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Es war aber Nacht…

Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, ging er sofort hinaus.  Es war aber Nacht. (Joh 13,30)

Er konnte sie nicht vergessen, diese erste Nacht im Lager Auschwitz, die sein Leben zu einer einzigen langen Nacht gemacht hat. So beschreibt es der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel († 2016) auf erschütternde Weise in seinem autobiografischen Werk „Die Nacht“. Und er stellt darin die Frage, wie es sein konnte, dass intelligente, gut ausgebildete junge Männer aus gutem Hause sich so sehr vom Bösen verführen lassen konnten, dass der Tod jüdischer Männer, Frauen und Kinder sie einfach kalt gelassen hat.

Und diese Frage stellt sich für mich auch im Blick auf Judas, der seinen Freund Jesus verrät und dem Tod ausliefert. Als Judas den Kreis der Jünger verließ, war es Nacht. Und dies ist nicht nur als Zeitangabe zu verstehen, sondern steht für den Schrecken, das Böse, die Dunkelheit, die sich auch im Kreis der Jünger breitgemacht hat. Denn letztlich verraten auch die anderen Jünger Jesus und lassen ihn am Ende wenig von ihrer Freundschaft zu ihm spüren.

Leider liegen Begeisterung und Enttäuschung, Treue und Verrat oft so nahe beieinander. Immer wieder erleben wir das sehr schmerzlich auch in unserem eigenen Leben, in unseren Beziehungen und unseren Freundschaften. Auch da wird es immer wieder Nacht.

In diesem heutigen Evangelium ist aber nicht nur von der Nacht die Rede, sondern wir hören da auch vom „Bissen Brot“, den Jesus reicht.

Nach damaligem Brauch nahm der Hausherr beim Essen mit einem Gast ein Stück Brot, tauchte es in verschiedene Soßen und reichte es dem Gast, der dann als Erster zu essen begann. Diese Geste war nicht nur ein Willkommensgruß, sondern auch ein Zeichen von Gemeinschaft. Und wenn Jesus Judas einen Bissen Brot reicht, dann ist das ein Zeichen seiner Liebe zu demjenigen, der ihm innerlich schon die Gemeinschaft aufgekündigt hat.

Dieser Bissen Brot hat die Kraft und besiegt unsere Nacht, wenn wir es zulassen. Ganz so, wie es in einem Lied heißt:

Dieses kleine Stück Brot in unsren Händen reicht aus für alle Menschen.
Dieser kleine Schluck Wein in unsren Bechern gibt Kraft für alle Menschen.
Jede Hoffnung, die lebt in unsren Herzen, ist Hoffnung für alle Menschen.
Du verwandelst das Brot in Jesu Leib.
Du verwandelst den Wein in Jesu Blut.
Du verwandelst den Tod in Auferstehn.
Verwandle du auch uns!

Ja, lassen wir uns in dieser Karwoche hineinnehmen in die Nacht Jesu und verwandeln, sodass wir mit ihm in der OsterNACHT auferstehn!

Ich wünsche uns eine tiefbewegende Woche!

Text und Bild: P. Cornelius Wanner OSB