31 Jesus versammelte die Zwölf um sich und sagte zu ihnen: Siehe, wir gehen nach Jerusalem hinauf; und es wird sich alles erfüllen, was bei den Propheten über den Menschensohn geschrieben steht. 32 Denn er wird den Heiden ausgeliefert, wird verspottet, misshandelt und angespuckt werden 33 und man wird ihn geißeln und töten und am dritten Tag wird er auferstehen. 34 Doch die Zwölf verstanden das alles nicht; der Sinn der Worte war ihnen verschlossen und sie begriffen nicht, was er sagte.

(Lk 18,31-34 – ganze Tageslesung: Lk 18,31-43)

In den Tageslesungen aus dem Lukasevangelium machen wir heute einen großen Sprung und gehen direkt ins 18. Kapitel, wo Jesus den Jüngern sein Schicksal vorhersagt – Leiden, Auslieferung, Verspottung, Misshandlung, Tod. Es wird ernst. Der Konflikt mit den religiösen Autoritäten, von dem wir in der Tageslesung gestern gehört haben, spitzt sich zu. Dass Jesus auch von der Auferstehung spricht, scheinen die Jünger vor lauter Leidensweissagungen gar nicht mehr zu hören.

„Doch die Zwölf verstanden das alles nicht.“ Wie sollten sie auch? Ein Messias, der durch das Leiden hindurchgeht, das war für sie jenseits aller Vorstellungskraft. Indem sie Jesus auf seinem Leidensweg begleiten, müssen sie noch einen langen und auch schmerzhaften Lernprozess durchmachen.

Und wie ist es mit mir? Verstehe ich Jesus? Oft geht es mir, wenn ich ehrlich bin, so wie den Jüngern. Ich verstehe das alles nicht. Es erschließt sich mir kein Sinn. Es ist wohl so wie mit den Jüngern. Ich muss mit Jesus mitgehen, ihn auf dem Weg seiner Passion begleiten, an seiner Seite sein – um vielleicht nach einem langen Lernprozess besser begreifen zu können.

P. Maurus Runge OSB

37 Jesus sprach noch mit seinen Zuhörern, als er von einem Pharisäer zum Mittagessen eingeladen wurde. Er ging mit und setzte sich an den Tisch. 38 Entrüstet beobachtete der Gastgeber, dass sich Jesus vor dem Essen nicht die Hände gewaschen hatte, wie es bei den Juden vorgeschrieben war. 39 Jesus bemerkte seinen Unwillen und wandte sich zu ihm: „Äußerlich seid ihr Pharisäer ohne Fehler, ihr glänzt wie die Becher, aus denen ihr trinkt. Aber innerlich seid ihr schmutzig und verkommen. 40 Ihr Scheinheiligen! Ihr wisst doch ganz genau, dass Gott beides geschaffen hat – Äußeres und Inneres. Meint ihr da wirklich, dass er nur auf das Äußere achtet? 41 Eure Schüsseln und Becher sind voll. Gebt das, was drin ist, den Armen, dann seid ihr auch vor Gott rein!
42 Wehe euch, ihr Pharisäer! Sogar von Küchenkräutern wie Minze und Raute und auch von allen anderen Gewürzen gebt ihr Gott den zehnten Teil. Aber das, was viel wichtiger wäre – Gerechtigkeit und die Liebe zu Gott –, ist euch gleichgültig. Doch gerade darum geht es hier: das Wesentliche tun und das andere nicht unterlassen.“

(Lk 11,37-42 (nach: Hoffnung für alle) – gesamte Tageslesung: Lk 11,37-54)

„Außen hui – innen pfui“ pflegte meine Oma zu Menschen zu sagen, die sich äußerlich gut, sauber, wichtig, rechtschaffen, „herausgeputzt“ gaben – und innerlich so ganz anders waren. Es ist wie die Kurzfassung der heutigen Tageslesung. Aber ist das so einfach?

Die Pharisäer sind Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen und aus ihm heraus leben. In gewisser Weise sind sie die Elite der damals Glaubenden. Und doch geht Jesus mit ihnen nicht gerade zimperlich um. Er wirft ihnen vor, dass sie die Gesetzestreue höher ansetzen als die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Ja, dass sie die Gerechtigkeit nicht beachten – und die Menschen am Rande der Gesellschaft, die es nötig hätten, im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen.

Und ich merke, dass diese Worte mich meinen. Nicht einen konkreten Menschen damals, sondern mich in meiner doch so oft pharisäischen Haltung. Stehe ich damit nicht oft genug Gott selbst im Wege durch mein (Nicht-)Zeugnis, trage seine Liebe nicht zu denen, die sie nötig hätten?

