Am 1. September 1964 wurde die Abteikirche Königsmünster durch den damaligen Erzbischof von Paderborn, Lorenz Kardinal Jaeger, geweiht. Auf den Tag genau 25 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist sie als Friedenskirche konzipiert worden, in der bis auf den heutigen Tag täglich um den Frieden in der Welt gebetet wird. Die Planungen und der Bau der Abteikirche fielen in eine auch kirchlich bewegende Zeit. Im Zweiten Vatikanischen Konzil wollte sich die Kirche ein „aggiornamento“ geben, ihre Botschaft anschlussfähig für die Menschen der damaligen Zeit machen. Viel von der Theologie und Spiritualität dieses Konzils ist in den Bau der Kirche eingeflossen – ein durchaus gewagtes und mutiges Programm für die damalige Gemeinschaft. In diesen Tagen jährt sich die Weihe unserer Friedenskirche zum 60. Mal. Anlässlich dieses Jubiläums wird sich der neue „Gruß aus Königsmünster“ schwerpunktmäßig der Kirche widmen. Der folgende Artikel möchte Sie etwas mitnehmen in die Planungen der Abteikirche. Zur Mitfeier des Kirchweihjubiläums, besonders zur Feierlichen Vigil am Samstag, den 31. August 2024, um 20 Uhr laden wir herzlich ein:
Von den Planungen der Abteikirche am Vorabend des Konzils
von P. Maurus Runge OSB
In seiner Predigt zur Weihe des ersten Abtes der jungen Abtei Königsmünster, Harduin Bießle, gab der damalige Erzbischof von Paderborn, Lorenz Kardinal Jäger, der Gemeinschaft einen Auftrag mit auf den Weg: die Errichtung einer Abteikirche. Bisher betete der Konvent das Lob Gottes in der sog. „Notkirche“, heute die Aula des Gymnasiums. Durch die Zeit der Aufhebung des Priorates Königsmünster im Nationalsozialismus und den mühsamen Wiederaufbau nach dem Krieg war es noch nicht möglich, das große Projekt einer Abteikirche in Angriff zu nehmen. Nach der Abteierhebung und der Errichtung des Schulneubaus konnte mit dieser Mammutaufgabe begonnen werden. Die Jahresberichte dieser Zeit geben einen ganz guten und interessanten Überblick über Planung und Bau der Abteikirche, und sie zeigen, mit welchem Elan die junge Gemeinschaft daran ging, ihre Vision einer Abteikirche zu realisieren.
Abt Harduin beschreibt in seinem Grußwort zum Jahresbericht 1958 das „Programm“ der zu bauenden Kirche: Die Abteikirche, die wir mit Ihrer Hilfe erbauen wollen, soll Christus dem König geweiht werden, und zwar dem „Rex pacificus“, dem Friedenskönig. Wer sonst kann unsere Welt vor der vernichtenden Katastrophe eines neuen Weltkrieges bewahren, wer kann den strafenden Arm Gottes zurückhalten, dass er seiner Gerechtigkeit nicht freien Lauf lasse? Wer anders als der Christ-König, bei dessen Geburt die Engel sangen „Friede den Menschen auf Erden“…? Diesen wahren Frieden den Menschen, die Christus noch nicht kennen, zu bringen, dazu sollen in der neuen Abteikirche, wie wir zuversichtlich hoffen, viele Missionare Auftrag und Sendung erhalten. Das Münster des Königs selbst aber wird eine Stätte des Gebetes sein, in der die Söhne St. Benedikts nach den Worten des Psalmisten siebenmal am Tage das Lob Gottes singen und auch bei Nacht sich erheben, um den Herrn zu preisen. Und die Chronik desselben Jahres berichtet davon, mit welchen „Fundraising“-Maßnahmen die nötigen Mittel zum Bau der Kirche beschafft werden sollten: Darum werden auch demnächst in den Gemeinden der näheren und weiteren Umgebung Predigten gehalten zugunsten unserer Abteikirche. Unser Hochwürdigster Vater Abt Harduin hat selber schon einen guten Anfang gemacht in den Pfarreien von Iserlohn, Balve und Langenholthausen. Gute Spenden brachte Pater Prior Paulus mit von Detfurth, seiner Heimatgemeinde Barienrode-Ochtersum und von Menden; schönen Erfolg hatte auch Pater Leander mit seiner Predigt in Kirchrarbach. Weiter erzählt der Chronist davon, dass einmal im Monat in der Notkirche ein sog. „Silberner Sonntag“ abgehalten wurde, um Spenden für die künftige Abteikirche zu sammeln. „Reisebrüder“ wie Br. Kilian Borhauer und Br. Rumold Marxbauer fuhren unermüdlich mit dem Fahrrad durch die ganze Region bis hin ins Münsterland, um von Tür zu Tür „Klinken zu putzen“ und Spenden zu generieren. Damals sprach man vielleicht noch nicht vom „Fundraising“, die Sache, die einzelnen Maßnahmen und nicht zuletzt die große Begeisterung für ein Herzensprojekt existierten aber durchaus schon.
