Wir warten aufs Christkind.
Das war der Name einer Fernsehsendung, die in meiner Kindheit an Heiligabend ausgestrahlt wurde.
Mir und unzähligen anderen Kindern (großen und kleinen) hat sie das Warten auf die Bescherung am Abend erträglicher gemacht.

Wir warten aufs Christkind.
Diese Zeilen fassen in kurzer Prägnanz den Advent zusammen.
Wir warten auf die Geburt des Christuskindes.
Wir warten auf die Geburt dessen, der die Welt aus der Finsternis ins Licht führen will.

Wir warten aufs Christkind.
Worauf warte ich – heute?
Kann ich den wahrnehmen, der bei mir ankommen will?

Ich wünsche Ihnen allen eine erträgliche Warte-Zeit und einen gesegneten Heiligabend!

O Emmanuel,
Gott mit uns,
unser König und Lehrer,
du Hoffnung und Heiland der Völker:
Komm, eile und schaffe uns Hilfe, du unser Herr und unser Gott!

Die heutige O-Antiphon fasst noch einmal all das zusammen, um das wir in den letzten Tagen vor Weihnachten gebetet haben. All unsere Erwartung und Sehnsucht ist gebündelt in dem, den wir heute als „Gott mit uns“ anrufen.
Dieser Gott ist ein Gott, der wirklich mit uns ist,
der mitten im Dunkel unserer Zeit wohnen will,
der unsere Finsternisse und Dunkelheiten hell machen will.
Er ist ein Gott,
der gerade in den Brüchen unseres Lebens,
am Nullpunkt unserer Existenz
ankommen will.
Dieser Gott mit uns kommt nicht im spektakulären Lichtglanz,
sondern im eher halbdunklen Licht der Krippe.
Das ist unsere Hoffnung.

 

O König aller Völker,
ihre Erwartung und Sehnsucht;
Schlussstein, der die Gegensätze eint:
Komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet hast!

In der Krypta unserer Abteikirche steht eine Säule, die den Altar in der Hauptkirche trägt. Auf dieser Säule findet sich der Text der heutigen O-Antiphon. Er erinnert an einen König, der sehnlichst von Menschen aller Völker erwartet wird. Es ist kein „König dieser Welt“, der seine Macht auf Terror und Gewalt, auf menschliche Durchsetzungskraft baut – nein, es ist ein König, der sein Königtum am Kreuz, in der äußersten Ohnmacht ausgeübt hat. Das Patrozinium der Abtei Königsmünster – Christkönig – erinnert an einen solchen König. Er ist der „Schlussstein, der die Gegensätze eint“, wie es in der Säule der Krypta deutlich wird. Im Innern der Säule finden sich kleine Zettelchen mit den Namen all derer, die uns beim Bau der Abteikirche unterstützt haben. Es waren ganz unterschiedliche Menschen, die alle eines eint: einen Ort des Lobes Gottes zu schaffen, einen Ort, an dem der König Christus verehrt wird, dessen Königtum gerade am Kreuz offenbar geworden ist.

 

O Morgenstern,
Glanz des unversehrten Lichtes,
der Gerechtigkeit strahlende Sonne:
Komm und erleuchte, die da sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes.

Der Morgenstern ist ein starkes Hoffnungssymbol. Er ist ein Zeichen dafür, dass die Nacht schon im Schwinden begriffen ist und der Tag bald anfängt. Er steht am Übergang von der Nacht in den Tag, vom Dunkel ins Licht.
Die Tradition hat den Morgenstern auf Jesus Christus gedeutet:
Er wurde in einer Nacht geboren, und ein Stern wies den Hirten den Weg.
Und er wurde im Übergang von der Nacht zum Tag auferweckt, von Gott zu neuem Leben geboren.
Gott will auch heute kommen, um die Finsternis, um meine Finsternis zu erleuchten.
„Er will im Dunkel wohnen und hat es schon erhellt“, heißt es in einem Adventslied.
Das wird zum Stern der Hoffnung für uns, für die Welt.

 

O Schlüssel Davids,
Zepter des Hauses Israel –
du öffnest, und niemand kann schließen,
du schließt, und keine Macht vermag zu öffnen:
komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes!

Wer die Schlüsselgewalt hat, hat die Macht, Türen zu öffnen und zu schließen.
Schlüssel sind zu einem Statussymbol geworden.
Je dicker der Schlüsselbund, je lauter es klimpert, desto wichtiger scheint die Person zu sein.
Obwohl es in der Wirklichkeit oft anders ist:
Der, der die wirkliche Macht hat,
alle Türen zu schließen und zu öffnen,
hat nur einen Schlüssel – den Generalschlüssel.
Auch symbolisch kann ich Türen öffnen – und auch verschließen.
Menschen einladen – oder abweisen.
Wie nutze ich meine Schlüsselgewalt?
Und: steht die Tür meines Herzens offen, damit der Herr dort einziehen kann?