Da ist ein schöner Gottesdienst wichtiger als die Möglichkeit, Menschen nahe zu kommen. Da schreibe ich lieber Texte, als auf Menschen zuzugehen. Da fühle ich mich gut und wichtig, wenn andere mir das auch noch sagen – statt zu sehen, wen ich alles übersehe, wem ich weh tue, wen ich nicht beachte. Gelder für wichtige Hilfsprojekte kann ich organisieren. Aber mich der Bettlerin am Straßenrand zuzuwenden, schaffe ich nicht.

Jesus macht deutlich: das eine tun ohne das andere zu lassen. Nur: Gerechtigkeit und Liebe müssen an erster Stelle stehen. Nicht ich.

P. Guido Hügen OSB

33 Niemand zündet eine Leuchte an und stellt sie in einen versteckten Winkel oder unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter, damit alle, die eintreten, das Licht sehen. 34 Die Leuchte des Leibes ist dein Auge. Wenn dein Auge gesund ist, dann ist dein ganzer Leib hell. Wenn es aber krank ist, dann ist auch dein Leib finster. 35 Achte also darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist! 36 Wenn nun dein ganzer Leib hell ist und nichts Finsteres in ihm ist, dann wird er ganz hell sein, wie wenn die Leuchte dich mit ihrem Strahl bescheint. (Lk 11,33-36)

„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!“ Das sagte früher meine Mutter zu mir, wenn ich mich nicht traute, irgendetwas zu tun, wo ich zwangsläufig im Rampenlicht stände – beim Schultheater, in der Musikgruppe, beim Lektorendienst im Gottesdienst. Sie ermutigte mich, meine Talente nicht zu vergraben, sondern zu nutzen – und genau deshalb habe ich das dann getan, zwar mit viel Lampenfieber und Zittern, aber auch mit der Erfahrung, dass es eigentlich gar nicht so schlimm war.
Wer im Licht steht, der wird gesehen. Das ist positiv und negativ. Nicht nur der Applaus am Ende zählt, sondern jeder Versprecher wird wahrgenommen – oft mehr von mir selbst als von anderen.

„Achte also darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist!“ Ich bin für mein Licht selbst verantwortlich. Wenn ich einmal im Licht stehe, dann muss ich damit rechnen, dass da vielleicht auch etwas zum Vorschein kommt, dass ich lieber im Dunkeln gelassen hätte. Deshalb ist manchmal auch die Vorsicht des Kindes angebracht, das sich nicht traut, im Licht zu stehen. Gerade unsere Mediengesellschaft ist unbarmherzig im Aufdecken des eigenen Schattens.

Mir hilft es in solchen Situationen oft innezuhalten. Mich zu vergewissern, dass ich durch nichts aus dem Licht Gottes herausfallen kann. Mich neu anfüllen zu lassen von Seinem Licht, das auch das Dunkle in mir erleuchtet. Nicht grell wie ein Scheinwerfer, sondern sanft wie eine Nachttischlampe.

P. Maurus Runge OSB

29 Als immer mehr Menschen zusammenkamen, begann Jesus zu sprechen: Diese Generation ist eine böse Generation. Sie fordert ein Zeichen; aber es wird ihr kein Zeichen gegeben werden außer das Zeichen des Jona. 30 Denn wie Jona für die Einwohner von Ninive ein Zeichen war, so wird es auch der Menschensohn für diese Generation sein. 31 Die Königin des Südens wird beim Gericht mit den Männern dieser Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo. 32 Die Männer von Ninive werden beim Gericht mit dieser Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie sind auf die Botschaft des Jona hin umgekehrt. Und siehe, hier ist mehr als Jona. (Lk 11,29-32)

Was ist eigentlich so schlimm daran, ein Zeichen zu fordern? Nicht alles einfach so hinzunehmen, einfach „zu glauben“, sondern den Dingen auf den Grund gehen zu wollen? Für die Wissenschaft ist dieses Vorgehen Standard. Jede neue Hypothese wird zunächst einmal hinterfragt, von allen Seiten beleuchtet, bis sie wirklich hieb- und stichfest ist. An den Forschungen am Coronavirus kann man das hautnah miterleben.

