Hier finden Sie die Predigten unserer Brüder – sofern diese mit der Veröffentlichung einverstanden sind – zum Nachlesen. Gerade in der Zeit, in der unsere Gottesdienste wegen der Verbreitung des Coronavirus nicht öffentlich sind, möchten wir Ihnen so Anteil geben an unserem Leben.

von P. Johannes Sauerwald OSB

Die Weihe der Lateranbasilika in Rom hat eine so wichtige Bedeutung in der römisch-katholischen Kirche, dass ihr Weihetag im 4. Jahrhundert unter Kaiser Konstantin den Ablauf des Kirchenjahres unterbricht und den 32. Sonntag im Kirchenjahr verdrängt Warum misst die Kirche diesem Tag einen solch hohen Stellenwert bei?

Man könnte dafür kirchengeschichtliche Gründe nennen: die Lateranbasilika markiert den historischen Umbruch der bis dahin unterdrückten Glaubensgemeinschaft zur offiziellen Anerkennung durch den römischen Staat und seinen obersten Herrscher. Sie, die oft verfolgte religiöse Minderheit, wurde frei und musste sich nicht mehr verstecken.

Das fand ihren Ausdruck in einem repräsentativen neuen großen Kirchgebäude auf einem Grundstück, das der römische Herrscher Konstantin I. ihr geschenkt hatte. Sie wurde im Stile einer kaiserlichen Halle, einer Basilika gebaut, dem ersten öffentlichen Kirchenraum, in dem der Bischof von Rom eine sakrale Feier mit den Gläubigen beging. Das blieb so, bis der Papst im Mittelalter in den Vatikan umzog und dort den Petersdom errichten ließ, der die zentrale Leitungsaufgabe des Papstes in der Weltkirche zum Ausdruck brachte.

Es geht allerdings bei diesem Fest nicht um das Gebäude, sondern um ein Wesensmerkmal der Kirche als ganzer: um die Mitte des Daseins versammelt zu sein, auf sie ausgerichtet zu sein. Sich auf Gott ausrichten können wir auch allein, zu Hause, doch es zusammen mit Schwestern und Brüdern im Glauben zu tun ist noch etwas anderes. Die Gemeinschaft führt die Einzelnen zu einer Einheit zusammen, so als ob ein Körper zusammenwächst. Das Individuelle bleibt, aber es wird wie zu einem Gewölbe zusammengefügt. Dann geht vom unsichtbaren Schöpfer der Welt eine Kraft aus, die wir sonst nicht empfangen. Dafür braucht man einen Raum. Eine Kirche ist ein Tempel, ein Gotteshaus, eine Kultstätte.

Bleiben wir bei dem Wort Tempel. Wir Deutsche meinen mit Tempel zwar in der Regel das nicht-christliche Heiligtum, aber im Ungarischen z. B. heißt Kirche „Templom“. Auch im Judentum ist „Tempel“ eine übliche Bezeichnung vor allem für das frühere Hauptheiligtum in Jerusalem, der Hauptstadt des israelitischen Volkes.

Die 1. Lesung aus dem Buch Ezechiel ist einer Vision vom erneuerten Tempel in Jerusalem entnommen. Heute hören wir daraus einen kurzen Ausschnitt. In ihm geht es nicht um Architektur ähnlich dem zerstörten salomonischen Tempel. sondern um eine neue Kultstätte für das heimgekehrte Volk Israel, das sich nach langem Exil im runtergekommenen Heimatland wieder zurechtfinden muss. Seht einen neuen Tempel vor Euch, will er sagen, Gott macht einen neuen Anfang, öffnet euch seinem Willen.

Es ist ein einfaches, aber schönes Bild, das der entrückte Prophet sieht. Nicht die Pracht des Bauwerks und seiner Anlage, das Außergewöhnliche, wird hervorgehoben, sondern seine Bedeutung für die gesamte Schöpfung. Denn von ihm aus ergießt sich das Lebenselement der Erde, das Wasser, in die Welt. Der Tempel ist die Stelle, wo aus der Tiefe eine Quelle entspringt. Eine Verbindung zwischen Gott und dem Lebensbereich des Volkes entsteht.

Wo Gott wohnt, tritt neues Leben hervor. Quellen galten und gelten in manchen religiösen Traditionen als heilige Orte, die man aufsuchte, um dort zu beten und zu opfern. Wenn man beschreiben will, warum es die Menschen zu Gott zieht, dann wird gerne das anschauliche Bild von der Quelle und vom Wasser benutzt.

Sofort kommen mir Bibelstellen in den Sinn, z. B. Jesu Worte im Johannesevangelium, der zur Frau aus Samária sagt: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben, vielmehr wird das Wasser, das ich ihm geben werde, zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 7,38). Welch ein Versprechen! Was könnten wir uns mehr wünschen!

Oder die Stelle aus dem Hohen Lied, die den Bräutigam zu seiner Geliebten sagen lässt: „Die Quelle des Gartens bist du, ein Brunnen lebendigen Wassers!“ (Hl 4,15). Hier spricht die Liebe. Austausch im Nehmen und Geben – das ist Leben. Was man selbst in eigenen Worten kaum zu sagen wagt, findet in diesem Bibelzitat einen verdichteten Ausdruck.

Soweit die biblische Aussage. Was hat sie uns heute zu sagen?

Wie vom Tempel das Leben der Vegetation in der Nähe des Flusses genährt wird, es fruchtbar macht und das Tote Meer mit frischem Wasser auffüllt, so wirkt die Gegenwart Gottes heilsam auf die Versammelten ein, – im Gottesdienst, in der Anbetung, dem Klagen und Loben, in Blicken und Gebärden, im Hören, Sprechen und Singen. Dabei geht etwas in uns vor. Die Liturgie wird durch das gemeinsame Gebet und das der einzelnen Personen empfänglich für das Erbarmen Gottes, sie kann spüren, dass sich der Erbarmende ihnen zuwendet. Wir sagen Du zu ihm und erhalten im Hören auf sein Wort Orientierung für das Wirrwarr des Alltags. Wir können damit etwas anfangen, weil sein Wille uns anregt, neue Einsichten provoziert, und das prägt die Gemeinde. Der Gebetsgeist durchdringt und beseelt ihr Inneres wie fruchtbare Nässe. Noch mehr: Gottes Geist wirkt sich auch auf ihr Denken und Handeln aus. Die Liturgie hat ein großes Potential, man muss es nur ausschöpfen. „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils“, heißt es im Buch Jesaja (12,3). In der Gemeinschaft des Glaubens können die Menschen es erleben. Von der Feier geht eine Ausstrahlung aus, die durch nichts anderes ersetzt werden kann.

Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen die Kirche verlassen haben, keinen Zugang zu ihr finden, Kirchen umgewidmet oder abgerissen werden, hängt viel davon ab, ob die Liturgie so gestaltet ist, dass Freude spürbar wird.

Ich erinnere mich an Kindergottesdienste vor vielen Jahren im Mutter-Kind-Freizeitheim St. Altfrid in Berlar. Die meisten Kinder waren noch nicht im Schulalter, also haben sich die Erzieherinnen etwas einfallen lassen, damit die Kleinen von der Sonntagsfeier angesprochen wurden. Sie bauten ein Tanzspiel ein zu dem Lied: Gottes Liebe ist wunderbar, so groß, so hoch, so tief, so weit…. Zum Gesang kamen Bewegungen, sie drehten sich erst im Kreis, und als Gottes Eigenschaften besungen wurden, beugten die Kinder sich nach unten, streckten sich nach oben, breiteten die Arme und Hände aus und formten eine große, sich weitende Brust. Wie selbstvergessen sie das machten… wie sehr sie in ihrem Gesang, in ihren Gebärden drin waren.  Sie haben alle Erwachsenen in diesem Moment verzaubert, verwandelt, das war Liturgie, in der echte Freude spürbar wurde. Liturgie aus Freude vertreibt die Griesgrämigkeiten, die Langeweile und den Stumpfsinn.

Natürlich begegnet uns Gott nicht nur im Gottesdienst, er ist auch im Krankenzimmer, in einer Notunterkunft präsent wie auf einem Berggipfel oder einer Parkbank.