O Spross aus der Wurzel Jesse,
gesetzt zum Zeichen für die Völker –
vor dir verstummen die Herrscher der Erde,
dich flehen an die Völker:
komm und errette uns, erhebe dich, säume nicht länger.

In der O-Antiphon des heutigen Tages besingen wir den „Spross aus der Wurzel Jesse“. Mit Jesse ist Isai gemeint, der Vater von König David. Und David gilt als der messianische Vorläufer von Jesus Christus selbst. Wir blicken also weit zurück in die Geschichte Israels.
Wir besingen in der heutigen O.Antiphon aber auch unsere eigenen Wurzeln. Wir blicken zurück in unsere Geschichte und fragen uns: Woher komme ich? Wo liegen meine Wurzeln? Wo bin ich verwurzelt?
Nur ein Baum, der tiefe Wurzeln hat, kann sich zum Himmel erheben. Die Wurzeln tragen den Baum, sind sein Fundament. „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“, schreibt Paulus in seinem Römerbrief. Wir sind geprägt durch das, was vor uns war. Wir sind verwurzelt in unserer Geschichte und können uns deshalb zum Himmel ausstrecken.

 

O Adonai,
Herr und Führer des Hauses Israel –
im flammenden Dornbusch bist du Mose erschienen
und hast ihm auf dem Berg das Gesetz gegeben:
komm und befreie uns mit deinem starken Arm.

Die O-Antiphon am 18. Dezember führt uns in die Anfangszeit der Geschichte Israels zurück. Gott ist dem Mose im flammenden Dornbusch erschienen als der „Ich bin, der ich bin“. Dieser Gottesname wird von den Israeliten bis heute aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen, sondern mit Adonai – Herr umschrieben. Ja, Gott ist der Gott, der uns in Jesus nahegekommen ist, aber er ist auch der Gott, der größer ist als alle Bilder und Vorstellungen, die wir uns von ihm machen. Er lässt sich nicht eingrenzen auf unsere oft zu kleinen Perspektiven. Um es mit einem Wort des heiligen Anselm von Canterbury zu sagen: Er ist ein Gott, „über den Größeres nicht gedacht werden kann“.

Die letzten Tage vor Weihnachten vom 17. bis zum 23. Dezember sind geprägt von den O-Antiphonen, die wir in der jeweiligen Vesper am Abend singen. Es handelt sich dabei um Sehnsuchtsrufe aus der Tradition Israels, die die Erwartung des kommenden Messias ausdrücken, desjenigen, der unsere Welt zu einem guten Ende führen wird. Für uns sind diese Rufe im Kommen Jesu Christi erfüllt. Die O-Antiphon vom 17. Dezember beginnt mit der Anrufung der Weisheit, die in den Weisheitsbüchern oft personifizierend als Frau Weisheit vorgestellt wird. Weisheit – Sophia – meint so etwas wie die weibliche Seite Gottes. Weisheit ist kein erlernbares Schulbuchwissen, sondern meint in der Tradition Israels eher praktische Lebensklugheit. Einer, der im wahrsten Sinn des Wortes im Leben etwas er-fahren hat, ist weise.

O Weisheit,
hervorgegangen aus dem Mund des Höchsten –
die Welt umspannst du von einem Ende zum andern,
in Kraft und Milde ordnest du alles:
Komm und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht.

Advent

Ankommen – bei mir selbst, bei anderen, bei Gott
Durchhalten – auch wenn es schwer wird und die Tage dunkel werden
Vorbereiten – nicht nur äußerlich, auch in meinem Inneren
Entschleunigen – den Trend des „Immer schneller“ nicht mitmachen
Nichts erzwingen – nicht in den Stress verfallen, allen gerecht werden zu wollen
Time Out – Auszeiten im Alltag bewusst gestalten

Advent – damit Gott bei mir ankommen kann

von Br. Andreas Hentschel OSB (1930-2023)

Weil du da bist,
Engel,
gibt es keine Finsternis.

Weil du da bist,
Engel,
sprüht farbig Zukunft.

Weil du da bist,
Engel,
stürzen die Dämonen.

Weil du da bist,
Engel,
leuchtet ein Stück Himmel.

Weil du da bist,
Engel,
bin ich angeschaut.

Weil du da bist,
Engel,
umgibt mich Vertrauen.

Es wird hell.