Jesus geht es hier wohl nicht um Wissenschaftsfeindlichkeit. Er will keinen Gegensatz zwischen Wissen und Glauben aufbauen. Ihm geht es nicht um einen Sachverhalt, den man verifizieren oder falsifizieren kann, nüchtern und ohne jedes Pathos. Nein, Jesus geht es um die zwischenmenschliche Ebene, um die Beziehung zwischen ihm und seinen Jüngern. Und da kann es nicht darum gehen, immer neue Zeichen und Beweise zu fordern, sondern zwischen Menschen geht es um Vertrauen – manchmal auch um einen Vertrauensvorschuss. Liebe und Freundschaft lassen sich nicht beweisen. Das heißt dann natürlich auch, dass mein Vertrauen enttäuscht werden kann, dass ich aufs falsche Pferd gesetzt habe. Das gehört zum Risiko des Glaubens dazu.

Jesus führt den Propheten Jona als Zeichen für seine Jünger an. Jona ist ein Prophet, der die Menschen zur Umkehr aufrief – und der selbst immer wieder umkehren musste. Hin zu einem Gott, der größer ist als unsere Vorstellungen von ihm. So muss auch ich immer neu umkehren, meine Bilder und Vorstellungen, wie Gott ist bzw. wie ich ihn haben möchte, lassen und mich neu in das Risiko des Glaubens hineinwagen. Im Bewusstsein, dass alles auch ganz anders sein könnte. Aber im Vertrauen, dass es doch richtig sein könnte.

P. Maurus Runge OSB

Tageslesung: Psalm 25

Fernglas

Im Sommer ein paar schöne Tage in den Südtiroler Bergen genießen. Wanderungen in den Bergen. Stille erleben und pure Natur erblicken. Den Augen.Blick genießen. Der Rucksack ist gefüllt. Freiheit fast über den Wolken finden. Den Blick auf das Gipfelkreuz gerichtet. Ein Fernglas darf nicht fehlen, um Steinböcke oder Adler oder die Bergspitze mit dem uralten Gletscher ins Visier zu nehmen. Wie oft habe ich das Fernglas schon in die Hand genommen, um es in eine ganz bestimmte Richtung zu schwenken, damit ich die Wunderwelt der Südtiroler Berge in den Blick nehmen kann. Wenn ich durch ein Fernglas schaue, kann es sein, dass ich lange suchen muss, bis ich meinen Blick.Punkt gefunden habe. Habe ich es geschafft, dann kann ich mich einen Augen.Blick an dem Erblickten erfreuen. Im 25. Psalm hören wir: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn er wird meinen Fuß aus dem Netz ziehen.“ Im Leben gibt es immer wieder Situationen, in die ich mich verstricke. Moment.Aufnahmen, in denen ich mich verliere. Augen.Blicke, wo ich falle oder festsitze. Gefangen im Netz der eigenen Verstrickungen. In diesen Moment ist ein guter Blick.Punkt mit klarer Aussicht wichtig. Mit dem Fernglas meiner Seele suche ich in meinem Herzen Gottes Augen, denn ich weiß, dass seine Augen stets auf mir ruhen. Gott schaut mich an. Er schenkt mir ein Ansehen, auch wenn ich mich in den Verstrickungen des Lebens verheddert habe. Ich werde von ihm gesehen und er wird mich aus meinen Netzen der Dunkelheit mit seiner leuchtenden, warmen Liebe befreien. Durch den An.Blick Gottes ist über den Augen.Blick der Ewigkeit hinaus das Netz der unbarmherzigen Verstrickungen zerrissen, und ich bin frei – in seiner Liebe frei.

Br. Benedikt Müller OSB

Tageslesung: Lk 11,14-28

Mir ist der Begriff „Dämon“ fremd. Auch mit der Bezeichnung „unreiner Geist“ kann ich wenig anfangen. Aus medizinischer Sicht gibt es Erkrankungen, die entweder physischer Natur oder psychischer Natur sind. Hier passen für mich keine theologischen Begriffe. Der Dämon oder auch der unreine Geist sind für mich Stellvertreter für das damals Unbekannte an Erkrankungen. Womit ich jedoch etwas anfangen kann, ist, dass Jesus heilt. Was er heilt und wie er heilt, ist dabei eigentlich nebensächlich. Der Mensch, der vorher krank war, ist jetzt geheilt. Jesus vermag durch seine Anwesenheit, durch seine Botschaft in dem Menschen etwas gerade zu rücken. Oder er vermag durch seinen liebenden Blick den Sprachlosen wieder zum Sprechen zu bringen.

