Predigt an Gründonnerstag (17.04.2025)
von P. Julian Maria Schaumlöffel OSB
O mein Heiland, großer König,
Du bist bei mir eingekehrt,
freudig trag‘ ich Dich im Herzen,
dem die ganze Welt gehört.
Sieh, nun sollst Du alles haben,
was in meinem Herzen ist;
alles leg‘ ich Dir zu Füßen,
weil Du ja mein König bist.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
immer wieder, wenn ich dieses Gebet spreche, sehe ich mich mit den anderen ungefähr 30 Erstkommunionkindern auf der obersten Altarstufe knien, kann die Aufregung fast noch spüren und erinnere den besonderen Moment, als mein Heimatpfarrer uns die in den Wein eingetauchte Hostie behutsam auf die Zunge legte – „Leib und Blut Christi zum ewigen Leben!“ – und wir etwas unsicher das „Amen“ stammelten. Und unmittelbar nachdem das letzte Erstkommunionkind empfangen hatte, stimmten wir gemeinsam das mit unserem Pfarrer auswendig gelernte Gebet an. Die unsicheren Kinderstimmen, deren Lippen das altbekannte Gebet formulierten, ehe sie wieder zurück in die Bänke gingen, klingen mir noch heute im Ohr. Und einige von ihnen könnten das Gebet vermutlich spontan fortsetzen, so wie ich es oft erlebe, wenn ich es bei einer Krankenkommunion anstimme. Es gibt Momente im Leben, die sich so tief einbrennen, dass wir sie zeitlebens nicht wieder vergessen und die Erinnerung daran kaum verblasst.
Ewig trag ich dich im Herzen. Vielleicht ist die Erstkommunion ein solcher Moment. Das kindliche Herz, das voller Spannung erwartet, sich monatelang vorbereitet, Gebete auswendig lernt und vor Aufregung kaum schlafen kann. Und dann der große Moment, da ich zum ersten Mal das gewandelte Brot, den Leib Christi empfange und doch nicht verstehe, weil es alles Verstehen übersteigt und trotzdem so irdisch schmeckt.
Wir können das Brot des Abendmahles unbedacht oder oberflächlich empfangen. Von Seiten Jesu bleibt es immer das heilige Zeichen der Gegenwart Gottes. Aber von Seiten dessen, der es empfängt, kann es fruchtlos, ohne Wirkung bleiben. Das „Amen“ beim Empfang der Kommunion kann reines Lippenbekenntnis bleiben und selbst ein dreifaches Kreuzzeichen geschlagen und eine Kniebeuge davor und danach, retten es nicht.
Das Sakrament fällt vielmehr nur dort auf guten Boden, wo Menschen sich davon berühren lassen, dass Jesus es ernst meint: Leben ist nur dort fruchtbar und göttlich, wo es dient und sich schenkt. Einigen fällt das leichter, anderen schwerer. Das ist aber nicht entscheidend.
Entscheidend ist, sich unter das Wort zu stellen, das dieses Brot untrennbar mit dem Leben Jesu verbindet: „Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ Das Leben Jesu ist Hingabe, sein Tod am Kreuz, und damit verbinden wir uns.
Wer das Brot empfängt und sich dabei im Herzen über die Schwester oder den Bruder neben ihm erhebt, verächtlich auf ihn herabsieht und sich als etwas Besseres vorkommt, für den wird die Frucht des Sakramentes ausbleiben. Denn Jesus bricht das Brot im Abendmahlssaal gerade auch für den Sünder, den er liebt. Wer beim Empfang des Brotes auf den zum Tode Erniedrigten am Kreuz blickt, den lässt dieser Blick nicht mehr los, der lässt seinen Blick zum Guten verändern, der begreift mit dem Herzen und darf die Frucht des Sakramentes zutiefst spüren.
