Predigt am 21. Sonntag im Jahreskreis (24.08.2025)

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von Br. Karl-Leo Heller OSB

Liebe Schwestern und Brüder,

da bin ich nach zwei Jahren mal wieder mit der Predigt in der Abtei dran und dann bekomme ich so ein Evangelium. Das war mein erster Gedanke. Und der zweite Gedanke: Angst vor der Hölle kommt in meinem Glauben nicht wirklich vor. Im Alltag zweifele ich überhaupt nicht daran, in den Himmel zu kommen.

Vielleicht bin ich ja damit so ein typisch kölsch-katholischer Mensch. „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel…“ Natürlich ist das ein Karnevalslied und nicht gerade eine biblische Aussage. Aber irgendwie spiegelt es doch etwas von meinem intuitiven Glauben wider. Denn er enthält ja eine tiefe Sehnsucht, die Sie vielleicht auch kennen: Am Ende soll es gut werden. Am Ende möchte ich – möchten wir getragen sein, geborgen sein, bei Gott ankommen.

Und doch klingt das heutige Evangelium anders. Jesus spricht von der engen Tür. Und er sagt: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür hineinzugelangen; denn viele, sage ich euch, werden hineinzukommen versuchen und es nicht können.“

Das klingt nicht Easy-Going. Es klingt nach Herausforderung, nach einer Tür, die nicht einfach weit offensteht, sondern an der man sich mühen muss.

Ich habe ein bisschen Widerstand: Warum so streng, Jesus? Warum so abgrenzend? Oder ist es vielleicht nur der Evangelist Lukas, der ja gern mal das eine oder andere Drohwort berichtet. Ich kann nicht glauben, dass es darum gehen soll, Menschen Angst zu machen oder auszugrenzen. Vielleicht will Jesus uns auf etwas ganz anderes aufmerksam machen.

Ich glaube, der kölsche Karnevalsschlager von Jupp Schmitz hat deshalb so viel Erfolg, weil wir in uns diese tiefe Sehnsucht tragen: Dass der Himmel weit ist. Dass Gottes Liebe größer ist als unsere Fehler. Dass wir am Ende nicht auf der Strecke bleiben.

Und tatsächlich: Das ist ja auch – und ganz wesentlich – die Botschaft des Evangeliums. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Jesus selbst hat Menschen eingeschlossen, die andere ausgeschlossen haben: Zöllner, Kranke, Frauen, Kinder, sogar die Heiden.

Und trotzdem: Jesus verharmlost nicht. Er sagt nicht: „Alles egal, am Ende passt es schon.“ Sondern er macht deutlich: Gottes Liebe ist eine Einladung. Sie verlangt eine Antwort. Der Himmel ist weit – aber er ist kein Selbstläufer.

Das Bild der engen Tür wirkt auf den ersten Blick abweisend. Wer will schon durch eine enge Tür gehen, wenn daneben das große Tor offensteht? Aber wenn ich darüber nachdenke, wo mir Enge in meinem Leben wirklich erleben, dann sind es oft Situation aus meinem Alltag in der Praxis. Dann kommen Menschen mit einer Stimmstörung zu mir als Patienten. Und oft erzählen sie, natürlich nicht beim ersten Mal, aber nach einiger Zeit – von Spannungen und Konflikten in Ihrem Alltag. Sie sind aus der Liebe herausgefallen. Sie fühlen sich eng und bedrückt, und machen dabei ihre eigene Stimme eng. Und meistens noch viel mehr. Beziehungen zu lieben Menschen werden eng und schwierig. Manchmal denke ich: Ist das die enge Tür, von der Jesus spricht: In unserer Zeit, in unserer Welt, in unserer Kirche  – in der Zuversicht und in der Liebe zu bleiben?

Auch der heilige Benedikt spricht in seiner Regel von einem „Weg, der am Anfang nun einmal eng sein muss.“ Aber sogleich lenkt er die Perspektive auf das Herz, das sich weitet, um den Weg in unsagbar er Freude zu gehen.

„Bemüht euch mit allen Kräften“, sagt Jesus. Dieses Wort gefällt mir, weil es ehrlich ist. Es nimmt ernst, dass Glauben nicht immer leicht fällt.

Wir ringen ja ständig: mit Fragen der Gesundheit, mit der Zukunft der Kinder, mit Unsicherheiten im Beruf. Wir ringen mit Krisen in der Kirche und im Kloster, mit eigenen Zweifeln, mit der Frage, ob Gott wirklich hört, wenn wir beten.

Ich finde es sehr auffällig, dass Lukas uns unmittelbar vor diesen Worten von der Heilung einer Frau berichtet – wie es im biblischen Wort heißt- seit 18 Jahren von einem Dämon gekrümmt war und den Rücken nicht aufrichten konnte. In der sonntäglichen Leseordnung sind diese Verse als unbedeutend aussortiert und werden nicht gelesen. Als Körpertherpeut denk ich das natürlich unbedingt zusammen. Da ist die Enge, die Lebenstüren verschließen kann. Und Jesus sagt Ihr: „Du bist frei“. Wo Christus uns begegnet, da löst sich die Spannung, da weitet sich das Herz, da können wir aufatmen und wieder aufrecht stehen.“

Ich musste beim Evangelium an den Philosophen Hartmut Rosa und seine Gedanken zur Resonanz denken. Rosa sagt: Ein Leben gelingt dann, wenn wir uns berühren lassen – und wenn wir antworten. Nicht durch Kontrolle, nicht durch Wissen, nicht durch „alles im Griff haben“.

Genau das sehe ich hier bei Jesus: Er ruft uns, nicht weil wir perfekt sind, sondern weil wir bereit sind, uns berühren zu lassen. Die enge Tür ist kein Durchgang für die Starken, sondern für die, die ihre Schwäche nicht verstecken du es wagen, wieder mehr auf Gottes Liebe zu vertrauen in einem schwierigen Alltag.

Ich summe gerne den Schlager „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel“ , auch wenn mein Verstand natürlich auch weiß, dass es so leicht nicht immer sein wird. Aber er trägt einen wahren Kern und erinnert mich freudig daran: Ja, Gottes Himmel ist weit. Ja, er will uns alle an seinem Tisch haben. Aber: Er lädt uns nicht in eine unverbindliche Feier ein, sondern in eine echte Beziehung.

Darum dürfen wir das Lied mit einem neuen Unterton singen. Nicht als billige Vertröstung, sondern als Ausdruck unserer Hoffnung: Wir kommen alle in den Himmel – nicht, weil es selbstverständlich wäre, sondern weil Christus uns die Tür geöffnet hat.

Und durch diese Tür dürfen wir hindurchgehen – Schritt für Schritt, im Ringen, im Bemühen, im Vertrauen, in der Hoffnung.  Und vielleicht singen die Engel im Himmel ja nicht nur Halleluja, sondern auch mal so einen Kölner Schlager, wäre doch schön. Zum Beispiel: „Wir sind alles kleine Sünderlein, war immer so, war immer so, …. der Herrgott wird uns das bestimmt verzeihen, war immer, immer so“ oder eben noch ganz anders….