Predigt in der Osternacht (30.03.2024)

von Abt Cosmas Hoffmann OSB

„Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: Die Messe.
Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten: Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken, dass das wichtigste in der Kirche die Wandlung ist.
Sie werden empört sein: Nein, alles soll so bleiben, wie es ist.“

Dieser pointierte Gedankengang von Lothar Zenetti entlarvt die uns zur Selbstverständlichkeit gewordene Spaltung zwischen dem, was wir in Gebet, Kult und Ritus vollziehen, und dem was unser Lebensgefühl prägt.
Zugleich weist er hintergründig auf die große Bedeutung von Wandlung, wenn Kirche, Glaube und Spiritualität lebendig und belebend sein sollen.

Die Bedeutung der Wandlung in der Messe wird darin deutlich, dass wir gleich nach der Wandlung von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi, angesichts der gewandelten Gaben dazu aufgefordert werden, das Geheimnis des Glaubens, das mysterium fidei, zu bekennen:

„Deinen Tod, o Herr, verkünden wir,
und deine Auferstehung preisen wir,
bis du kommst in Herrlichkeit“

Dieses mysterium fidei ist letztlich eine Bekenntnisformel des mysterium paschale, des Paschamysteriums, mit dem der Benediktiner und Liturgiewissenschaftler Odo Casel sowohl die liturgische Feier als auch ihren Inhalt bezeichnete.

„Pascha“ , der Übergang Christi von Leiden und Tod zum Leben, ist für den Laacher Mönch der grundlegende Gehalt des Christentums, des Osterfestes und jeder liturgischen Feier. Am Christen soll sich durch die Feier der Liturgie schon in diesem Leben vollziehen, was sich an Christus vollzogen hat: Der Übergang in das neue Leben mit Christus beim Vater.

Hier ist die Spaltung zwischen Liturgie und Gottesdienst einerseits und dem persönlichen Leben andererseits überwunden. Dieses Denken ist keinesfalls neu, sondern gründet in der Theologie des frühen Christentums und der alten Kirche, mit deren Quellen sich Odo Casel zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts intensiv beschäftigt hat.
Auf diese Weise hat er mit anderen Theologen die Grundlagen für die Entwicklung einer neuen Theologie gelegt, die sich dann im II. Vatikanischen Konzil Bahn brach und in wichtigen Konzilsdokumenten ihren Ausdruck findet .

Von besonderer Bedeutung ist in dieser Theologie der Heilige Geist, so dass manche Kommentatoren des Konzils auch von einer Wiederentdeckung des Heiligen Geistes sprechen.
Dieser Geist ist es, der uns mit Christus verbindet, uns wandelt, um so Christus gleichförmig zu werden. So schreibt Paulus im 1. Korintherbrief: „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: … wir werden alle verwandelt werden“ (15,51).

Durch den Geist des Auferstandenen, der uns zuerst durch Taufe und Firmung geschenkt wird, werden wir zu einer neuen Schöpfung, zu neuen Menschen, werden wir, paulinisch gesprochen, von „fleischlichen“ Menschen zu geistlichen Menschen.

Durch den Geist des Auferstandenen wohnt Gott in unseren Seelen, denn so verheißt Jesus seinen Jüngern beim letzten Abendmahl: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen“ (Jo 14,23).

Oder in den Worten Gregors des Großen: Gott wohnt durch den Geist „in der Herberge unserer Herzen“ (Homilie 30 zu den Evangelien).

Dieser Geist muss in uns wachsen und sich auswirken, bis der innere, himmlische Mensch zum Vollalter Christi heranreift Christ-sein ist also ein Prozess, ein Christ-werden. Um diesen Prozess in Bewegung zu halten, feiern wir einmal jährlich in der Feier der Kar- und Ostertage das Pascha Christi in entfalteter Form. Doch auch alle übrigen liturgischen Feiern verbinden uns in besonderer Weise mit Christus.

Der Geist Gottes, dessen Wirken wir in den heutigen Lesungen, wie uns zu Beginn des Wortgottesdienstes gesagt wurde, verfolgt haben, kann uns angesichts der Bedrohungen und Herausforderungen unserer Zeit, Beistand, Trost und Stärkung sein. Er ist es, der lebendig macht und aufrichtet.
Darum hat Jesus im Rahmen des letzten Abendmahles seinen Jüngern zugesagt: „ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit“ (Jo 14,16f).

Und als der Auferstandene am Abend des ersten Tages, an dem die Frauen den Jüngern vom leeren Grab erzählt hatten, durch die ängstlich verschlossenen Türen in ihre Mitte trat, „hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ (Jo 20,22). – Der Heilige Geist als erste Gabe des Auferstandenen.

Von dieser Gabe soll auch die diesjährige Osterkerze künden, bei der Br. Justus die Struktur des großen Fensters hier in der Apsis aufgenommen hat. Morgen, wenn das Licht hindurchfällt, ist dann gut zu erkennen, dass hier der Heilige Geist als Feuer dargestellt ist, das vom Himmel herabfällt. Dahinter steht die Prophezeiung aus dem Buch Joel (3,1): „Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, / eure Alten werden Träume haben / und eure jungen Männer haben Visionen.“

Wagen wir, bewegt vom Geist des Auferstandenen, zu träumen, entwickeln wir Visionen, und haben wir den Mut, uns immer tiefer mit Christus zu verbinden und von seinem Geist beleben, bewegen und wandeln zu lassen.

 

 

Die Gedanken zum Wirken des Heiligen Geistes verdanken sich dem Kapitel „Pfingsten“ der Schrift Odo Casels „Das christliche Festmysterium“ (Paderborn 1941), 76-83.