Wir selbst sind in seinen Augen ein heiliger Tempel. Gott braucht keine Kirchen, aber wir brauchen Orte, die anders sind als Wohnhäuser, Allzweckhallen oder Supermärkte. Räume, in denen wir ihm dienen können und der Seele liebenswürdige Lebendigkeit vermittelt wird. Kirchen werden gebaut als ein Hilfsmittel, das das Herz der Menschen zu öffnen vermag für die erlösende Macht eines Wesens, das uns alle übersteigt und über das Universum hinausführt. Vielleicht können alle, die sich mit dem Glauben schwertun, beim Besuch einer Kirche oder eines Gottesdienstes ahnen, dass sie nicht allein sind in dieser Welt und von etwas Größerem umfangen werden.

Heute kann uns das heutige Fest dankbar werden lassen dafür, dass es einen Ort gibt für die heilende Gegenwart Gottes. Die Lateranbasilika weitet unseren Horizont und verbindet die weltweite Gemeinschaft der Gläubigen. Dadurch wird unser Glaube bereichert, vertieft und animiert uns, sie zu schätzen, sich mit ihr auseinanderzusetzen und die Einheit zu pflegen.

von P. Marian Reke OSB

An den gewöhnlichen Sonntagen im Jahreskreis sind die Lesungen aus der Bibel festgelegt. Heute – an Allerseelen – stehen verschiedene biblische Texte zur Auswahl. Wir haben sie soeben gehört: die Lesung aus dem Philipperbrief und eine Passage aus den Abschiedsreden des Johannesevangeliums. Sie umkreisen die menschliche Grunderfahrung, die am heutigen Gedenktag im Mittelpunkt steht und von der wir nachher auf dem Friedhof mit einem alten Hymnus singen: „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“. So ist es. Unser Schicksal und unsere kreatürliche Not ist die Vergänglichkeit. Doch können und sollen wir diese unvermeidliche Erfahrung durch Momente des Innehaltens unterbrechen –

Wir könnten und sollten uns bewusst, mit Herz und Verstand, noch einmal dem Fest, das wir gestern begangen haben, zuwenden und uns der Botschaft von Allerheiligen öffnen: „Unsere Heimat ist im Himmel“.

Zwar sind wir gewohnt, diesen Satz ausschließlich im Blick auf das Wohin unseres Lebens zu verstehen, im Blick auf den Tod also und das Danach. Es geht in diesem umfassenden Satz aber auch um unser Woher, denn unter Heimat verstehen wir zuerst unser Woher.

Woher also kommen wir, woher komme ich – ursprünglich?

Nach unserer an der Botschaft Jesu orientierten Überzeugung dürfen wir davon ausgehen, dass jeder Mensch – ob als gewolltes oder ungewolltes Kind – aus dem schöpferischen Ja der Liebe stammt. Von er Liebe aber schreibt geradezu dogmatisch der Erste Johannesbrief: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“

Wenn wir genau hinhören, weiß sogar unser gewohnter Sprachgebrauch darum, dass wir ursprünglich nicht von unseren Eltern, sondern von viel weiter herkommen. Das Kind kommt zur Welt, sagen wir, ja – woher denn? Und: Seine Eltern – nicht nur die Frau, auch der Mann – empfangen es und bringen es zur Welt, wobei der zu leistende und zu erleidende Einsatz zwischen Frau und Mann nicht gerade gleich verteilt ist.

Schwestern und Brüder, wir werden aus Gott geboren, aber sozusagen im Exil. Weshalb sonst fühlen wir uns manchmal wie fremd und heimatlos auf dieser Erde? Ich meine, weil wir Kinder Gottes sind. Die Erinnerung an unsere Herkunft aus Gott gerät aber mit der Geburt in Vergessenheit und ist uns in der Regel nicht bewusst. Dennoch spüren wir sie in der Weise einer Sehnsucht, die uns auf dieser Erde von Anfang an bewegt und zutiefst angewiesen sein lässt auf Beziehung und Begegnung. Wir spüren sie als Sehnsucht nach Liebe, die aber zwischenmenschlich immer nur gestillt und in unserer Erdenzeit nie ganz erfüllt werden kann. Denn diese Sehnsucht hat ihr Maß an der göttlichen Liebe, an dem, was wir Himmel nennen oder Ewigkeit. Das ist unsere ursprüngliche Heimat, die wir als unbewusste Erinnerung in uns tragen.

Ich glaube, dass der Mensch, wenn er stirbt, in die Ewigkeit geht, aus der er kommt. Ich glaube, dass er heimkehrt – dorthin, woher er stammt, in den Himmel.

Ewigkeit und Himmel sind jenseits von Raum und Zeit, jenseits unserer Vorstellungen. Wir brauchen jedoch Bilder: ermutigende, herausfordernde Hoffnungs- und Trostbilder, keine Schreckensbilder vom „Dies Irae“, dem Tag des Zorns. Die Wirklichkeit von Sterben und Tod ist für viele Menschen schon schrecklich genug!

Wie Ewigkeit jenseits aller zeitlichen Vorstellungen ist, weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, sondern den je gegenwärtigen göttlichen Grund des Daseins meint, so sind „Himmel“ und „Hölle“ jenseits aller räumlichen Vorstellungen. Bei der Rede von Himmel und Hölle geht es nicht in erster Linie ums Jenseits, sondern um das rechte Leben im Diesseits.

Es gibt die Redensart vom „Himmel auf Erden“ und von der „Hölle auf Erden“, die wir uns selbst und einander bereiten. „Fegefeuer“ – auch damit ist kein jenseitiger Ort gemeint, an dem man sich eine Zeit lang aufzuhalten hat. Es ist eher vergleichbar mit einem brennenden Schmerz, wenn man momentan erkennt, wann und wo man sich gegen die Liebe verfehlt hat. Eine reinigende, heilende Erfahrung! Auch die ist redensartlich als Fegefeuer bekannt.

Dennoch: einmal werden wir an der Schwelle des Todes stehen! Worauf kommt es am Ende an? Vielleicht dass ich schlicht und einfach sagen kann: „Da bin ich“. Was in diesem Moment aufleuchtet, ist der Sinn der Demut, die unser Mönchsvater Benedikt den Mönchen ans Herz legt. Wer den Weg der Demut geht, der erfährt unausweichlich: ich bin nichts – als ich selbst.

Das gilt es als das einzig Wesentliche zu entdecken: ich bin und muss nichts anderes sein als ich selbst, als der oder als die ich geworden bin durch meine Lebenserfahrung mit all ihren Licht- und Schattenseiten. Genauso will und kann ich anderen begegnen von Mensch zu Mensch und so darf und soll ich Gott begegnen – mit den schlichten Worten „Da bin ich“ als Antwort auf sein „Ich bin da“ (Exodus 3,14).

In unserer Totenliturgie, meine Brüder, singen wir: „Schenke im Ende, auch die Vollendung.“ Schenke! Doch nicht erst dann, schon in jedem erfüllten Augenblick kann inmitten aller Vergänglichkeit dieses Geschenk offenbar werden, dass die Verlorenheit der vielen Zeitsplitter unseres Daseins immer schon aufgehoben ist – in der Ewigkeit.

von Br. Anno Schütte OSB

Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner geht es ums Gebet. Wir hörten: „Beide gehen zum Tempel hinauf um zu beten.“ Jesus bietet eine Gebetsschulung an – auch für uns.

Obwohl er zur religiös-gesellschaftlichen Elite gehört, bewirkt das Beten des Pharisäers nichts. Das des Zöllners dagegen schon: „Dieser ging gerechtfertigt nach Hause hinab, der andere nicht“ sagt Jesus. Der Pharisäer kreist in seinem Beten nur um sich selbst – herablassend auch gegenüber dem Zöllner: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.“ Mit moralischer Überheblichkeit hebt er seine eigenen Leistungen hervor. Detailliert breitet er seine formale Pflichterfüllung aus – sein Beten verkommt zu Selbstbeweihräucherung, sein Dank an Gott ist vergiftet durch seine Verachtung anderer Menschen: Er erniedrigt sie um sich selbst zu erhöhen, er missbraucht sie als Instrumente seiner Selbstverliebtheit. Er meint sich eigenmächtig den Himmel verdienen zu können. Es geht mehr um sein Ego als um Gott.

