Gott kommt auf der Erde an
„Weihnachten zwischen Skepsis und Sehnsucht“. So lautet der Untertitel eines kleinen Büchleins des Freiburger Theologen Magnus Striet, in dem er versucht, die Weihnachtsbotschaft für suchende und vor allem zweifelnde Menschen heute neu auszubuchstabieren.
„Zwischen Skepsis und Sehnsucht“. In diesem Jahr treffen diese Worte ganz besonders mein Empfinden. Skepsis angesichts einer Welt, wo so vieles im Argen liegt, wo Menschen in Krieg, Terror und Gewalt verstrickt sind, wo Gesellschaft sich spaltet und Meinungsverschiedenheiten sich zu oft in Gewalt entladen, wo auch in der Kirche Menschen sich über die Lösungen aus den vielfältigen, auch hausgemachten Krisen entfremden. Kann man angesichts all dessen noch Weihnachten feiern?
Und doch spüre ich auch eine Sehnsucht in mir, die trotz, vielleicht auch wegen aller Skepsis größer wird: die Sehnsucht, dass doch etwas dran sei an dieser unglaublichen Botschaft, dass Gott selbst Mensch wird, als Mensch sich gemein macht mit den Zuständen auf dieser Erde. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt, die gerade an Weihnachten aufkommt, wenn wir uns an die Weihnachtstage unserer Kindheit erinnern. Die Sehnsucht, dass vielleicht noch nicht alles verloren ist in unserer Welt, in unserer Kirche, in meinem Leben.
„Gott kommt auf der Erde an“ – so ist dieser Impuls überschrieben. Nicht: Gott ist angekommen. Sondern: Gott kommt auf der Erde an. Er ist im Kommen. Er ist angekommen da, wo ich ihn empfange in den Menschen, die Hilfe brauchen. Er ist angekommen, wo ich Menschen ernst nehme in ihrer Würde und sie willkommen heiße. Er ist angekommen da, wo ein Licht die Dunkelheit erhellt.
Aber auch das gilt: Er ist noch nicht ganz angekommen, wo Menschen immer noch leiden. Er ist noch nicht angekommen, wo Menschen die Würde ihrer Mitmenschen mit Füßen treten. Er ist noch nicht angekommen, wo die Finsternis das Licht auslöscht. Er ist im Kommen, ja, und wir vertrauen, dass sein Kommen unaufhaltsam ist. Aber er ist noch nicht ganz da. So viel Ehrlichkeit schulden wir den Menschen, die im Dunkeln sind.
In dieser Spannung leben wir. Gerade heute an Weihnachten. Es liegt auch an mir, ob Gott auf der Erde, auf meiner persönlichen Erde schon angekommen ist oder ob er noch im Kommen ist.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, auch im Namen meiner Brüder, gesegnete Weihnachtstage mit der Erfahrung, dass Gott bei Ihnen ankommt und eingelassen wird.
P. Maurus Runge OSB