In der Medizin gilt der Grundsatz: Wer heilt, hat recht. Jesus wird durch seine Heilungswunder von Gott ins Recht gesetzt. Genau das versuchen die Leute zu bezweifeln, wenn sie behaupten, dass Jesus mit Beelzebub die Dämonen austreibt. Hier passiert exemplarisch an Jesus, was wir immer wieder beobachten können. Es geschieht etwas Unerwartetes oder auch Unerklärliches. Und das wird dann dämonisiert. Für mich stellt sich dann die Frage: Kann ich das Unerwartete und Unerklärliche aushalten? Kann ich es aushalten, dass ich für manches einfach keine Erklärung habe? Mich mahnt diese Bibelstelle zur Zurückhaltung in der Beurteilung von Situationen und auch dazu, dafür keine Sündenböcke zu suchen. Die Pandemie, die wir erleben, ist eben keine Weltverschwörung, sondern ein neues Phänomen, das wir bisher nicht kannten.

Mir bleibt, mich dem liebenden Blick Jesu auszusetzen und zu versuchen, dass ich diesen liebenden Blick und seine Botschaft der Liebe an mir zulasse und an andere weitergebe. Dann wird das Reich nicht gespalten sein, sondern sein Reich ist im Kommen.

Br. Benjamin Altemeier OSB

5Und er sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.

9Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 10Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.

11Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? 12Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? 13Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! (Lk 11,5-13)

„Bittet!“

Ich darf Gott bitten! Das hört sich zunächst ganz selbstverständlich an. Aber ist es das wirklich? Das große, unfassbare Geheimnis, das wir Gott nennen – und ich kleiner Mensch darf ihn bitten… Ist das nicht ziemlich verwegen?

Schauen wir uns einmal das Bitten näher an! Denn – so einfach ist das gar nicht! Ich darf jemanden (einen Menschen) um etwas bitten! Etwas, was mir in meinem tiefsten Innersten helfen würde – in meinem Leben. Also nicht eine kleine Alltäglichkeit (aber damit fängt es schon an!), sondern etwas Fundamentales. Seien wir ehrlich. Das fällt unsagbar schwer. Denn zuerst einmal stellt sich mir selbst die Frage: Was brauche ich denn? Was ist denn mein innerstes Bedürfnis? Was fehlt mir denn zutiefst in meinem Leben? Und dann muss ich meine Bedürftigkeit noch vor einem anderen Menschen offenbaren, mich offenbaren, öffnen. Ja, ich muss so noch umso mehr zu meiner Bedürftigkeit stehen. Muss zugeben, dass ich in gewisser Weise vom anderen abhängig bin. Ich bin nicht der Fels, der unberührt dasteht und nichts und niemanden braucht. Ganz im Gegenteil!

Das ist genau der Prozess, den Jesus in mir anregen will, wenn er uns zuruft: „Bitte!“ Und dies nicht nur im Hinblick auf einen Menschen an meiner Seite, sondern auf den tragenden Grund unseres Lebens – Gott selbst.

Ich darf vor diesem Gott zu meiner Bedürftigkeit stehen. Ich muss nicht perfekt und fertig sein. Nein – ich bin auf dem Weg und er ist an meiner Seite. Als Hilfe, als Stütze, als…

„Bittet!“ – Haben wir den Mut in dieser Zeit vor Ostern uns auf den Weg zu machen und hinzuschauen. Was fehlt da in mir, dessen ich wirklich bedarf? Was müsste mir von Gott zuwachsen, damit neues Leben wachsen kann? Damit es Ostern wird – auch in mir!

P. Jonas Wiemann OSB

1 Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat! 2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. 3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen! 4 Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung! (Lk 11,1-4)

Es gehört zu den immer wiederkehrenden Begebenheiten im Evangelium, dass sich Jesus zum Gebet an einen einsamen Ort zurückzieht. In der Stille schöpft er Kraft für seinen Dienst an den Menschen. Seine Jünger merken, wie wichtig ihm diese Zeit ist, und sie spüren wohl auch die Kraft, die von Jesus nach seinen stillen Zeiten ausgeht. Und so bitten sie Jesus darum, sie beten zu lehren.

Hier zeigt sich für mich deutlich, wie der Glaube weitergegeben wird. Nicht durch große Reden, sondern durch das Beispiel von Menschen. Ich bete, weil ich es bei anderen so gesehen habe und weil andere mich das Beten gelehrt haben.

Jesus lehrt seine Jünger ein Gebet, das in den Gebetsschatz der Kirche eingegangen ist und das seinen festen Ort in jeder Eucharistiefeier gefunden hat – das „Vaterunser“. Wir kennen es so gut, dass wir es oft wahrscheinlich einfach so runterbeten, ohne groß auf den Sinn der Worte zu achten. Das Vaterunser ist ein festes Ritual geworden.