Alles an der Figur des Zöllners ist anders: Als Vertreter einer heidnischen Staatsmacht kann er keine religiöse Expertise oder gesellschaftliche Anerkennung vorweisen. Im Gegenteil: Zöllner galten als korrupte Handlanger und gierige Profiteure der verhassten römischen Besatzungsmacht. Der Zöllner drängt sich im Tempel nicht vor, sondern bleibt ganz hinten stehen. Er wagt nicht seine Augen zum Himmel zu erheben, er weiß um seine Erdgebundenheit. Er schaut in sich hinein – das Schlagen an seine Brust ist auch ein An-Klopfen bei sich selbst, er geht in die auch dunkle Wahrheit seines Lebenshauses hinein – so wie es ist. Er taucht hinab in die Tiefe seiner Person, dort ist er auch ein Sünder. Er steigt hinab in sein Gewissen, bis an den Abgrund seiner nackten Existenz, bis zum toten Punkt. Ihm geht es um mehr als um moralische Verfehlungen – dann hätte er nur um Vergebung seiner Sünden gebeten. Im Gegensatz zum Pharisäer braucht er nicht viele Worte: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Ausdrücklich bittet er um Gnade. Das ist die unbedingte Liebeszuwendung Gottes, die seine ganze Person durchdringen und von innen her neu beleben soll. Er ist offen und bereit für eine allumfassende Wandlung vom Tod ins Leben, die allein Gott begründen und an der er mitwirken kann.

Christen nennen das Auferstehen – Ostern, das feiern wir hier – und können es im Alltag leben. In Jesus Christus schenkt Gott uns diese Gnade unüberbietbar, ohne jegliche Vorbedingung und nie endend. Wir können nichts Besseres tun, als uns – wie der Zöllner – dafür von Grund auf zu öffnen und sie miteinander menschlich zu teilen – so wird Gottes Lieben erfahrbar. Schon die Bereitschaft dafür reicht für einen neuen Anfang.

Dazu ist der Pharisäer nicht – noch nicht – bereit. Angst dominiert sein Herz – seine narzisstisch-isolierende Selbsterhöhung ist eine Droge, sein Gebet nur eine egostabilisierende Fassade. Die wird eines Tages zusammenbrechen, dann wird er erniedrigt zu dem, was er eigentlich ist: ein Mensch wie jeder andere, angewiesen auf unbedingtes geliebt sein, auf göttliche Gnade. Der Zöllner ist schon jetzt unten, in seiner Lebenswirklichkeit, im Gottvertrauen bereit und offen sich von Gott lieben und wandeln zu lassen – gerade auch als Sünder. Diese Haltung nennt Jesus gerechtfertigt und in ihr gehalten und gefasst geht er nach Hause – nach Hause hinab, in die Niederungen des Alltags – hier wird die Gnade Gottes ihn weiter erhöhen.

Später am leeren Grab Jesu geht es wieder hinab. Ein Engel sendet die Jünger: „Geht hinab nach Galiläa, er geht euch voraus – dort werdet ihr ihn sehen.“ Die Wandlung des Alltags kann endgültig beginnen: Gott wird erniedrigen und erhöhen – damit alle und alles aus seiner Gnade aufersteht und lebt.

von Br. Karl-Leo Heller OSB

Liebe Schwestern und Brüder,

da bin ich nach zwei Jahren mal wieder mit der Predigt in der Abtei dran und dann bekomme ich so ein Evangelium. Das war mein erster Gedanke. Und der zweite Gedanke: Angst vor der Hölle kommt in meinem Glauben nicht wirklich vor. Im Alltag zweifele ich überhaupt nicht daran, in den Himmel zu kommen.

Vielleicht bin ich ja damit so ein typisch kölsch-katholischer Mensch. „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel…“ Natürlich ist das ein Karnevalslied und nicht gerade eine biblische Aussage. Aber irgendwie spiegelt es doch etwas von meinem intuitiven Glauben wider. Denn er enthält ja eine tiefe Sehnsucht, die Sie vielleicht auch kennen: Am Ende soll es gut werden. Am Ende möchte ich – möchten wir getragen sein, geborgen sein, bei Gott ankommen.

Und doch klingt das heutige Evangelium anders. Jesus spricht von der engen Tür. Und er sagt: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür hineinzugelangen; denn viele, sage ich euch, werden hineinzukommen versuchen und es nicht können.“

Das klingt nicht Easy-Going. Es klingt nach Herausforderung, nach einer Tür, die nicht einfach weit offensteht, sondern an der man sich mühen muss.

Ich habe ein bisschen Widerstand: Warum so streng, Jesus? Warum so abgrenzend? Oder ist es vielleicht nur der Evangelist Lukas, der ja gern mal das eine oder andere Drohwort berichtet. Ich kann nicht glauben, dass es darum gehen soll, Menschen Angst zu machen oder auszugrenzen. Vielleicht will Jesus uns auf etwas ganz anderes aufmerksam machen.

Ich glaube, der kölsche Karnevalsschlager von Jupp Schmitz hat deshalb so viel Erfolg, weil wir in uns diese tiefe Sehnsucht tragen: Dass der Himmel weit ist. Dass Gottes Liebe größer ist als unsere Fehler. Dass wir am Ende nicht auf der Strecke bleiben.

Und tatsächlich: Das ist ja auch – und ganz wesentlich – die Botschaft des Evangeliums. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Jesus selbst hat Menschen eingeschlossen, die andere ausgeschlossen haben: Zöllner, Kranke, Frauen, Kinder, sogar die Heiden.

Und trotzdem: Jesus verharmlost nicht. Er sagt nicht: „Alles egal, am Ende passt es schon.“ Sondern er macht deutlich: Gottes Liebe ist eine Einladung. Sie verlangt eine Antwort. Der Himmel ist weit – aber er ist kein Selbstläufer.

Das Bild der engen Tür wirkt auf den ersten Blick abweisend. Wer will schon durch eine enge Tür gehen, wenn daneben das große Tor offensteht? Aber wenn ich darüber nachdenke, wo mir Enge in meinem Leben wirklich erleben, dann sind es oft Situation aus meinem Alltag in der Praxis. Dann kommen Menschen mit einer Stimmstörung zu mir als Patienten. Und oft erzählen sie, natürlich nicht beim ersten Mal, aber nach einiger Zeit – von Spannungen und Konflikten in Ihrem Alltag. Sie sind aus der Liebe herausgefallen. Sie fühlen sich eng und bedrückt, und machen dabei ihre eigene Stimme eng. Und meistens noch viel mehr. Beziehungen zu lieben Menschen werden eng und schwierig. Manchmal denke ich: Ist das die enge Tür, von der Jesus spricht: In unserer Zeit, in unserer Welt, in unserer Kirche  – in der Zuversicht und in der Liebe zu bleiben?

Auch der heilige Benedikt spricht in seiner Regel von einem „Weg, der am Anfang nun einmal eng sein muss.“ Aber sogleich lenkt er die Perspektive auf das Herz, das sich weitet, um den Weg in unsagbar er Freude zu gehen.

„Bemüht euch mit allen Kräften“, sagt Jesus. Dieses Wort gefällt mir, weil es ehrlich ist. Es nimmt ernst, dass Glauben nicht immer leicht fällt.

Wir ringen ja ständig: mit Fragen der Gesundheit, mit der Zukunft der Kinder, mit Unsicherheiten im Beruf. Wir ringen mit Krisen in der Kirche und im Kloster, mit eigenen Zweifeln, mit der Frage, ob Gott wirklich hört, wenn wir beten.

