5. Dezember – O Heiland, reiß die Himmel auf
von Br. Balthasar Hartmann OSB
O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
Es ist schon ein wenig überraschend, in einem Adventslied gleich zu Anfang eine solche Dynamik zu finden.
Da soll angepackt werden, und es ist kein feierliches „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, sondern die Tore des Himmels werden gleich ganz aus den Angeln gerissen. Nicht viel von stiller romantisch besinnlicher Adventszeit.
Der Text des Liedes, das wahrscheinlich die meisten von ihnen kennen, stammt von dem Jesuiten Friedrich Spee und tauchte das erste Mal 1622 in einer Liedsammlung in Würzburg auf.
Sein Text nimmt Bezug auf das Buch Jesaja, dessen Texte uns traditionell durch den Advent begleiten. Sie beschreiben prophetisch die Ankunft des Heilands, und wie das die Welt verändern wird. Da ist von der Wüste die Rede, die fruchtbar wird. Das bekannteste Bild ist der Wurzelstock, der zu sprossen beginnt.
All das sind Bilder, die Hoffnung machen, aber auch von der Hoffnungslosigkeit erzählen, in der sich Menschen befinden.
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.
Heute ist es in Vergessenheit geraten, dass die Adventszeit einmal auch eine Bußzeit war, genau wie die Fastenzeit vor Ostern. Und genau wie in der Fastenzeit bereitete man sich durch gutes Handeln auf das Fest vor, aber auch mit dem Blick darauf, sich selbst im Himmel einen Platz durch gute Taten und gutes Handeln zu sichern. Dieses altmodische Bild findet sich noch ganz aktuell darin, dass die Adventszeit immer noch die Zeit ist, in der die meisten Spenden gesammelt werden. Und wenn wir vielleicht gerade genüsslich in einen Lebkuchen gebissen haben, dann sei hier auch erwähnt, dass Lebkuchen einmal eine Fastenspeise waren, sozusagen ein Powerriegel, der dabei geholfen hat, durch eine karge Zeit zu kommen.
Aber grundsätzlich ist uns das Bild des Sünders, der Buße tun muss, heute fern.
Die Hoffnung und der Trost, die aber in den Texten zu finden sind, sprechen uns immer noch genauso an wie einst.
O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.
Die Zeiten, in denen das Lied erschien, waren keine leichten Zeiten, der 30-jährige Krieg zog mit seinen Schecken durch das Land. Die Menschen waren ausgebrannt, hatten wenig Hoffnung, und der Wahn der Hexenverfolgung machte sich in ganz Deutschland breit. Friedrich Spee war ein Kind seiner Zeit, aber sein Blick führte über diese Zeiten hinaus, und er wurde von der Hoffnung genährt, die er aus seinem Glauben ziehen konnte, aber auch konkret von seinem Empfinden für Gerechtigkeit.
Er gehörte zu den wenigen Menschen, die Folter als nicht rechtens sahen, und er war ein entschiedener Gegner der Hexenverfolgung.
Und man ist sich heute sehr sicher, dass er mit seinem unvergessenen Lied nicht nur einen Adventsklassiker geschrieben hat, sondern auch ein politisches Lied. Also ganz ein politscher Protestsong wie von Bob Dylan oder Tracy Chapman.
Und dann kann man auch das Stoßgebet der ersten Strophe besser verstehen, aus dem eine gewisse Wut spricht, und das Bild des fruchtbringenden Regens in der folgenden Strophe kann durchaus auch als Metapher gelesen werden von einem Regen, der die Feuer der Scheiterhaufen löschen wird.
O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
Ich finde es ein schönes Bild, das die Hoffnung und der daraus wachesende Mut von Friedrich Spee bis in unsere Zeit immer noch zu spüren ist, indem er uns dieses Lied geschenkt hat.
Und vielleicht können wir auch ein wenig von dieser Hoffnung in unseren Advent mitnehmen.

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