Vielleicht wäre es eine gute Übung, sich heute einmal dieses Vaterunser zu nehmen und neu durchzubuchstabieren. Bei dem zu bleiben, was mich unmittelbar anspricht. Vielleicht zu jeder der Bitten eigene Gedanken zu formulieren – und so dieses alte Gebet durch mein Leben fortzuschreiben.

P. Maurus Runge OSB

38 Als sie weiterzogen, kam er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. 39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. 40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! 41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. 42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden. (Lk 10,38-42)

Die bekannte Erzählung der Schwestern Marta und Maria, die Jesus in ihr Haus einladen, scheint ein Schlag ins Gesicht zu sein für alle, die sich redlich bemühen, ihren Mitmenschen gastfreundlich zu begegnen, ihnen die kleinen Sorgen des Alltags abzunehmen. Marta, die „ganz davon in Anspruch genommen war zu dienen“, scheint von Jesus regelrecht abgekanzelt zu werden, wenn er ihr sagt, dass „nur eines notwendig“ sei und dass Maria den „guten Teil“ gewählt habe – ausgerechnet Maria, die keinen Finger rührt und ihrer Schwester die ganze Hausarbeit allein überlässt.

Marta ist so von ihrer Arbeit in Anspruch genommen, dass sie die Gaben und Talente ihrer Schwester nicht anerkennen kann. Sie vergleicht sich mit ihrer Schwester und kann nicht mehr das Positive sehen, das sie selbst für Jesus tut. „Im ständigen Sich-Vergleichen liegt der Anfang der Sünde“ – so haben es die Wüstenväter ausgedrückt. Immer da, wo ich mich mit anderen vergleiche, sehe ich nur das, was ich nicht habe bzw. fühle mich von anderen weniger gesehen, weniger wertgeschätzt.

Beide Schwestern sind für Jesus wichtig. Sicher wird Jesus nach einem anstrengenden Tag Hunger gehabt haben und sich über das köstliche Mahl, das Marta zubereitet hat, gefreut haben. Aber ebenso war das offene Ohr von Maria wichtig für ihn. Jede der beiden Schwestern dient Jesus mit ihrer Gabe.

Jeder von uns ist an manchen Tagen Marta und an anderen Tagen Maria. Und daran ist nichts Schlimmes. Schlimm ist es, wenn sich Marta und Maria gegenseitig beargwöhnen. Wenn beide zusammenstehen, dann kann daraus Wunderbares entstehen.

P. Maurus Runge OSB

Impuls zu Lk 10,25-37: Sei was du bist – Gib was du hast

Bin ich Jesus? – auf diese etwas flapsige Art und Weise hat meine Schwester immer wieder geantwortet, wenn ihr eine Bitte zur Mithilfe zu übermäßig vorkam.
Bin ich Jesus?
Nein, bin ich auch nicht! Aber ich bin ich und das genügt.
Rose Ausländer hat passend dazu einmal gesagt:

Sei was du bist – gib was du hast 

Und diese Antwort hätte Jesus sicher auch dem jungen Mann geben können, der ihn gefragt hat: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“
Wir selbst würden sicher auf eine solche Frage eine ganze Latte von Erwartungen und verschiedenen Aufgaben erwarten. Jesus aber antwortet kurz und knapp: Liebe Gott und deinen Nächsten, wie dich selbst! Und durch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) macht er uns allen deutlich: Tu immer das Naheliegende, so wie es im Gleichnis vom barmherzigen Samariter buchstäblich das Naheliegende ist, dem Ausgeraubten, am Boden liegenden Mann zu helfen. Denn das, was es zu tun gilt, ist oft das nahe liegende, besteht oft in alltäglichen, ganz selbstverständlichen Dingen und Aufgaben. So auch, wenn ein Mensch spontan mein Herz berührt, mich die Sorge um einen anderen Menschen umtreibt oder wenn mir jemand einfällt, bei dem ich mich schon lange nicht mehr gemeldet habe. In der Regel muss ich dann dazu mein momentanes Tun unterbrechen, ganz so wie im Gleichnis der Samariter seine Reise. Leben gewinne ich da, wo ich aufmerksam bin für das, was jetzt als das Naheliegende zu tun ist.
Oder anders gesagt:

Sei was du bist – gib was du hast!

P. Cornelius Wanner OSB