Ich finde es sehr auffällig, dass Lukas uns unmittelbar vor diesen Worten von der Heilung einer Frau berichtet – wie es im biblischen Wort heißt- seit 18 Jahren von einem Dämon gekrümmt war und den Rücken nicht aufrichten konnte. In der sonntäglichen Leseordnung sind diese Verse als unbedeutend aussortiert und werden nicht gelesen. Als Körpertherpeut denk ich das natürlich unbedingt zusammen. Da ist die Enge, die Lebenstüren verschließen kann. Und Jesus sagt Ihr: „Du bist frei“. Wo Christus uns begegnet, da löst sich die Spannung, da weitet sich das Herz, da können wir aufatmen und wieder aufrecht stehen.“

Ich musste beim Evangelium an den Philosophen Hartmut Rosa und seine Gedanken zur Resonanz denken. Rosa sagt: Ein Leben gelingt dann, wenn wir uns berühren lassen – und wenn wir antworten. Nicht durch Kontrolle, nicht durch Wissen, nicht durch „alles im Griff haben“.

Genau das sehe ich hier bei Jesus: Er ruft uns, nicht weil wir perfekt sind, sondern weil wir bereit sind, uns berühren zu lassen. Die enge Tür ist kein Durchgang für die Starken, sondern für die, die ihre Schwäche nicht verstecken du es wagen, wieder mehr auf Gottes Liebe zu vertrauen in einem schwierigen Alltag.

Ich summe gerne den Schlager „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel“ , auch wenn mein Verstand natürlich auch weiß, dass es so leicht nicht immer sein wird. Aber er trägt einen wahren Kern und erinnert mich freudig daran: Ja, Gottes Himmel ist weit. Ja, er will uns alle an seinem Tisch haben. Aber: Er lädt uns nicht in eine unverbindliche Feier ein, sondern in eine echte Beziehung.

Darum dürfen wir das Lied mit einem neuen Unterton singen. Nicht als billige Vertröstung, sondern als Ausdruck unserer Hoffnung: Wir kommen alle in den Himmel – nicht, weil es selbstverständlich wäre, sondern weil Christus uns die Tür geöffnet hat.

Und durch diese Tür dürfen wir hindurchgehen – Schritt für Schritt, im Ringen, im Bemühen, im Vertrauen, in der Hoffnung.  Und vielleicht singen die Engel im Himmel ja nicht nur Halleluja, sondern auch mal so einen Kölner Schlager, wäre doch schön. Zum Beispiel: „Wir sind alles kleine Sünderlein, war immer so, war immer so, …. der Herrgott wird uns das bestimmt verzeihen, war immer, immer so“ oder eben noch ganz anders….

von P. Guido Hügen OSB

Liebe Schwestern und Brüder,
haben sie soeben beim Tagesgebet zugehört
und mitgebetet?

„Allmächtiger Gott,
wir dürfen dich Vater nennen …“
hieß es da.

Wir dürfen Gott „Vater“ nennen. Theoretisch.
Zumindest hier haben wir es nicht getan.
„Allmächtiger Gott …“

Bei solchen Formulierungen in Gebeten und anderen Texten
stellt sich für mich immer wieder die Frage:
Wer ist Gott denn für mich?

Der allmächtige Gott – der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Herr über Geschichte und Ewigkeit?
Der liebende Vater – der uns beim Namen kennt, uns trägt, tröstet und mit offenen Armen aufnimmt?

Was ist das für ein Gott,
der Abraham und Sara aufbrechen lässt
– ohne nur eine Ahnung zu haben, wohin die Reise geht.

Der sie ausdrücklich in Zelten leben lässt
– obwohl ihnen die große Stadt, ein ganzes Land verheißen ist.

Was ist das für ein Gott,
der mir selber oft so fern ist in all dem,
was mich und unsere Zeit bedrückt.

 

Dabei sind die Lesungstexte dieses Sonntags
doch eigentlich mutmachende,
aufrüttelnde Texte.

Glaubt und vertraut!
Haltet euch bereit!

In der Langfassung des Evangeliums heißt es noch
ein paar Zeilen vorher:

Fürchte dich nicht, du kleine Herde!

Das macht Mut und fordert mich heraus.

Denn diese Worte sprechen vom Vertrauen,
das trägt, auch wenn ich den Weg noch nicht kenne.

Sie sprechen vom Hoffen, obwohl gerade alles nicht einfach ist.

Vom Dranbleiben, auch wenn ich
vielleicht lieber aufhören möchte.

 

Der Hebräerbrief geht noch einen Schritt weiter,
wenn der Glaube bezeichnet wird als
„Grundlage dessen, was man erhofft“.

Was erhoffe ich denn (noch)?
Was erwarte ich?
Für mich und mein Leben, unsere Gesellschaft und Kirche?
Wo bin ich wachsam und bereit,
aufmerksam, mit offenen Ohren und offenem Herz?

Ob bei den Pfadfindern oder in der Hochschulgemeinde:
ich erlebe immer wieder gerade junge Menschen,
die nach Sinn und Richtung in ihrem Leben fragen,
nach Orientierung.

Die nach Gemeinschaft, ja Heimat suchen –
die sie scheinbar in unserer Kirche,
unseren Gemeinden und Gemeinschaften
so oft nicht mehr finden …

Ob dann Ideenbörsen, Fachtagungen,
ja Transformationsprozesse helfen,
mag dahin gestellt sein.

Muss nicht – wie in den heutigen Lesungen – im Mittelpunkt
immer wieder die Frage nach dem Glauben stehen:
Gibt der Glaube mir – und durch mich auch anderen – neuen Halt,
neue Zuversicht, neues Zutrauen?
Neue Geborgenheit – Heimat?

Lebe ich diesen Glauben?

Ja, kann ich Gott zutrauen,
dass ER es gut mit mir meint?
Vielleicht auch und gerade,
wenn ich den Weg noch nicht sehe?

 

„Haltet euch bereit!“
Zum Aufbruch.
Zum Losgehen.
Zur Achtsamkeit.

„Haltet euch bereit!“
Diese Worte Jesu sind keine Drohbotschaft,
sondern eine Einladung zum
Leben in Aufmerksamkeit und Bereitschaft.
In Offenheit.
Mit Mut.

Denn:
„Haltet auch ihr euch bereit!
Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde,
in der ihr es nicht erwartet.“

Und Gott wird kommen – da bin ich mir sicher –
als der liebende und gütige Gott,
als Vater und Mutter,
als Freiheit und Segen schenkend.

Denn
„Wir sind an Kindes statt angenommen“,
hieß es im Tagesgebet.
Vertraue ich darauf – auch im Alltag?

Dann hätte – mit Worten nach Annette Jantzen –
das Gebet vielleicht auch so lauten können:

 

Gott, wer du auch bist und wie du auch heißt,
hier sind wir.
Mit Schuldgefühlen, mit Ängsten,
mit Dankbarkeit und mit Hoffnung.
Für diese gesegnete Stunde sind wir deine Gemeinde,
und du bist mitten unter uns.
Und auch wenn wir nicht in Worte fassen können,
was uns an Gefühlen durchströmt,
so spüren wir doch:
Du bist da –
mit deiner Fülle und deinem Segen.
Du Gott-für-uns, sei uns gelobt.

von P. Marian Reke OSB

Bild: Ari

Lesung aus dem Buch Jesaja 66, 10–14c

Freut euch mit Jerusalem und jauchzt in ihr alle, die ihr sie liebt! Jubelt mit ihr, alle, die ihr um sie trauert, auf dass ihr trinkt und satt werdet an der Brust ihrer Tröstungen, auf dass ihr schlürft und euch labt an der Brust ihrer Herrlichkeit! Denn so spricht der Herr: Siehe, wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr und die Herrlichkeit der Nationen wie einen rauschenden Bach, auf dass ihr trinken könnt; auf der Hüfte werdet ihr getragen, auf Knien geschaukelt. Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost. Ihr werdet es sehen und euer Herz wird jubeln und eure Knochen werden sprossen wie frisches Grün. So offenbart sich die Hand des Herrn an seinen Knechten.

Je älter ich werde, umso mehr Erinnerungen gehen mir durch Kopf und Herz. Als ich die Lesung von heute in der Bibel aufschlug, um mich auf die Predigt vorzubereiten, kam mir Johannes Paul I. in den Sinn. Anlässlich der kürzlichen Papstwahl wurde in den Medien auch dieser Vorgänger Leos XIV. erwähnt. Sein Kennzeichen war das freundliche Lächeln, mit dem er sich den Menschen zuwandte.

