Predigt zu Mk 1,7-11 am Fest der Taufe des Herrn (07.01.2024)

von P. Klaus-Ludger Söbbeler OSB

Ich will, dass Du bist.

I.

Jemand fühlt sich wie versteinert, mutlos, ohne Orientierung, kraftlos. Da hinein sagt ihm einer ein Wort der Zuneigung und Sympathie. Dann kann es geschehen, dass beinahe im Handumdrehen aus dem versteinerten Herzen ein Herz aus Fleisch wird, eines das lebt und pocht und springen möchte vor Erleichterung und Freude. Einen solchen lebenswendenden und Leben spendenden Satz haben wir gerade im Evangelium gehört. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“-  Im Augenblick seiner Taufe hört Jesus diesen Satz und wird von ihm so gepackt, dass er davon im Leben und durchs Sterben hindurch getragen ist. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Das verinnerlicht Jesus so sehr, dass er ganz und gar verkörpert wer und wie Gott ist.

II.

Wenn ich in mich selbst hineinschaue und deute, was ich immer wieder mit Menschen erlebe, ist das eine der größten Sehnsüchte, die wir alle in uns haben: Ich möchte wer sein. Darum ist es auch wohl so unbeschreiblich bitter, wenn jemand glaubt von sich sagen zu müssen: Ich habe es zu nichts gebracht, niemand findet Gefallen an mir.

Weil ganz viele Menschen es zu möglichst viel bringen wollen, geschieht unendlich viel: Schauen Sie sich Ihre Schul- und Ausbildungszeugnisse, Ihre Gehaltskonten, Ihre Titel, den Komfort Ihrer Häuser, die Autos und Urlaubsreisen … an: Dazu haben wir es gebracht.

Zugleich Sie wissen alle aus Ihrer Lebenserfahrung: Früher oder später wirken Menschen einfach nur komisch oder tragisch in ihrem Versuch, koste es was es wolle, wer zu sein. Kurz: Wer meint, er wäre schon wer, wenn er es zu etwas gebracht hat, liegt irgendwann auf der Nase.

Denn der Satz: „Ich bin wer“ oder „Ich gefalle mir“ geht nicht; er hört sich entweder schrecklich einsam oder lächerlich naiv an. Es geht nur: „Du bist wer.“ „Du gefällst mir.“ Alles andere ist Krampf, – so wie der Versuch, sich selbst zu umarmen. Es gibt Dinge, die kann ich mir nicht selber sagen, die sind nur gültig, wenn ich sie gesagt bekomme – aus freien Stücken, von Herzen, kurz aus Liebe. Denn Liebe bedeutet: „Ich will, dass du bist“, so der heilige Augustinus

Wir Menschen leben nicht von dem, was wir bringen, sondern von dem, was uns gebracht wird, nicht von dem, was wir machen, sondern von dem, was uns geschenkt ist. Das gilt umso mehr, je hartnäckiger behauptet wird, dass es anders sei.

III.

Wenn ich persönlich ausdrücke, was es heißt an Gott zu glauben, dann ist es ganz einfach dies: Was ich bin, ist mir von Gott geschenkt. Und Unglaube ist aus dieser Perspektive: Ich muss selbst das bringen, was ich sein will. Der entscheidende Satz des Glaubens lautet: Gott, ich glaube dir, dass du an mich glaubst und deshalb Mensch geworden bist.

So an Gott glauben zu können, ist eine unglaublich schöne Sache, weil es mich von diesem Krampf entlastet, mir selber sagen zu müssen, dass ich wer bin – und immer wieder und wieder zu leiden, dass das nun einmal nicht geht, selbst wenn ich mich dabei bis zum Umfallen anstrenge.

An Gott zu glauben ist zugleich eine unglaublich schwere Sache, weil wir bis in innerste Tiefen meinen, wir seien nur das, was wir aus uns machen: Eine Wahnvorstellung, die deshalb so wirksam ist, weil so viele behaupten, das sei doch normal. Sich nicht vorstellen können und erst recht nicht glauben können, dass vor allen anderen, sogar vor mir selbst, Gott an mich glaubt, – das ist die eigentliche Wurzel des Unglaubens, – auch der Glaubens- und Kirchenkrise hier und heute.

IV.

Weil glauben so schön und so schwer zugleich ist, deshalb können wir es nicht allein. Deshalb gibt es Kirche in Gemeinden, Klöstern, Gruppen. All das ist zu nichts anderem da, als das Menschen im Namen Gottes einander sagen und darin bestärken: Du bist wer, weil Gott dein Vater ist und Jesus Christus dein Bruder wurde, du bist Kind Gottes. Die einfache Tatsache, dass du da bist, ist genug, damit es gut ist. Kurz und noch einmal: „Ich will, dass du bist.“

Jede Begegnung, die einem Menschen das vermittelt, ist ein Augenblick, in dem sich der Himmel öffnet. Jede Situation ohne Tuchfühlung mit diesem Himmel ist ein Vorgeschmack der Hölle.

Damit sich der Himmel öffnet und offen bleibt, gibt es die Taufe: Der Mensch bekommt – theologisch ausgedrückt – als „unauslöschliches Siegel“ eingebrannt: Du bist schon wer, bevor Du es zu etwas gebracht hast. Wer das in sich aufnimmt und in sich wirken lässt, der bekommt ein „neues Herz“, einen „neuen Geist“.

Wenn wir diesen „neuen Geist“ aus den Weihnachtstagen mitnehmen könnten in den „Jahreskreis“, – dann wäre der kein Hamsterrad, in dem wir uns totlaufen, sondern eine Etappe auf dem Weg zum Himmel!