berührung physisch nicht ratsam ist, wo die Einschränkung von Sozialkontakten überlebenswichtig wird, ja wo selbst unsere Kirchen geschlossen sind und Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefeiert werden, da geschieht dennoch Begegnung. Die Sozialen Medien machen ihrem Namen alle Ehre – wenn man auf Spurensuche geht und sich auf diese auch reale Form der Begegnung einlässt. Denn auch hier handeln und agieren Menschen. Und es gibt nicht nur die Falschmeldungen, die Hetze und Panikmache. Nein, in den letzten Tagen erlebe ich eine große Solidarität. Menschen, die anbieten, für andere den Einkauf zu erledigen. Der Pianist Igor Levit, der jeden Abend auf Twitter öffentlich zugängliche Hauskonzerte gibt. Die Berliner Philharmoniker, die einen kostenlosen Zugang zu ihrem Onlineangebot an Konzerten anbieten. Es gibt sicher viele andere Beispiele. Gerade die Musik berührt viele Menschen. An den berührenden Kommentaren aus aller Welt wird das deutlich. Menschlichkeit kann sich durchsetzen – auch und gerade in diesen Zeiten. Die Quelle wird weitersprudeln.

Möge Gott Sie in dieser Woche segnen und Ihr Herz berühren! Bleiben Sie gesund!

P. Maurus Runge OSB

Und Petrus antwortete und sagte: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn Du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. (Mt 17,4)

Dieser Impuls von Petrus ist für mich zutiefst nachvollziehbar. Diese fast traumhaft anmutende Erfahrung festhalten zu wollen, der Erscheinung Dauer zu verleihen und darin zu verweilen ist ein menschlicher Zug, wie wir ihn bei Petrus immer wieder finden und der ihn für mich exemplarisch für den Menschen an sich macht. Auch ich erlebe mich immer wieder in der Versuchung, festhalten zu wollen, stehenzubleiben, das auf mich Gekommene zu verteidigen, als sei es ein Besitz von mir.  Wir Menschen stehen alle in der Spannung von Halten-Wollen und Loslassen-Müssen. Denn es ist immer Vorübergang.

Wenn Abraham nicht bereit gewesen wäre, seine Heimat zu verlassen, er wäre nicht zum Segen für die Völker geworden. Wenn Mose nicht dem Ruf Gottes am Dornbusch gefolgt wäre, sein versklavtes Volk aus Ägypten herauszuführen, sie wären der Freiheit nicht mächtig geworden. Elija aus Tischbe gehörte zu den Israeliten ohne Grundbesitz und war von daher ungebunden, aber auch er muss nach seiner Machtprobe am Berg Karmel nach Beerscheba flüchten und kann den scheinbaren Erfolg nicht halten. Wäre Elija unter dem Ginsterstrauch sitzen geblieben und gestorben, er hätte die Gottesschau am Horeb nicht erlebt. Wäre Jesus nicht vom Berg der Verklärung herabgestiegen und zum Berg Golgotha hinaufgestiegen, so wäre unsere Erlösung durch Jesu Leiden, Tod und Auferstehung nicht geschehen.

So bleibt es auch in unserem Leben, Ankommen und Weitergehen. Denn es ist auf Erden immer Vorübergang. Das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können, ist hier bei uns die Erinnerung.

Dreimal erfolgt in den Evangelien das Bekenntnis Gottes zu seinem geliebten Sohn.  Zu Beginn in der Taufe Jesu, Heute bei der Verklärung Jesu, und dann bei Markus ganz am Ende durch den Soldaten, der bei der Kreuzigung spricht: „Dieser ist Gottes Sohn.“ Gott bezeugt Jesus immer wieder und durch sein gesamtes Wirken auf Erden hindurch bis zum Tod, also bis zum tiefsten Scheitern, als seinen geliebten Sohn.

Diese Zusage Gottes gilt auch uns. Auch wir sind geliebte Söhne und Töchter Gottes – beginnend in der Taufe und vollendet im Tod.