Nur einen September lang im Drei-Päpste-Jahr 1978 verkörperte Johannes Paul I. jenen Geist, der das Angesicht der Erde erneuert: den göttlichen Geist der Menschenfreundlichkeit. Er spricht auch aus den Worten des Pro­pheten Jesaja, die wir vorhin gehört haben: Worte voller Zärtlichkeit, Trostworte, Worte einer mütterlichen Zuneigung. Ich erinnere mich an einen Satz, mit dem dieser Papst – lange vor dem für seine Sponti-Sprüche bekannten Franziskus – nicht nur in kirchlichen Kreisen einige Verwirrung gestiftet und vor allem in den Medien ein großes Echo gefunden hat. Vor einer großen Menschenmenge sagte er, als sei es die größte Selbstverständlichkeit: „Gott ist nicht nur Vater, sondern auch und mehr noch Mutter!“

Johannes Paul I. wollte allen klarmachen, dass Gott kein Mann ist, dass vielmehr das Geheimnis allen Seins, das wir Gott nennen, männliche und weibliche Züge trägt. Und: Er wollte die Praxis dieser These! Er signalisierte einen neuen Stil. Die Zeichen standen auf Veränderung – auch und gerade für die sogenannte Amtskirche und das Amt in der Kirche. Dann über Nacht war er tot. Spürte der feinsinnige Mann, dass die Verwirklichung dieser Vision in der real existierenden römischen Kirche seine Kräfte überstieg?

Liebe Gemeinde, diese Aussage lag ganz auf der Linie, die sich wie ein roter Faden durch die heutige Lesung aus dem letzten Kapitel im Buch Jesaja zieht. Da ist die Rede von Jerusalem – der Hauptstadt Israels – als einer Mutter. Jerusalem war im wörtlichen Sinn die Metropole Israels. Dieser aus dem Griechischen stammende Begriff bedeutet ursprünglich Mutterstadt. Wie sonst könnte Jesaja über Jerusalem sagen: „Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum!“ So stand es in der Einheitsübersetzung der Bibel, die 1980 erschien.

Ein wunderbares Wort! Mütterlicher Reichtum: Dazu gehört tröstende Nähe, helfendes und heilendes Verstehen, Geborgenheit. Dazu gehört Liebe, die nährt und wachsen lässt. Dazu gehört auch die schönste aller Gaben, die Freigabe, denn eine Mutter sollte ihre Kinder nicht nur erziehen, sondern ziehen lassen.

Diesen mütterlichen Reichtum, den Reichtum Jerusalems wünsche ich uns in der Kirche. Weltweit und vor Ort. Auch unser Kloster, meine Brüder, lebt von der Quelle mütterlichen Reichtums. Im 72. Kapitel der Benediktsregel kommt das unüberhörbar zur Sprache: der „gute Eifer“, von dem da die Rede ist, bringt hervor: gegenseitige Geduld, zuvorkommendes Verhalten, achtsame Fürsorge.

Meine Schwestern und Brüder, mütterlicher Reichtum ist für jeden einfach lebensnotwendig – auch in der Gesellschaft! Gerade mütterlicher Reichtum könnte die Not der Gegenwart hierzulande wenden helfen. Die Not des inneren Menschen! Ohne die äußeren Nöte gering zu achten, meine ich in erster Linie die Ärmlichkeit der Herzen, die Verarmung der Seele infolge einer Vorherrschaft des männlichen Reichtums, der in der Sicht der Benediktsregel eher dem „bösen Eifer“ der Bitterkeit und des Ressentiments entstammt. Männlicher Reichtum – absolut gesetzt – geht auf Kosten der Seele des Menschen, die samt des Herzens im Klima bloßen Profitdenkens und schon in jungen Menschen angekurbelten Karrierestrebens krank werden muss. Es ist klar, dass dieser männliche Reichtum nicht nur eine Versuchung für Männer darstellt. Er ist eine Versuchung für alle. Über die positiven Seiten eines männlichen oder väterlichen Reichtums gäbe es allerdings auch viel zu sagen. Das aber ist heute nicht dran.

Mütterlicher Reichtum jedenfalls ist Reichtum an Liebe und das heißt letztlich Reichtum von Gott her, denn Gott ist Liebe. Hier gilt das Bibelwort: „Was hättest du, wenn du es nicht empfangen hättest?“ Wenn doch Gott den oft enttäuschten und mutlosen, den an den bestehenden Verhältnissen in Politik und Wirtschaft krankenden, den verunsicherten Menschen unserer Zeit, wenn uns allen Gott das sagen könnte: in der Kirche findet ihr meinen Trost. Nicht die schwächliche Vertröstung auf ein jenseitiges Irgendwann, nicht nur die trost-spenden-sollende Innerlichkeit, nicht nur eine bestens organisierte, aber blut- und blickleere, eine trostlose Nächstenliebe. Nein, in der Kirche findet ihr meinen Trost: ein konkretes, leidenschaftliches Engagement mit den Menschen, eine zärtliche Zuneigung ohne Berührungsangst, ein kraftvoll großzügiges Miteinanderteilen, eine verwundbare Liebe.

Allein das kann doch den Menschen wirklich trösten, das heißt – der Grundbedeutung von Trost entsprechend – ihm festen Stand und Wagemut geben. Allein das kann doch einem trauernden Menschen helfen, den bloßen Blick zurück wieder nach vorn zu wenden. Allein das kann einen gebrochenen Menschen aufrichten und stützen, den Schwachen stärken, ein enttäuschtes Herz wieder hoffen lassen.

Mit den Worten des Jesaja gesagt: „Wenn ihr das seht – meinen Trost, in Jerusalem, in der Kirche – wird euer Herz sich freuen!“ .

von P. Johannes Sauerwald OSB

Angesichts der vielen ungelösten Probleme unserer Zeit könnte man sehr pessimistisch werden. Kann man etwa Spuren eines Wandels zum Positiven, die Verbesserung vielfältiger Störungen erkennen?
Wie groß waren doch die Erwartungen noch vor sechs bis acht Jahren, die die Menschen zu Protestaktionen auf die Straßen brachten! Im Jahr 2019 waren es in Deutschland ca. 1,5 Millionen! Diese Welle ebbte langsam ab, jetzt brennt sie nach vielen Rückschlägen auf internationaler Ebene nur noch auf kleiner Flamme. Wie kann man trotzdem Optimist bleiben?

In der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Dienstag machte sich ein Journalist darüber Gedanken und kommt zu dem Ergebnis: Wer nicht in Trübsinn und Schlechtmachen versinken will, sollte sich auf erfolgreiche Veränderungsprojekte in der Gegenwart konzentrieren. Das ist ein empfehlenswertes Verfahren, finde ich. Eigentlich tue ich viel zu wenig, um aufmerksam mutmachende Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft zu verfolgen.

Vielleicht tut es in diesem Fall gut, sich das Entwicklungsprojekt „Reich Gottes“ gerade heute am Pfingstfest näher anzuschauen. Das Pfingstereignis hat, so das Neue Testament, in der Vergangenheit zur Zeit Jesu stattgefunden und findet heute kaum noch Beachtung. Aus dem Selbstverständnis unseres Glaubens aber ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Pfingstfest, die pfingstliche Bewegung, noch längst nicht abgeschlossen ist. Sie liegt immer noch auf der Lauer und sucht nach einer Gelegenheit, sich von neuem zu bewahrheiten.

Wir können die Geburtsstunde der Kirche nur verstehen, wenn wir berücksichtigen, dass der Glaube an die Präsenz des göttlichen Geistes schon über viele Jahrhunderte im Volk Israel ausdrücklich ins Wort gebracht worden ist. Durch Propheten wie Ezechiel, Jesaja und Joel z.B.: Die Überzeugung, dass die Schöpfung nach all dem vielen Bösen in der Welt auf das Wirken einer göttlichen Kraft wartete. Ezechiel fasst zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. diese Erwartung in dem Heilsversprechen zusammen: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euer Inneres. Ich beseitige das Herz aus Stein aus eurer Brust. Ich lege meinen Geist in euch und gebe euch ein Herz aus Fleisch.“ (Ez 36, 26-28a) Diese Verheißung, dass ein Tag des Herrn kommen werde, hat der Glaube Israels trotz großer Enttäuschungen im Verlauf der Geschichte mit ihrem Auf und Ab weitergegeben und war auch z. Zt. Jesu lebendig.