Am 25. Oktober 1959, dem Christkönigsfest als Patronatsfest unseres Klosters, fand die Gründungsversammlung des Kirchbauvereins statt, der die Planungen organisieren und vor allem Spenden generieren sollte. Eine Satzung dieses „Kirchbauvereins der Benediktiner-Abtei Königsmünster zu Meschede/Westfalen“ findet sich im Jahresbericht von 1959. Der Mitgliedsbeitrag betrug „mindestens 1,- DM monatlich“. Darüberhinaus konnten die Mitglieder Beiträge leisten, „deren Höhe durch Selbsteinschätzung des Mitglieds ermittelt wird“. Neben dem fionanziellen Aspekt war der Kirchbauverein aber auch eine ideelle Gemeinschaft, die durch mehr als die geleisteten Beiträge miteinander verbunden ist. Das bringt sehr schön §7 der Satzung zum Ausdruck: Jeden Sonntag wird um 8 Uhr für die lebenden und verstorbenen Mitglieder und Spender in deren persönlicher Meinung in der Notkirche eine heilige Messe gefeiert. Es ist ein schönes Zeichen, dass in der Säule der Krypta unserer Abteikirche, die den Altar oben trägt, die Namen aller Spenderinnen und Spender eingelassen sind, die zum Bau der Kirche etwas beigetragen habe. Sie alle sind das Fundament, auf dem wir bis heute unseren Dienst vollziehen.
Anfang Dezember 1959 sind dann „acht Architekten nach eigener Wahl“ aufgefordert worden, der Gemeinschaft bis zum 9. April 1960 „einen gutachtlichen Vorentwurf mit einem Modell der Kirche einzureichen“. Sieben Architekten haben solch einen Entwurf fristgerecht geliefert, und jeder hatte auf seine Weise eine Lösung versucht. Am 19. April 1960 prüften noch einmal externe Gutachter die Entwürfe und gaben ihr Urteil ab. Auf Basis dieser Urteile entschied sich dann der Konvent dafür, mit dem Architekten Hans Schilling aus Köln weiter zusammenarbeiten. Der Jahresbericht von 1960 beschreibt sehr schön das weitere Vorgehen, und zwischen den Zeilen wird deutlich, dass es sich bei den Planungen um einen Prozess handelte, der durchaus nicht reibungsfrei verlief: In den kommenden Wochen und Monaten wird nun das Projekt nach allen Seiten hin noch einmal gründlich überlegt und geprüft werden: eine äußerst schwierige und wichtige Aufgabe für Bauherr und Architekt. Schwierig vor allem deshalb, weil es sich nicht um den Bau einer gewöhnlichen Pfarrkirche handelt, sondern um die Errichtung einer Abteikirche. Dafür aber gibt es in unserem Raum kaum gültige Vorbilder und völlig befriedigende Lösungen aus der neuesten Zeit. … Was den Baustil der Kirche betrifft, so kommt dafür natürlich keine moderne Abwandlung eines historischen Stiles in Frage, sondern eine gegenwartsnahe Lösung, die jedoch weitgehend auf den Charakter benediktinischen Lebens und der sauerländischen Landschaft Rücksicht zu nehmen hat. Ein Kuratorium aus namhaften Personen des öffentlichen Lebens wurde 1959 gebildet, das sich mit all diesne Fragen beschäftigen sollte. Schirmherren waren der damalige Erzbischof von Paderborn, Dr. Lorenz Jaeger, und der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Hermann Josef Dufhues. In vielen Sitzungen und Einzelbesprechungen wurde mit dem Architekten und dem Konvent im wahrsten Sinn des Wortes um den Bau gerungen. Die Planungen standen auch ganz im Zeichen des gerade einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzils, sodass unsere Abteikirche wirklich „aus Steinen erbaute Liturgie“ ist, wie es unser P. Nikolaus in seiner Diplomarbeit zum Kirchbau schreibt. Ich möchte mit Gedanken unseres damaligen Paters Suitbert Kemming schließen, die auch 60 Jahre nach der Weihe unserer Friedenskirche am 1. September 1964 nichts an Aktualität verloren haben:
So wird unser Gotteshaus im Geiste der „Pax Christi“ Völkerfriedenskirche sein, das Herz einer ‚Stätte der Begegnung‘, die Verstehen und Wertschätzung des Anderen ausstrahlen kann und neue Missionare gewinnt und aussendet, die ein brennendes Herz für die Una-Sancta-Arbeit (Ökumene, Anm. d. Red.) behalten. … Weil wir „katholisch“, d.h. weltallgemein, sind und Söhne des hl. Benedikt, Erben seines Geistes, sind wir verpflichtet, aus der Enge eigener Sorgen herauszutreten und mitzuarbeiten, dass wir Christen wenigstens im Mühen um die Wiedervereinigung im Glauben glaubwürdig sind. Wir finden uns damit in den Gedanken, die den Heiligen Vater vor allem anderen bewegen und bauen so unsere Abteikirche im Zeichen des kommenden Konzils, für den Frieden der Welt.