Das ist bei allem Loslassen-Müssen, bei allen Veränderungen auf unseren Wegen, wie beschwerlich sie auch sein mögen, das Bleibende. Wir sind und bleiben Gottes geliebte Kinder. Er geht unseren Weg mit. Er geht diesen Weg auch im Scheitern mit.  Mose erreicht das Gelobte Land nicht zu seinen Lebzeiten, und Elija versteht seinen Gott nicht und möchte sterben. Und Jesu Botschaft der bedingungslosen Liebe scheitert zunächst am Kreuz.

Das heutige Evangelium ist Vorschau auf Ostern. Schon heute wird Jesus verwandelt, schon heute verbindet er durch die Gestalten von Mose und Elija Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander. Schon heute feiern wir die Auferstehung Jesu, und somit ist die Ewigkeit schon jetzt angebrochen. Das Reich Gottes, so unscheinbar es auch daherkommt, ist bereits angebrochen. Es befähigt uns, heute Kranke zu heilen, Gefangene zu befreien und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen. Die Kraft der Auferstehung, an der wir teilhaben, gibt uns die Kraft für das Leben heute.

Und er wurde vor ihnen verwandelt, sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. (Mt 17,2)

Gott strahlt in Jesus auf. Theophanie, Gotteserscheinung. Flüchtig und dennoch endgültig. Und wir dürfen Anteil daran haben, indem wir durch uns das Licht Gottes in diese Welt tragen. Transparent werden für das Licht Gottes. Wie der Mensch Mose die Theophanie am brennenden Dornbusch erlebt, wie der Mensch Elija die Theophanie an der Höhle am Berg Tabor erlebt. Aber bei Jesus kommt noch Entscheidendes hinzu. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sage: Steht auf und fürchtet euch nicht. (Mt 17,7)

In Jesus von Nazareth nimmt uns Gott an die Hand und sagt zu uns: Fürchtet euch nicht. Und er sagt dies im Wissen auf den Abstieg, auf das Kreuz zu.

Was also bleibt bei allem Loslassen-Müssen?

Die Zusage an uns: dass wir geliebte Söhne und Töchter Gottes sind, dass wir den Auftrag als Christen haben, das Licht Gottes in dieser Welt sichtbar werden zu lassen, dass uns Gott dabei aber an die Hand nimmt und uns sagt: Fürchte Dich nicht. Und die Zusage an uns, dass es bei allem Vorübergang ein Ankommen in der Vollendung gibt, eine Ewigkeit in unserer Auferstehung.

Br. Benjamin Altemeier OSB

Das Evangelium zum heutigen Sonntag berichtet davon, dass selbst Jesus als Sohn Gottes in der Einsamkeit der Wüste in Versuchung geführt wurde. Versuchungen sind in der Fastenzeit ja immer so eine Sache. Für viele sind diese Wochen vor Ostern eine gute und überschaubare Zeit, um eine innere Kurskorrektur zu machen – ungute und eingefahrene Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen, mal etwas Neues auszuprobieren und ganz bewusst auf manches zu verzichten. Soweit so gut…

Aber wer kennt das nicht: Oft genug sind wir dann recht schnell „versucht“, in die alten Muster zurückzufallen und unzufrieden, weil wir es (vielleicht sogar schon im zweiten Anlauf nach den guten Neujahrsvorsätzen) mal wieder nicht so geschafft haben, wie wir es uns vorgenommen hatten.