Im NT erfüllt sich dieses Versprechen vom „Tag des Herrn“ am Pfingsttag mit der Ankunft des göttlichen Geistes. Das wird bildreich in der Erzählung der Apostelgeschichte geschildert. Der Hl. Geist wird mit „Sturmgebraus“ (so in einem Lied im alten Paderborner Gesangbuch „Sursum Corda“) und feurigen Zungen in die Herzen der Jüngerinnen und Jünger eingegossen, laut und machtvoll.

Waren die Jüngerinnen und Jünger darauf vorbereitet? Darüber macht die Bibel keine genauen Angaben. Wir wissen, dass sie Angst hatten vor den Feindseligkeiten der Gegner Jesu und das Haus dicht gemacht hatten. Die Jesusbewegung war wohl am Ende und doch hatten sie sich noch einmal getroffen. Das ist für mich erstaunlich. Wäre es nicht sicherer gewesen, die Gruppe aufzulösen, um Nachstellungen zu entgehen? Auch dieser Rest an Glut in der Asche war ein Ansatzpunkt für das Kommen des Heiligen Geistes.

Im Kontrast zur Darstellung in der Apostelgeschichte hören wir im Abschnitt aus dem Johannesevangelium (Joh 20, 19-23) von einem viel verhalteneren Vorgang der Geistausgießung: Jesus tritt in die verängstigte Schar seiner Anhänger, stellt sich in die Mitte, sozusagen als das geistige Zentrum ihrer Gemeinschaft, und grüßt sie mit den Worten „Der Friede sei mit euch!“. Dieser Gruß ist nach der letzten Papstwahl von Leo XIV ausgesprochen worden, das war das Erste, was er den versammelten Gläubigen auf dem Petersplatz und den Zuschauern auf der ganzen Welt wünschte.
„Friede“ – dieser Gruß aus dem Mund Jesu kommt dem nahe, was wir von ihm wissen und was er damit gemeint hat: die umfassende Einheit der Menschen untereinander, mit der ganzen Schöpfung und mit Gott.  Wir kennen diesen Gruß aus der Liturgie, dort gehört er an manchen Stellen zum Ritus. In den Worten Jesu höre ich die volle Absicht, die bewusste Mit-Teilung, die Weitergabe dessen, was ihm am Herzen liegt, heraus. Wer diesen Frieden erfahren hat, kann und möchte ihn auch weitergeben. Manchmal müssen wir diesen Frieden in uns von neuem suchen, ihn wieder aufleben lassen, wenn er verdeckt wird, ihm Spielraum geben in unserem Denken und Handeln, und so die negativen Unterströmungen verscheuchen, die Keimzellen negativer Einflüsse, und unabgelenkt auf den Herrn schauen.

Das Besondere an dieser Art der Geistmitteilung im Johannesevangelium ist das Hauchen. Hier liegt der Akzent nicht auf der leidenschaftlichen Dynamik wie in der Apostelgeschichte, dem furchtlosen Auftreten, sondern auf der starken Kraft der Freude, die Rücksicht nimmt auf das Fassungsvermögen des Gegenübers, und auf das Vermögen, einen verschreckten Menschen in seinen Ängsten, Schuldgefühlen und Nöten zu erreichen. Wer sich gesandt weiß, wird eine direkte Sprache benutzen, damit die Wahrheit klar verstanden wird. Doch kommt es auch darauf an, sich der Situation der Ansprechpartner anzupassen.

Der Erzählung des Pfingstereignisses ist anzumerken, dass in den Jüngern eine Wandlung geschieht. Sie öffnen die Türen und sprechen offen aus, was in ihnen vorgegangen ist. Sie möchten die lebensspendende Kraft Gottes bezeugen. Man darf das auch „Glaubensoptimismus“ nennen. Er beinhaltet weniger eine Stimmung als den festen Willen, in das Geschenk des kommenden Gottesreiches aktiv einzutreten. Damit verbunden ist die Entscheidung, auch mitzumachen, in den vielen kleinen Alltagsvollzügen das zu tun, wovon man erfüllt ist, in den Momenten, in denen man anderen begegnet, miteinander spricht und seinem Nächsten Gutes tut. Auch wenn wir dabei Fehler machen, unsere Schwachheit spüren und von den Sorgen niedergedrückt werden: Das Pfingsterlebnis ist auch in der Gegenwart nachvollziehbar, denn der Geist Gottes wohnt in uns allen.

von Abt Cosmas Hoffmann OSB

Der Prophet Elija nimmt am Berge Horeb Gottes Gegenwart nicht im heulenden Sturm, nicht im tosenden Erdbeben, nicht im tobenden Feuer wahr, sondern, wie Martin Buber übersetzt, „im verschwebenden Schweigen“. „Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle“ (1 Kö 19,12).
Wenn ich dieses Motiv, das dem Hörsinn entspricht, in die Welt des Sehens übertrage, dann könnte es heißen: im verdämmernden Dunkel. Dieses Bild verbinde ich mit der Apsis unserer Abteikirche, in deren Höhe hinein es immer dunkler wird.
Darum berührt es mich jedes Jahr neu, wenn das große Christkönigkreuz abgenommen ist, und allein die Sprache des Raumes, der Architektur wahrnehmbar ist. Die nach oben hin vom zunehmenden Dämmerdunkel geprägte Apsis ist für mich ein starkes Bild für Gottes Gegenwart und Sein, das neben aller Offenbarung immer auch Geheimnis bleibt.
Zugleich ist dieses Motiv auch ein Bild der großen Frage des Menschen, die ihn bedrängt, sich schwer verdrängen lässt, die ihn übersteigt und unterschiedliche Fassungen findet, die Frage nach dem Sinn, nach dem Warum, die Frage nach Gott. Wer, Wo ist Gott?

Das ist auch die Frage des Karfreitag: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Matthäus (27,46) und Markus (15,34) zitieren in ihren Passionsberichten dieses Wort, mit dem Psalm 22 beginnt, den wir heute in der Mittagshore gebetet haben. – Wo ist Gott?

In diesem Jahr gedenken wir der Befreiung der Konzentrationslager vor 80 Jahren. Die Millionen Morde an den Juden und an vielen anderen von den Nazis Verfolgten waren und sind bis heute eine Herausforderung für die Theologie nach Auschwitz: „Wo war Gott?“
In einer Barackenwand im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen hat ein Häftling geschrieben: Wenn es einen Gott gibt, dann soll er mich um Verzeihung bitten!“
Seit der Befreiung der Konzentrationslager 1945 bis 2001 hat es weltweit 248 bewaffnete Konflikte in 153 Ländern gegeben, bei denen 85 bis 90 Prozent aller Getöteten Zivilisten gewesen sind.
In unseren Tagen hat Russlands Krieg laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in der Ukraine bis jetzt 13.000 Zivilisten getötet, darunter knapp 700 Kinder.
Und im Gaza-Krieg, der nach dem Überfall der palästinensisch-islamistischen Terrororganisation Hamas auf israelische Zivilisten Anfang Oktober 2023 begann, liegt die Gesamtzahl der Opfer auf beiden Seiten laut Vatican news bei rund 35.000 Menschen, bei denen es sich zumeist um palästinensische Zivilisten handelt.
Zu diesen kriegerischen Konflikten kommen, so Caritas international, wirtschaftliche bzw. politische bewaffnete Krisen in Venezuela, Kolumbien, Libanon, Syrien, Irak, Afghanistan, Mali, Äthiopien, Südsudan, Zentralafrikanische Republik, Kongo, Tschad, Nigeria und Myanmar. Der Blutzoll vieler unschuldiger Menschen ist auch hier sehr hoch.

