Predigt am 19. Sonntag im Jahreskreis (10.08.2025)
von P. Guido Hügen OSB
Liebe Schwestern und Brüder,
haben sie soeben beim Tagesgebet zugehört
und mitgebetet?
„Allmächtiger Gott,
wir dürfen dich Vater nennen …“
hieß es da.
Wir dürfen Gott „Vater“ nennen. Theoretisch.
Zumindest hier haben wir es nicht getan.
„Allmächtiger Gott …“
Bei solchen Formulierungen in Gebeten und anderen Texten
stellt sich für mich immer wieder die Frage:
Wer ist Gott denn für mich?
Der allmächtige Gott – der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Herr über Geschichte und Ewigkeit?
Der liebende Vater – der uns beim Namen kennt, uns trägt, tröstet und mit offenen Armen aufnimmt?
Was ist das für ein Gott,
der Abraham und Sara aufbrechen lässt
– ohne nur eine Ahnung zu haben, wohin die Reise geht.
Der sie ausdrücklich in Zelten leben lässt
– obwohl ihnen die große Stadt, ein ganzes Land verheißen ist.
Was ist das für ein Gott,
der mir selber oft so fern ist in all dem,
was mich und unsere Zeit bedrückt.
Dabei sind die Lesungstexte dieses Sonntags
doch eigentlich mutmachende,
aufrüttelnde Texte.
Glaubt und vertraut!
Haltet euch bereit!
In der Langfassung des Evangeliums heißt es noch
ein paar Zeilen vorher:
Fürchte dich nicht, du kleine Herde!
Das macht Mut und fordert mich heraus.
Denn diese Worte sprechen vom Vertrauen,
das trägt, auch wenn ich den Weg noch nicht kenne.
Sie sprechen vom Hoffen, obwohl gerade alles nicht einfach ist.
Vom Dranbleiben, auch wenn ich
vielleicht lieber aufhören möchte.
Der Hebräerbrief geht noch einen Schritt weiter,
wenn der Glaube bezeichnet wird als
„Grundlage dessen, was man erhofft“.
Was erhoffe ich denn (noch)?
Was erwarte ich?
Für mich und mein Leben, unsere Gesellschaft und Kirche?
Wo bin ich wachsam und bereit,
aufmerksam, mit offenen Ohren und offenem Herz?
Ob bei den Pfadfindern oder in der Hochschulgemeinde:
ich erlebe immer wieder gerade junge Menschen,
die nach Sinn und Richtung in ihrem Leben fragen,
nach Orientierung.
Die nach Gemeinschaft, ja Heimat suchen –
die sie scheinbar in unserer Kirche,
unseren Gemeinden und Gemeinschaften
so oft nicht mehr finden …
Ob dann Ideenbörsen, Fachtagungen,
ja Transformationsprozesse helfen,
mag dahin gestellt sein.
Muss nicht – wie in den heutigen Lesungen – im Mittelpunkt
immer wieder die Frage nach dem Glauben stehen:
Gibt der Glaube mir – und durch mich auch anderen – neuen Halt,
neue Zuversicht, neues Zutrauen?
Neue Geborgenheit – Heimat?
Lebe ich diesen Glauben?
Ja, kann ich Gott zutrauen,
dass ER es gut mit mir meint?
Vielleicht auch und gerade,
wenn ich den Weg noch nicht sehe?
„Haltet euch bereit!“
Zum Aufbruch.
Zum Losgehen.
Zur Achtsamkeit.
„Haltet euch bereit!“
Diese Worte Jesu sind keine Drohbotschaft,
sondern eine Einladung zum
Leben in Aufmerksamkeit und Bereitschaft.
In Offenheit.
Mit Mut.
Denn:
„Haltet auch ihr euch bereit!
Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde,
in der ihr es nicht erwartet.“
Und Gott wird kommen – da bin ich mir sicher –
als der liebende und gütige Gott,
als Vater und Mutter,
als Freiheit und Segen schenkend.
Denn
„Wir sind an Kindes statt angenommen“,
hieß es im Tagesgebet.
Vertraue ich darauf – auch im Alltag?
Dann hätte – mit Worten nach Annette Jantzen –
das Gebet vielleicht auch so lauten können:
Gott, wer du auch bist und wie du auch heißt,
hier sind wir.
Mit Schuldgefühlen, mit Ängsten,
mit Dankbarkeit und mit Hoffnung.
Für diese gesegnete Stunde sind wir deine Gemeinde,
und du bist mitten unter uns.
Und auch wenn wir nicht in Worte fassen können,
was uns an Gefühlen durchströmt,
so spüren wir doch:
Du bist da –
mit deiner Fülle und deinem Segen.
Du Gott-für-uns, sei uns gelobt.