Im Matthäusevangelium ist der „Diabolos“ derjenige, der immer alles durcheinanderwirft, der Urheber der Versuchung. In den theologischen Diskussionen wurde zuletzt über den Urheber oder den Grund der Versuchung gestritten. Um Missverständnissen vorzubeugen heißt die Formulierung einer entsprechenden Vaterunser-Bitte in den französischen Messtexten beispielsweise nun seit einiger Zeit: „Und führe uns in der Versuchung.“ Damit soll ernstgenommen werden, was über Gott und das Thema Versuchung im Jakobusbrief zu lesen ist: „Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott lässt sich nicht zum Bösen versuchen, er führt aber auch selbst niemanden in Versuchung.“ (Jak 1,13). Zwar glaube ich, dass auch unsere im deutschen gebrauchte Formulierung „Und führe uns nicht in Versuchung“ nicht bedeuten soll, dass Gott seine Freude daran hätte, uns auf die Probe zu stellen, indem er uns absichtlich in die moralische Zwickmühle bringt. Ich sehe es allerdings ganz einfach als eine alltägliche Erfahrung an, dass wir uns immer wieder mit unterschiedlichen Versuchungen auseinandersetzen müssen und uns immer wieder entscheiden müssen. Dass bei diesem Unterfangen niemand vor Fehlern und Misserfolgen gefeit ist, versteht sich von selbst…

Die im Evangelium genannten Versuchungen Jesu müssen auf unser Leben hin bezogen nicht als etwas verstanden werden, das von außen auf uns zukommt. Denn auch das ist eine alltägliche Erfahrung: Weder sind wir Menschen allmächtig, sodass wir uns unsere Lebensgrundlage und unser Brot herbeizaubern könnten –  noch sind wir unverwundbar und unsterblich…

Sondern es sind eher unsere kleinen Eitelkeiten, unsere blinden Flecken und manchmal auch unsere Selbstüberschätzung, die in unserem Innern sind und die uns als Versuchungen das Leben ganz schön schwer machen können. Weil wir uns damit nur selbst im Weg stehen.

Es kann gut tun, in den kommenden Wochen einen ehrlichen Blick auf sich selbst einzuüben. Aber dabei auch liebevoll und verständnisvoll mit sich selbst zu sein. Und wenn Sie dann doch an einem guten Vorsatz gescheitert sein sollten, gilt: Lächeln, und morgen ist auch noch ein Tag… 🙂

Br. Vincent Grunwald OSB

 

Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst. (Gen 3,19)

Die Scheune ist abgebrannt
jetzt
seh ich den Mond
(Mizuta Masahide)

Wenn heute am Aschermittwoch in vielen Gottesdiensten das Aschenkreuz den Gottesdienstbesuchern auf die Stirn oder den Kopf gezeichnet wird, dann hat dieser Moment etwas von einem Kennzeichnen. Auch wenn es uns nicht passt, oder angenehm ist, das Kreuz wird uns scheinbar regelrecht aufgedrückt.
Am Beginn eines neuen Weges steht das urchristlichste aller Symbole, und dieses wird uns auf die eigene Haut geschrieben.
Die Fastenzeit steht in ihrer Tradition für Buße und Umkehr, für das Freimachen von unserer Sünde. Sie erzählt auch vom Sündenfall des Menschen.
Buße und Umkehr, Sünde, das sind harte Worte, aber es steckt darin auch eine Verheißung. Indem wir loslassen, einen Schritt gehen, kann etwas ganz NEUES beginnen.
Die Asche erinnert uns an unsere eigene Vergänglichkeit, und diese Asche hat eine Lebensgeschichte.
Unsere Vergänglichkeit ist nichts fernes, kein Tag X in weiter Zukunft, sondern sie ist Gegenwart, und diese Gegenwart ist uns auf die Haut geschrieben, als unser eigenstes Memento Mori, unsere Lebensgeschichte.
Wenn die Erfahrung des Kreuzes in unserem Leben gegenwärtig wird, dann fühlen wir uns oft dem ausgeliefert. Jemand drückt uns eine Schicksalslast auf. Ob das aber wirklich so ist, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist nur, das Kreuz ist keine Strafe. Es ist eine Wegmarke. Denn dort wo das Kreuz ist, da ist Jesus Christus.
Wohin wir auch heute aufbrechen, es ist jetzt nicht mehr weit, Ostern erwartet uns.

Br. Balthasar Hartmann OSB