Am Karfreitag, so Heribert Prantl, Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung, „ist die   Abwesenheit Gottes anwesend. An diesem Tag richtet sich der Blick auf die Gottverlassenheit der Welt; dieser Tag gibt denen Recht, die sagen: Da ist kein Gott; … Der Karfreitag ist der Tag, der einen Atheismus der Verzweiflung achtet.“
Und weiter heißt es: „Der Glaube an Gott verlangt entweder ungeheure Naivität oder ein unglaubliches Ringen. Das Kreuz ist der Identifikationspunkt für Lebens- und Todeserfahrungen, die nicht auflösbar sind. Es ist der Ort für die Warum-Fragen, die unbedingt gestellt werden müssen, auch wenn sie keine letzte Antwort finden.“

Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass wir uns gleich dem Kreuz zuwenden, um es für uns als „Identifikationspunkt für Lebens- und Todeserfahrungen, die nicht auflösbar sind“, wahrzunehmen.
Die Gestalt des Gekreuzigten, die dabei vor unseren Augen enthüllt wird, ist ganz von der Hingabe Jesu geprägt: Es ist die zusammengesackte Gestalt eines am Kreuz gehenkten Menschen. Der Leib ausgezehrt, sich verzehrend für die Menschen, zu denen er über den Tod hinaus seine Hände ausstreckt. Diese Hände sind groß und leer, alles hat er hingegeben, zuletzt sich selbst, sein Leben.

Der Gekreuzigte ist selbst Gewaltopfer. In seinem Leiden wird er eins mit den bedrohten Anderen. In seinem Schrei nach Gott am Ende der Passion wird das schmerzhafte Vermissen der rettenden Macht Gottes hörbar gemacht und in Gestalt der Klage vor Gott selbst gebracht.
Diese Solidarität des Gottesknechtes mit den Leidenden findet sich bereits im Buch des Propheten Jesaja, dem die Erste Lesung, die wir gerade gehört haben entnommen ist. Im Umgang mit dem gewaltsamen und ungerechten Tod Jesu halfen den Jüngern diese Texte, in denen es heißt:

„Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt.
Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt.
Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes 52, 3-5).

Die Gestalt des Gottesknechtes am Kreuz ist nicht nur Zeichen von Jesu Solidarität mit den Leidenden, sondern auch Zeichen der Hoffnung, dass die Klagen, die verstummten Schreie der Opfer der Geschichte durch die Klage des Gottverlassenen, durch den Schrei des Gekreuzigten einen Ort in Gott selbst haben. Sie verhallen nicht ungehört, sondern finden – mit Ottmar Fuchs gesprochen – „Resonanz“ bei Gott selbst. Die offengebliebenen Fragen der Opfer werden nicht vergessen, sondern reichen in die von Jesus ver- und angekündigte Gegenwart des zukünftigen Gottesreiches hinein.

Auch dieser Gedanke klingt bereits im so eben Gehörten Gottesknechtslied an, wenn es am Ende heißt: „Doch der Herr hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten. Nachdem dieser vieles ertrug, erblickt er das Licht.“ (Jesaja 52, 10-11)

Hier leuchtet schon das Licht von Ostern auf, doch heute ist Karfreitag und morgen ist Karsamstag, bevor dann das Lumen Christi die Finsternis der Nacht durchbricht.

Darum folgen wir heute dem Beispiel des Gottesknechtes und verbinden uns nach der Kreuzverehrung in den Großen Fürbitten solidarisch mit allen Menschen, vor allem mit jenen, die sich von Gott und Menschen verlassen fühlen. Spüren wir dabei auch unserer eigenen inneren Not nach. Haben wir den Mut, uns unseren Zweifeln, unserer Verzweiflung, unseren Erfahrungen oder Gefühlen von Verlassenheit zu stellen. Nur wer bereit ist, die eigene Not zu fühlen, kann auch mitfühlend sein und anderen wirklich nahe sein und sie verstehen lernen.
Nehmen wir das Motiv der offenen Herzenswunde des Gekreuzigten als Aufforderung, unsere Herzen zu spüren, zu weiten und zu öffnen.

von P. Julian Maria Schaumlöffel OSB

O mein Heiland, großer König,
Du bist bei mir eingekehrt,
freudig trag‘ ich Dich im Herzen,
dem die ganze Welt gehört. 

Sieh, nun sollst Du alles haben,
was in meinem Herzen ist;
alles leg‘ ich Dir zu Füßen,
weil Du ja mein König bist.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

immer wieder, wenn ich dieses Gebet spreche, sehe ich mich mit den anderen ungefähr 30 Erstkommunionkindern auf der obersten Altarstufe knien, kann die Aufregung fast noch spüren und erinnere den besonderen Moment, als mein Heimatpfarrer uns die in den Wein eingetauchte Hostie behutsam auf die Zunge legte – „Leib und Blut Christi zum ewigen Leben!“ – und wir etwas unsicher das „Amen“ stammelten. Und unmittelbar nachdem das letzte Erstkommunionkind empfangen hatte, stimmten wir gemeinsam das mit unserem Pfarrer auswendig gelernte Gebet an. Die unsicheren Kinderstimmen, deren Lippen das altbekannte Gebet formulierten, ehe sie wieder zurück in die Bänke gingen, klingen mir noch heute im Ohr. Und einige von ihnen könnten das Gebet vermutlich spontan fortsetzen, so wie ich es oft erlebe, wenn ich es bei einer Krankenkommunion anstimme. Es gibt Momente im Leben, die sich so tief einbrennen, dass wir sie zeitlebens nicht wieder vergessen und die Erinnerung daran kaum verblasst.

Ewig trag ich dich im Herzen. Vielleicht ist die Erstkommunion ein solcher Moment. Das kindliche Herz, das voller Spannung erwartet, sich monatelang vorbereitet, Gebete auswendig lernt und vor Aufregung kaum schlafen kann. Und dann der große Moment, da ich zum ersten Mal das gewandelte Brot, den Leib Christi empfange und doch nicht verstehe, weil es alles Verstehen übersteigt und trotzdem so irdisch schmeckt.

Wir können das Brot des Abendmahles unbedacht oder oberflächlich empfangen. Von Seiten Jesu bleibt es immer das heilige Zeichen der Gegenwart Gottes. Aber von Seiten dessen, der es empfängt, kann es fruchtlos, ohne Wirkung bleiben. Das „Amen“ beim Empfang der Kommunion kann reines Lippenbekenntnis bleiben und selbst ein dreifaches Kreuzzeichen geschlagen und eine Kniebeuge davor und danach, retten es nicht.
Das Sakrament fällt vielmehr nur dort auf guten Boden, wo Menschen sich davon berühren lassen, dass Jesus es ernst meint: Leben ist nur dort fruchtbar und göttlich, wo es dient und sich schenkt. Einigen fällt das leichter, anderen schwerer. Das ist aber nicht entscheidend.
Entscheidend ist, sich unter das Wort zu stellen, das dieses Brot untrennbar mit dem Leben Jesu verbindet: „Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ Das Leben Jesu ist Hingabe, sein Tod am Kreuz, und damit verbinden wir uns.
Wer das Brot empfängt und sich dabei im Herzen über die Schwester oder den Bruder neben ihm erhebt, verächtlich auf ihn herabsieht und sich als etwas Besseres vorkommt, für den wird die Frucht des Sakramentes ausbleiben. Denn Jesus bricht das Brot im Abendmahlssaal gerade auch für den Sünder, den er liebt. Wer beim Empfang des Brotes auf den zum Tode Erniedrigten am Kreuz blickt, den lässt dieser Blick nicht mehr los, der lässt seinen Blick zum Guten verändern, der begreift mit dem Herzen und darf die Frucht des Sakramentes zutiefst spüren.
Leben ist nur dort fruchtbar und göttlich, wo es dient und sich schenkt. Und genau das feiern wir heute, wenn wir die dienende Geste der Fußwaschung in uns wachrufen und der Einsetzung des Altarsakramentes, der „Erstkommunion“ im Abendmahlssaal gedenken.

Lieber Herr, Du kamst vom Himmel
auf die Erde einst herab,
lebtest für uns Menschenkinder,
starbst am Kreuz und lagst im Grab. 

Glorreich bist Du auferstanden,
fuhrst empor zum Firmament;
doch als Denkmal Deiner Liebe
gabst Du uns dies Sakrament.