Leben ist nur dort fruchtbar und göttlich, wo es dient und sich schenkt. Und genau das feiern wir heute, wenn wir die dienende Geste der Fußwaschung in uns wachrufen und der Einsetzung des Altarsakramentes, der „Erstkommunion“ im Abendmahlssaal gedenken.
Lieber Herr, Du kamst vom Himmel
auf die Erde einst herab,
lebtest für uns Menschenkinder,
starbst am Kreuz und lagst im Grab.
Glorreich bist Du auferstanden,
fuhrst empor zum Firmament;
doch als Denkmal Deiner Liebe
gabst Du uns dies Sakrament.
Als Denkmal Deiner Liebe. Die Fußwaschung soll zeigen: Hier meint es einer ernst. „Das ist mein Leib für euch!“, ist nicht als rhetorische Floskel, sondern ernst gemeint. Seinen „Leib“, das was greifbar ist und ihn ausmacht, gibt er in dienender Geste, gibt er in dem Brot, das er bricht.
Das zu glauben fällt schwer. Wir sind in unserem Alltag an hochglanzpolierte Oberflächen gewöhnt, deren Rückseite oft enttäuscht. Spätere Zeiten werden vielleicht wie die früheren nicht einmal mehr die Bedeutung des Wortes ‚Design‘ kennen; heute jedoch tragen es ganze Berufsgruppen und Branchen im Namen. Das geht an keinem von uns spurlos vorüber. Wir werden gleichsam trainiert, stärker auf das Oberflächliche, das Sichtbare fixiert zu sein, obwohl das schönste Design oft nur inhaltsleere Fassade ist. Die Weltpolitik zeigt es uns gerade in aller Härte. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass da jemand ist, der wirklich mit seinem ganzen Leben hinter dem steht, was er verspricht. Der mehr ist als das Sichtbare.
Jesus verspricht den Jüngern dieses „Mehr“. Es ist die Gemeinschaft in seinem Leib, wenn sie das Brot brechen, das er ihnen gibt, und er verspricht den „Neuen Bund“, das ist der ewige Bund Gottes mit seinem Volk. Bleibende Gemeinschaft – Communio. Das Entscheidende ist nicht die Oberfläche, das äußerlich sichtbare Brot, sondern die Gemeinschaft mit Jesus, der dahinter steht und wirklich meint, was er sagt.
Leben ist nur dort fruchtbar und göttlich, wo es dient und sich schenkt.
Versuchen wir gerade heute, uns innerlich mitnehmen zu lassen in den Abendmahlssaal, mit Jesus und den Jüngern in lebendiger Gemeinschaft versammelt, voller Spannung und Erwartung diese Erstkommunion – das ist heute – zu feiern, den Zauber des Anfangs nochmal zu spüren und überprüfen wir unsere innere Haltung, damit das Sakrament auch wirklich Frucht bringen kann: Dankbar und in Anerkennung der Gegenwart Gottes in dem unscheinbaren Zeichen. Denn wie wollte ich aufhören auf Menschen herabzuschauen, wenn ich noch nicht einmal zu Gott aufschaue?
Wenn ich aber zu Gott aufschaue, der sich im einfachen Brot schenkt – vielleicht lehrt mich das die Ehrfurcht vor dem anderen, ebenso wichtigen Sakrament der Gegenwart Gottes: Dem Antlitz des Menschen, eines jeden Menschen – jenseits aller glitzernden Oberfläche.
In seiner einfachen Sprache, formuliert das Gebet doch letztlich alles, worauf es ankommt:
Schenke mir nun deine Gnade,
hilf mir durch Dein Fleisch und Blut,
dass ich Deiner würdig werde,
heilig lebe, fromm und gut.
Lehr mich glauben, lehr‘ mich lieben,
lehr‘ mich kämpfen für Dein Reich,
dass mein junges Menschenleben
Deinem Leben werde gleich.
Christus, König aller Länder,
aller Völker, aller Zeit,
froh soll alle Welt Dir singen:
Hochgelobt in Ewigkeit.
Amen.