40 x Hoffnung (3/40 – Freitag nach Aschermittwoch)

Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.(1 Petrus 2,5) 

Die Hoffnung hat eine besondere Qualität in Familien, in denen ein Kind an einer schweren Krankheit leidet oder eine Einschränkung hat. Hoffnung kann in diesen Fällen eine Kraftquelle sein, aber manchmal wagt man auch gar nichts mehr zu hoffen, scheint alles vergebens. Es ist eine Berg- und Talfahrt, ein Auf und Ab. Mal gibt es positive Überraschungen, Entwicklungen, die wie Quantensprünge sind, mal muss man Fortschritte mit dem Mikroskop suchen, so klein sind sie.
Mein Bruder Christian und seine Frau Manuela haben drei Pflegekinder: Nino, Jana und Leoni. Der Älteste von ihnen ist Nino, und Nino ist Autist. Es ist einer diese seltsamen Zufälle des Lebens, dass das Pflegeeltern -Abenteuer von Christian und Manu zur gleichen Zeit begann, zu der ich in Düsseldorf getauft wurde. Im Jahr 2010 machten wir uns alle auf zu neuen abenteuerlichen Wegen. Abenteuer ist wohl sehr untertrieben, wenn man sich auf den Weg macht, eine Familie zu gründen, und das mit einem Kind, das einem zur Obhut anvertraut wurde.
Der Weg, der mit Nino begann, war unsicher; Neues zu lernen jeden Tag ist herausfordernd. Und dann das tiefe Gefühl, dass da etwas nicht stimmt, die Hoffnung, dass man sich das vielleicht doch nur einbildet. Und dann der weite Weg zu einer Diagnose.
Herausfordernd ist auch für Nino sein ganzes Leben. In der Familie findet er Halt und Struktur. Manchmal sind es seine Geschwister, die am besten wissen, was gerade mit Nino los ist. Die drei Kids stützen sich, aber Jana und Leonie wissen auch gut, wann sie Nino mal ein Stoppschild zeigen müssen.
Unsere Gesellschaft dagegen weiß immer noch so wenig, was Autismus ist. Wie lebt es sich, wenn die Umwelt auf einen ungefiltert einströmt?
Und es gibt immer noch viele Vorurteile gegenüber Menschen mit Einschränkungen. Inklusion ist ein schönes Versprechen, das aber von unserem Staat oft nicht eingelöst wird. Behinderung ist nicht etwas, was Menschen haben, es ist das ganz bewusste Handeln einer optimierten Welt, die möglichst wenig für Menschen tun möchte, die nicht unserer Norm entsprechen.
Ich bin gerne dort zu Besuch, es ist so wunderbar bunt und turbulent. Alles ist so lebendig.
Mama, Papa, drei Kinder und drei Katzen.
Das kann aber auch mal auf die Nerven gehen, zugegeben. Und das, wo ich doch als ach so „normaler“ Mensch alles so gut filtern kann.
Ich bewundere meine Schwägerin und meinen Bruder, wie sie das alles händeln. Und manchmal habe ich auch ein wenig die Sorge, dass sie selbst dabei unter die Räder kommen könnten. Ich glaube, ich habe ihnen noch nie gesagt, wie stolz ich auf sie alle bin.
Nino hat eine große Leidenschaft. Er baut gerne alles mögliche aus Legosteinen. Und das macht er in einer Geschwindigkeit, die beeindruckend ist. Während man selbst gerade versucht, die Bauanleitung zu entziffern, hat er schon den ersten Bauabschnitt gelöst.
Vor kurzem hat er an einem Projekt mitgearbeitet, in dem Rollstuhlrampen aus Legosteinen gebaut werden.
Viele Orte sind für Rollstuhlfahrer nicht zu erreichen, weil gleich am Eingang eine Stufe ein Hineinkommen unmöglich macht. Eine Rampe aus Legosteinen ist dann eine kostengünstige, unbürokratische, bunte und schnelle Lösung für dieses Problem.
Bunte Lösungen sind vielleicht auch das, was unserer Welt gerade jetzt Hoffnung geben kann. Je mehr wir uns gegenseitig über Hindernisse helfen, umso leichter wird es für jeden von uns werden. Doch dafür ist Vielfalt notwendig.
Jeder Mensch ist einzigartig, ein Kind Gottes, wichtig und unendlich kostbar.
Divers wird aber mittlerweile von einigen Menschen als Schimpfwort verwendet, dabei ist es eine Hoffnung, denn kein Haus und keine Zukunft lässt sich nur mit einer Sorte Steinen bauen. 

Br. Balthasar Hartmann OSB ist Mönch der Abtei Königsmünster. Er ist tätig als Pförtner, Gastbruder und in der Kursarbeit im Haus der Stille.