Die Advents- und Weihnachtszeiten meiner Kindertage haben mich sehr geprägt und sicherlich fürs Leben stark gemacht. Als Kind war das schönste an HEILIGABEND der geschmückte Tannenbaum. Mit leuchtenden Augen stand ich kleiner Bub davor und wir sangen Weihnachtslieder. Festlich sah alles aus. Mein treuherziger Papa hat den Baum immer geschmückt – jedes Jahr bis zu seinem Tode. Ebenso festlich erschien mir an diesem Abend die Krippe mit ihren Holzfiguren des bayrischen Herrgottsschnitzers. Gott sei Dank durfte ich in einem Elternhaus aufwachsen, in dem Bildung ein wesentliches Gut der Erziehung meiner Eltern war. Sie haben meine Geschwister und mich spielend gebildet, sodass wir unsere Talente entdecken und unsere Stärken entwickeln konnten. Und so war es nur logisch, dass das Christkind auch jedes Jahr wunderbare Bücher brachte. Oh, was habe ich sie geliebt, die Bücher der Kindheit: Von den ersten Bilderbüchern über „Pippi Langstrumpf“ und „Michel aus Lönneberga“ oder „Grimms Märchen“ und „Urmel aus dem Eis“ bis zu Büchern von Janosch und den „Drei???“. Viele von ihnen habe ich bei meinem Eintritt mit ins Kloster genommen. Aus den Büchern meiner Kindertage konnte ich, neben dem freien Spielen, all mein Wissen ziehen. Meine Phantasiewelt wurde ausgebildet. Meine Gefühle konnte ich auf Geschichten projizieren und habe oft gefühlvoll mit meinen Kinderbuchhelden mitgelitten. Ich erinnere mich, dass ich meine religiöse Bildung durch meine erste Kinderbibel von Anne de Vries erlernt habe. Was habe ich viel in dieser Bibel gelesen und mich in die Geschichten hineinversetzt, so dass sie in mir lebendig wurden. Diese Kinderbibel ist sicher ein Grundstein meines Glaubens. Ich habe mich in meiner Phantasie mit den Geschichten meiner Kinderbuchhelden auseinandergesetzt, denn ihre Geschichten erzählen Geschichten des Lebens. Mut-Mach-Geschichten, wie man stark für das Leben wird. Eine Hilfestellung, wie man den Weg ins Leben findet. Weisheit ist nicht die Ansammlung von möglichst viel Wissen, man kann sie sich nicht erarbeiten. Weisheit erlangt man, indem man sich mit Phantasie dem Leben aussetzt und sich auf das Leben einlässt. Bücher können zum Schlüssel zur Welt und zur kre-aktiv ausgebildeten Weisheit werden. In der Advents- und Weihnachtszeit wieder einmal die Bücher der Kindertage zu lesen ist nicht die schlechteste Idee, denn so kann das Vertrauen ins Leben seine Weisheit ins Leben entfalten.
Br. Benedikt Müller OSB