Als Denkmal Deiner Liebe. Die Fußwaschung soll zeigen: Hier meint es einer ernst. „Das ist mein Leib für euch!“, ist nicht als rhetorische Floskel, sondern ernst gemeint. Seinen „Leib“, das was greifbar ist und ihn ausmacht, gibt er in dienender Geste, gibt er in dem Brot, das er bricht.
Das zu glauben fällt schwer. Wir sind in unserem Alltag an hochglanzpolierte Oberflächen gewöhnt, deren Rückseite oft enttäuscht. Spätere Zeiten werden vielleicht wie die früheren nicht einmal mehr die Bedeutung des Wortes ‚Design‘ kennen; heute jedoch tragen es ganze Berufsgruppen und Branchen im Namen. Das geht an keinem von uns spurlos vorüber. Wir werden gleichsam trainiert, stärker auf das Oberflächliche, das Sichtbare fixiert zu sein, obwohl das schönste Design oft nur inhaltsleere Fassade ist. Die Weltpolitik zeigt es uns gerade in aller Härte. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass da jemand ist, der wirklich mit seinem ganzen Leben hinter dem steht, was er verspricht. Der mehr ist als das Sichtbare.
Jesus verspricht den Jüngern dieses „Mehr“. Es ist die Gemeinschaft in seinem Leib, wenn sie das Brot brechen, das er ihnen gibt, und er verspricht den „Neuen Bund“, das ist der ewige Bund Gottes mit seinem Volk. Bleibende Gemeinschaft – Communio. Das Entscheidende ist nicht die Oberfläche, das äußerlich sichtbare Brot, sondern die Gemeinschaft mit Jesus, der dahinter steht und wirklich meint, was er sagt.

Leben ist nur dort fruchtbar und göttlich, wo es dient und sich schenkt.

Versuchen wir gerade heute, uns innerlich mitnehmen zu lassen in den Abendmahlssaal, mit Jesus und den Jüngern in lebendiger Gemeinschaft versammelt, voller Spannung und Erwartung diese Erstkommunion – das ist heute – zu feiern, den Zauber des Anfangs nochmal zu spüren und überprüfen wir unsere innere Haltung, damit das Sakrament auch wirklich Frucht bringen kann: Dankbar und in Anerkennung der Gegenwart Gottes in dem unscheinbaren Zeichen. Denn wie wollte ich aufhören auf Menschen herabzuschauen, wenn ich noch nicht einmal zu Gott aufschaue?
Wenn ich aber zu Gott aufschaue, der sich im einfachen Brot schenkt – vielleicht lehrt mich das die Ehrfurcht vor dem anderen, ebenso wichtigen Sakrament der Gegenwart Gottes: Dem Antlitz des Menschen, eines jeden Menschen – jenseits aller glitzernden Oberfläche.

In seiner einfachen Sprache, formuliert das Gebet doch letztlich alles, worauf es ankommt: 

Schenke mir nun deine Gnade,
hilf mir durch Dein Fleisch und Blut,
dass ich Deiner würdig werde,
heilig lebe, fromm und gut. 

Lehr mich glauben, lehr‘ mich lieben,
lehr‘ mich kämpfen für Dein Reich,
dass mein junges Menschenleben
Deinem Leben werde gleich. 

Christus, König aller Länder,
aller Völker, aller Zeit,
froh soll alle Welt Dir singen:
Hochgelobt in Ewigkeit.

Amen.

von Br. Anno Schütte OSB

Mit dem heutigen 4. Sonntag der Fastenzeit nehmen die liturgischen Texte das nahende Osterfest in den Blick. Mehr als die Hälfte der Fastenzeit liegt hinter uns – heute in 3 Wochen feiern wir Ostern.

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn will uns auf Ostern einstimmen und vorbereiten. Ostern feiern wir die Wandlung vom Tod zum Leben – Auferstehung – und darum geht es auch im gehörten Gleichnis. Dort sagt der Vater: „ …, mein Sohn, war tot und lebt wieder.“ Und weiter: „Er war verloren und ist wiedergefunden worden.“

Der Tod wird als ein Verloren-Sein und das Wieder-Leben als ein Wieder-Gefunden-Sein gedeutet. Es geht um die Not existenzieller Einsamkeit und die Auflösung, ja Erlösung aus dieser Not. Hier ist einer aus dem Tod der Isolation umgekehrt in eine neue lebendige Beziehung zum Vater. Das Gleichnis präsentiert uns ein sehr konkretes Ostern, eine Auferstehung – schon in diesem Leben.

Es wird eingeleitet von der Empörung der Pharisäer und Schriftgelehrten, weil Jesus sich mit Sündern abgibt und sogar mit ihnen isst. Am Ende des Gleichnisses empört sich der zu Hause gebliebene Sohn über das Festessen mit dem heimgekehrten Sohn. Eine doppelte Verneinung umgibt das Gleichnis: Davor stehen Pharisäer und Schriftgelehrten als Repräsentanten eines engen religiösen Systems. Danach steht ein vergleichend berechnender Bruder. – Das Nein engherziger Menschen umgibt kontrastierend das Ja Gottes in der Figur des barmherzigen Vaters. So leuchtet das glanzvolle gemeinsame Fest der Barmherzigkeit dazwischen umso mehr.

Warum war und ist es offensichtlich so schwer, sich der unendlichen Barmherzigkeit Gottes zu öffnen, sich ihr zu überlassen und sie zu feiern? Warum ruft sie solche Abwehrreflexe hervor?

Das Gleichnis von der Umkehrgeschichte des Sohnes könnte auch uns eine Antwort anbieten. Zunächst ist es eine Geschichte des Niedergangs, des wortwörtlichen Zu-Grunde-Gehens. Man kann nicht tiefer sinken als zu den Schweinen und deren Futterschoten und nicht mal damit kann der Sohn seinen Hunger stillen, weil niemand ihm davon gibt. Er ist er am Ende, total isoliert, und das gesteht er sich auch klipp und klar ein. Sein Nullpunkt wird der Wendepunkt zum Aufbruch. Auf-Bruch, das Brechen darin, bezeugt einen auch schmerzhaften Prozess. Das radikale Auf-sich-zurückgeworfen-Sein wird ein Durch-Bruch. Er weitet und öffnet sich für eine tiefere, die tiefste Wahrheit, die sich ihm erst jetzt erschließt: Der Vater ist weiterhin da. Allein diese Gegenwart ist ein Grund, ein Ur-Grund für die Umkehr in eine neue Lebensphase, die – mittlerweile bescheiden geworden – als Tagelöhner beginnen soll. Sein Niedergang in die Isolation wandelt sich in ein Wieder-auf-den-Vater-Zugehen und seine bisherige Stummheit in ein Ansprechen seines Vaters.

Bevor es dazu kommt, sieht der ihn schon von weitem kommen. Für uns übersetzt: Gott hält Ausschau nach uns Menschen und wartet auf uns – auch wenn wir (noch) weit entfernt sind. Der Gott, den Jesus im Gleichnis als Vater verkündet, ruht nicht in sich, sondern bewegt sich auf uns zu, nimmt auch uns in den Arm und küsst uns, so wie das ein liebender Vater nun mal tut. Kein Vorwurf, keine Auf- oder Abrechnung. Das öffnet den Sohn weiter und er bekennt freimütig seinen selbst gewählten Niedergang. Gott will unsere Freiheit, weil Lieben heißt: Ich will, dass Du frei bist! – Auch auf das Risiko hin, dass wir Freiheit missbrauchen und vor allem uns selbst damit schaden.

Nichts scheint gut genug für dieses Fest der Umkehr: das beste Gewand, der kostbare Ring, das Mastkalb – dieser Vater gibt alles, sich selbst. Es ist eine Vorausschau auf die Ganzhingabe Gottes durch Jesus für die Welt, für jeden von uns. Das ist unglaublich! Wir feiern es immer wieder, als Wieder-Holung. In Umkehr und Aufbruch holen wir uns wieder in eine persönlich bejahende Gottesbeziehung. Die ist uns immer – besonders an den Nullpunkten unseres Lebens – von Gott her als Geschenk angeboten. Auch heute – und besonders an Ostern.